Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzung einer Telefonanlage durch den Betriebsrat
Leitsatz (amtlich)
1. Der Betriebsrat kann nach § 40 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch gegen den Arbeitgeber haben, eine an den Arbeitsplätzen der Arbeitnehmer vorhandene Telefonanlage durch eine vom Arbeitgeber zu veranlassende gesonderte fernsprechtechnische Schaltung für den innerbetrieblichen Dialog mit der Belegschaft nutzbar machen zu lassen.
2. Rechte des Betriebsrats aus § 40 Abs. 2 BetrVG können durch Tarifvertrag nicht beschränkt werden.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 2, §§ 75, 78, 80
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerden der beteiligten Betriebsräte wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. September 1997 - 5 TaBV 12/97 - aufgehoben.
Auf die Beschwerden der beteiligten Betriebsräte wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Trier vom 22. Januar 1997 - 4 BV 32/96 - abgeändert.
Dem Arbeitgeber wird aufgegeben, die in den einzelnen Verkaufsstellen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich der antragstellenden Betriebsräte vorhandenen Fernsprecher telefontechnisch so einrichten zu lassen, daß die Betriebsräte in den Verkaufsstellen anrufen können.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, es dem Betriebsrat zu ermöglichen, die von ihm vertretenen Arbeitnehmer über vorhandene Telefonanlagen anrufen zu können.
Der Arbeitgeber vertreibt bundesweit Drogeriewaren über Verkaufsstellen. Die Verkaufsstellen sind aufgrund einer tariflichen Vereinbarung zwischen der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherung (HBV) und dem Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG Bezirken zugeordnet, in denen jeweils Betriebsräte gebildet worden sind. Die Antragsteller sind die für die Bezirke W bzw. T gewählten Betriebsräte. Deren Bezirke gehören 18 bzw. 19 räumlich von einander entfernt liegende Verkaufsstellen an. In den Verkaufsstellen sind Telefonapparate installiert. Diese Telefonanschlüsse sind aufgrund einer besonderen technischen Schaltung von außen nicht anrufbar. Die dortigen Mitarbeiter können lediglich eine beschränkte Anzahl von Telefonnummern anwählen, darunter auch diejenige des Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreters.
Dem Betriebsratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter steht jeweils ein Telefonanschluß mit freigeschalteter Amtsleitung zur Verfügung. Zum Sachaufwand des Betriebsrats trifft ein Ergänzungstarifvertrag zwischen der HBV und dem Arbeitgeber vom 7. April 1995 folgende Regelung:
2. Sachaufwand des Betriebsrates
2.1. Der Betriebsrat bestimmt seinen Sitz an einer Verkaufsstelle oder Filiale des Bezirkes unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten. Vorrang haben die Verkaufsstellen oder Filialen am Sitz des Betriebsratsvorsitzenden oder stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden.
Der Arbeitgeber stellt am Sitz des Betriebsrates einen verschließbaren Schrank, einen Schreibtisch mit Sitzgelegenheit sowie die für die Betriebsratstätigeit erforderlichen sachlichen Mittel im Sinne des § 40 BetrVG zur Verfügung.
Zu den für die Betriebsratstätigkeit erforderlichen Sachmittel gehören zwei Telefone mit Amtsleitungen.
2.2. In den Verkaufsstellen des Betriebsratsvorsitzenden und stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden sind Telefone installiert, die sicherstellen, daß diese Telefonapparate von allen Verkaufsstellen angerufen werden können.
2.3. Die Bezirksleitung stellt dem Betriebsrat im Bezirk eine geeignete Tagungsmöglichkeit zur Abhaltung von Betriebsratssitzungen zur Verfügung.
Die Betriebsräte haben behauptet, die fernsprechtechnische Schaltung der Telefonanlagen in den einzelnen Verkaufsstellen ermögliche Anrufe des Arbeitgebers, weil dieser die jeweiligen Rufnummern kenne. Der Arbeitgeber habe auch in einzelnen Verkaufsstellen angerufen. Sie haben gemeint, aufgrund der besonderen Betriebsstruktur für die innerbetriebliche Kommunikation darauf angewiesen zu sein, sich mit den von ihnen zu vertretenden Mitarbeitern telefonisch in Verbindung setzen zu können. Eine sachgerechte Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben, insbesondere von Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten in Fragen der Arbeitszeit, der Einstellung und Vertretung sei ansonsten nicht möglich. Sie könnten nicht darauf verwiesen werden telegraphisch um Rückruf zu bitten oder die Mitarbeiter während der Arbeitszeit am Arbeitsplatz aufzusuchen bzw. mit ihnen schriftlich zu kommunizieren.
