Entscheidungsstichwort (Thema)
"Société par actions simplifiée" kann mögliche Gemeinschaftsrechtwidrigkeit des KapErtrSt-Abzugs nur gegenüber örtlich zuständigem Finanzamt geltend machen
Leitsatz (redaktionell)
1) § 44d Abs. 2 S. 1 EStG i.V.m. Anlage 7 zu § 44d EStG erfasste bis zur Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie durch die Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom 22.12.2003 nicht die "Société par actions simplifiée" französischen Rechts.
2) Eine vollständige Freistellung von der Pflicht zur Einbehaltung von Kapitalertragsteuern kann nur nach § 8b Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 50d Abs. 1 EStG gegenüber dem örtlich zuständigen Finanzamt geltend gemacht werden.
Normenkette
EStG § 43b Abs. 1, § 44 Abs. 1 S. 2; Mutter-Tochter-Richtlinie Art. 2; EStG § 43 Abs. 2, § 50 Abs. 1; KStG § 8b; FVG § 5 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 50d Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für Gewinnausschüttungen ihrer im Inland ansässigen Tochtergesellschaft die vollständige Freistellung von der Kapitalertragsteuer beanspruchen kann.
Die Klägerin ist eine in Frankreich ansässige Kapitalgesellschaft, die im Jahr 1999 in der Rechtsform einer „société par actions simplifiée” (S.A.S.) gegründet wurde. Sie ist alleinige Anteilseignerin der M GmbH mit Sitz in T (im Folgenden: M-GmbH).
Am 13. Juni 2002 stellte die Klägerin beim Bundesamt für Finanzen – BfF – (seit dem 1. Januar 2006 Bundeszentralamt für Steuern – BZSt –) einen Antrag auf Freistellung von der deutschen Abzugsteuer auf Kapitalerträge nach §§ 43b Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – i.V.m. § 50d Abs. 3 EStG.
Am 27. Juni 2002 erließ das BfF eine Freistellungsbescheinigung für den Zeitraum vom 13. Juni 2002 bis zum 31. Mai 2005. Darin bescheinigte das BfF, dass die M-GmbH als Schuldnerin der Kapitalerträge berechtigt sei, den Steuerabzug für die Kapitalerträge der Klägerin im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nach dem Doppelbesteuerungsabkommen – DBA – Frankreich in Höhe von 5 v.H. des Bruttoertrags vorzunehmen.
Gegen die Freistellungsbescheinigung legte die Klägerin Einspruch ein. Sie berief sich u.a. auf ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 14. Juni 2000 an das bayerische Staatsministerium der Finanzen. Darin werde ausgeführt, dass es aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sei, die Rechtsform der „SAS” einer AG im Sinne der Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – Abl. EG – Nr. L 225, 6, im Folgenden: Richtlinie 90/435/EWG) gleichzustellen. Die Freistellung sei daher für den Gesamtbetrag der Kapitalerträge zu gewähren.
Am 12. August 2002 meldete die M-GmbH Kapitalertragssteuer für Dividendenzahlungen an die Klägerin an. Auf Antrag der M-GmbH gewährte das zuständige Finanzamt T jedoch die Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 Abgabenordnung – AO –. Der streitige Betrag i.H.v. 5 % der Kapitalerträge wurde von der M-GmbH einbehalten. Eine Auszahlung dieses Betrages an die Klägerin erfolgte nicht.
Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2003 wies das BfF den Einspruch als unbegründet zurück. Das BfF vertrat dabei die Auffassung, dass eine Erstattung der deutschen Kapitalertragsteuer nicht möglich sei, da die Klägerin keine Muttergesellschaft i.S.d. § 44d Abs. 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung – EStG 2002 – i.V.m. Art. 2 der Richtlinie 90/435/EWG sei. Die Rechtsform der „société par actions simplifiée” sei in der Liste der unter Art. 2 Buchst. a) der Richtlinie 90/435/EWG fallenden Gesellschaften nicht genannt. Die Aufzählung der Rechtsformen sei abschließend.
Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Im Laufe des Klageverfahrens hat der erkennende Senat in einem Parallelverfahren dem EuGH gemäß Art. 234 Abs. 2 EG zur Auslegung und Vereinbarkeit der Richtlinie 90/435/EWG mit den europarechtlichen Grundfreiheiten folgende Fragen vorgelegt (vgl. FG Köln 2. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2008, 2 K 3527/02, EFG 2008, 1391):
- Ist Art. 2 Buchst. a) i.V.m. dem Anhang Buchst. f) der Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 225, 6) dahingehend auszulegen, dass auch eine französische Gesellschaft in der Rechtsform einer „société par actions simplifiée” bereits in den Jahren vor 2005 als „Gesellschaft eines Mitgliedstaats” im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden kann und ihr somit für einen von ihrer deutschen Tochtergesellschaft im Jahr 1999 ausgeschütteten Gewinn nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435/EWG die Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle zu gewähren ist?
Für den Fall, dass die Frage 1. zu verneinen ist:
Verstößt Art. 2 Buchst. a) i.V.m. dem Anhang Buchst. f) der Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Ste...