Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbst erbrachte Pflegeleistung, fiktive Aufwendungen
Leitsatz (redaktionell)
Selbst erbrachte Pflegeleistungen eines Angehörigen führen nicht zum Abzug eigener fiktiver Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen i.S.v. § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob Pflegeleistungen, welche die Klägerin für ihren pflegebedürftigen Vater selbst erbracht hat, als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerlich berücksichtigungsfähig sind.
Die Klägerin ist als Ärztin beschäftigt und erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit gem. § 19 EStG. Sie wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.
Nachdem die Klägerin zunächst keine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 abgegeben hatte, erließ der Beklagte am 01.02.2013 einen Einkommensteuerbescheid auf Schätzungsgrundlage, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Hiergegen legte die Klägerin am 05.02.2013 fristgemäß Einspruch ein.
Am 20.02.2013 gab die Klägerin sodann die Einkommensteuererklärung ab. Hierin erklärte sie Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit in Höhe von ca. 136.000,00 EUR sowie zusätzlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in geringer Höhe. Weiterhin erklärte die Kläger außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG in Höhe von insgesamt 54.612,00 EUR. Dem lag zugrunde, dass die Klägerin im Jahr 2011 ihren schwer erkrankten Vater gepflegt hatte. Der Gesamtbetrag setzte sich zusammen aus den von der Klägerin kalkulierten Pflegekosten in Höhe von 53.712,00 EUR sowie zusätzlich angefallenen Fahrtkosten in Höhe von 900,00 EUR. Die Pflegekosten ermittelte die Klägerin, indem sie einen Stundensatz für die von ihr erbrachten Pflegeleistungen in Höhe von 29,84 EUR ansetzte und diesen mit einem Stundenaufwand von 45 Stunden je Woche sowie eine Wochenanzahl von 40 multiplizierte (45 Stunden × 40 Wochen × 29,84 EUR/Std. = 53.712,00 EUR).
Am 18.03.2013 erließ der Beklagte einen geänderten Einkommensteuerbescheid und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Im Rahmen dieser Festsetzung setzte der Beklagte den Pflegepauschbetrag gem. § 33b Abs. 6 EStG in Höhe von 924,00 EUR steuermindernd an. Die von der Klägerin darüberhinausgehend geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen erkannte der Beklagte nicht an. In den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid führte der Beklagte zur Begründung aus, dass Pflegeeigenleistungen nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten. Der geänderte Einkommensteuerbescheid wurde Gegenstand des bereits anhängigen Einspruchsverfahrens. Am 22.03.2013 erließ der Beklagte eine Einspruchsentscheidung, mit welcher er den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückwies. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Berücksichtigung der von ihr selbst erbrachten Pflegeleistungen als außergewöhnliche Belastungen. Der Vater der Kläger habe an Diabetes im fortgeschrittenen Stadium gelitten. Diese habe schwerwiegende Begleiterscheinungen gezeigt, so dass im Jahr 2011 und 2012 die Amputation von Gliedmaßen unausweichlich war. Im Jahr 2011 habe der Vater der Klägerin infolge einer Operation zudem eine schwere Sepsis erlitten. Der Bewegungsfähigkeit ihres Vaters sei durch eine Spinalstenose und eine Plexusparese stark eingeschränkt gewesen. Im Jahr 2011 sei ihr Vater in Pflegestufe 2 eingestuft gewesen; im Jahr 2012 sei eine Hochstufung auf Pflegestufe 3 erfolgt. Die in § 33b Abs. 6 Satz 3 und 4 EStG genannten Voraussetzungen der Pflegedürftigkeit seien erfüllt gewesen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr im gesamten Jahr 2011 – unterbrochen allein durch die Krankenhausaufenthalte ihres Vaters – außergewöhnliche Belastungen angefallen seien, als sie ihren Vater zusammen mit ihrer Mutter pflegte. Als approbierte und promovierte Ärztin habe die Klägerin über die notwendige Vorbildung verfügt, um ihren Vater zu pflegen und zusätzlich einer Behandlungspflege zu unterziehen. Sie habe durchschnittlich 6,5 Stunden pro Tag zusätzliche Pflegeleistungen erbracht, welche die Pflegedienste nicht hätten erbringen können. Die Klägerin habe sich dabei auf ihre fachlichen Fähigkeiten und auf eine kollegiale Rücksprache mit dem Hausarzt ihres Vaters, Herrn Dr. med. W., gestützt. Der von der Klägerin angesetzte Stundensatz von 29,84 EUR entspräche den Stundensätzen der Bereitschaftsdienste in Kliniken. Zu berücksichtigen sei, dass durch diesen Stundensatz nicht permanente medizinische Pflege- und Intensivleistungen abgegolten würden. Denn der Bereitschaftsdienst umfasse auch, dass der Arzt auf Abruf zur Verfügung stehe. Die Klägerin habe hingegen in den angesetzten 6,5 Stunden pro Tag tatsächlich Pflegeleistungen und Behandlungspflegeleistungen erbracht. Der von der Klägerin angesetzte Stundensatz von 29,84 EUR bilde daher den Mindestsatz. Andere Pflegeleistungen habe der Vate...