Entscheidungsstichwort (Thema)
Einspruch gegen die Prüfungsanordnung bei Auftragsprüfung. Zuständigkeit für die Einspruchsentscheidung. Ermessen. keine Heilung nach § 127 AO bei unwirksamem Prüfungsauftrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Erlässt ein vom zuständigen Finanzamt mit der Durchführung einer Außenprüfung beauftragtes Finanzamt eine Prüfungsanordnung, so ist der Einspruch gegen die Anordnung der Außenprüfung bei diesem – dem beauftragten – Finanzamt einzulegen.
2. Das mit der Durchführung der Prüfung beauftragte Finanzamt ordnet die Außenprüfung „aufgrund gesetzlicher Vorschrift” im Sinne des § 367 Abs. 3 Satz 1 AO für das zuständige Finanzamt an. Zuständige Finanzbehörde für die Entscheidung über den Einspruch gegen die Prüfungsanordnung ist das beauftragende Finanzamt.
3. Die Beauftragung ist Ermessensentscheidung. Deshalb wird, wenn kein wirksamer Prüfungsauftrag vorliegt und ein unzuständiges Finanzamt prüft, der Fehler nicht nach § 127 AO geheilt.
Normenkette
AO § 195 S. 2, §§ 196, 357 Abs. 2, § 367 Abs. 3 S. 1, §§ 5, 127
Nachgehend
Tenor
1. Die Einspruchsentscheidung vom 23.10.2006 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Beklagte wurde vom Finanzamt mit der Durchführung einer Außenprüfung beim Kläger gemäß § 195 Satz 2 Abgabenordnung (AO) beauftragt und erließ am 25.07.2005 eine Prüfungsanordnung unter Hinweis auf die §§ 193 Abs. 2 Nr. 2 und § 194 Abs. 2 AO. Die Anordnung erstreckte sich auf die Einkommensteuer (ESt) 2000 bis 2002 sowie die gesonderten Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt auf den 31.12.2000, 31.12.2001 und 31.12.2002. Mit Prüfungsanordnung vom 20.09.2005 bzw. vom 09.11.2005 wurde die Außenprüfung wegen des Verdachts einer Steuerstraftat auf die ESt 1994 bis 2003 sowie die gesonderten Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs zur ESt auf den 31.12.1994 bis 31.12.2003 erweitert und die Vermögensteuer auf den 01.01.1994, 01.01.1995 und 01.01.1996 in den Prüfungsumfang mit einbezogen.
Mit Prüfungsanordnung vom 26.04.2006 bezog der Beklagte auch die Schenkungssteuer mit ein, nachdem er insoweit vom Finanzamt ebenfalls gemäß § 195 Satz 2 AO 1977 beauftragt worden war.
Gegen die Prüfungsanordnung vom 26.04.2006 legte der Kläger Einspruch ein.
Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.10.2006 als unbegründet zurück.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er hat zunächst weiterhin die Rechtswidrigkeit der angefochten Prüfungsanordnung gerügt und die Beiziehung (auch) der Prüferhandakten beantragt. Auf den richterlichen Hinweis, der Beklagte sei für die Entscheidung über die Einsprüche nicht zuständig gewesen, begehrt er nun in erster Linie, die Einspruchsentscheidung isoliert aufzuheben.
Der Kläger beantragt,
die Einspruchsentscheidung vom 23.10.2006 aufzuheben,
hilfsweise für den Fall, dass der Beklagte für den Erlass der Einspruchsentscheidung zuständig war, die Prüfungsanordnung vom 26.04.2006 sowie die Einspruchsentscheidung vom 23.10. 2006 aufzuheben,
wiederum hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Schreiben des Betriebsprüfers 02.05.2006 und 14.10.2006 sowie die eingereichten Schriftsätze.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet.
Der Beklagte war zum Erlass der Einspruchsentscheidung vom 23.10.2006 örtlich nicht zuständig. Die Einspruchsentscheidung ist daher isoliert aufzuheben, damit das zuständige Finanzamt gem. § 367 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 über den Einspruch des Klägers gegen die Prüfungsanordnung des Beklagten vom 26.04.2006 entscheiden kann.
1. Der Kläger hat seinen Einspruch zutreffend gegen den Beklagten gerichtet, weil dieser die Prüfungsanordnung vom 26.04.2006 erlassen hat (§ 357 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 AO 1977).
2. Der Beklagte war jedoch nicht für die Entscheidung über den bei ihm eingelegten Einspruch zuständig.
Gemäß § 367 Abs. 1 AO 1977 entscheidet zwar über den Einspruch grundsätzlich die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Richtet sich der Einspruch indes gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet gem. § 367 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Das Merkmal „aufgrund gesetzlicher Vorschrift” ist allerdings auslegungsbedürftig. Es kann sowohl auf eine unmittelbare gesetzliche Ermächtigung beschränkt sein, als auch die im Ermessen der zuständigen Behörde liegende Beauftragung einer anderen Behörde, z.B. nach § 195 Abs. 2 AO 1977, mit umfassen (Beschluss des ...