Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezeichnung des Klagebegehrens bei Klage gegen Schätzungsbescheide. keine Unterbrechung einer Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehren durch Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers. Abweisung einer bereits vor Insolvenzeröffnung unzulässig gewordenen Klage trotz Verfahrensunterbrechung infolge der Insolvenzeröffnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Sind die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe von Steuererklärungen geschätzt worden und ist gegen die Steuerbescheide geklagt worden, ohne die Steuererklärungen vorzulegen, so ist das Klagebegehren mit dem von der Steuerberaterin gestellten Antrag, „die angefochtenen Bescheide zu ändern und die tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen zugrunde zu legen”, nicht ausreichend bezeichnet.
2. Hat der Kläger auch nach einer Aufforderung des Gerichts keinen anderen Antrag gestellt und auch die Steuererklärungen nicht vorgelegt, so durfte der Berichterstatter dem Kläger eine vierwöchige Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens setzen. Wird kein zeitlich begrenzter Fristverlängerungsantrag gestellt und werden dem Gericht vor Fristablauf keine erheblichen Gründe für eine Fristverlängerung mitgeteilt, so läuft die Ausschlussfrist ungeachtet dessen ab, dass während des Zeitraums, in dem die Ausschlussfrist läuft, ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers gestellt worden ist und das zuständige Amtsgericht im Insolvenzeröffnungsverfahren einen Rechtsanwalt mit der Erstellung eines Gutachtens über das Vermögen des Klägers beauftragt hat.
3. Ist nach Ablauf der Ausschlussfrist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden und ist es somit zu einer Unterbrechung des Klageverfahrens gekommen (§ 155 FGO i. V. m. § 240 S. 1 ZPO), so kann die mit Ablauf der Ausschlussfrist unzulässig gewordene Klage noch während der Verfahrensunterbrechung als unzulässig verworfen werden (Anschluss an BGH v. 16.1.1959, I ZR 33/58, sowie OLG Düsseldorf v. 10.10.2000, 21 U 25/00).
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Sätze 1-2, § 155; ZPO § 54 Abs. 2, § 224 Abs. 2, § 240 S. 1, §§ 244, 249 Abs. 3
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt …
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Mit Bescheid vom 02. September 2010 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2008 und mit Bescheiden vom 12. Juli 2011 die Einkommensteuer, den Gewerbsteuermessbetrag und die Umsatzsteuer für 2009 fest. Die Besteuerungsgrundlagen hatte er jeweils geschätzt, weil P. (nachfolgend Schuldner) keine Steuererklärungen eingereicht hatte. Ebenfalls mit Bescheid vom 12. Juli 2011 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung für die mit Bescheid vom 02. September 2010 festgesetzte Einkommensteuer für 2008 auf.
Den gegen die Bescheide vom 12. Juli 2011 form- und fristgerecht von der vormaligen steuerlichen Beraterin des Schuldners eingelegten aber nicht weiter begründeten Einspruch, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2011 als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen form- und fristgerecht erhobenen Klage vom 22. Januar 2012 hat die vormalige steuerliche Beraterin namens und im Auftrag des Schuldners beantragt, die vorgenannten Bescheide dahin zu ändern, dass die tatsächlichen Besteuerungsrundlagen festgestellt und den Bescheiden zugrunde gelegt werden. Weiter heißt es in diesem Schriftsatz, die Klagebegründung erfolge später, die Prozessvollmacht werde später vorgelegt, die Bescheide und die Einspruchsentscheidung würden nachgereicht.
Der mit der Eingangsverfügung vom 01. Februar 2012 erfolgten Bitte, binnen vier Wochen den Gegenstand des Klagebegehrens im Sinne des § 65 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – zu bezeichnen, die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben und einen bestimmten und bezifferten Antrag zu stellen, kam der Schuldner nicht nach. Mit Schreiben vom 19. März 2012 gab der Berichterstatter dem Schuldner gemäß §§ 65 Abs. 2 Satz 2, 79b Abs. 1 und 2 FGO auf, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen, die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt und die Steuererklärungen einzureichen. Hierfür setzte er eine Frist von vier Wochen. Das Schreiben, das einen Hinweis auf die Folgen der Nichteinhaltung der Fristen enthält, wurde der vormaligen steuerlichen Beraterin des Schuldners am 21. März 2012 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
Mit Beschluss vom 28. März 2012 beauftragte das Amtsgericht S. den Kläger im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des Schuldners ein Gutachten zu erstatten, ohne ihn auch zum vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen. Mit einem am 18. April 2012 – dem letzten Tag der Frist – gegen 17.50 Uhr bei Gericht eingegangenen Telefax teilte die vormalige steuerliche Beraterin mit, dass der Schuldner zwischenzeitlich einen Insolvenzantrag gestellt hab...