Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Realisierung eines anzuerkennenden Verlustes aus der Veräußerung von Wertpapieren
Leitsatz (redaktionell)
Ein Spekulationsverlust im Sinne des § 23 EStG liegt nur bei echter Verlust-realisation vor. Wird die gleiche Anzahl von Aktien in engem zeitlichen
Zusammenhang zur Veräußerung wieder zurückerworben, ist eine Verlustrealisation regelmäßig nicht gegeben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Verkauf und Rückkauf der Aktien durch einen Gesamtplan verbunden sind. Davon ist indiziell auszugehen, wenn die Aktien bereits am Folgetag wieder zurückgekauft werden. In einem solchen Fall liegt zudem ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vor.
Normenkette
AO § 42; EStG § 23
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) anzuerkennenden Verlust aus der Veräußerung von Wertpapieren realisiert hat.
Die Klägerin erwarb am 30. Januar 2001 180 Aktien der X sowie 850 Aktien der Y. Die Anschaffungskosten beliefen sich auf insgesamt 96.158,99 DM. Am 25. September 2001 erteilte sie einen Verkaufsauftrag für sämtliche vorgenannten Aktien, woraus sie einen Erlös in Höhe von 49.503,72 DM erzielte. Mit Kaufauftrag vom Folgetag erwarb die Klägerin die gleiche Anzahl der vorgenannten Aktien zu Anschaffungskosten in Höhe von 52.252,37 DM zurück.
In ihrer Einkommensteuer(ESt-)erklärung, auf deren Inhalt verwiesen wird, machte sie die Differenz zwischen den ursprünglichen Anschaffungskosten und dem Verkaufserlös in Höhe von 46.655,27 DM als "Spekulationsverlust" geltend. Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - ging aufgrund des (Rück-) Erwerbs der Aktien am Folgetag von einem Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 der Abgabenordnung (AO) aus und ließ den geltend gemachten Verlust unberücksichtigt. Im ESt-Bescheid 2001 vom 15. April 2003 brachte es lediglich positive Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 12.816 DM in Ansatz und setzte die ESt 2001 auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens in Höhe von ... DM nach Abzug ausländischer Steuern auf ... DM = ... € fest. Hiergegen erhob die Klägerin am 6. Mai 2003 Einspruch, welchen das FA mit Einspruchsentscheidung vom 9. September 2003 zurückwies: Der Einspruch sei trotz mehrfacher Aufforderung nicht begründet worden. Die amtswegige Überprüfung habe keine Rechtsfehler aufgezeigt. Die Abweichungen von der Steuererklärung seien zu Recht erfolgt.
Mit der am 10. Oktober 2003 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend:
Der Verlust aus den Aktienverkäufen in Höhe von 46.655 DM sei steuerlich anzuerkennen. Eine missbräuchliche Gestaltung gemäß § 42 AO liege nicht vor. § 23 EStG stellt allein auf den objektiven Tatbestand der Veräußerung ab. Dieser sei hier erfüllt. Eines besonderen Grundes für die Veräußerung bedürfe es nicht. Entscheidend sei allein, ob die Veräußerung innerhalb oder außerhalb der Zwölf-Monats-Frist erfolgt sei. Die Klägerin habe zudem ein erhebliches Kursrisiko getragen. So sei durch den Erwerb der Aktien am Folgetag ein zusätzlicher Verlust in Höhe von 2.748 DM entstanden.
Die Klägerin beantragt,
- den geltend gemachten Verlust aus Aktienverkäufen in Höhe von 46.655 DM steuerlich anzuerkennen und den ESt-Bescheid 2001 vom 15. April 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. September 2003 mit der Maßgabe zu ändern, dass positive Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften außer Ansatz zu bleiben haben sowie die ESt entsprechend niedriger festzusetzen.
Das FA beantragt,
Der geltend gemachte Verlust sei im Wege einer missbräuchlichen Gestaltung willkürlich herbeigeführt worden und könne deshalb keine Anerkennung finden. Da die Klägerin die Aktien am Folgetag zu einem Preis zurückerworben habe, welcher noch über dem erzielten Veräußerungserlös gelegen habe, seien keinerlei außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung erkennbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2006 verwiesen. Die steuerlichen Vorgänge sind beigezogen worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Klägerin hat aus der Anschaffung und späteren Veräußerung der X Aktien sowie der Y Aktien keinen Verlust im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 EStG realisiert.
Sinn und Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen oder Wertminderungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Wertdurchgängen bestimmter Wirtschaftsgüter im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer zu unterwerfen (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 29. März 1989 X R 4/84, BStBl II 1989, 652). Die Motivation für die Veräußerung ist dabei ohne Bedeutung; es kommt insbesondere nicht auf eine Spekulationsabsicht ...