Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Nachwirkung einer einen Tarifvertrag ergänzenden Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs 6 BetrVG kann durch Betriebsvereinbarung ausgeschlossen werden.
2. In einem Beschlußverfahren zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Nachwirkung einer solchen ergänzenden Betriebsvereinbarung sind die Tarifvertragsparteien nicht zu beteiligen.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 3, 6; ArbGG § 83 Fassung: 1979-07-02
Verfahrensgang
Gründe
I. Die Antragsgegnerin betreibt ein Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie. Sie gehört dem Arbeitgeberverband der Berliner Metallindustrie e.V. an. Der Antragsteller ist der in ihrem Betrieb bestehende Betriebsrat. Die IG Metall, Verwaltungsstelle Berlin, kündigte den Manteltarifvertrag für die Arbeiter in der Berliner Metallindustrie vom 20. Oktober 1961 zum 31. Dezember 1969. Während es bezüglich anderer arbeitsrechtlicher Fragen zu neuen tarifvertraglichen Vereinbarungen kam, gelten die Lohnbestimmungen aus Abschnitt 4 des MTV seither nur kraft Nachwirkung. Sie lauten, soweit hier von Bedeutung:
"§ 20
Akkordarbeit
...
6. Sind die bei der Festsetzung der Vorgabezeiten zu-
grunde gelegten Voraussetzungen (z.B. Maschinen, Werk-
zeuge, Material, Arbeitsablauf) nicht erfüllt, so hat
der Arbeitnehmer Anspruch auf einen entsprechenden
Ausgleich.
...
13. Für den Anteil vorübergehender Zeitlohnarbeit ist
der Akkorddurchschnittsverdienst zu zahlen. Dauert
diese vorübergehende Zeitlohnarbeit länger als
4 Wochen, so ist sie als dauernde Zeitlohnarbeit
anzusehen; es ist dann der Zeitlohn der der Arbeit
entsprechenden Lohngruppe zu vereinbaren.
14. Vorübergehende Zeitlohnarbeit in diesem Sinne liegt
nicht vor, wenn wegen Betriebsstörung, wie Maschinen-
bruch, Umstellung, Materialmangel, im Zeitlohn gear-
beitet werden muß (die Arbeiten werden in diesen Fäl-
len nach § 8 II in Verbindung mit IV bezahlt).
15. Bei Mangel an Material oder Werkzeug oder bei son-
stigen vorauszusehenden Behinderungen ist der
Akkordarbeiter zur sofortigen Meldung an seinen Vor-
gesetzten verpflichtet.
...
§ 22
Beanstanden von Vorgabezeiten (Akkorden)
1. Beanstandet der Arbeitnehmer eine Vorgabezeit, so ist
diese durch die paritätische Akkordkommission zu prü-
fen und gegebenenfalls neu gemäß § 20 Ziff. 3 festzu-
setzen.
Die neue festgesetzte Vorgabezeit gilt dann rückwir-
kend vom Zeitpunkt der Beanstandung an.
...
§ 23
Neufestsetzen (Ändern) von Vorgabezeiten (Akkorden)
1. Vorgabezeiten (Akkorde) können vom Arbeitgeber oder
seinen Beauftragten nur dann neu festgesetzt werden,
wenn sich die technischen oder organisatorischen Vor-
aussetzungen geändert haben.
Vorgabezeiten sind richtigzustellen, wenn offensicht-
liche Fehler (z.B. Rechenfehler, Schreibfehler, Ver-
wechslungen) vorliegen.
2. Gemäß Ziffer 1 neu festgesetzte Vorgabezeiten gelten
erst vom Zeitpunkt der Neufestsetzung an."
Die Beteiligten hatten eine Betriebsvereinbarung geschlossen, die am 1. Februar 1975 in Kraft trat und in der es u.a. heißt:
"Um bei Leistungslöhnern eine korrekte Erfassung und
Auswertung des entstandenen höheren Zeitverbrauchs, als
es die Vorgabezeit ausmacht, zu ermöglichen, wird fol-
gende Betriebsvereinbarung abgeschlossen:
...
c) Wenn Arbeiten ausgeführt werden müssen, bei denen
die von PAV ermittelten Vorgabezeiten wegen fehler-
hafter Betriebsmittel bzw. fehlerhaften Materials
nicht eingehalten werden können.
