vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [I R 50/12)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Standby-Zimmer eines Piloten als Wohnsitz
Leitsatz (redaktionell)
- Ein sog. Standby-Zimmer eines Piloten ist regelmäßig nicht als Wohnsitz i.S.d. § 8 AO anzusehen, wenn sich die Nutzung auf das reine Übernachten beschränkt.
- Die Ausstattung und die Art der tatsächlichen Nutzung sind geeignete Kriterien um zu beurteilen, ob die Wohnung lediglich zum Übernachten dient oder ob sie die darüber hinausgehende Funktion des Wohnens erfüllt.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 1, § 39d; AO § 8
Streitjahr(e)
2003, 2004, 2005, 2006
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Streitzeitraum in Deutschland einen Wohnsitz hatte und damit unbeschränkt steuerpflichtig war. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger, ein … Staatsbürger ( = Nicht EU-Europäer ), ist seit … 2001 als Pilot bei der Fluggesellschaft X mit Einsatzflughafen A beschäftigt. Seinen Hauptwohnsitz hatte er im Streitzeitraum in … (Heimatland), wo er seit November 2001 mit seiner Partnerin zusammen lebte. In der Zeit von Juli 2001 bis Oktober 2002 mietete er im Haus der Familie S, in … zusammen mit zwei anderen Piloten – den Zeugen Z1 und Z2 – eine sog. „Standby-Wohnung” an. Das geschah vor dem Hintergrund, dass die Fluggesellschaft X von ihren Besatzungsmitgliedern verlangt, den Flugdienst pünktlich und ausgeruht anzutreten. Zu diesem Zweck müssen die Besatzungsmitglieder im Einzugsbereich ihrer Einsatzorte, das heißt in einer maximalen Entfernung von 50 km zum Flughafen, über eine Unterkunft verfügen, wobei hierfür auch ein Hotel ausreichen würde. Im vorgenannten Zeitraum hatte der Kläger in … ( Raum A ) einen Wohnsitz gemeldet und seine Einkünfte vollständig beim Beklagten (das Finanzamt) versteuert.
Da im Herbst 2002 absehbar war, dass der Kläger seltener in A sein würde, zog er – ebenso wie die Zeugen Z1 und Z2 – innerhalb des Hauses der Familie S in ein ca. 12-15 m² großes „Standby-Zimmer” in der Keller-Etage um, welches er bei dienstlichen Aufenthalten in Deutschland aufsuchte. Das Bad (mit Dusche, Toilette und Waschbecken ausgestattet) befindet sich gleichfalls in der Keller-Etage und wurde neben den drei Piloten auch von den Angehörigen der Familie S genutzt. Darüber hinaus sind im Keller-Geschoss Werkstatt, Bastelraum, Bügelzimmer, Lagerraum und Heizungsraum der Familie S angesiedelt. Der Kellerbereich ist in sich nicht räumlich abgeschlossen, sondern mündet in das Treppenhaus, von dem aus drei weitere Wohnungen erreichbar sind. Das „Standby-Zimmer” ist mit einem doppelstöckigen Bett, einer Couch, einem Regal, einem Schrank und einem kleinen Tisch möbliert. Diese Einrichtungsgegenstände sind vom Kläger und den oben genannten Zeugen angeschafft worden und nach deren Auszug in dem Zimmer verblieben. Das Zimmer war mit einem Fernseher ausgestattet. Eine Kochgelegenheit sowie ein Kühlschrank waren nicht vorhanden. Ein schriftlicher Mietvertrag existiert nicht. Der Kläger und die Zeugen Z1 und Z2 verfügten jeweils über einen Haustürschlüssel; einen Schlüssel für das „Standby-Zimmer” besaß lediglich der Zeuge Z1. Sowohl die Tür zwischen Kellerbereich und Treppenhaus als auch die des „Standby-Zimmers” waren stets unverschlossen. Das Zimmer wurde gelegentlich auch für Familien- und Gästebesuche der Familie S genutzt. Als Miete zahlten der Kläger und die anderen beiden Piloten jeweils 50,00 € im Monat; wobei die Heiz- und sonstigen Nebenkosten vom Vermieter getragen wurden. Eine schriftliche Vereinbarung über die Nutzung gab es nicht.
Der Kläger verwahrte in dem Zimmer keine persönlichen Gegenstände. Die Reinigung des Zimmers erfolgt durch die Vermieter. Der Kläger hatte das Zimmer gegenüber seinem Arbeitgeber angegeben („ … Vorname Name c/o Familie S”) und verbrachte dort monatlich im Durchschnitt bis zu drei Nächte. Aufgrund der Tatsache, dass für drei Personen nur zwei Betten zur Verfügung standen, mussten sich die Piloten vor der Nutzung des „Standby-Zimmers”, um mögliche Überschneidungen zu vermeiden, untereinander abstimmen.
Für das Jahr 2002 wurde der Kläger aufgrund seines bis Oktober unbestrittenen Wohnsitzes in … vom Finanzamt zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger erhielt auf seinen Antrag für die Jahre 2003 bis 2006 vom Finanzamt für Großunternehmen in … (Lohnsteuerarbeitgeberstelle) Bescheinigungen für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer gem. § 39 d Einkommensteuergesetz (EStG). Die Fluggesellschaft X behandelte ihn in der Konsequenz als beschränkt steuerpflichtig; es wurde nur der so genannte Inlandsanteil seines Lohns der Besteuerung in Deutschland unterworfen.
Die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts … führte gegen den Kläger Ermittlungen gem. § 208 Abs. 1 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) durch. In ihrem Bericht vom 05.12.2007 kommt sie zu de...