Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitskosten; künstliche Befruchtung
Leitsatz (redaktionell)
1. Hinsichtlich der Berücksichtigung von Aufwendungen für eine Heilbehandlung als außergewöhnliche Belastung ist ein krankhafter Zustand dabei um so eher anzunehmen, je stärker die freie Entfaltung der Persönlichkeit in ihrem wesentlichen Kernbereich betroffen ist.
2. Es wird daher dem Steuerpflichtigen durch est-rechtliche Vorschriften nicht abverlangt, die Empfängnisunfähigkeit einer verheirateten Frau im Bereich der steuerrechtlich irrelevanten, rein privaten Einkommensverwendung zu bewältigen. Nichts anderes kann in dem Fall gelten, in dem eine nicht verheiratete Frau biologisch unfähig ist, ein Kind zu empfangen.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG § 33 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kosten einer künstlichen Befruchtung als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG abzugsfähig sind.
Die ledige Klägerin (Klin.) lebt seit 1987 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Herrn K. Im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuer(ESt)-Bescheid 1999 vom 16.10.2000 machte sie Ausgaben im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung in Höhe von 23.977,29 DM als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Die C Krankenkasse hatte die Erstattung der Kosten abgelehnt. Eine dagegen erhobene Klage hatte das Sozialgericht … durch Urteil vom 25.04.2002 (S 44 KR 208/01) abgewiesen. Die eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht … durch Urteil vom 23.10.2003 (L 5 KR 120/02) zurück. Nach § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V dürften Leistungen der künstlichen Befruchtung nur bei miteinander verheirateten Personen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden. Das Bundessozialgericht hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Landessozialgerichts durch Beschluss vom 07.01.2005 verworfen.
In der Einspruchsentscheidung (EE) vom 21.11.2001 lehnte der Beklagte (Bekl.) den beantragten Ansatz außergewöhnlicher Belastungen ab. Zwar habe der BFH (Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183/476, BStBl II 1997, 805) den Abzug derartiger Aufwendungen bei einem Ehepaar zugelassen, bei dem die Ehefrau empfängnisunfähig gewesen sei. Eine nicht verheiratete Frau befände sich jedoch nicht in der selben Zwangslage. Die Aufwendungen seien daher nicht zwangsläufig entstanden.
Zur Begründung der mit Schreiben vom 19.12.2001 erhobenen Klage trägt die Klin. vor, die „Ständige Kommission …” der Ärztekammer … habe die Behandlung der Klin. mit Schreiben vom 05.11.1998 befürwortet. Die C Krankenkasse habe die Kostenübernahme der entstandenen Kosten rechtskräftig abgelehnt.
Im Streitfall handele es sich ebenso wie in der BFH-Entscheidung vom 18.06.1997 um Ausgaben für eine homologe künstliche Befruchtung. Einziger Unterschied zu dem vom BFH entschiedenen Fall sei es, dass die Klin. nicht in einer Ehe, sondern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebe.
Auch bei unverheirateten Frauen gehöre das Recht, Kinder zu haben, zum Kernbereich des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für die künstliche Befruchtung begründe sich allein durch die mangelnde Fähigkeit einer Frau, Kinder auf natürlichem Wege mit ihrem Partner bekommen zu können. Wenn die mangelnde Empfängnisfähigkeit bei einer verheirateten Frau eine krankhafte Abweichung vom Normalzustand darstelle, könne für jede andere Frau nichts anderes gelten.
Die Klin. beantragt,
unter Aufhebung der EE vom 21.11.2001 und Änderung des ESt-Bescheides vom 16.10.2000 die ESt 1999 unter Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 EStG in Höhe von 23.977,29 DM niedriger festzusetzen,
im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung hält er an seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung fest. Zur Ergänzung trägt er unter Hinweis auf die Entscheidungen der Sozialgerichte vor, dem Gesetzgeber sei es nicht verwehrt, die Ehe auf Grund des Artikels 6 Abs. 1 GG gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Dieser Grundsatz gelte auch im Steuerrecht. Nichteheliche Lebensgemeinschaften und eingetragene Partnerschaften würden nach dem Willen des Gesetzgebers steuerlich nicht der Ehe gleichgestellt. Daher seien die geltend gemachten Aufwendungen für die künstliche Befruchtung im Streitfall nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Steuerakte verwiesen.
Der Senat hat am 27.04.2005 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Bekl. hat die geltend gemachten Aufwendungen für die von der Ärztekammer … befürwortete künstliche Befruchtung zu Unrecht nicht als Krankheitskosten im Rah...