Die Betriebsräte haben zuletzt beantragt,
dem Arbeitgeber aufzugeben, die in den einzelnen Verkaufsstellen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich der antragstellenden Betriebsräte vorhandenen Fernsprecher telefontechnisch so einrichten zu lassen, daß die Betriebsräte in den Verkaufsstellen anrufen können.
Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Er hält die Anträge mangels hinreichender Bestimmtheit für unzulässig. Im übrigen sei der Sachaufwand des Betriebsrats tariflich abschließend geregelt. Er habe seiner tarifvertraglichen Verpflichtung genügt. Den Betriebsräten stünden Telefonapparate mit freigeschalteten Amtsleitungen zur Verfügung. Die verlangte Freischaltung und dadurch ermöglichte Anrufbarkeit der Verkaufsstellen störten die dortigen betrieblichen Abläufe und verursachten unverhältnismäßig hohe Kosten. Wegen der Vielzahl an Teilzeitkräften und der wechselnden Einsatzpläne sei nicht gewährleistet, daß der Betriebsrat den gewünschten Gesprächspartner während der Arbeitszeit erreiche.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Die dagegen gerichteten Beschwerden der beteiligten Betriebsräte blieben vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen die Betriebsräte ihre bisherigen Antragsziele weiter. Der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerden zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerden der Betriebsräte sind begründet. Der Arbeitgeber ist nach § 40 Abs. 2 BetrVG verpflichtet, die Telefone in den Verkaufsstellen der Bezirke W und T so einrichten zu lassen, daß die Betriebsräte in den einzelnen Verkaufsstellen ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs anrufen können.
I. Die Anträge sind zulässig. Sie sind entgegen der Auffassung des Arbeitgebers hinreichend bestimmt. Allerdings haben die Betriebsräte die zur Erfüllung ihrer Ansprüche notwendigen technischen Maßnahmen nicht näher bezeichnet. Das steht dem prozessualen Bestimmtheitsgebot nicht entgegen. Wie bei jeder Verurteilung zur Leistung gehört es zu den Aufgaben des Verpflichteten, über die Art und Weise der Erfüllung zu befinden. Nichts anderes gilt für die Verpflichtung des Arbeitgebers, vorhandene Telefonanlagen benutzbar zu machen. Ob er die notwendigen technischen Vorkehrungen getroffen hat, um Anrufe der Betriebsräte in den einzelnen Verkaufsstellen zu ermöglichen, ist ggf. im Vollstreckungsverfahren zu prüfen (vgl. BAG Urteile vom 17. Februar 1998 - 9 AZR 84/97 - AP Nr. 26 zu § 618 BGB; vom 19. Januar 1999 - 1 AZR 499/98 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
II. Die Anträge sind begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge der Betriebsräte zu Unrecht zurückgewiesen. Es hat die Voraussetzungen verkannt, nach denen die Betriebsräte gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG von dem Arbeitgeber verlangen können, die vorhandenen Telefonanlagen für die innerbetriebliche Kommunikation mit den von ihnen vertretenen Arbeitnehmern nutzbar zu machen.
1. Der Anspruch des Betriebsrats folgt aus § 40 Abs. 2 BetrVG. Danach hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung sachliche Mittel in erforderlichem Umfang zur Verfügung zu stellen. Der Senat läßt dahingestellt, ob der Anspruch des Betriebsrats auch aus § 78 BetrVG folgt. Das käme in Betracht, wenn das streitig gebliebene Vorbringen der Betriebsräte zuträfe, der Arbeitgeber nutze die ihm bekannten Rufnummern für Anrufe in einzelne Verkaufsstellen. In diesem Fall könnte sich das Verhalten des Arbeitgebers als eine unzulässige Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellen (§ 78 BetrVG), weil dem Betriebsrat ohne rechtfertigenden Grund ein innerbetriebliches Kommunikationsmittel verweigert würde, das der Arbeitgeber für sich in Anspruch nimmt.
