Entscheidungsstichwort (Thema)
Realsplitting bei Wohnsitz des Unterhaltsempfängers in Österreich. Einkommensteuer 1994 – 1997
Leitsatz (amtlich)
Kann die für den Abzug der an einen in einem anderen Mitgliedstaat der EU wohnenden, geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten geleisteten Unterhaltszahlungen nach § 1a Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erforderliche Bescheinigung über die Besteuerung der Unterhaltszahlungen nicht erbracht werden, weil in dem jeweiligen Mitgliedstaat –wie hier: in Österreich– die Unterhaltszahlungen nicht steuerpflichtig sind, führt dies weder zur Verfassungswidrigkeit der Regelungen des § 1a Abs. 1 Nr. 1 EStG noch liegt ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 12 EG oder gegen das Recht auf Freizügigkeit nach Art. 18 EG vor.
Normenkette
EStG § 1a Abs. 1 Nr. 1 S. 3, § 10 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3; EG Art.12 (früher Art. 6 EGVtr); EGVtr Art. 18; EStG § 52 Abs. 1 Hs. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist seit 3. April 1990 geschieden. Mit Kaufvertrag vom 17. Dezember 1990 hatte seine frühere Ehefrau, die österreichische Staatsangehörige ist, ihren Miteigentumsanteil an der Wohnung in der Conollystr. 25 in München zum Preis von 120.000 DM an den Kläger verkauft.
In seinen Einkommensteuer (ESt)-Erklärungen für die Streitjahre 1994 bis 1997 machte der Kläger Unterhaltszahlungen an seine in Salzburg lebende frühere Ehefrau in Höhe von jeweils (12 × 720 DM zuzüglich 12 × 10 DM Überweisungsgebühren =) 8.760 DM (1994, 1995, 1997) bzw. 10.230 DM (1996 – einschließlich 130 DM Überweisungsgebühren –) im Rahmen des Realsplittings nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) geltend. Das beklagte Finanzamt (FA) ließ diese Zahlungen in den ESt-Bescheiden 1994 bis 1997 unberücksichtigt. Die gegen sämtliche Bescheide durchgeführten Einspruchsverfahren hatten in diesem Streitpunkt keinen Erfolg. In der zusammengefassten Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 1999 führte das FA aus, dass ein Abzug der Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben bei einer nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Empfängerin wie der früheren Ehefrau des Klägers nach § 52 Abs., 2 i.V.m. § 1 a Abs. 1 Nr. 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung nur möglich sei, wenn die Besteuerung der Unterhaltsleistungen beim Empfänger durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen werde. Da Unterhaltszahlungen in Österreich nicht der Besteuerung unterlägen, könne die geforderte Bescheinigung im Streitfall nicht vorgelegt werden.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, die der Kläger wie folgt begründet: Während der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG lediglich die Zustimmung des Empfängers der Unterhaltszahlungen – unabhängig von einer tatsächlichen Besteuerung oder steuerlichen Auswirkung beim Empfänger – voraussetze, verlange der Abzug nach § 1 a Abs. 1 Nr. 1 EStG die tatsächliche Besteuerung der Unterhaltszahlungen beim Empfänger. Diese Ungleichbehandlung verstoße gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Des weiteren liege ein Verstoß gegen Art. 12 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) in der Fassung durch den Vertrag von Amsterdam vom 2.10.1997 vor. Diese Vorschrift verbiete Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit. Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Beschluss vom 17. Dezember 1997 (I B 108/97, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1998, 558) falle hierunter nicht nur die Diskriminierung nach dem formalen Merkmal der Staatsangehörigkeit, sondern auch eine faktische Ungleichbehandlung aufgrund von Kriterien, die der Staatsangehörigkeit typologisch ähneln. Hierzu gehöre insbesondere das Merkmal der Ansässigkeit Zwar sei im Streitfall der Kläger weder EU-Ausländer noch im Ausland ansässig. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (– EuGH – z. B. Urteil vom 21. September 1999, Rs. C 307/97 – Compagnie de Saint-Gobain, Slg. 1999 I – 6181) könne sich jedoch auch ein Steuerpflichtiger, der die Staatsangehörigkeit des Anwenderstaates besitzt, auf die Diskriminierungsverbote des EG berufen, wenn Leistungen im Inland nur deshalb einer höheren Steuer unterlägen, weil sie an einen Gebietsfremden erbracht wurden. Im Streitfall sei diese Voraussetzung erfüllt. Während es bei innerstaatlichen Sachverhalten stets zur Anwendung des Realsplittings komme – ggf. könne die Zustimmung des Empfängers zum Abzug der Unterhaltszahlungen durch ein Urteil nach § 894 Zivilprozessordnung ersetzt werden –, besteuerten viele ausländische Staaten – wie z. B. im Streitfall auch Österreich – Unterhaltszahlungen beim Empfänger nicht, so dass der Unterhaltsschuldner den Nachweis der Besteuerung niemals führen könne. Diese Ungleichbehandlung werde auch nicht d...