Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldberechtigung bei selbstständiger Tätigkeit in Deutschland und Sozialversicherung in Polen
Leitsatz (amtlich)
Ein in Deutschland wohnender und in Deutschland selbstständige Erwerbstätiger unterliegt nach der VO (EWG) 1408/71 dem polnischen Recht, wenn er in Deutschland weder sozialversichert noch versicherungspflichtig ist und in Polen in der Sozialversicherung für Landwirte KRUS versichert ist.
Normenkette
EStG § 62; EWGV 1408/71 Art, 13; DVO 574/72 Art. 7 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger als selbstständig Tätigem in Deutschland Kindergeld für seine in Polen lebenden Kinder zusteht.
Mit Eingang bei der Beklagten am 27. Dezember 2007 beantragte der Kläger für seine am 8. Januar 1988 (A) und 4. August 1994 (K) geborenen Kinder Kindergeld. Er gab an, sie seien noch bis 2010 in Ausbildung. Er sei selbständig in Deutschland tätig. Dem Antrag beigefügt waren unter anderem eine Bestätigung darüber, dass der Kläger vom 1. Oktober 1999 bis auf weiteres gesetzlich renten-, unfall- und krankenversichert sei, und zwar in der Kasse der Sozialversicherung für Landwirte. Auf die Bescheinigungen in polnischer Sprache sowie ihre Übersetzung wird verwiesen (Blatt 34-35 der Kindergeldakte). Die Ehefrau des Klägers war ebenfalls in dieser Weise versichert (Blatt 36-37 der Kindergeldakte). Des Weiteren beigefügt war eine Bescheinigung E 401 (Blatt 9-11 der Kindergeldakte) und E 411 (Blatt 12-14 der Kindergeldakte), jeweils ausschließlich in polnischer Sprache.
Mit Schreiben vom 21. April 2008 forderte die Beklagte Informationen darüber, von wem für welchen Zeitraum Kindergeld gezahlt worden sei und warum eventuell in Polen kein Antrag gestellt worden sei. Hierauf wurden Bestätigungen darüber vorgelegt, dass die Ehefrau des Klägers bis einschließlich Dezember 2007 in Polen Kindergeld erhalten habe.
Mit einem Bescheid vom 5. August 2008 lehnte die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld ab, da der Kläger in Polen sozialversicherungspflichtig sei und er somit nach Art. 13 - 17 der VO (EWG) 1408/71 ausschließlich ausländischen Rechtsvorschriften unterliege, so dass ein Anspruch in Deutschland nicht bestehe.
Mit seinem Einspruch hiergegen trug der Kläger vor, ein Ausschluss nach Artikel 13-17 sei nicht erkennbar. Er habe einen Anspruch auf deutsches Kindergeld unter Anrechnung eines etwa zustehenden polnischen Kindergeldes, welches mangels eines Antrags der Ehefrau in Polen etwa zustehen würde. Die zuständigen Behörden in Polen hätten der Beklagten eine Bescheinigung E 411 zugesandt, mit der der Kindergeldanspruch in Polen erneut habe bescheinigt werden sollen. Es stehe bereits fest, dass der Kläger in Deutschland Anspruch auf hälftiges Kindergeld seit März 2006 habe. Dieser Anspruch basiere auf der Konkurrenzvorschrift des Art. 12 Abs. 2 VO Nummer 1408/71 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 DVO Nummer 574/72 gehabt. Danach führe der Ausschluss des deutschen Kindergeldes dazu, dass hier hälftiges Kindergeld zu zahlen sei.
Wegen einer Bescheinigung E 411 vom 8. Juni 2009 (Blatt 79-83 der Kindergeldakte) wird auf die Übersetzung (Blatt 84 der Kindergeldakte) verwiesen. Aus der Bescheinigung schlussfolgerte der Kläger, dass ihm für K bis Ende 2007 polnisches Kindergeld zugestanden habe, so dass von März 2006 bis Dezember 2007 Kindergeld zur Hälfte und ab Januar 2008 voll zu zahlen sei. Da ihm für A kein polnisches Kindergeld zustehe, sei für das Kind ab März 2006 deutsches Kindergeld in voller Höhe zu leisten.
Mit Schriftsatz vom 12. November 2009 teilte der Kläger mit, wegen nachträglicher Feststellung zu hoher Einkommensgrenzen aus seinen Einnahmen in Deutschland sei polnisches Kindergeld für den Zeitraum September 2006 bis August 2007 von ihm zurückgefordert worden. Auf den Rückforderungsbescheid werde verwiesen (Blatt 91 der Kindergeldakte in polnischer Sprache). Daher beurteile sich der Anspruch allein nach §§ 62 ff. EStG, § 65 EStG und die damit verbundenen gemeinschaftsrechtlichen Konkurrenzregelungen fänden keine Anwendung. Für A bestehe ebenfalls ein Anspruch, da in Polen wegen des Studiums des Kindes kein Anspruch bestehe.
Die Beklagte forderte nunmehr einen Nachweis darüber, dass durchgängig ab März 2006 in Polen aus rechtlichen Gründen kein Anspruch auf Kindergeld bestanden habe.
Der Kläger verwies auf eine Bescheinigung einer polnischen Behörde vom 2. Februar 2010, dass für das Kind A kein Kindergeld bewilligt worden sei, weil es sich in einer universitären Ausbildung befunden habe (Übersetzung: Blatt 147,150-151 der Kindergeldakte).
Weiterhin legte der Kläger auf Aufforderung eine Freizügigkeitsbescheinigung vom 20. Juni 2006 vor (Blatt 131 der Kindergeldakte).
Mit zwei Teilabhilfebescheiden vom 5. Mai 2010 setzte die Beklagte für den Zeitraum September 2006 bis August 2007 für beide Kinder Kindergeld in voller Höhe fest. Für A wurde überdies Kindergeld in voller Höhe...