In den o.a. Fällen werden sofort nach Bekanntwerden
der zeitbuchungspflichtigen Situation die Anfangs-
zeiten auf dem Vorgabeschein - grüner Lohnschein -
gedruckt.
...
Zu c: Beim Auftreten von Leistungsverzögerungen während
einer Akkordarbeit, die auf fehlerhaftes Material
bzw. fehlerhafte Betriebsmittel zurückzuführen sind,
muß der Leistungslöhner sofort nach Beginn der auf-
tretenden Störung den grünen Akkordschein anstem-
peln. Die Arbeit kann anschließend noch max. 1 Stunde
fortgeführt werden. Innerhalb dieser Zeit muß der
zuständige Meister über die Störung informiert wer-
den und der grüne Lohnschein entweder vom Meister
abgestempelt werden oder von PAVP gegengezeichnet
werden. Im letzteren Falle kann die Arbeit von der
Arbeitsperson fortgeführt werden. Die gesamte auf
dem Lohnschein von QS noch nicht abgerechnete Stück-
zahl wird im Akkorddurchschnitt bezahlt.
Die Werkstattschreiberin ermittelt die Zeitdiffe-
renz und füllt hierfür einen roten Lohnschein aus,
der zusammen mit dem grünen Lohnschein an RLB geht.
Wird die Arbeit nachgearbeitet, so ist von QS ein
roter Lohnschein zu erstellen, der von PAVP gegen-
gezeichnet und vom Arbeitnehmer an- und abgestem-
pelt wird. Der Arbeitnehmer erhält für die ver-
brauchte Zeit den Akkorddurchschnitt.
Nach Abschluß dieser Arbeit wird von der Werkstatt-
schreiberin die verbrauchte Zeit ermittelt, der
Beleg entsprechend ergänzt und umgehend an RLB
weitergeleitet.
...
Die Betriebsvereinbarung tritt am 1. Februar 1975 in
Kraft. Sie kann mit einer 3-monatigen Kündigungsfrist
jeweils zum 30. Juni eines Jahres gekündigt werden."
Die Antragsgegnerin kündigte diese Betriebsvereinbarung am 20. März 1979 zum 30. Juni 1979. Am 21. Juni 1979 vereinbarten die Beteiligten die Fortgeltung dieser Betriebsvereinbarung bis zum 31. Dezember 1979, wobei diese Vereinbarung ab 1. Januar 1980 unwirksam sein sollte, ohne daß es einer besonderen Kündigung bedürfe. Am 10. Dezember 1979 verlängerten die Beteiligten die Geltungsdauer der Betriebsvereinbarung erneut bis zum 31. Januar 1980. Diese Vereinbarung lautete:
"Gekündigte Betriebsvereinbarung über "Umlernen" und
Zeitbuchung bei Leistungslöhnern"
---------------------------------------------------
Die geplante Vereinbarung zur Ablösung der gekündigten
enthält zahlreiche Details, so daß man für die ange-
strebte einvernehmliche Lösung bei sorgfältiger Vorge-
hensweise viel Zeit aufwenden muß, um zu einer ausgewo-
genen Lösung zu kommen. Obwohl über den Rahmen und die
Verfahrensweise der neuen Vereinbarung zwischen der Ge-
schäftsleitung und dem Betriebsrat grundsätzlich bereits
Einigkeit besteht, reicht die im Anschlag vom 21.06.1979
gesetzte Frist nicht aus.
Die Geschäftsleitung und der Betriebsrat der F
KG kommen deshalb überein, daß die o.g. Vereinbarungen
bis zum 31.01.1980 ihre Gültigkeit behalten.
Ab 01.02.1980 sind diese Vereinbarungen unwirksam, ohne
daß es einer besonderen Kündigung bedarf.
Die Parteien verpflichten sich, bis zum 31.01.1980 zu
einem sinnvollen Abschluß zu kommen.
Berlin 20, den 10.12.1979."
