Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Selbständigkeit (des Leistenden) als Merkmal der unternehmerischen Tätigkeit bestimmt sich nach objektiven Kriterien
Leitsatz (redaktionell)
- Wer tatsächlich Leistender und Leistungsempfänger ist, ergibt sich im Allgemeinen aus den dem Umsatz zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertragsverhältnis (zivilrechtliche Rechtsbeziehungen). Es gibt keinen Gutglaubensschutz des Leistungsempfängers.
- Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt.
- Berechtigtes Handeln in oder unter fremdem Namen ist dem Namensträger und nicht dem Handelnden zurechnen. Zivilrechtlich sind die §§ 164 ff. BGB entsprechend anzuwenden.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 S. 1; BGB § 164
Streitjahr(e)
1990
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist selbständig tätig und betreibt einen Handel mit Nutzfahrzeugen und Baumaschinen. Einen Teil der Fahrzeuge, mit denen sie Handel trieb, erwarb sie von der Firma Merc. in Hamburg.
Frau J. hat am 23. Februar 1989 unter ihrem Namen ein Gewerbe „Einzelhandel mit Waren aller Art, ausgenommen erlaubnispflichtige Warenarten” angemeldet. Die von ihr unter dem 23.02.1990 beantragte Handelsregistereintragung der Firma „J. Merc.” ist vom zuständigen Registergericht zurückgewiesen worden. Mit Vertrag vom 22. Februar 1989 mietete Frau J. von der Firma P. Office zum 1. März 1989 einen Büroraum für die Firma Merc. unter der Anschrift G-wall in H. Am 1. Juli 1989 wurde der Vertrag in einen Servicevertrag für eine Domiziladresse umgewandelt. Der Vertrag sah folgende Leistungen vor: „Entgegennahme von Anrufen unter eigener Durchrufnummer, Notierung der eingehenden Gespräche, Annahme von Postsendungen unter Bereitstellung eines eigenen Briefkastens, Nutzung der P. Office-Telex- und Telefaxnummer, Empfangsservice”. Die eingerichteten Geschäftskonten lauten auf den Namen von Frau J..
Frau J. ist dabei stets in Begleitung und auf Anweisung von Herrn P. tätig geworden. Herr P. ist - im Gegensatz zu Frau J. - geschäftlich erfahren. Er verfügt aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit insbesondere über einschlägige Erfahrungen im Kfz-Handel. Diese hat er seinerzeit genutzt, um Fahrzeuge einzukaufen (i.d.R. „Schwarzeinkäufe”) und anschließend an verschiedene Händler (u.a. die Klägerin) weiterzuverkaufen. Dabei trat er stets als Angestellter von Frau J. auf und wies sich durch eine Ablichtung der Gewerbeanmeldung entsprechend aus. Die Geschäfte wurden ausschließlich von Herrn P. abgewickelt. Dieser hatte auch Einzelvollmacht für zwei Geschäftskonten, die auf den Namen von Frau J. lauten. Eine schriftliche Vollmacht ist Herrn P. nicht erteilt worden.
Die Klägerin hat in ihrer Umsatzsteuererklärung 1990 Vorsteuern in Höhe von 48.857 DM aus Rechnungen der Firma Merc. geltend gemacht. Der Beklagte hatte diese Vorsteuern zunächst zum Abzug zugelassen. Im Anschluss an eine Mitteilung der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts H. (Steufa) und den Feststellungen aufgrund der Außenprüfung des Finanzamts für Großbetriebsprüfung G. ging der Beklagte davon aus, dass Frau J. lediglich als „Strohfrau” für Herrn Klaus P. tätig geworden sei und zu keiner Zeit die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in den Rechnungen der Firma Merc. aufgeführten Gegenstände gehabt habe. Zur Begründung bezieht sich der Beklagte im Wesentlichen auf die im Rahmen des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durchgeführte Vernehmung von Frau J. vom 13.11.1980, 06.02.1992 und 06.10.1992, auf die Bezug genommen wird. Danach sei diese von Herrn P. und weiteren Personen dazu gedrängt worden, unter ihrem Namen einen Gewerbebetrieb anzumelden. Dies habe sie getan, da ihr als Gegenleistung ein Gehalt angeboten worden sei. Ihre Tätigkeit für die Firma Merc. habe sich darauf beschränkt, eingehende Geschäftspost in Empfang zu nehmen und an P. weiterzuleiten. Die Unterschriften auf den Rechnungsformularen habe sie blanko erteilt; der überwiegende Teil der von der Firma Merc. erteilten Ausgangsrechnungen ist nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft von Herrn Klaus P. unterschrieben worden.
Aufgrund der Aussage von Frau J. und der strafrechtlichen Ermittlungsergebnisse betreffend Herrn Klaus P. geht der Beklagte davon aus, dass wirtschaftlicher Eigentümer und leistender Unternehmer Herr Klaus P. und nicht Frau J. gewesen sei. Diese habe zu keinem Zeitpunkt die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in den Rechnungen der Firma Merc. aufgeführten Gegenstände gehabt. Sie habe diese daher auch nicht übertragen können.
Gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1990, in welchem die Vorsteuer in Höhe von 48.857 DM aus Rechnungen der Firma Merc. nicht mehr zum Vorsteuerabzug zugelassen wurde, wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage.
Sie trägt vor, bei der Firma Merc. habe es sich nicht um eine Scheinfirma gehandelt. Die Inhaberi...