2. Nach der gesetzlichen Ausgestaltung des § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Betriebsrat die Voraussetzungen der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers zu beurteilen. Er hat zu prüfen, ob das verlangte Sachmittel für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und deshalb vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist. Dabei darf der Betriebsrat nicht allein nach seinen subjektiven Bedürfnissen entscheiden. Von ihm wird verlangt, daß er bei seiner Entscheidungsfindung die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben berücksichtigt. Dabei hat er die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und berechtigte Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung seiner Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen (BAG Beschluß vom 12. Mai 1999 - 7 ABR 36/97 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit des verlangten Sachmittels unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist auf die Prüfung beschränkt, ob das verlangte Sachmittel aufgrund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung einer gesetzlichen Aufgabe des Betriebsrats dient und der Betriebsrat nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt hat, sondern bei seiner Entscheidung auch berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat. Dient das jeweilige Sachmittel der Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und hält sich die Interessenabwägung des Betriebsrats im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, können die Gerichte die Entscheidung des Betriebsrats nicht durch ihre eigene ersetzen (BAG Beschlüsse vom 12. Mai 1999 - 7 ABR 36/97 - aaO; vom 11. November 1998 - 7 ABR 57/97 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann im Rechtsbeschwerdeverfahren ebenfalls nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob Rechtsbegriffe verkannt worden sind, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Würdigung übersehen worden sind (BAG st. Rspr., zuletzt Beschluß vom 11. November 1998 - 7 ABR 57/97 - aaO).
3. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, daß der Arbeitgeber durch die Freischaltung der Telefonapparate, die dem Betriebsratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter in ihren Verkaufsstellen zur Verfügung stehen, den Anspruch des Betriebsrats aus § 40 Abs. 2 BetrVG nur teilweise erfüllt hat. Es hat weiterhin verkannt, daß der Betriebsrat für den innerbetrieblichen Dialog und Meinungsaustausch mit der Belegschaft aufgrund der besonderen betrieblichen Verhältnisse auf die telefonische Erreichbarkeit der Mitarbeiter angewiesen ist und daß nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Betriebsrat ein Bestimmungsrecht zur Art des Kommunikationsmittels zusteht.
a) Der Arbeitgeber hat allein mit dem Überlassen freigeschalteter Telefonanlagen an den Betriebsratsvorsitzenden und seinen Stellvertreter seine Verpflichtung aus § 40 Abs. 2 BetrVG nicht erfüllt. Zum erforderlichen Umfang sachlicher Mittel gehört bei einer Telefonanlage auch deren Nutzbarkeit in einer Art und Weise, die eine Erfüllung gesetzlicher Aufgaben ermöglicht. Dazu kann auch die telefonische Erreichbarkeit von Mitarbeitern gehören, an deren Arbeitsplätzen der Arbeitgeber eine Fernsprecheinrichtung bereitgestellt hat. Bewirken erst die technischen Veränderungen an diesen Anlagen die nach § 40 Abs. 2 BetrVG erforderliche Nutzbarkeit der dem Betriebsrat zur Verfügung stehenden Fernsprecheinrichtung, sind sie Teil des Sachmittelanspruchs des Betriebsrats.
b) Die Nutzung des Telefons zur Kontaktaufnahme mit den von ihm vertretenen Mitarbeitern betrifft die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben des Betriebsrats. Sie dient der innerbetrieblichen Kommunikation und dem Informationsaustausch zwischen den Arbeitnehmern und der von ihr gewählten Arbeitnehmervertretung. Zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört es, im Rahmen seiner Zuständigkeit die Belegschaft umfassend und grundlegend zu informieren. Die Einhaltung der allgemeinen Überwachungspflichten nach § 75 BetrVG bzw. § 80 BetrVG verlangt zwingend, sich mit den von ihnen zu vertretenden Mitarbeitern auszutauschen. Auch die sachgerechte Wahrnehmung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ist ohne einen Informations- und Meinungsaustausch zwischen Betriebsrat und Belegschaft nicht denkbar.
