Rz. 4

Innerhalb des Systems der deutschen Besteuerung der Auslandsbeziehungen stellt § 2a Abs. 1 EStG einen Systembruch dar. Grundlegend für das System des deutschen Außensteuerrechts ist die Zweiteilung in Freistellungs- und Anrechnungssystem, aus dem sich jeweils bestimmte rechtliche Folgerungen ergeben.

 

Rz. 4a

Bei der Freistellungsmethode werden die im Ausland verwirklichten Tatbestände außer Betracht gelassen. Das hat zur Folge, dass positive ausl. Einkünfte im Inland der Besteuerung nicht unterworfen werden, andererseits aber auch negative Einkünfte aus dem Ausland die Steuerlast nicht unmittelbar mindern. Positive und negative ausl. Einkünfte haben damit nur mittelbar über den Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG) Einfluss auf die inl. Besteuerung.

 

Rz. 4b

Die zweite Methode der Besteuerung ausl. Einkünfte besteht in der Anrechnungsmethode, die für bestimmte Einkünfte in den DBA vereinbart ist und darüber hinaus immer dann gilt, wenn kein DBA eingreift (§ 34c EStG). Nach dieser Methode werden positive und negative ausl. Einkünfte wie inl. Einkünfte behandelt; als Besonderheit kommt lediglich hinzu, dass die ausl. Steuer in bestimmtem Umfang auf die inl. Steuer angerechnet oder von der Bemessungsgrundlage abgezogen wird.

 

Rz. 5

Beide Methoden, die Freistellungs- wie die Anrechnungsmethode, sind insofern konsequent, als sie positive und negative Einkünfte in gleicher Weise berücksichtigen und damit dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wenigstens im Grundsatz, Rechnung tragen. Wenn ausl. positive Einkünfte im Inland nicht besteuert werden (Freistellungsmethode) und die durch diese Einkünfte gesteigerte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu einer inl. Besteuerung führt, ist es konsequent, wenn negative ausl. Einkünfte ebenfalls nur im Rahmen des (negativen) Progressionsvorbehalts zu einer Entlastung von der inl. Steuer führen. Dies ist Ausdruck einer typisierenden Betrachtung, aus ausl. Quellen fließende erhöhte Leistungsfähigkeit durch die ausl. Steuer angemessen zu belasten, dementsprechend eine durch Verluste geminderte Leistungsfähigkeit durch Reduzierung der ausl. Steuer angemessen zu entlasten. Bei Anwendung der Anrechnungsmethode führen positive und negative ausl. Einkünfte zu einer der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechenden Be- und Entlastung im Inland.

 

Rz. 6

In dieses in sich im Wesentlichen widerspruchsfreie System der Besteuerung von Auslandsbeziehungen lässt sich § 2a Abs. 1 EStG nicht einordnen.[1] Nach dieser Vorschrift werden bestimmte negative ausl. Einkünfte sowie, seit der Erweiterung der Vorschrift durch G. v. 25.2.1992[2], bestimmte inl. Einkünfte mit starkem Auslandsbezug nicht berücksichtigt, obwohl die entsprechenden positiven Einkünfte im Inland besteuert werden. Damit werden die in § 2a Abs. 1 EStG genannten Einkünfte, wenn sie positiv sind, als Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Inland erfasst, bei den entsprechenden negativen Einkünften wird jedoch trotz geminderter Leistungsfähigkeit die Entlastung versagt.

 

Rz. 7

Besonders fühlbar wird der hierin liegende Systembruch dadurch, dass § 2a Abs. 1 EStG zwar als Vorschrift gegen "Verlustzuweisungen" konzipiert ist, aber in seiner konkreten Ausgestaltung sowohl bloße "Buchverluste" als auch wirkliche betriebswirtschaftliche Verluste trifft. Insgesamt stellt § 2a Abs. 1 EStG einen Systembruch dar, dessen Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 GG) durchaus bezweifelt werden kann (Rz. 13ff.).

 

Rz. 8

Zur grundsätzlichen Einschränkung der Berücksichtigung von ausl. Verlusten im Inland in § 2a Abs. 1 EStG enthält § 2a Abs. 2 EStG eine Ausnahme, die allerdings nur für negative Einkünfte aus gewerblichen Betriebsstätten im Ausland bzw. bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland haben, gilt. § 2a Abs. 2 EStG lässt den Abzug gewerblicher Verluste aus sog. aktiver Tätigkeit im Ausland zu. Da DBA nach § 2 Abs. 1 AO als Spezialgesetze auch gegenüber § 2a Abs. 2 EStG Vorrang haben und durch die Freistellungsmethode bei Betriebsstätten die unmittelbare Übertragung von ausl. Verlusten in das Inland verhindern, gilt § 2a Abs. 2 EStG nur für Verluste aus Staaten, mit denen kein DBA besteht, oder wenn ausnahmsweise ein DBA für Betriebsstätten nicht die Freistellungsmethode vorsieht. Das kann auch der Fall sein, wenn das DBA für die Freistellung von bestimmten Betriebsstätteneinkünften eine Aktivitätsklausel enthält. Dann schließt § 2a Abs. 1 EStG die Berücksichtigung von Verlusten im Inland aus. In ähnlicher Weise werden inl. negative Einkünfte aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung haben, zum Abzug zugelassen.

[1] Zur Kritik auch Eggesiecker u. a., FR 1982, 484; Vogel, BB 1983, 180; Rädler, FR 1983, 337; Manke, DStZ 1984, 235; Mössner, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2a EStG Rz. A 71.
[2] BStBl I 1992, 146.

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