Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Abzug von Verlusten des Erblassers beim Erben ohne eine wirtschaftliche Belastung des Erben durch die Verluste in seiner Einkommens- oder Vermögenssphäre. keine wirtschaftliche Belastung des Erben wegen durch Verluste geminderter Erbmasse oder wegen des Untergangs einer Forderung des Erben gegen den Erblasser
Leitsatz (redaktionell)
1. Bis zur erstmaligen Veröffentlichung des Beschlusses des Großen Senats des BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04 am 12.3.2008 war die bis dahin bestehende Rechtsprechung und Verwaltungspraxis, wonach ein nicht genutzter Verlustabzug des Erblassers gem. § 10d EStG bei der Einkommensermittlung des Erben berücksichtigt wurde, nach § 163 Satz 1 AO i. V. m. dem BMF-Schreiben v. 24.7.2008 (Az.: IV C 4-S 2225/07/0006) aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null weiter anzuwenden; die Möglichkeit des Verlustabzugs ging jedoch nicht vom Erblasser auf den Erben über, wenn der Erbe den Verlust selbst wirtschaftlich nicht in seiner Einkommens- oder Vermögenssphäre getragen hat.
2. Eine „wirtschaftliche Belastung” des Erben fehlt dort, wo der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten entweder gar nicht oder nur beschränkt haftet, z. B. im Fall eines Nachlasskonkurses oder einer Eintrittspflicht eines Dritten.
3. Aus einer Schmälerung der Erbmasse aufgrund der vom Erblasser erlittenen Verluste kann der Erbe eine wirtschaftliche Belastung in seiner eigenen Vermögenssphäre ebenso wenig herleiten wie aus einem latenten und aufgrund des Ablebens nicht mehr verwirklichten Steuererstattungsanspruch des Erblassers.
4. Auch wenn beim Tod des Erblassers eine Forderung des Erben gegen den Erblasser infolge Konfusion untergegangen ist, ist der Erbe insoweit nicht durch Verluste des Erblassers wirtschaftlich belastet, wenn nicht erkennbar ist, dass die beim Erblasser bestehende entsprechende Darlehensverbindlichkeit in irgendeinem Zusammenhang mit den streitigen einkommensteuerlich vortragsfähigen Verlusten des Erblassers steht.
Normenkette
EStG § 10d Abs. 1; AO § 163 S. 1, § 5; FGO § 102; BGB § 1922
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Dem Kläger werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Tatbestand
Streitig ist, ob die bis zum Beschluss des großen Senats des BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, bestehende Rechtsprechungs- und Verwaltungspraxis, wonach ein vom Erblasser nicht ausgenutzter Verlustabzug gemäß § 10 d Einkommensteuergesetz – EStG – bei der Einkommensermittlung des Erbens berücksichtigt wurde, die gemäß dem BMF-Schreiben IV C 4-S 2225/07/0006 vom 24.07.2008, BStBl. I 2008, 809, aus Vertrauensschutzgründen bis zur erstmaligen Veröffentlichung des v.g. Beschlusses am 12.03.2008 weiterhin anzuwenden ist, dem Kläger als Alleinerben seines am 06.11.2007 verstorbenen Vaters die Nutzung des für diesen zum 31.12.2007 gesondert festgestellten verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer ermöglicht.
Der Vater des Klägers erlitt gemäß einer tatsächlichen Verständigung vom 19.06.1997 nach einem Konkurs im Jahr 1986 bis Ende 1996 einkommensteuerlich rück- bzw. vortragsfähige Verluste in Höhe von 2.374.930 DM. 1999 wurde das Konkursverfahren über sein Vermögen eingestellt. Noch zu Lebzeiten wurden vom Vater des Klägers diejenigen Schulden, die den Verlustvortrag begründeten, ausgeglichen. Die einkommensteuerlichen Verluste wurden im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung teilweise vorgetragen und zuletzt mit geändertem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2007 vom 30.05.2014 auf 293.698 EUR festgestellt.
Im Zuge der Verwertung eines grundschuldbelasteten Hausgrundstücks des Vaters durch die Bank erhielt der Kläger, zu dessen Gunsten ein Nacherbenvermerk auf einem hälftigen Miteigentumsanteil bestand, für dessen Löschung im Jahr 1994 eine Ausgleichszahlung von 650.000 DM. Diesen Betrag stelle der Kläger seinem Vater darlehensweise gegen 6% Zinsen p.a. zur Verfügung, der das Geld zum Erwerb bzw. zur Bebauung/Sanierung des teilweise zu eigenen Wohnzwecken, teilweise land- und forstwirtschaftlich und teilweise gewerblich genutzten Grundstücks M.-Str. in B., Ortsteil Bw., sowie zur Rückführung von Privatdarlehen, aus denen er zuvor während des Konkurses seinen Lebensunterhalt bestritten hatte, verwandte. Die Zinsen waren gemäß dem Darlehensvertrag erst mit der Darlehensrückzahlung fällig. Ein Rückzahlungstermin war nicht vereinbart.
Ausweislich des Erbschaftssteuerbescheids vom 01.09.2009 gehörten zur Erbmasse neben dem Grundvermögen bzw. land- und forstwirtschaftlichen Vermögen bzw. Betriebsvermögen (B. T. Service/Mobilfunk) in Bw. weiteres land- und forstwirtschaftliches Vermögen in P.-Ausland und B.-Ausland, verschiedene Bankguthaben, Forderungen aus „Holzeinschlag” und aus Steuererstattungen, Hausrat und ein beweglicher Gegenstand. Der Wert der Besitzposten wurde erbschaftssteuerlich mit insgesamt 694.364,47 EUR angenommen. Diesem standen eine Verbindlichkeit aus dem Darlehen, das der Kläger seinem Va...