c) Die Betriebsräte haben die verlangten technischen Änderungen an den vorhandenen Telefonanlagen zur telefonischen Kontaktaufnahme mit den einzelnen Verkaufsstellen angesichts der besonderen Struktur des Einzelhandelsunternehmens des Arbeitgebers auch für erforderlich halten können. Ihrer Entscheidung stehen berechtigte betriebliche Interessen des Arbeitgebers und insbesondere sein Interesse an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht nicht entgegen.
aa) Der Kontakt zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern ist nach dem Betriebsverfassungsgesetz weder institutionalisiert noch in sonstiger Weise vorgegeben. Das Betriebsverfassungsgesetz verweist den Betriebsrat für den innerbetrieblichen Dialog mit der Belegschaft nicht auf die Durchführung von Betriebsversammlungen oder Sprechstunden (BAG Beschluß vom 8. Februar 1977 - 1 ABR 82/74 - AP Nr. 10 zu § 80 BetrVG 1972). Es verlangt von ihm auch nicht, sich auf Aushänge am Schwarzen Brett zu beschränken oder die Belegschaft schriftlich zu informieren bzw. die Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplätzen stets persönlich aufzusuchen. Welche Informations- und Kommunikationswege der Betriebsrat für zweckmäßig hält, ist von ihm nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden (BAG Beschluß vom 21. November 1978 - 6 ABR 85/76 - AP Nr. 15 zu § 40 BetrVG 1972). Er ist nicht darauf zu verweisen, daß die Arbeitnehmer ihrerseits den Kontakt mit ihm suchen können. Vielmehr muß er die Möglichkeit haben, von sich aus mit der Belegschaft in Verbindung treten zu können. Es ist deshalb rechtsfehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht das Kommunikations- und Informationsbedürfnis des Betriebsrats schon deshalb als erfüllt ansieht, weil die Arbeitnehmer in den Verkaufsstellen ihrerseits über die Möglichkeit verfügen, mit dem Betriebsrat über die vorhandene Telefonanlage in Kontakt zu treten. Eine derartige Verkürzung der Informationsrechte und -pflichten des Betriebsrats und die Beschränkung seiner innerbetrieblichen Kommunikationsbedürfnisse sieht das BetrVG nicht vor.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat auch verkannt, daß der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Art der innerbetrieblichen Kommunikation nicht vorschreiben kann. Soweit der Betriebsrat dafür auf technische Einrichtungen angewiesen ist, die im Betrieb verfügbar sind, ist das Bestimmungsrecht des Betriebsrats zur Erforderlichkeit dieses Sachmittels durch das BetrVG zwingend vorgegeben. Anstelle eines Anspruchs auf Kostenerstattung nach § 40 Abs. 1 BetrVG begründet § 40 Abs. 2 BetrVG für den Sachaufwand und das Büropersonal zugunsten des Betriebsrats einen Anspruch auf Naturalleistung. Dazu billigt das Betriebsverfassungsgesetz dem Arbeitgeber ein Auswahlrecht bei der Beschaffung von Sachmitteln und der Einstellung oder Gestellung von Büropersonal zu und verhindert auf diese Weise Eigenanschaffungen des Betriebsrats bzw. Einstellungen zu Lasten des Arbeitgebers. Damit ist nicht die Befugnis des Arbeitgebers verbunden, über die Erforderlichkeit des Sachmittels zu befinden. Das ist Sache des Betriebsrats, der seine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat. Demzufolge geht der Senat in ständiger Rechtsprechung von einem Bestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der zur Verfügung zu stellenden Kommentarliteratur (BAG Beschluß vom 26. Oktober 1994 - 7 ABR 15/94 - AP Nr. 43 zu § 40 BetrVG 1972), bei Fachzeitschriften (BAG Beschluß vom 25. Januar 1995 - 7 ABR 37/94 - AP Nr. 46 zu § 40 BetrVG 1972), bei Gesetzestexten (BAG Beschluß vom 24. Januar 1996 - 7 ABR 22/95 - AP Nr. 52 zu § 40 BetrVG 1972) sowie bei der Anschaffung von Personalcomputern (BAG Beschluß vom 11. März 1998 - 7 ABR 59/96 - AP Nr. 57 zu § 40 BetrVG 1972) aus. Auch für sonstige Sachmittel besteht keine Veranlassung, die Rechte des Betriebsrats zu beschränken und es dem Arbeitgeber zu überlassen, die Art des Sachmittels für die Geschäftsführung des Betriebsrats zu bestimmen.
cc) Aufgrund der besonderen betrieblichen Verhältnisse im Einzelhandelsunternehmen des Arbeitgebers sind die Betriebsräte auch auf eine telefonische Kontaktaufnahme mit den Mitarbeitern in den Verkaufsstellen angewiesen.
