vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zusammenhang mit der Absenkung der Beteiligungsgrenze von 10 v.H. auf 1 v.H. durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 1433)
Leitsatz (redaktionell)
- § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 ist nur im Rahmen einer eingeschränkten verfassungskonformen Auslegung anwendbar.
- Zur Auslegung der Entscheidung des BVerfG vom 7.7.2010 (2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127/61).
- Die in der vorgenannten Entscheidung genannten Grundsätze sind auf die Herabsetzung der Beteiligungsgrenze von 10 v. H. auf 1 v. H. entspr. anzuwenden.
- Betr. die Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG für das Streitjahr 2002 ist nach den o.a. Grds. des BVerfG davon auszugehen, dass Wertsteigerungen, die nach der Verkündung der Neuregelung eingetreten sind, nicht betroffen sind.
- Aus dem Beschluss des BVerfG vom 7.7.2010 ist kein sog. veranlagungszeitraumbezogener Beteiligungsbegriff abzuleiten.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
2002
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.
Der Kläger erwarb in den Jahren 1985 bis 1996 neun Aktien der A-AG im Nennwert von jeweils 10.000 DM.
Die A-AG war die Konzernobergesellschaft des sog. A-Konzerns, der im Wesentlichen XXX betrieb (u.a. die Marken „A”, „B” und „C”). Die Aktien der A-AG wurden nicht an der Börse gehandelt. Es handelte sich um vinkulierte Namensaktien.
Aufgrund einer am 1. April 1997 durchgeführten Kapitalerhöhung erhielt der Kläger 18 weitere Aktien im Nennwert von 5.000 DM.
Der Kläger hielt die Aktien im Privatvermögen.
Mit Verträgen vom 30. März 2001 verschenkte der Kläger die Aktie mit der Nr. YYY im Nennwert von 5.000 DM an seinen Sohn D und die Aktie mit der Nr. ZZZ im Nennwert von 5.000 DM an seinen Sohn E. Ausweislich der Schenkungssteuererklärungen wurden die Schenkungen am 1. November 2001 vollzogen.
Durch die Währungsumstellung am 1. Januar 2002 wurde der Nennwert der Aktien des Klägers von 170.000 DM auf 85.000 € umgestellt.
Im Jahr 2002 machte der U-Konzern über die Firma U-GmbH mit Sitz in F den Aktionären der A-AG ein Angebot zum Ankauf der Aktien der A-AG. Die U-GmbH bot einen Preis von 275.000 € pro Aktie im Nennwert von 5.000 €.
Am 20. Dezember 2002 verkaufte der Kläger seine Beteiligung an die U-GmbH zu einem Preis von 4.675.000 € (85.000 € : 5.000 € x 275.000 €). Der Zufluss erfolgte noch am 20. Dezember 2002 auf ein Konto des Klägers bei der Volksbank I.
Von dem Grundkapital der A-AG in Höhe von 9.510.000 € wurden Aktien im Nennwert von 360.000 € von der A-AG selbst gehalten.
Die A-AG hielt 85,4 % an der Tochtergesellschaft B-AG. Die restlichen Aktien der B-AG befanden sich im Streubesitz und wurden an der Börse gehandelt. Die B-AG wiederum hielt Aktien im Nennwert von 270.000 € an der A-AG.
In der Einkommensteuererklärung 2002 erwähnte der Kläger die Veräußerung der Beteiligung zunächst nicht. Der am 12. Juli 2004 ergangene Einkommensteuerbescheid 2002 stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2004 legte der Kläger die Veräußerung der Anteile an der A-AG offen. Er vertrat die Auffassung, dass die Veräußerung nicht gemäß § 17 EStG steuerpflichtig sei, weil der Kläger nicht zu mindestens 1 % an dem Kapital der Gesellschaft beteiligt gewesen sei. Dabei ging der Kläger davon aus, dass das Grundkapital der A-AG in Höhe von 9.510.000 € nur um die eigenen Anteile der A-AG zu kürzen sei. Die Anteile der B-AG an der A-AG seien zwar handelsrechtlich sog. mittelbare eigene Anteile. Für Zwecke des § 17 EStG handele es sich aber nicht um eigene Anteile. Der Kläger verwies insoweit auf § 272 Abs. 4 Satz 4 HGB. Er stellte folgende Berechnung auf:
Grundkapital |
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9.510.000 € |
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abzüglich eigener Anteile |
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./. |
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360.000 € |
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bereinigtes Grundkapital |
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9.150.000 € |
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Anteil des Klägers |
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90.000 € |
Anteil in Prozent |
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0,98 % |
Demgegenüber ging das Finanzamt davon aus, dass die von der B-AG gehaltene Anteile an der A-AG als mittelbare eigene Anteile ebenfalls vom Grundkapital abzuziehen seien und dass der Kläger deshalb zu mehr als 1 % des Grundkapitals der A-AG beteiligt gewesen sei.
Am 3. Januar 2005 und am 18. Juli 2005 ergingen Änderungsbescheide wegen hier nicht strittiger Punkte.
Im Rahmen einer Außenprüfung für das Jahr 2002 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 17 EStG erfüllt seien. Er verwies auf die Vorschriften über den Erwerb von eigenen Aktien in § 71b AktG und § 71d AktG. Nach § 71d Satz 4 AktG sei der Anwendungsbereich des § 71b AktG auch auf die Aktien anwendbar, die die A-AG über ein in ihrem Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen - hier die B-AG - an sich selbst halte. Deshalb würden die von dem BF...