Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitliches Vertragswerk – Mehrfachbelastung künftiger Bauerrichtungskosten mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Bauerrichtungsvertrag (Werkvertrag), der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks (Kaufvertrag) abgeschlossen wird und der für den Bauherrn eine USt-Belastung auslöst, sollte nicht der GrESt unterliegen.
- Die Rechtsprechung des II. Senats des BFH zum sog. „einheitlichen Vertragswerk” verstößt gegen das GrEStG, gegen die Einheit der Steuerrechtsordnung, gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, gegen das verfassungsrechtliche Gebot des Nichtentzugs des gesetzlichen Richters sowie gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; UStG § 4 Nr. 9 Buchst. a; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 3 Abs. 1; UStG VZ 2010; FGO § 11
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die nach dem Erwerb des Grund und Bodens angefallenen Bauerrichtungskosten für ein Wohngebäude, die bereits der Umsatzsteuer unterliegen, zusätzlich noch der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen sind.
Die Kläger beabsichtigten Ende 2006 für sich ein Eigenheim zu erwerben. In diesem Zusammenhang nahmen sie Kontakt zu der K.-S.-Bauträger GmbH auf. Die K.-S.-Bauträger GmbH wirbt insbesondere in ihrem Internetauftritt und in der Tagespresse mit der Errichtung von Familienhäusern. Die hierfür vorgesehenen Grundstücke befinden sich - zumindest zum Teil - nicht in ihrem Eigentum. Einzelne Grundstückseigentümer bieten der K.-S.-Bauträger GmbH jedoch die Möglichkeit an, die von ihnen zum Kauf angebotenen Grundstücke in die Hausangebote der Bauträgergesellschaft aufzunehmen.
In dieser Weise verfuhr auch die G.-E.-Bauträgergesellschaft mbH & Co. KG. Die G.-E.-Bauträgergesellschaft mbH & Co. KG war u.a. Eigentümerin des im Grundbuch des Amtsgerichts G. verzeichneten, unbebauten Grundstücks Gemarkung E. Der Bebauungsplan setzte für dieses Grundstück ursprünglich eine Reihenendhausbebauung fest. Die K.-S.-Bauträger GmbH nahm dieses Grundstück unter der Bezeichnung „südlich Talgraben” in ihr Angebot auf. Hierzu hieß es in dem Internetauftritt:
„Wir stellen unsere Hausangebote in G… vor
Grundstückspreise ab 115,- € / m²”.
Eine darüber hinausgehende vertragliche Bindung zwischen den Unternehmen, nach welcher die Erwerber des Grundstücks dieses allein mit der K.-S.-Bauträger GmbH hätten bebauen dürfen, bestand nicht. Neben der K.-S.-Bauträger GmbH boten auch andere Baufirmen die Errichtung von Familienhäusern auf Grundstücken der G.-E.-Bauträgergesellschaft mbH & Co. KG in dem Planungsgebiet an.
Die K.-S.-Bauträger GmbH erstellte unter dem 27. Oktober 2006 für die Kläger eine Leistungsbeschreibung für ein Wohnhaus auf dem Grundstück D. (zu diesem Zeitpunkt noch unter der Flurstücknummer … geführt). In dieser Beschreibung für „…” ist insbesondere bereits namentlich das gemeinsame Kind der Eheleute bei der Zimmerbeschreibung erwähnt. Am 30. Oktober 2006 schlossen die Kläger mit der K.-S.-Bauträger GmbH einen Planungsvertrag über die künftige Errichtung eines End-Reihenhauses auf dem Grundstück in der D. ab. Der Bauantrag wurde am 7. Dezember 2006 von den Klägern bei der Baubehörde eingereicht.
Durch notariellen Kaufvertrag vom 12. Dezember 2006 erwarben die Kläger gemeinsam von der G.-E.-Bauträgergesellschaft mbH & Co. KG das Grundstück in der D. zu jeweils hälftigem Eigentum für einen Gesamtkaufpreis in Höhe von 33.005 Euro.
Am 14. Dezember 2006 schlossen die Kläger mit der K.-S.-Bauträger GmbH einen Bauvertrag über die Errichtung eines Einfamilien-Reihenendhauses auf dem erworbenen Grundstück ab. Als Vergütung wurde zunächst ein Festpreis in Höhe von 138.670 Euro einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer von 19 Prozent vereinbart. Aufgrund eines Nachtrags zu dem Bauvertrag, ebenfalls auf den 14. Dezember 2012 datierend, erhöhten sich die Errichtungskosten einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer auf 141.923,70 Euro. Die Baugenehmigung wurde den Klägern am 22. Dezember 2006 erteilt.
Das beklagte Finanzamt setzte mit Bescheid vom 31. Mai 2007 die Grunderwerbsteuer für die Kläger jeweils auf 3.061 Euro fest. Hierbei ging es von einer Bemessungsgrundlage für den Erwerb des Grundstücks in Höhe von insgesamt 174.928 Euro aus, von der aufgrund des hälftigen Miteigentumsanteils auf die Kläger jeweils 87.464 Euro entfielen. Das beklagte Finanzamt begründete die Einbeziehung der Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage damit, dass sich die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung bemesse. Als Gegenleistung gelte bei einem Kauf gemäß § 9 Absatz 1 Nr. 1 GrEStG der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein vom Verkäufer zu bebauendes Grundstück, so würden alle Aufwendungen des Erwerbers zur Gegenleistung gehören, die er zur Erlangung des Grundstücks ...