Die beteiligten Betriebsräte sind zuständig für die betriebsverfassungsrechtliche Vertretung von Arbeitnehmern in 18 bzw. 19 Verkaufsstellen. Die Verkaufsstellen sind räumlich voneinander entfernt, wobei in beiden Bezirken einzelne Verkaufsstellen bis zu 70 km vom Betriebsratsbüro entfernt liegen. In den Verkaufsstellen werden nach dem Vorbringen des Arbeitgebers in erheblichem Umfang Teilzeitkräfte eingesetzt. Diese sind während der betriebsüblichen Öffnungszeiten der Verkaufsstellen nicht ständig anwesend und aufsuchbar. Derzeit ist eine vom Betriebsrat ausgehende Kontaktaufnahme mit den Arbeitnehmern nur möglich, in dem der Betriebsrat eine Bitte um Rückruf brieflich oder in dringenden Fällen telegraphisch übermittelt oder die Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplätzen persönlich aufsucht. Beide Möglichkeiten erlauben dem Betriebsrat keine ungehinderte Kontaktaufnahme mit den Arbeitnehmern, zumal sie mit beträchtlichen Zeitverzögerungen und/oder der Inkaufnahme nicht unerheblicher Reisezeiten verbunden sind. Infolge der hohen Anzahl von Teilzeitkräften ist dabei nicht gewährleistet, daß der Betriebsrat diese Mitarbeiter ohne aufwendige Terminabsprache an ihren Arbeitsplätzen erreicht. Diese betrieblichen Verhältnisse beeinträchtigen und erschweren den Informations- und Meinungsaustausch zwischen Arbeitnehmervertretung und Arbeitnehmern und lassen einen vom Betriebsrat ausgehenden spontanen Dialog ohne die Möglichkeit einer telefonischen Kontaktaufnahme nicht zu.
dd) Durch eine vom Betriebsrat initiierte telefonische Kontaktaufnahme treten keine unzumutbaren Störungen betrieblicher Abläufe ein. Der Dialog zwischen Arbeitnehmern und Betriebsrat am Arbeitsplatz, auf Betriebsversammlungen oder in den Sprechstunden während der Arbeitszeit führt generell zu einer Beeinträchtigung betrieblicher Abläufe, die das Betriebsverfassungsgesetz zur sachgerechten Wahrnehmung von Belegschaftsinteressen in Kauf nimmt. Darüber hinausgehende Störungen treten bei einer telefonischen Kontaktaufnahme durch den Betriebsrat nicht ein. Das von dem Arbeitgeber für zutreffend erachtete Aufsuchen der Mitarbeiter an ihren Arbeitsplätzen oder die Entgegennahme von Telegrammen wäre mit keinen geringeren Beeinträchtigungen verbunden. Soweit der Arbeitgeber befürchtet, daß durch ein Bekanntwerden der Telefonnummern und die dadurch ermöglichte freie Erreichbarkeit der Anschlüsse die dort beschäftigten Mitarbeiter in erheblichem Umfange private Telefonate entgegennehmen, kann er diesen Störungen durch entsprechende Anweisungen an die Mitarbeiter entgegentreten. Darüber hinaus kann er ggf. technische Vorkehrungen treffen, um unerwünschte private Anrufe während der Arbeitszeit zu verhindern.
