Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung des Geschäftswerts bei Veräußerung eines Betriebs nach erklärter Betriebsaufgabe und langjähriger Verpachtung
Leitsatz (redaktionell)
Ein bei der Veräußerung eines (langjährig) verpachteten Betriebs nach erklärter Betriebsaufgabe auf den Geschäftswert entfallendes Entgelt gehört zu den nachträglichen Einnahmen aus Gewerbebetrieb, auf die der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 EStG nicht in Betracht kommt.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 2, §§ 16, 34 Abs. 2 Nr. 1
Nachgehend
Gründe
I.
Streitig ist, ob der bei der Veräußerung eines verpachteten Betriebs auf den Geschäftswert entfallende Erlös steuerpflichtig ist.
Die Klägerin (Klin) erbte beim Tod ihres Ehemannes im Jahre 1987 eine Apotheke. Der Ehemann hatte die Apotheke selbst betrieben. Im Jahr 1971 hatte er die Betriebsaufgabe erklärt und die Apotheke verpachtet. Nach Ablauf des letzten Pachtverhältnisses wurde die Apotheke von der Klin zum 1. Juli 1993 veräußert. Nach dem Kauf- und Übergabevertrag vom Juli 1992 entfiel auf den Geschäftswert der Apotheke ein Erlös von 521.739,13 DM netto.
Die Betriebsaufgabe wurde bei der Einkommensteuerveranlagung 1971 berücksichtigt. Der Geschäftswert der Apotheke blieb bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen insoweit außer Ansatz. Im Einkommensteuerbescheid 1993 vom 23. Oktober 1995 setzte das beklagte Finanzamt unter Abzug von Veräußerungskosten i.H.v. 11.275,30 DM den Erlös für den Geschäftswert der Apotheke als Einkünfte aus Gewerbebetrieb an. Der Einspruch gegen diesen Bescheid wurde mit Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 1996 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Klage. Zur Begründung führt die Klin aus, daß der Veräußerungserlös im angefochtenen Bescheid nicht zu erfassen sei. Zwei Auffassungen zur Besteuerung, des Erlöses im Streitfall seien möglich. Zum einen könne man der Meinung sein, daß nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG die im Geschäftswert liegenden stillen Reserven bei einer Betriebsaufgabe nicht der Besteuerung unterlägen. Zum anderen könne man vom Zweck des § 16 Abs. 3 EStG ausgehend auch zu der Auffassung gelangen, daß ein Geschäftswert im Zuge der Betriebsaufgabe als Folge einer Verpachtung zwingend in das Privatvermögen zu entnehmen sei. Auch nach der zweiten Auffassung entfalle eine Besteuerung im Streitjahr, da der Geschäftswert beim Aufgabegewinn im Jahr 1971 anzusetzen gewesen wäre. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 29. April 1997 Bezug genommen.
Aber auch wenn man annehme, daß es sich bei dem Geschäftswert nach der Erklärung der Betriebsaufgabe noch um Betriebsvermögen gehandelt habe, sei die Besteuerung des Erlöses fehlerhaft. Es müsse berücksichtigt werden, daß sich dieser Geschäftswert infolge der langfristigen Verpachtung nach und nach verflüchtigt habe. Nachdem die Verpachtung der Apotheke rd. 22 Jahre betragen habe, sei der ursprüngliche Geschäftswert nicht mehr vorhanden gewesen. An seine Stelle sei der vom Pächter erarbeitete Geschäftswert getreten. Dieser sei nach Beendigung des Pachtverhältnisses an sie übergegangen. Da jedenfalls nach dem Untergang des früheren Geschäftswerts kein Betriebsvermögen mehr vorhanden gewesen sei, habe der Pächtergeschäftswert nur Privatvermögen werden können. Damit habe sich die Veräußerung nicht im einkommensteuerbaren Bereich vollzogen. Die Klin bezieht sich insoweit auf Gutachten des Deutschen Wissenschaftlichen Steuerinstituts der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten e.V. vom 5. Dezember 1995.
Weiter führt die Klin aus, daß die Besteuerung des Erlöses im Streitjahr in jedem Fall an der Bestandskraft der Einkommensteuerveranlagung 1971 scheitern müsse. Die Finanzverwaltung sei bis zum Jahr 1984 davon ausgegangen, daß bei Ermittlung des Aufgabegewinns nach erklärter Betriebsaufgabe anläßlich der Verpachtung des Gewerbebetriebs der originäre Geschäftswert anzusetzen sei. Daraus folge, daß das Finanzamt im Jahr 1971 abschließend über den aus Anlaß der Erklärung der Betriebsaufgabe entstandenen Gewinn zu entscheiden gehabt habe und bestandskräftig hierüber entschieden habe.
Auch wenn man allen angegebenen Gründen nicht folge, sei der angefochtene Bescheid fehlerhaft, weil er die Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG nicht berücksichtige. Der von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs angenommene Verbleib des Geschäftswertes im Betriebsvermögen beruhe nicht auf einer freien Willensentscheidung des Steuerpflichtigen. Der Sache nach handle es sich um eine von der Rechtsprechung erzwungene Betriebsaufgabe in zwei Akten. Betriebsaufgabe hinsichtlich der Wirtschaftsgüter, die nicht zum Geschäftswert gehörten, erfolge mit der Betriebsaufgabeerklärung bei, bzw. nach der Verpachtung des Betriebs. Die Betriebsaufgabe hinsichtlich des Restbetriebs „Geschäftswert” könne erst später mit dem Rechtsakt erfolgen, der zum endgültigen Ausscheiden des Geschäftswertes aus dem Betriebsvermögen führe. Folgeri...