Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen eines Chefarztes und Hochschullehrers für Antrittsvorlesung und Betriebsfest
Leitsatz (redaktionell)
Die Aufwendungen eines angestellten Chefarztes einer Universitätsklinik und zugleich Hochschullehrers im Beamtenstatus für eine Antrittsvorlesung sowie für ein Betriebsfest, sind als Kosten der privaten Lebensführung nicht als Werbungskosten abziehbar.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem … als Chefarzt an der Universitätsklinik L nichtselbständig tätig. Zudem ist er Hochschullehrer im Beamtenstatus. Streitig ist, ob er Aufwendungen von 9.596,85 EUR für eine Antrittsvorlesung sowie 4.256,20 EUR für ein Betriebsfest im Streitjahr 2004 als Werbungskosten abziehen kann.
Der Beklagte hat die Aufwendungen als nicht abziehbare Kosten der privaten Lebensführung behandelt. Dagegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage. Der Kläger meint, beide Veranstaltungen seien beruflich veranlasst. Zumindest müssten die strittigen Kosten schätzungsweise aufgeteilt und 70 v.H. zum Werbungskostenabzug zugelassen werden. Das für § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angenommene Aufteilungs- und Abzugsverbot sei durch eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen durchbrochen.
Es sei an der Universität L ein ungeschriebenes Gesetz und seit Jahrzehnten üblich, dass jeder neue Ordinarius eine Antrittsvorlesung halte, deren Kosten er selbst zu tragen habe. Es werde erwartet, dass auch zu einem Empfang eingeladen werde. Dies sei bei keiner Antrittvorlesung anders gehandhabt worden, und entsprechend werde auch an anderen Universitäten verfahren. Die Fakultät stelle die Räumlichkeiten für die Vorlesung und den Empfang zur Verfügung. Die gesamte Veranstaltung sei auch für Studenten öffentlich. Bei dem speziell eingeladenen Personenkreis handele es sich ganz überwiegend um Ärzte oder mit diesen beruflich zusammenarbeitende Personen. Lediglich etwa 5 % der Teilnehmer seien aus dem nicht beruflichen Umfeld des Klägers gekommen. Eine Antrittsvorlesung sei eine Art Werbemaßnahme für die Klinik, den Lehrstuhl und die Universität. Bei dem anschließenden Empfang fänden ein Informationsaustausch und eine Diskussion in zwanglosem Rahmen statt. Der Fachvortrag stelle den Anknüpfungspunkt dar, so dass private Gespräche von völlig untergeordneter Bedeutung seien. Es habe sich so ergeben, dass der Arbeitgeber sich finanziell nicht beteilige. Der konkrete Nutzen für den Arbeitgeber möge zwar nicht messbar sein, wie für Werbemaßnahmen typisch. Dass ein Werbe- und Akquisitionsnutzen für den Arbeitgeber vorhanden sei, dürfte aber unzweifelhaft sein.
Für Betriebsfeste gebe es grundsätzlich keine finanziellen Mittel. Sie seien ansonsten nicht vorgesehen. Der Kläger halte Betriebsfeste aber aus Gründen der Motivation und der Verbesserung des Arbeitsklimas sowie der Unternehmensidentität und der Teamgeistförderung für notwendig. Der Nutzen komme letztlich nicht nur dem Arbeitgeber, sondern den Patienten zugute. Daher habe sich der Kläger veranlasst gesehen, im Streitjahr 2004 ein Betriebsfest zu gestalten. Er habe die Motivationspflege im Rahmen seiner Berufsausübung als ausgesprochen wichtig und nützlich angesehen. Gesellschaftliche Aspekte hätten bei der Veranstaltung keine Rolle gespielt.
Soweit bei beiden streitigen Veranstaltungen überhaupt wirtschaftliche oder gesellschaftliche Aspekte eine Rolle gespielt haben könnten, seien sie von völlig untergeordneter Bedeutung. Die Veranstaltungen hätten die beruflichen Arbeitsbedingungen verbessert und zum beruflichen Erfolg des Klägers sowie auch der Klinik beigetragen. Der Kläger habe zwar durch die Veranstaltungen keine höhere Vergütung erhalten. Die Veranstaltungen trügen jedoch dazu bei, die Einnahmen des Klägers im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG auf Dauer zu sichern. Ohne derartige Aufwendungen, insbesondere ohne ein Betriebsfest, ließen Arbeitsklima und Motivation nach, so dass er langfristig eine Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit befürchten müsse.
Zwar habe § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG inhaltlich seit Jahrzehnten nicht geändert werden müssen. Andererseits seien die Beschlüsse des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) weiter diskutiert worden (Beschlüsse vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 und GrS 3/70, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1971, 17 und 21, und vom 27. November 1978 GrS 8/77, BStBl II 1979, 213). Es sei auch auf den Vorlagebeschluss vom 20. Juli 2006 VI R 94/01 hinzuweisen (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs [vormals: Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs] – BFH/NV – 2006, 1968, zur Aufteilung für die Hinreise und Rückreise bei gemischt veranlassten Reisen). Im Übrigen sei zu fragen, ob nicht eine mit Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) unvereinbare Diskriminierung vorliege, wenn die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen wegen der...