ee) Der Betriebsrat mußte bei seiner Entscheidung dem Kosteninteresse des Arbeitgebers keinen Vorrang einräumen. Entgegen der Ansicht des Arbeitgebers ist nicht darauf abzustellen, welche Kostenbelastung mit der verlangten Freischaltung bundesweit entsteht. Denn maßgebend sind allein die betrieblichen Verhältnisse und nicht die fiktiven Verhältnisse in anderen Betrieben des Arbeitgebers (BAG Beschluß vom 24. Januar 1996 - 7 ABR 22/95 - AP Nr. 52 zu § 40 BetrVG 1972). Unabhängig davon ist die Kostenbelastung des Arbeitgebers bei einer Gesamtbetrachtung aller Kosten auch nicht unangemessen. Durch die vollständige Freischaltung der Telefonapparate in den jeweiligen Verkaufsstellen entstehen dem Arbeitgeber seinen Angaben zur Folge Kosten in Höhe von 5.313,60 DM bzw. 5.608,80 DM jährlich. Die Kosten setzen sich zusammen aus einer monatlichen Grundgebühr von 24,60 DM multipliziert mit der Anzahl der Verkaufsstellen. Diese Kosten werden jedoch schon dadurch relativiert, daß in den Verkaufsstellen, in denen der Betriebsrat bzw. sein Stellvertreter tätig sind, bereits Freischaltungen erfolgt sind und dafür keine gesonderten Kosten mehr anfallen und auch die bisherigen Anschlußkosten für die Verkaufsstellen gegenzurechnen wären. Darüber hinaus entfallen Post- und Telegrammgebühren sowie der finanzielle Aufwand für zusätzliche Arbeitsbefreiungen und Reisekosten der Betriebsräte und ihrer Stellvertreter, die der Arbeitgeber ansonsten zu tragen hätte.
4. Der Anspruch des Betriebsrats wird durch den Ergänzungstarifvertrag vom 30. Mai 1995 nicht ausgeschlossen.
a) Die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte des Betriebsrats auf Bereitstellung von Sachmitteln und Büropersonal können durch Tarifvertrag nicht beschränkt werden. Bei der Regelung des § 40 Abs. 2 BetrVG handelt es sich um eine zwingende Vorschrift zur Organisation der Betriebsverfassung. Sie ist einer abweichenden tariflichen Regelung nicht zugänglich (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 40 Rz 3; GK-BetrVG/Wiese, 6. Aufl., § 40 Rz 4; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 5. Aufl., § 40 Rz 1). Es fehlt an einer § 38 Abs. 1 Satz 3 BetrVG vergleichbar gesetzlich geregelten Möglichkeit, durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eine anderweitige Bestimmung treffen zu können.
b) Unabhängig davon haben die Tarifvertragsparteien den Anspruch des Betriebsrats in dem fraglichen Ergänzungstarifvertrag auch nicht beschränkt. Das folgt aus dem Wortlaut des Tarifvertrags und dem tariflichen Zusammenhang.
Nach Nr. 2.1. des Ergänzungstarifvertrags hat der Arbeitgeber neben den dort konkret benannten Sachmitteln die für die Betriebsratstätigkeit erforderlichen sachlichen Mittel im Sinne des § 40 BetrVG zur Verfügung zu stellen. Dazu bestimmt Nr. 2.1., daß zu den erforderlichen Sachmitteln auch zwei Telefone mit Amtsleitung gehören und in Nr. 2.2., daß in den Verkaufsstellen des Betriebsrats und seines Stellvertreters Telefonapparate zu installieren sind, die von den einzelnen Verkaufsstellen aus angerufen werden können. Damit haben die Tarifvertragsparteien einen Teilanspruch des Betriebsrats aus § 40 Abs. 2 BetrVG konkretisiert. Eine abschließende Regelung der vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden technischen Sachmitteln folgt daraus nicht. Das ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenhang der Nr. 2.1. und 2.2. Sie sind unter der Überschrift „Sachaufwand des Betriebsrates” zusammengefaßt. Damit wird verdeutlicht, daß die Tarifvertragsparteien Regelungen über eine Mindestausstattung des Betriebsrats getroffen haben, ohne die gesetzlichen Befugnisse des Betriebsrats nach § 40 BetrVG einschränken zu wollen.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Gräfl, Berger, Gerschermann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 09.06.1999 durch Schiege, Justizsekretär z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436110 |
BB 1999, 1379 |
DB 1999, 1275 |
DStR 1999, 1161 |
NWB 1999, 4142 |
EBE/BAG 1999, 186 |
ARST 1999, 238 |
ARST 2000, 98 |
FA 1999, 266 |
FA 1999, 372 |
SAE 2000, 84 |
ZTR 2000, 47 |
AP, 0 |
AuA 1999, 374 |
MDR 1999, 1511 |
RDV 2000, 21 |
ZMV 1999, 239 |