Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 34
§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG erläutert nicht, was unter einer nahestehenden Person zu verstehen ist, obwohl es sich hierbei um den zentralen Begriff der Regelung handelt. Unbestritten ist lediglich, dass die Voraussetzungen des Nahestehens im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge i. S. d. § 11 Abs. 1 EStG erfüllt sein müssen. Im Übrigen finden sich im Schrifttum unterschiedliche Ansätze zur inhaltlichen Konkretisierung. Eine Ansicht will auf die Definition der nahestehenden Person in § 1 Abs. 2 AStG zurückgreifen. Nach einer anderen Ansicht soll § 1 Abs. 2 AStG lediglich als Ausgangspunkt dienen, der Begriff im Ergebnis aber weiter zu verstehen sein, ohne dass dieses weitere Verständnis näher erläutert wird. Auch die gegenteilige Ansicht, wonach dem Begriff der nahestehenden Person ein engeres Verständnis als in § 1 Abs. 2 AStG zukommen soll, findet sich im Schrifttum. Auch hier bleibt aber offen, wodurch sich dieses engere Verständnis auszeichnet. Eine weitere Ansicht tritt dafür ein, das im Zusammenhang mit der vGA an nahestehende Personen von der Rspr. entwickelte Verständnis, wie es in H 36 Abs. 3 KStH niedergelegt ist, für Zwecke des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG heranzuziehen. Ein Nahestehen kann danach durch jede Beziehung familien-, gesellschafts-, schuldrechtlicher oder tatsächlicher Art begründet werden, die den Schluss zulässt, sie habe die Vorteilszuwendung der Kapitalgesellschaft an die jeweilige Person beeinflusst. Eine weitere Ansicht bringt § 138 InsO und § 10 Abs. 5 UStG als mögliche Anknüpfungspunkte in die Diskussion. Die Finanzverwaltung stand zunächst auf dem Standpunkt, dass von einem Nahestehen i. S. d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG immer dann auszugehen ist, wenn der Gläubiger und der Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i. S. d. § 15 AO sind.
Rz. 35
Der BFH hat sich zu Recht keiner der vorstehenden Meinungen angeschlossen, sondern darauf verwiesen, dass nach der Gesetzesbegründung ein Nahestehen i. S. d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG ein Beherrschungsverhältnis voraussetzt. Ein aus der Angehörigeneigenschaft i. S. d. § 15 AO abgeleitetes, bloßes persönliches Näheverhältnis kann damit gerade nicht genügen. Erforderlich ist vielmehr, dass die Person auf den Stpfl. einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Stpfl. auf die Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Stpfl. imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Stpfl. oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Von einer Beherrschung i. d. S. ist nach Ansicht des BFH auszugehen, wenn der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Gegen einen Rückgriff auf den Angehörigenbegriff i. S. d. § 15 AO sprechen darüber hinaus verfassungsrechtliche Überlegungen. Würde § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG das Vorliegen eines Angehörigenverhältnisses i. S. d. § 15 AO für den Ausschluss des proportionalen Sondertarifs i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG ausreichen lassen, wäre eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung von Ehe und Familie i. S. d. Art. 6 Abs. 1 GG gegeben. Die Finanzverwaltung hat sich dieser einschränkenden Auslegung zwischenzeitlich angeschlossen, und ergänzt, dass das erforderliche Abhängigkeitsverhältnis wirtschaftlicher oder persönlicher Natur sein kann, was vom BFH bestätigt wurde. Darüber hinaus hat der BFH klargestellt, dass es für die Annahme eines eigenen wirtschaftlichen Interesses an der Einkünfteerzielung des anderen und damit einem Nahestehen i. S. d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG nicht ausreicht, wenn der Gläubiger von der Besteuerung der Kapitalerträge nach dem besonderen Proportionaltarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG profitiert und der Schuldner die gezahlten Vergütungen im tariflichen Bereich als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen kann. In Fällen, in denen Kapitalvermögen an eine Personengesellschaft zur Nutzung überlassen wird, ist von einem Nahestehen i. S. d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG auszugehen, wenn der Gläubiger eine Beteiligung innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen. Die Beherrschung der Personengesellschaft braucht dabei nicht auf einer unmittelbaren Beteiligung beruhen. Sie kann auch mittelbar über eine Beteiligungsgesellschaft ausgeübt werden. In besonderen Fällen kann darüber hinaus eine faktische Beherrschung genügen.
Rz. 36
Bedeutung des Fremdvergleichs
Bei Kapitalüberlassungen zwischen nahestehenden Personen sind neben § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG auch die von der Rspr. aufgestellten und von de...