Entscheidungsstichwort (Thema)
Bescheidbekanntgabe durch Post: keine Verlängerung der 3-Tages-Fiktion in „Postfach-Fällen”. Zeitpunkt des Zugangs bei Einlage in das Postfach im Fall der Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO)
Leitsatz (redaktionell)
Erfolgt die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes auf dem Postwege, gilt der Zugang aufgrund der 3-Tages-Übermittlungs-Fiktion des § 122 Abs. 3 Nr. 1 AO auch dann als bewirkt, wenn der letzte Tag der 3-Tages-Frist auf einen Sonntag fällt und der Bescheidadressat das Schriftstück aufgrund seiner Büroöffnungszeiten von Montag bis Freitag erst am darauffolgenden Montag aus seinem Postfach abholt.
Denn nach der statistischen Postsendungs-Beförderungsdauer besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Schriftstück bereits am 2. Tag der Fiktionsfrist (hier: Samstag) tatsächlich in das Postfach des Bescheidadressaten eingelegt wurde und dieser somit von dem Verwaltungsakt hätte Kenntnis erlangen können, wenn er das Postfach an diesem Tag geleert hätte.
Eine andere Betrachtungsweise würde den Postfachinhaber gegenüber dem Inhaber eines „normalen” Briefkastens unzulässig privilegieren.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 2 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Das Urteil wurde im Hinblick auf die Wahrung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abgabenordnung überarbeitet.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist insbesondere die steuerliche Behandlung der Umbaukosten des vom Kläger (Kl.) 1988 erworbenen Grundstücks streitig. Im gegenwärtigen Stand des Verfahrens geht es vorweg um die Frage, ob die Klage wegen Fristversäumnis unzulässig ist.
Der Kl. erzielt als … (Geschäftsführer der Firma A-GmbH in B) im wesentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Durch Kaufvertrag vom 13. September 1998 erwarb der Kl. ein als Einfamilienhaus bewertetes Grundstück in C. Neben dem Einfamilienhaus befand sich auf dem Grundstück noch ein ca. 200 Jahre altes landwirtschaftliches Gebäude. Das Einfamilienhaus wurde 1970 erstellt. Das Gebäude wurde vom Kl. für eigene Wohnzwecke genutzt. Das beklagte Finanzamt (FA) gewährte antragsgemäß die geltend gemachten Abzugsbeträge nach § 10 e Einkommensteuergesetz (EStG).
In den Einkommensteuer(ESt)-Erklärungen 1993 bis 1995 machte der Kl. neben der Steuervergünstigung nach § 10 e EStG Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (VuV) geltend. Das bisher selbstbewohnte Gebäude wurde durch Umgestaltung des Erdgeschosses und durch den Ausbau des Obergeschosses verändert. Im Erdgeschoß entstanden Büroräume (ca. 62 m²) und eine Wohnung (43 m²); beide wurden vermietet. Die im Erdgeschoß verbliebenen Wohnräume (33 m²) und das Obergeschoß (ca. 110 m²) wurden selbst genutzt. Strittig ist die steuerliche Behandlung der durch die Baumaßnahmen entstandenen Aufwendungen und der damit im Zusammenhang stehenden Finanzierungskosten. Die insgesamt entstandenen Aufwendungen wurden 1993 mit 22,8x DM, 1994 mit 9,33x DM und 1995 mit 0,93x DM angegeben. Die auf die vermieteten Räume im Erdgeschoß entfallenden Aufwendungen wurden als Erhaltungsaufwendungen und im übrigen (bezüglich der eigengenutzten Wohnräume) als nachträgliche Herstellungskosten im Rahmen des § 10 e EStG behandelt (s. dazu Aufstellung Bl. 4, 5 – 1993 –, Bl. 55-57 – 1994 – und Bl. 83, 84 – 1995 – der Steuerakten).
Das beklagte FA bezog die nachträglichen Herstellungskosten für die eigengenutzte Wohnung in die Bemessungsgrundlage gemäß § 10 e EStG ein; die Aufwendungen für die vermieteten Räume (Büroräume, Wohnung Erdgeschoß) wurden nicht als Erhaltungsaufwendungen, sondern als nachträgliche Anschaffungskosten behandelt und im Wege der Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 EStG steuerlich berücksichtigt (s. im einzelnen ESt-Bescheide 1993 vom 16. August 1995, 1994 vom 26. März 1996 und 1995 vom 28. April 1997). Gegen die Steuerbescheide erhob der Kl. jeweils Einspruch. Im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens wurde für 1994 ein geänderter ESt-Bescheid erlassen und Gegenstand des laufenden Einspruchsverfahrens.
Die von den Steuerberatern Winter und Sommer eingelegten Einsprüche wurden als unbegründet zurückgewiesen. Das FA führte im wesentlichen aus, daß bezüglich der Umgestaltung des Erdgeschosses allein nach dem Umfang und der Höhe der Kosten anschaffungsnahe Herstellungskosten vorliegen würden. Unabhängig davon seien die Kosten auch deshalb als Herstellungskosten und nicht als Erhaltungsaufwand zu behandeln, weil das Gebäude erweitert, sein Gebrauchswert gesteigert und die Umbaumaßnahmen über eine zeitgemäße Substanzerneuerung hinausgehen würden (s. im einzelnen Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 1997).
Die Einspruchsentscheidung war an Steuerberater (StB) Max Sommer, Postfach … in … D gerichtet und wurde nach Aktenlage laut Vermerk am Donnerstag, dem 18. Dezember 1997, zur Post aufgegeben.
Dagegen erhob der Kl. durch die Prozeßbevollmächtigten (PB) in diesem Verfahren am Donnerstag, dem 22. Januar 1998, per Fax Klage (s. dazu Bl. 1 der Gerichtsakten).
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