Nachdem am 25. Januar 1980 eine neue Betriebsvereinbarung über das "Umlernen" von Akkordlöhnern zustandegekommen war, machte am 29. Januar 1980 die Antragsgegnerin eine Regelung über Zeitzuschlag gemäß § 20 Ziff. 6 MTV bekannt, nach der bei Störungen nach § 20 Ziff. 6 MTV der Arbeitnehmer diese unverzüglich über den Vorgesetzten der Abteilung Produktion und Arbeitsvorbereitung zu melden habe und diese einen angemessenen Zuschlag auf die Vorgabezeit festlege, der vom Beginn der Störung an gelte. Der Betriebsrat sei unverzüglich und umfassend über alle Einzelheiten der Ermittlung des Zuschlags zu unterrichten. Beanstande der Arbeitnehmer den Zeitzuschlag, so sei dieser unverzüglich durch die paritätische Akkordkommission zu prüfen und ggf. neu festzusetzen.
Am 1. Februar 1980 widersprach der Antragsteller dieser Handhabung.
Er hat mit dem von ihm eingeleiteten Beschlußverfahren die Feststellung begehrt, daß die Betriebsvereinbarung vom 1. Februar 1975 hinsichtlich des Buchstabens c) nachwirke. Er meint, sein Mitbestimmungsrecht ergebe sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG. § 20 Ziff. 6 MTV enthalte keine abschließende Regelung, vielmehr handele es sich um eine ausfüllungs- und ergänzungsbedürftige Rahmenvorschrift. Es ergebe sich aus keiner Vereinbarung, daß die Nachwirkung der Betriebsvereinbarung vom 1. Februar 1976 ausgeschlossen sein sollte.
Der Antragsteller hat beantragt festzustellen, daß Buchstabe c) einschließlich des Abschnittes zu c) der Betriebsvereinbarung vom 1. Februar 1975 über die Zeitbuchung bei Leistungslohn über den 31. Januar 1980 hinaus nachwirkt. Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Ihrer Auffassung nach ergibt sich schon aus den Vereinbarungen vom 21. Juni 1979 und 10. Dezember 1979, daß eine Nachwirkung der Bestimmungen der Betriebsvereinbarung nicht gegeben sei. Im übrigen bestehe auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, da § 20 Ziff. 6 MTV eine abschließende Regelung enthalte. § 77 Abs. 3 BetrVG stehe der Nachwirkung der Betriebsvereinbarung entgegen, da eine entsprechende Regelung tarifüblich sei.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Antragstellers stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat ihn auf die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Verfahrensziel weiter. Die Antragsgegnerin bittet, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 92 Abs. 2, 74 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG. Gemäß §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 80 ArbGG ist das Beschlußverfahren die zutreffende Verfahrensart.
2. Antragsteller und Antragsgegnerin sind beteiligungsfähig und als solche auch notwendig Beteiligte des Beschlußverfahrens (vgl. BAG 37, 31 und Beschluß vom 29. Juli 1982 - 6 ABR 51/79 -, AP Nr. 2 und 5 zu § 83 ArbGG 1979; Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 83 Rz 9).
Zu Recht haben die Vorinstanzen dagegen die Tarifvertragsparteien nicht am vorliegenden Verfahren beteiligt, da ihre betriebsverfassungsrechtlichen Rechtspositionen nicht betroffen sind. Zwar waren nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum BetrVG 1952 auch die Tarifvertragsparteien in einem Beschlußverfahren antragsberechtigt, in dem die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung im Hinblick auf den Tarifvorrang geklärt werden sollte und zwar auch, soweit das Verfahren nicht von ihnen eingeleitet worden war, da es insoweit um die Grenze der Kompetenzen von Tarif- und Betriebspartnern gehe (vgl. BAG Beschlüsse vom 16. September 1960 - 1 ABR 5/59 -, AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG 1953 Betriebsvereinbarung m.zust.Anm. v. Auffarth; vom 21. Februar 1967 - 1 ABR 2/66 - und - 1 ABR 9/66 - und vom 8. Dezember 1970 - 1 ABR 20/70 -, AP Nr. 25, 26 und 28 zu § 59 BetrVG; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 77 Rz 74). Gegenstand des Verfahrens ist hier allein die Frage, ob eine Betriebsvereinbarung nachwirkt, während die Kompetenzen der Tarifvertragsparteien nicht berührt sind (vgl. auch BAG Beschluß vom 25. Mai 1982 - 1 ABR 19/80 -, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie, zu I 2 der Gründe, m.w.N.).
III. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung vom 1. Februar 1975 über die Zeitbuchung bei Leistungslohn über den 31. Januar 1980 hinaus verneint.
1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung scheitere bereits daran, daß kein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bestehe. Die erzwingbare Mitbestimmung sei durch § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ausgeschlossen, da ihr § 20 Ziff. 6 des nachwirkenden MTV als tarifübliche Regelung entgegenstehe. Der Gesamtzusammenhang des Tarifvertrags zeige, daß es sich hierbei um eine abschließende, der Ausfüllung durch die Betriebsparteien nicht zugängliche Regelung handele. Daher könne dahingestellt bleiben, ob in den Betriebsvereinbarungen vom 21. Juni 1979 und 10. Dezember 1979 die Nachwirkung der ursprünglichen Betriebsvereinbarung einverständlich ausgeschlossen worden sei.
2. Dieser Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann nur im Ergebnis gefolgt werden.
Dahingestellt bleiben kann dabei, ob der nachwirkende MTV eine tarifübliche, bezüglich des Regelungstatbestandes der Betriebsvereinbarung abschließende und damit deren wirksamen Zustandekommen entgegenstehende Regelung i.S. des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG enthält, so daß eine Nachwirkung der Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG bereits mangels wirksamen Zustandekommens der Betriebsvereinbarung ausscheiden müßte. Die Beteiligten haben die Nachwirkung jedenfalls einverständlich ausgeschlossen.
a) Zwar gelten gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG die Regelungen einer Betriebsvereinbarung nach deren Ablauf in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. § 77 Abs. 6 BetrVG enthält jedoch nach allgemeiner Auffassung kein zwingendes Recht, vielmehr ist der Ausschluß der Nachwirkung in der Betriebsvereinbarung selbst oder einer späteren Vereinbarung der Betriebspartner möglich (Fitting/Auffarth/Kaiser, aa0, § 77 Rz 46; GK-Thiele, BetrVG, 3. Bearb. 1982, § 77 Rz 230; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 45; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, § 77 Rz 124; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 113).
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde haben die Beteiligten einen solchen Nachwirkungsausschluß vereinbart. Zwar muß der Ausschluß der Nachwirkung ausdrücklich und unzweideutig erfolgen. Hieran bestehen aber keine berechtigten Zweifel. Nach der fristgemäßen Kündigung der Betriebsvereinbarung durch die Antragsgegnerin zum 30. Juni 1979 haben die Beteiligten nämlich am 21. Juni 1979 eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, nach der die gekündigte Betriebsvereinbarung ihre Wirksamkeit bis zum 31. Dezember 1979 behalten und ab 1. Januar 1980 unwirksam sein sollte, ohne daß es einer besonderen Kündigung bedürfe. Ob bereits in dieser Vereinbarung ein einverständlicher Ausschluß der Nachwirkung lag, kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Beteiligten am 10. Dezember 1979 eine erneute Vereinbarung über die befristete Weitergeltung der Betriebsvereinbarung vom 1. Februar 1975 bis zum 31. Januar 1980 und den Ausschluß der Nachwirkung nach diesem Zeitpunkt getroffen haben.
Betriebsvereinbarungen sind wie Gesetze auszulegen, wobei maßgeblich auf den in der Betriebsvereinbarung selbst zum Ausdruck gelangten Willen der Beteiligten abzustellen ist, während Raum für die Feststellung eines vom Wortlaut abweichenden Willens der Betriebspartner nicht besteht (BAG 27, 187, 191, 192 = AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung; Urteil vom 4. März 1982 - 6 AZR 594/79 -, AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972). Daneben sind der Gesamtzusammenhang und der Zweck der Regelung zu beachten (vgl. BAG Urteil vom 22. August 1979 - 5 AZR 1066/77 -, AP Nr. 3 zu § 611 BGB Deputat).
