Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Anwendung des Splittingverfahrens für verwitwete Alleinerziehende
Leitsatz (redaktionell)
Es verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, wenn nach Ablauf des Witwenspittings die Anwendung des Splittingtarifs auf eine sog. Halbfamilie (Verwitweter mit Kindern) nicht mehr in Betracht kommt; Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG gebieten es nicht, das Ehegattensplitting auf die Besteuerung von Alleinstehenden mit Kindern auszudehnen (Anschluss an BFH- und BVerfG-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG 2007 §§ 26, 26b, 32a Abs. 5, 6 S. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger ist seit 2009 verwitwet. Er hat zwei Kinder. Die Kinder sind auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für 2010 eingetragen.
Der Kläger beantragte beim Beklagten (Finanzamt), die auf seiner Lohnsteuerkarte 2010 eingetragene Steuerklasse I für 2011 in III zu ändern. Das Finanzamt lehnte dies ab. Der Einspruch blieb erfolglos (vergleiche Einspruchsentscheidung vom 06.04.2011).
Mit der Klage macht der Kläger geltend, dass es gegen die Verfassung, insbesondere gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoße, dass ihm der Splittingtarif versagt werde. Bei einer vergleichbaren Drei-Personen-Familie (zusammen veranlagtes Ehepaar mit einem Alleinverdiener, Lohnsteuerklasse III, ein Kind) würde die Lohnsteuer des Alleinverdieners deutlich geringer sein als die von ihm zu tragende Lohnsteuer. Ein Verfahren mit nahezu identischem Sachverhalt sei beim BFH unter dem Az. III B 68/12 anhängig. Im Laufe des Verfahrens ging der Kläger vom Verpflichtungsverfahren zum Feststellungsverfahren über. Zum Vorbringen des Klägers im Einzelnen verweist das Gericht auf den Schriftsatz vom 08.05.2011 und das protokollierte Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2012.
Der Kläger beantragt zuletzt,
- festzustellen, dass das Finanzamt zu Unrecht die Eintragung der Lohnsteuerklasse III abgelehnt hat,
- hilfsweise die Rechtsfrage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen,
- hilfsweise die Revision zuzulassen
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig, da noch keine Veranlagung für das Jahr 2011 durchgeführt wurde (BFH-Urteile vom 29.05.1979 VI R 21/77, BStBl. II 1979, 650; vom 10. 06.1983 VI R 186/82, juris; BFH-Beschluss vom 02.11.2000 X R 156/97, BFH/NV 2001, 454).
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Auf der Lohnsteuerkarte des Klägers kann die Steuerklasse III nicht eingetragen werden, da er in 2011 nicht verheiratet und auch bereits seit 2009 verwitwet war (§ 38b S. 2 Nr. 3 a) und b) EStG). Die Einordnung des Arbeitnehmers in verschiedene Lohnsteuerklassen soll den Arbeitnehmer davor bewahren, dass er im Lohnsteuerabzug erhöhte Vorauszahlungen leistet, die er erst bei der Veranlagung zurückerhält. Daher ist die Einordnung in Lohnsteuerklasse III nur unter den Voraussetzungen der Anwendung des Splittingverfahrens bei der Veranlagung möglich. Für den Kläger kommt nach den gesetzlichen Vorgaben des Einkommensteuerrechts die Anwendung der Splittingtabelle nicht in Betracht (§§ 26, 26b, 32a Abs. 5 und 6 EStG).
2. Die Versagung der Anwendung des Splittingvorteils auf die sog. Halbfamilie – Verwitweter mit Kindern – verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.
Der Kläger erstrebt eine Gleichstellung mit zusammen zu veranlagenden Ehegatten. Er hält die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes für verfassungswidrig, weil er als Verwitweter mit Kindern nicht nach der Splittingtabelle besteuert wird. Er begehrt also eine Ausdehnung der Splittingvergünstigung auf seinen Fall.
Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG gebietet es nicht, das Ehegattensplitting auf die Besteuerung von Alleinstehenden mit Kindern auszudehnen. Das Splittingverfahren knüpft an das bürgerlich-rechtlich normierte Institut der Ehe an. Das Splittingverfahren entspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, weil dieses Verfahren davon ausgeht, dass zusammenlebende Eheleute eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat. Das Splittingverfahren knüpft an die Realität der intakten Durchschnittsehe an, in der ein Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit zwischen den Partnern stattfindet. Ebenso steht diese Ehegattenbesteuerung im Einklang mit den Grundwertungen des Familienrechts (Zugewinngemeinschaft und Versorgungsausgleich) sowie mit Art. 6 Abs. 1 GG. Das Ehegattensplitting stellt eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung dar (Beschluss des BVerfG vom 03.11.1982 1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79 und 363/80, BStBl II 1982, 717).
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