Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerliche Behandlung von vom Arbeitgeber zu Repräsentationszwecken überlassenen Kleidungsstücken. Haftung für Lohnsteuer 1995 bis 1998
Leitsatz (amtlich)
Müssen leitende Angestellte eines hochwertige Kleidungsstücke vertreibenden Arbeitgebers zu Repräsentationszwecken seine jeweils neueste Kollektion tragen, und überlässt er diesen Mitarbeitern die Kleidungsstücke über die nach der betriebsfunktionalen Zielsetzung ausreichende zeitweise Überlassung bis zur Einführung der neuen Kollektion hinaus zur dauernden Nutzung, knüpft der lohnsteuerpflichtige Vorteil an die (weitere) Überlassung nach Ablauf der Kollektionsdauer an. Die Bewertung des geldwerten Vorteils der überlassenen Kleidungsstücke richtet sich nach dem Zustand als Gebrauchtkleidung, in dem sie sich im Zeitpunkt der bei der betriebsfunktionalen Zielsetzung an sich gebotenen Rückgabe befindet.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2-3
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 8. September 2000 wird die im Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 19. Mai 1999 festgesetzte Haftungsschuld um 374.212,78 DM herabgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die beklagte Behörde.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die beklagte Behörde darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine GmbH, die u. a. hochwertige Bekleidungsartikel unter der Marke, … vertreibt. Die Klägerin stellt den Mitgliedern ihrer Geschäftsleitung jährlich ein bestimmtes Kontingent ihrer jeweils neuesten Kollektion zur Verfügung. Grundlage dafür ist die Kleiderordnung vom 2. Oktober 1986. Darin heißt es u. a.: „Die Mitglieder der Geschäftsleitung müssen … nach außenhin repräsentieren. Dabei geht es nicht um die Frage, dass …-Produkte getragen werden, sondern dass die neuesten …-Produkte gezeigt werden können. Deshalb soll eine Regelung getroffen werden, die dieser Anforderung Rechnung trägt.” Wegen der Einzelheiten wird auf die Kleiderordnung vom 2. Oktober 1986 verwiesen.
Im April 1999 fand bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung statt, die sich auf den Zeitraum März 1995 bis Dezember 1998 erstreckte. Dabei stellte die Prüferin fest, dass die im Rahmen der Kleiderordnung zur Verfügung gestellten Firmenprodukte von der Klägerin mit dem Händlereinkaufspreis als geldwerter Vorteil versteuert wurden. Nach Auffassung der Prüferin sei Bewertungsmaßstab für diese Sachbezüge aber nach § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der um 4 v.H. geminderte Endpreis, zu dem der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbiete. Die Differenzen von Händlereinkaufspreis zu Händlerverkaufspreis seien nachzuversteuern. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 28. April 1999 (insbesondere Tz. 4) Bezug genommen.
Auf dieser Grundlage erließ der Beklagte (das Finanzamt –FA–) gegen die Klägerin einen Lohnsteuerhaftungsbescheid (Bescheid vom 10. Mai 1999).
Mit ihrem dagegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, die Mitglieder der Geschäftsleitung seien verpflichtet, die Klägerin jederzeit zu repräsentieren. Dies gelte nicht nur innerhalb des Unternehmens gegenüber Mitarbeitern, sondern für jegliches öffentliche (auch private) Auftreten. Das Tragen anderer Bekleidungsmarken würde die Glaubwürdigkeit nicht nur der betroffenen Personen, sondern auch die der Klägerin gefährden. Es sei nicht denkbar, dass diese Personen bei Verhandlungen mit Großkunden, Lieferanten etc. Kleidungsstücke anderer Hersteller trügen. Die Überlassung der Kleidungsstücke sei damit im Streitfall nicht als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Arbeitsleistung, sondern aus überwiegend eigenbetrieblichem Interesse der Klägerin erfolgt.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das FA aus, bei den überlassenen Produkten handle es sich eindeutig nicht um typische Berufskleidung i. S. des § 3 Nr. 31 EStG. Auch ein zu steuerfreien Zuwendungen führendes überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers könne in den streitigen Zuwendungen nicht gesehen werden. Sei nämlich neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liege die Gewährung des Vorteils nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers. Dazu habe der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 4. Juni 1993 VI R 95/92 (BStBl II 1993, 687) entschieden, dass dem Vorteil ein Entlohnungscharakter nicht mit der Begründung abgesprochen werden könne, dass mit der Benutzung von Produkten des Arbeitgebers durch die Beschäf...