Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anwendung des Schachtelprivilegs auf und Besteuerung von Ausschüttungen eines französischen Investmentfonds in Deutschland
Leitsatz (redaktionell)
- Bei einer SICAV handelt es sich nicht um eine in Frankreich ansässige Gesellschaft i. S. des deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommens.
- Die Rechtsfolge des Art. 20 Abs. 1 Buchstabe a DBA Frankreich ist auf Dividenden nur anzuwenden, wenn diese von einer in Frankreich ansässigen Kapitalgesellschaft an eine in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaft gezahlt werden, der mindestens 25 Prozent des Gesellschaftskapitals der erstgenannten Gesellschaft gehören.
Normenkette
KStG § 8b Abs. 5; DBA Frankreich Art. 9 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
Streitjahr(e)
1988, 1989
Tatbestand
Streitig ist, ob die im Zusammenhang mit einer Beteiligung der Klägerin an einem Investmentfonds in Frankreich (SICAV…– im Folgenden: SICAV –) stehenden Ausschüttungen in der Bundesrepublik Deutschland der Besteuerung unterliegen.
Die Klägerin, bei der es sich um eine…international tätige Aktiengesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in X handelt, war in den Streitjahren 1988 und 1989 unter anderem an dem Investmentfonds SICAV…(nachfolgend kurz: „SICAV”) mit Sitz in Frankreich zu 19 v.H. (1988) bzw. 18 v.H. (1989) beteiligt. Die SICAV, bei der es sich um eine Kapitalanlage-Gesellschaft mit veränderlichem Kapital handelt („société d'investissement á capital variable”), die in der Rechtsform einer société anonyme („S.A.”) tätig ist, stellt eine Einrichtung für die kollektive Anlage in Wertpapieren dar. Ihr Geschäftszweck besteht ausschließlich in der Anlage und der Verwaltung französischer Rentenpapiere. Die aus der Anlage der Rentenpapiere erzielten Gewinne unterliegen in Frankreich auf der Ebene der SICAV nicht der Körperschaftsteuer.
Das beklagte Finanzamt vertrat im Anschluss an eine bei der Klägerin unter anderem für die Streitjahre durchgeführten Außenprüfung die Ansicht, dass die Ausschüttungen der SICAV im Ergebnis als Zinsen zu behandeln und aus diesem Grund in der Bundesrepublik Deutschland der Besteuerung zu unterwerfen seien.
Gegen die im Anschluss an die Außenprüfung für 1988 und 1989 ergangenen Bescheide wendet sich die Klägerin mit ihrer nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren unter dem 25. Juli 2003 erhobenen Klage. Die von ihr von der SICAV in den Streitjahren bezogenen Ausschüttungen stellten abkommensrechtliche Dividenden i.S. des Art. 9 Abs. 1 des Abkommens vom 21. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969 (im Folgenden: DBA/Frankreich) dar und unterlägen dem Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA/Frankreich i.V.m. § 8b Abs. 5 KStG a.F. mit der Folge, dass sie in der Bundesrepublik Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu belassen seien. Insbesondere seien diese Ausschüttungen nicht als steuerpflichtige Zinsen im abkommensrechtlichen Sinne zu qualifizieren.
Bei den an die Klägerin ausgeschütteten Beträgen handele es sich um Dividenden i.S.d. Art. 9 Abs. 6 DBA/Frankreich, da die SICAV als Gesellschaft im abkommensrechtlichen Sinne zu qualifizieren sei. Da der Begriff „Gesellschaft” im DBA/Frankreich nicht definiert werde, komme der Grundsatz der autonomen Abkommensanwendung (vgl. Art. 2 Abs. 2 DBA/Frankreich) zum Tragen. Danach sei dieser Begriff unter Zugrundelegung des jeweiligen innerstaatlichen Rechts des anwendenden Vertragsstaates (hier: der Bundesrepublik Deutschland) zu bestimmen. Hieraus folgt zunächst, dass die abkommensrechtliche Behandlung der SICAV in Frankreich ohne jede Bedeutung für ihre abkommensrechtliche Einordnung in der Bundesrepublik sei. Ob die SICAV als ausländisches Rechtsgebilde als Kapitalgesellschaft zu qualifizieren sei, bestimme sich folglich nach deutschem innerstaatlichen Recht, nämlich nach dem sog. Typenvergleich. Insoweit sei entscheidend darauf abzustellen, ob die SICAV in ihrer Gesamtheit und unter Beachtung ihres rechtlichen Aufbaus sowie ihrer rechtlichen Struktur dem deutschen Rechtstyp der Personengesellschaft oder aber dem der Körperschaft bzw. Kapitalgesellschaft am nächsten komme. Da die SICAV in Form einer Aktiengesellschaft (société anonyme) mit einem täglich mit der Ausgabe und dem Rückkauf neuer Aktien schwankenden Kapital geführt werde, sei sie aus deutscher Sicht im Rahmen des Typenvergleichs als Aktiengesellschaft aufzufassen.
Auch wenn die SICAV als französische Aktiengesellschaft das Kapitalanlagegeschäft betreibe, sei sie deshalb noch keine Kapitalanlagegesellschaft i.S.d. deutschen Rechts. Denn diese zeichneten sich gerade dadurch aus, dass sie ein Sondervermögen im eigenen Namen sowie auf fremde Rechnung verwalteten und dass die Anteilsscheininhaber am Sondervermögen und eben nicht an d...