Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfungsmitteilung des Lohnsteueraußenprüfers ist kein Änderungsantrag der betroffenen Steuerpflichtigen. Antrag im Sinne des § 171 Abs. 3 AO erfordert eine auf Tätigwerden des Finanzamts gerichtete Willensbekundung. Kenntnis eines Außenprüfers ist dem für die Veranlagung zuständigen Finanzamt nicht zuzurechnen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Lohnsteueraußenprüfer überbringt mit der Übersendung von Prüfungsmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter betroffener Arbeitnehmer nicht zugleich als Bote Änderungsanträge für die jeweils betroffenen Einkommensteuerveranlagungen.
2. Ein Antrag im Sinne des § 171 Abs. 3 AO erfordert eine Willensbekundung, die ein Tätigwerden der Finanzbehörde außerhalb des infolge des Amtsermittlungsgrundsatzes ohnehin gebotenen Verwaltungshandelns auslösen soll.
3. Für die Frage, ob eine Tatsache dem Finanzamt nachträglich bekannt geworden ist, kommt es auf die Kenntnis des Vorstehers, des Sachgebietsleiters oder des Sachbearbeiters des für die Veranlagung zur Einkommensteuer zuständigen Finanzamts an; die Kenntnis eines nicht dem Festsetzungsfinanzamt angehörigen Lohnsteueraußenprüfers ist nicht maßgeblich.
Normenkette
AO 1977 § 171 Abs. 3 S. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 174 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1 Die Klage wird abgewiesen.
2 Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist japanischer Staatsbürger und wurde von 1994 bis zur Mitte des Streitjahrs von seinem Arbeitgeber zu einer deutschen Tochterfirma entsandt und von dieser entlohnt. Der Kläger wird für das Streitjahr beim Finanzamt M, dem Beklagten, mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Einkommensteuererklärung 1997 der Kläger ging am 04.12.1998 beim Beklagten ein, der Einkommensteuerbescheid 1997 vom 09.03.1999 wurde bestandskräftig. Bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit wurde im Rahmen der Lohnabrechnung 1997 eine Einkommensteuernachzahlung für 1995 in Höhe von 211.925,13 DM als Arbeitslohn erfasst. Dabei ging die auszahlende Firma davon aus, dass 1995 aufgrund der bestehenden Nettolohnvereinbarung nur der Nettolohn bescheinigt und im Einkommensteuerbescheid 1995 vom 12.06.1997 entsprechend erfasst worden war.
Am 17.12.2002 ging beim Beklagten eine Prüfungsmitteilung der Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamts H ein, nach der die Hochrechnung des Arbeitslohns bereits im Kalenderjahr 1995 erfolgt sei und die Steuernachzahlung in 1997 keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn mehr darstelle. Die Doppelerfassung sei „insoweit auch nach § 174 AO zu berichtigen” und die nachfolgende Erstattung aufgrund vorliegender Abtretungsanzeige direkt an die Arbeitgeberin zu leisten. In der Rubrik „Besonderer Hinweis” der Prüfungsmitteilung wurde ausgeführt; „Durch Mandatswechsel hat sich der Zustellvertreter geändert. Die Änderungsbescheide sollen an nachstehende Anschrift bekannt gegeben werden: LK + Dipl.-Kfm. BN”. Die Prüfungsmitteilung wurde am 16.01.2003 kassentechnisch bearbeitet und am 31.03.2003 hinsichtlich ihrer einkommensteuerlichen Auswirkungen auf die Einkommensteuer 1997 geprüft. Mit Schreiben vom selben Tag teilte der Beklagte mit, dass die Änderung des Einkommensteuerbescheids 1997 wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist zum 31.12.2002 und des Fehlens eines vorherigen Änderungsantrags nicht mehr möglich sei.
In seinem hiergegen gerichteten Einspruch trug der damalige steuerliche Vertreter der Kläger vor, der Änderungsantrag sei bereits in der Schlussbesprechung der Lohnsteueraußenprüfung am 05.11.2002 in den Räumen des Arbeitgebers des Klägers gestellt worden. Von den Prüfungsergebnissen seien neben dem Kläger ca. 50 weitere Mitarbeiter der Firma betroffen gewesen. Die Prüfungsmitteilungen seien am 13.12.2002 versandt worden, sodass der Beklagte vor Ablauf der Festsetzungsfrist Kenntnis vom Änderungsantrag erlangt haben müsse. Hätte dagegen der Änderungsantrag unmittelbar beim Beklagten gestellt werden müssen, beantrage man aufgrund der anders lautenden Auskunft des Lohnsteueraußenprüfers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Der Beklagte teilte daraufhin mit, ein im Rahmen der Außenprüfung gestellter Antrag genüge nicht, zumal ein solcher Antrag vom Finanzamt H nicht übermittelt worden sei. Wiedereinsetzung in die Festsetzungsfrist des § 169 Abgabenordnung (AO) 1977 scheide nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aus.
Im weiteren Verlauf ermittelte der Beklagte, dass die Prüfungsmitteilung am 17.12.2002 in seinen Diensträumen in M eingegangen war. Er wies aber darauf hin, dass die für die Kläger zuständige Bearbeitungsstelle P aus logistischen Gründen frühestens am 19.12.2002 davon habe Kenntnis nehmen können. Ob die Mitteilung überhaupt noch in 2002 in P eingegangen sei, lasse sich nicht mehr rekonstruieren. Auf die drohende Festsetzungsverjährung sei jedoch in der Mitteilung auch nicht hingewiesen worden.
Daraufhin vertraten die ...