Carsten Schmitt, Prof. Dr. Bert Kaminski
Rz. 49
§ 35 Abs. 1 EStG sieht vor, dass der von der ESt abziehbare Betrag durch folgende Höchstgrenzen beschränkt wird:
- den potenziellen Anrechnungsbetrag (Rz. 56ff.),
- die tatsächlich gezahlte GewSt (Rz. 76ff.),
- die anteilige tarifliche ESt (Rz. 87ff.),
- die insgesamt zu entrichtende ESt (Rz. 115ff.).
Hierbei ist zu beachten, dass die für die jeweiligen Grenzen verwendeten Begrifflichkeiten nicht einheitlich sind.
Rz. 50
Durch die Höchstgrenzen soll erreicht werden, dass eine Anrechnung nur insoweit erfolgen kann, wie eine Doppelbelastung vorliegt, weil nur insoweit die Notwendigkeit gesehen wird, eine Entlastung zu gewähren. Andererseits soll verhindert werden, dass eine Steuer angerechnet wird, die tatsächlich gar nicht bezahlt wurde. Zugleich strebt der Gesetzgeber keine vollständige Neutralisierung der durch die GewSt entstandenen Belastung an, sondern begrenzt diese auf einen absoluten Betrag. Deshalb sind die Grenzen kumulativ zu beachten. Es ist nur der Betrag abziehbar, der nach der strengsten Grenze verbleibt.
Rz. 51
Die Bezeichnung der "Anrechnung" ist üblich und wird deshalb zum besseren Verständnis auch im Rahmen dieser Kommentierung verwendet. Dabei handelt es sich nicht um eine solche i. S. v. § 34c Abs. 1 EStG, § 26 KStG oder § 21 ErbStG. In diesen Fällen wird eine Identität des Steuersubjekts als Voraussetzung für die Anrechnung verlangt. Daran fehlt es im Rahmen von § 35 EStG bei Personengesellschaften und einer KGaA. Gleichwohl steht dies einem Abzug des Entlastungsbetrags von der ESt nicht entgegen. Folglich kann auch nicht auf die genannten Regelungen zur Auslegung von § 35 EStG zurückgegriffen werden.
Rz. 52
Eine Nutzung des § 35 EStG setzt voraus, dass – ohne die Ermäßigung nach Maßgabe dieser Norm – überhaupt eine ESt geschuldet wird. Ist dies nicht der Fall, kann durch eine Steuerermäßigung grundsätzlich keine Erstattung ausgelöst werden. Denkbar ist, dass trotz sehr niedriger gewerblicher Einkünfte eine Belastung mit GewSt eintritt. Dies wird vom Gesetzgeber billigend in Kauf genommen; die GewSt-Zahlungen bleiben hiervon unberührt.
Hinzurechnungsbeträge und Folgen für den Gewerbeertrag
Ein Stpfl. ist als Einzelunternehmer tätig und erzielt hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. v. 8.000 EUR und bleibt damit unterhalb des Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG. Gleichwohl führen die Hinzurechnungstatbestände des § 8 GewStG dazu, dass sein Gewerbeertrag – auch unter Berücksichtigung des Freibetrags nach § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG – positiv ist und deshalb eine GewSt-Zahlung geleistet werden muss.
Rz. 53
Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 S. 1 EStG ist die Anrechnung nach § 35 EStG gegenüber den anderen sonstigen Steuerermäßigungen subsidiär. Etwas anderes gilt nur infolge der expliziten Regelung für das Baukindergeld (§ 34f EStG), die Parteispenden (§ 34g EStG) und die Steuerermäßigungen bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen (§ 35a EStG) und für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen bei zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden (§ 35c EStG).
Rz. 54
Die tarifliche ESt bildet die Ausgangsgröße für die Bestimmung des Ermäßigungsbetrags. Sie wird um die anzurechnenden ausl. Steuern nach § 34c Abs. 1 und 6 EStG sowie um die Beträge nach § 12 AStG verringert. Da hiermit eine geringere Anrechnungsmöglichkeit verbunden ist, kann es sich anbieten, statt der Anrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG zu prüfen, ob die Anwendung der Abzugsmethode nach § 34c Abs. 2 EStG zu einem steuerlichen Vorteil führt. Dies wird i. d. R. jedoch nicht der Fall sein, weil diese Möglichkeit nicht isoliert für Zwecke des § 35 EStG ausgeübt werden kann. Damit wird i. d. R. eine deutlich höhere Mehrbelastung an ESt entstehen.
Rz. 55
Die gewerblichen Einkünfte werden nach den allgemeinen Regelungen bestimmt. Hieraus folgt, dass diese solche Bestandteile nicht enthalten, die aufgrund irgendwelcher Regelungen steuerfrei sind. Dies gilt speziell für den Teil der Einkünfte, die nach dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfrei sind. Hierbei ist zu beachten, dass diese Regelung – ebenso wie § 3c Abs. 2 EStG – auf Ebene der Personengesellschaft anzuwenden sind. Zwar vertrat die Finanzverwaltung hierzu zunächst die Auffassung, dass eine Berücksichtigung auf Ebene des Gesellschafters zu erfolgen habe. Allerdings wurde ab dem Erhebungszeitraum 2004 durch die neu eingefügte Regelung in § 7 S. 4 GewStG entschieden, dass eine Anwendung auf der Gesellschaftsebene erfolgt. Hieraus folgt unmittelbar, dass der steuerfreie Teil nicht im Gewerbeertrag enthalten ist. Folglich dürfen auch die nach § 3c Abs. 2 EStG nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben ihn auch nicht verringern. Zugleich sind die steuerbefreiten Teile keine gewerblichen Einkünfte i. S. v. § 15 EStG. Die Belastung von Beteiligungserträgen mit GewSt richtet sich nach § 9 Nr. 2a u. § 8 Nr. 5 GewStG. Bei einer Kürzung nach § 9 Nr. ...