vorläufig nicht rechtskräftig
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt
Entscheidungsstichwort (Thema)
Drittwirkung der Steuerfestsetzung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten
Leitsatz (redaktionell)
- Im Haftungsverfahren hat die gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzte Steuer nach § 166 AO auch gegenüber seinem Gesamtrechtsnachfolger Geltungswirkung, da der von § 166 AO erfasste und zur Anfechtung der Steuerfestsetzung befugte Haftungsschuldner im Haftungsverfahren keine erneute Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Steuerfestsetzungen haben soll.
- Aufgrund der ausdrücklichen Einbeziehung des Bevollmächtigten in den Anwendungsbereich des § 166 AO erstreckt sich die Drittwirkung der unanfechtbar gewordenen Umsatzsteuerfestsetzung auch auf den Kläger, der als Prozessbevollmächtigten der Steuerschuldnerin in dem gegen den Steuerbescheid geführten Rechtsmittelverfahren aufgetreten ist.
- Der Anwendungsbereich des § 166 AO ist nicht auf diejenigen Fälle begrenzt, in denen die Haftungsinanspruchnahme des Bevollmächtigten auf §§ 69, 35 AO gestützt wird.
Normenkette
HGB § 171 Abs. 1; AO § 191 Abs. 1, § 166
Streitjahr(e)
2013
Nachgehend
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner für Steuerschulden der A (GmbH) als Rechtsnachfolgerin der B (KG) gemäß § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 171 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB).
Die KG wurde im Jahr 2007 gegründet und am 8. Januar 2008 in das Handelsregister eingetragen (HRA des Amtsgerichts). Der Kläger war seit Gründung der KG bis zu seinem Austritt im Jahr 2013 (eingetragen im Handelsregister am 13. Februar 2013) Kommanditist der KG. Persönlich haftende Gesellschafterin der KG war die GmbH, die nach Austritt des Klägers auch Rechtsnachfolgerin der KG wurde. Laut Steuerbilanz der KG zum 31. Dezember 2008 hatte der Kläger die laut Handelsregister zu leistende Kommanditeinlage in Höhe von 10.000,-- € nicht einbezahlt.
Nachdem dem Beklagten (das Finanzamt - FA -) für das Jahr 2009 keine Umsatzsteuererklärung der KG vorlag, schätze es die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO und erließ am 18. März 2014 einen Umsatzsteuerbescheid, durch den die Umsatzsteuer auf 17.461,38 € festgesetzt wurde. Grundlage der Schätzung bildete eine Rechnung vom 29. Dezember 2009, die die KG als Rechnungsausstellerin ausweist und in der Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 17.461,38 € ausgewiesen ist. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Rechnungskopie (Bl. 2 f. des Sonderbandes Betriebsprüfungsberichte) Bezug genommen. Aufgrund der Feststellungen einer bei der KG durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung, vertrat das FA die Auffassung, die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer werde nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG geschuldet, da über die Lieferung und die Montage einer Photovoltaikanlage Umsatzsteuer ausgewiesen wurde, obwohl keine Leistung erbracht worden sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht (Bl. 18 ff. des Sonderbandes BP-Berichte) Bezug genommen.
Der Umsatzsteuerbescheid war Gegenstand von Klageverfahren beim Hessischen Finanzgericht (1 K 1939/15, 1 K 747/15), die - nach Verbindung - durch klageabweisendes Urteil vom 1. August 2016 (1 K 1939/15) entschieden wurden. In den Entscheidungsgründen des Urteils wird u.a. ausgeführt: „Vielmehr muss in einem derartigen Fall [einer Anzahlungs- und Vorausrechnung] für einen unberechtigten Steuerausweis im Sinne des § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG hinzukommen, dass der Unternehmer nicht willens und in der Lage ist, die in der ausgestellten Rechnung (Anzahlungs- oder Vorausrechnung) beschriebene Leistung zu erbringen, er aber mit der Rechnung gleichwohl den Schein einer (erbrachten oder nach Rechnung zu erbringenden) Lieferung oder sonstigen Leistung erwecken will, d. h. dass der Unternehmer von vornherein nicht beabsichtigt hat, die Leistung zu erbringen (Korn in Bunjes UStG, 15. Aufl. 2016, § 14c Rn. 41, Fleckenstein-Weiland in Reiß/Kraeusel/Langer/Wäger, § 14c UStG (Stand April 2012), Rz. 118; Abschn. 14.8 Abs. 2 UStAE; noch zur fast wortgleichen Vorgängervorschrift § 14 Abs. 3 UStG: BFH-Urteil vom 21.02.1980 V R 146/73, BFHE 129, 569, BStBl II 1980, 283). Diese Beurteilung ist schon deshalb gerechtfertigt, weil derartige Rechnungen bereits eine Gefährdung des Steueraufkommens bewirken, da nicht auszuschließen ist, dass der Rechnungsempfänger auch bereits ohne die für einen Vorsteuerabzug erforderliche Zahlung die Vorsteuer bei den Finanzbehörden geltend macht und im Massengeschäft eine Auszahlung durch diese erfolgt. Insofern ist dies vergleichbar mit den vom BFH für unschädlich gehaltenen sonstigen fehlenden Rechnungsangaben. Die Gefährdung zeigt sich im konkreten Streitfall auch darin, dass nach dem unbestrittenen Vortrag des FA der durch denselben Steuerberater wie die KG beratene Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug aus der streitigen Rechnung für 2009 geltend...