Entscheidungsstichwort (Thema)
Wesentlichkeitsgrenze nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG
Leitsatz (redaktionell)
- § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Tatbestandsmerkmal der „wesentlichen Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre” für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum gesondert zu bestimmen ist.
- Dass der Gesetzgeber die Wesentlichkeitsgrenze ab Veranlagungszeitraum 1999 auf 10% herabgesetzt hat, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1 S. 4
Streitjahr(e)
2001
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist die Besteuerung des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf von GmbH-Anteilen an der A-GmbH, an der der Kläger zum Zeitpunkt der Veräußerung mit 24,02 % beteiligt war.
Der Kläger war seit dem 20.04.1993 am Stammkapital der A-GmbH mit 24,02 % beteiligt. Der Kläger hat seine Anteile am 23. Juli 2001 für 100.000 DM veräußert. Unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten i. H. v. 48.224 DM ermittelte das Finanzamt einen Veräußerungsgewinn i. H. v. 51.776 DM.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.
Der Kläger ist der Rechtsansicht, dass die rückwirkende Senkung der Beteiligungsgrenze für eine wesentliche Beteiligung im Jahr 1999 von 25/100 auf 10/100 als verfassungswidrig anzusehen sei. Der Gesetzgeber habe bei der Neufassung des § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) bewusst von vertrauensschützenden Übergangsregelungen abgesehen, obwohl er in die Dispositionen des Steuerpflichtigen für bereits abgelaufene Kalenderjahr eingegriffen habe. Nach Ansicht des Klägers hätte eine vertrauensschützende Übergangsregelung geschaffen werden müssen. Dieses gelte insbesondere für § 17 EStG auch, da es dadurch zu einer rückwirkenden Erfassung der stillen Reserven komme, die in den vergangenen, bereits abgeschlossenen Veranlagungszeiträumen bis einschließlich 1998 (Geltung der 25 %-Grenze) nicht steuerbefangen gewesen seien. Damit werde der Steuerpflichtige materiell belastet.
Die rückbezogene Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze ändere damit die Rechtsfolgelage abgeschlossener Veranlagungszeiträume nachträglich. Wer in der Vergangenheit darauf geachtet habe, keine wesentlich Beteiligung zu halten, sei mit seinem Vertrauen auf eine schon für abgeschlossene Veranlagungzeiträume geltende Rechtslage enttäuscht. Seiner Disposition, die sich nach ihrem materiellen Gehalt als das Halten einer nicht steuerbefangenen Beteiligung darstelle, werde rückwirkend die Rechtsgrundlage entzogen. Die nachträgliche Änderung der steuerlichen Rechtsfolgelage sei daher als echte Rückwirkung zu betrachten. Die Ansammlung stiller, nicht steuerverstrickter Reserven in abgeschlossenen Veranlagungszeiträumen genieße in dieser steuerrechtlichen Qualifikation folglich verfassungsrechtlichen Schutz vor gesetzgeberischen Änderungen. Auf die bereits abgeschlossenen Veranlagungszeiträume würden im vorliegenden Fall stille Reserven von 47.776 DM entfallen (wegen der Berechnung wird Bezug genommen auf die Klageschrift vom 30.08.2004, dort Seite 4). Dieser fiktive Gewinn sei, weil vor dem 01.01.1999 entstanden, nicht steuerbar. Der verbleibene Gewinn i. H. v. 4.000 DM (51.776 DM abzüglich 47.776 DM) liege unter dem Freibetrag von 4.800 DM, sodass Steuern vom Einkommen auf die erzielten Gewinne nicht zu entrichten seien.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2001 vom 29. April 2004 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 12. August 2004 die Einkommensteuer auf DM 25.893 herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.
Die für das Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung erforderliche Beteiligungsquote sei durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2001 von bislang 25 % auf 10 % abgesenkt worden. Die Änderung des Einkommensteuergesetzes sei mit Wirkung vom 1. Januar 1999 in Kraft getreten. Damit sei vom Gesetzgeber eine Übergangsregelung ausdrücklich nicht geschaffen worden. Vielmehr solle nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Gesetzesänderung die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 zur Steuerpflicht führen. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung liege nicht vor. Der die im Jahr 2001 entstehende Steuerpflicht auslösende Sachverhalt der Veräußerung der Anteile sei erst nach der Verabschiedung der Gesetzesänderung im Jahr 1999 verwirklicht worden. Bei der Gesetzesänderung handele es sich somit um eine tatbestandliche Rückanknüpfung, die nicht den zeitlichen, sondern lediglich den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes betreffe. Verfassungsrechtlich sei diese tatbestandliche Rückanknüpfung nicht zu beanstanden. Auch die durch den Ansatz der historischen Anschaffungskosten entstehenden Folgen seien vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt.
Beide Parteien haben ...