Rz. 116
Unter § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG fallen nur die Wege zwischen "Wohnung" und erster Tätigkeitsstätte. "Wohnung" i. d. S. ist weit zu fassen; hierunter zu verstehen ist jede Art von Unterkunft, von der aus der Stpfl. zur ersten Tätigkeitsstätte geht oder fährt. Die Wohnung i. d. S. braucht also nicht "Mittelpunkt der Lebensverhältnisse" zu sein (vgl. aber Rz. 119); der Stpfl. kann z. B. bei der doppelten Haushaltsführung (Rz. 158ff.) seine Wohnung am Tätigkeitsort haben, von der aus er täglich zur ersten Tätigkeitsstätte fährt, den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse aber an einem anderen Ort, nämlich dem Familienwohnsitz.
"Wohnung" i. d. S. kann daher auch ein Hotelzimmer sein, ein möbliertes Zimmer, eine Behelfsunterkunft, Unterkunft auf einem Schiff oder in Holzbaracken, ein Holzhaus in einem Schrebergarten, ein Wohnwagen, ein Schlafplatz in einer Massenunterkunft oder ein Zelt.
Es muss sich aber um eine "Wohnung des Stpfl." handeln, d. h. eine Unterkunft, die dem Stpfl. zuzurechnen ist. Darunter können neben der ständigen Wohnung auch vorübergehende Unterkünfte fallen, die z. B. wegen vorübergehender Unbenutzbarkeit der regelmäßigen Wohnung genutzt werden (z. B. Hotel oder Wohnung eines Freunds). Nicht hierunter fallen aber kurzfristige Unterkünfte, die neben der benutzbaren Wohnung vorhanden sind und aus privaten Gründen aufgesucht werden. Auch kann hierunter ein Zimmer im Haus der Eltern fallen. Besuchsweise Übernachtung bei einem Freund begründet daher keine "eigene Wohnung".
Rz. 117
Wird der Weg zur ersten Tätigkeitsstätte von der Wohnung des Lebensgefährten aus angetreten oder führt der Weg dorthin zurück, hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob diese Wohnung des Lebensgefährten "eigene" (weitere) Wohnung des Stpfl. ist oder ob die Übernachtung dort Besuchscharakter trägt. Hierfür kann entscheidend sein, wie häufig der Stpfl. dort übernachtet, ob er dort eigene Möbel hat, ob er dort (als Zweitwohnung) polizeilich und postalisch gemeldet ist usw.
Rz. 118
Wird der Weg danach von einem Ort angetreten, der nicht "eigene Wohnung" ist, sind die Aufwendungen wegen des Bezugs zur Privatsphäre nicht als Werbungskosten absetzbar (Rz. 112). Führt nur ein Weg des Arbeitstags von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte oder umgekehrt, sind die Kosten dieses Wegs mit dem halben Pauschbetrag des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG anzusetzen.
Rz. 119
Unterhält der Stpfl. nebeneinander mehr als eine Wohnung und geht oder fährt er, jeweils in bestimmten Perioden, von zwei oder mehr Wohnungen aus zur Arbeit, gelten die in dem Grundsatzurteil des BFH herausgearbeiteten Grundsätze. Diese Regeln sind durch Gesetz v. 25.7.1988 in das Gesetz übernommen worden und aktuell in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 6 EStG geregelt.
Danach ist grundsätzlich maßgebend, von welcher Wohnung aus sich der Stpfl. am jeweiligen Arbeitstag zur ersten Tätigkeitsstätte begibt. Es ist nicht maßgebend, von welcher Wohnung aus dies der Stpfl. überwiegend tut.
Tritt jedoch der Stpfl. seinen Weg zu der ersten Tätigkeitsstätte von einer Wohnung aus an, die weiter entfernt von der ersten Tätigkeitsstätte, als die andere Wohnung, so sind die Mehraufwendungen, die durch den längeren Weg verursacht werden, nur Werbungskosten, wenn die weiter entfernt liegende Wohnung zugleich Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Stpfl. ist und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.
"Mittelpunkt der Lebensverhältnisse" ist bei einem verheirateten Arbeitnehmer (u. Lebenspartner gem. § 2 Abs. 8 EStG) oder Lebensgefährten regelmäßig der tatsächliche Wohnort der Familie, es sei denn, die Familie hält sich an diesem Ort nur vorübergehend auf. Nicht der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse ist daher die Wohnung, die nur an Wochenenden, im Urlaub oder während der Schulferien der Kinder genutzt wird. Ein in den Sommermonaten benutzter Dauer-Campingplatz ist daher nicht Mittelpunkt der Lebensverhältnisse, wenn daneben die Stadtwohnung beibehalten wird.
Bei einem alleinstehenden Stpfl. ist der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse dort, wo er besonders verwurzelt ist. Diese besondere Verwurzelung des Stpfl. an einem Ort kann sich aus persönlichen Bindungen an Personen (Eltern, Verlobte, Freundes- und Bekanntenkreis), aus Vereinszugehörigkeiten und aus anderen Aktivitäten ergeben. Hinzukommen muss jedoch, dass sich der Stpfl. an diesem Ort nicht nur selten aufhält, sondern, von Urlaubsreisen abgesehen, im Wesentlichen seine Freizeit hier verbringt.
Rz. 120
"Nicht nur gelegentlich" wird der Mittelpunkt der Lebensinteressen aufgesucht, wenn pro Vz die Wohnung einige Male aufgesucht wird. Entscheidend ist die Zahl der Besuche in der Wohnung, nicht die Dauer des Aufenthalts. Der Stpfl. muss die Wohnung häufiger, in nicht zu großen Zeitabständen, aufsuchen. Nach Ansicht der Verwaltung genügt hierfür bei verheirateten Arbeitnehmern, wenn die Familienwohnung sechsmal bzw. bei anderen Arbeitnehmern, wenn die Wohnung mindestens zwei...