Wird die Vereinbarung vom 10. Dezember 1979 unter Zugrundelegung dieser Merkmale ausgelegt, spricht für einen Ausschluß der nach § 77 Abs. 6 BetrVG bestehenden Nachwirkung bereits der Wortlaut der Betriebsvereinbarung. Danach sollte die ursprüngliche Betriebsvereinbarung ab 1. Februar 1980 unwirksam sein, ohne daß es einer besonderen Kündigung bedürfe. Da die Beteiligten in der gleichen Vereinbarung bereits die Verlängerung der Gültigkeit der schon gekündigten Betriebsvereinbarung bis zum 31. Januar 1980 ausdrücklich festgelegt hatten, hätte es der gesonderten Vereinbarung der Unwirksamkeit nicht bedurft, da die Geltungsdauer ohnehin bis zum 31. Januar 1980 befristet war. Zwar steht diese Erklärung, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, in dieser Vereinbarung wie in der vom 21. Juni 1979 jeweils in engem Zusammenhang mit dem Ausschluß des Kündigungserfordernisses. Hieraus läßt sich jedoch entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht folgern, es könne sich auch um bloße Befristungsvereinbarungen handeln. Die gesonderte Erwähnung des Beginns der Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarung deutet vielmehr darauf hin, daß die Beteiligten davon ausgingen, mit Ablauf der Befristung und damit der vereinbarten weiteren zeitlichen Geltung der Betriebsvereinbarung sei ihre noch darüber hinausgehende Wirksamkeit ausgeschlossen, und zwar nicht nur deren zwingende, sondern auch deren unmittelbare Wirkung. Unerheblich ist insoweit, ob die Beteiligten über die Bestimmung des § 77 Abs. 6 BetrVG gesprochen haben, da sich hieraus für die Auslegung der Vereinbarungen nichts gewinnen läßt. Vielmehr spricht auch der Umstand, daß sich die Beteiligten verpflichteten, "bis zum 31. Januar 1980 zu einem sinnvollen Abschluß zu kommen" und der erklärte Grund der erneuten befristeten Verlängerung der Betriebsvereinbarung für den gewollten Nachwirkungsausschluß. Als Begründung führen die Beteiligten in der Vereinbarung vom 10. Dezember 1979 die Schwierigkeit einer Lösung der zahlreichen Detailprobleme und die zu kurz bemessene Frist in der ersten Verlängerungsvereinbarung an. In Verbindung mit der Verpflichtung, bis zum 31. Januar 1980 zu einem sinnvollen Abschluß zu kommen, läßt dies nur den Schluß zu, daß diese letzte Vereinbarung den baldigen Abschluß der geplanten neuen Betriebsvereinbarung herbeiführen und noch längere Verhandlungen vermeiden sollte. Dies konnte jedoch nur durch den Ausschluß der Nachwirkung erreicht werden, da nur der drohende vereinbarungslose und nachwirkungsfreie Zustand einen entsprechenden "Einigungsdruck" erzeugen konnte. Soweit die Rechtsbeschwerde demgegenüber den Sinn der Vereinbarung über die Verlängerung lediglich darin sieht, die alte Betriebsvereinbarung weiter gelten zu lassen, ohne die Betriebspartner mit einer neuerlichen Kündigungsfrist zu belasten, übersieht sie, daß diese Weitergeltung bereits aus § 77 Abs. 6 ff. BetrVG folgt, so daß es überhaupt keiner befristeten Verlängerung, jedenfalls aber nicht der zweiten vom 10. Dezember 1979 bedurft hätte, um die Belastung mit einer Kündigungsfrist zu vermeiden.
Die Beteiligten haben eine Nachwirkung der zum 31. Januar 1980 befristeten Betriebsvereinbarung vom 1. Februar 1975 ausgeschlossen, so daß das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht den Feststellungsantrag des Antragstellers abgewiesen hat.
Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann
Dr. Martin Dr. Hoffmann
Fundstellen
Haufe-Index 440513 |
BAGE 45, 132-140 (LT1-2) |
BAGE, 132 |
BB 1984, 1746-1747 (LT1-2) |
DB 1984, 1477-1478 (LT1-2) |
JR 1985, 308 |
NZA 1984, 96-97 (LT1-2) |
AP § 77 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 9 |
EzA § 77 BetrVG 1972, Nr 13 (LT1-2) |
ZfA 1985, 565-566 (T) |