Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung der Nichtwählbarkeit. Freistellung zu einer Arbeitsgemeinschaft gem. § 9 Ziff. 2 RTV
Leitsatz (amtlich)
1. Die Stellung eines Antrags nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG 1972 auf Feststellung der Nichtwählbarkeit ist nicht von der Einhaltung einer bestimmten Frist abhängig.
2. Ruht das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers zum Stammbetrieb während der Dauer der Freistellung zu einer Arbeitsgemeinschaft gemäß § 9 Ziff. 2 RTV für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes, so ist mangels bestimmter gegenteiliger Anhaltspunkte davon aus zugehen, daß der Stammbetrieb unverändert bleibt und keine Versetzung zu einem anderen, etwa näher bei der Arbeitsgemeinschaft gelegenen Betrieb des Unternehmens vorliegt.
Normenkette
BetrVG 1972 § 24 Abs. 1 Nr. 6, § 19 Abs. 2, § 8 Abs. 1 S. 1; 1. VO zur Durchführung des BetrVG (WO) § 2 Abs. 2-3, § 4; Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 14. Juni 1971 §§ 8, 10
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 21.05.1974; Aktenzeichen 5 Ta BY 5/74) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. Mai 1974 – 5 Ta BV 5/74 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I. Die Antragstellerin betreibt ein Bauunternehmen mit Sitz der Hauptverwaltung in S. und zwölf Zweigniederlassungen, unter anderem in N. und E. Die Aufgabe der Hauptverwaltung besteht in der technischen und kaufmännischen Oberleitung, während von den Zweigniederlassungen aus die eigentliche Bautätigkeit und die Durchführung der Bauprojekte erfolgt. Bei den einzelnen Zweigniederlassungen bestehen eigene Betriebsräte. Der Antragsgegner trat aufgrund eines Anstellungsvertrages vom 21. März 1970 am 1. Juli 1970 als Baukaufmann in die Zweigniederlassung N. der Antragstellerin ein. In § 1 Ziff. 2 des Anstellungsvertrages ist folgendes bestimmt:
„Die Firma behält sich vor, den Arbeitnehmer innerhalb des Unternehmens bei unveränderten Bezügen an anderer vergleichbarer Stelle einzusetzen, bzw. auch eine andere seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen. Dieser Vorbehalt erstreckt sich auch auf die Versetzung an einen anderen Ort.”
§ 9 Ziff. 2 des Arbeitsvertrages lautet:
„Im übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen sowie die jeweils im Tarifgebiet geltenden Tarifregelungen, insbesondere der Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes.”
In einem dem Anstellungsvertrag beigefügten Begleitschreiben der Zweigniederlassung N. vom 19. März 1970 heißt es, das Einsatzgebiet des Antragsgegners umfasse den ganzen nordbayerischen Raum; bei einer Beschäftigung in der Niederlassung N. ebenso wie bei einem Einsatz auf auswärtigen Baustellen werde die tarifliche Auslösung vergütet.
Seit dem 8. Februar 1971 war der Antragsgegner bei der Arbeitsgemeinschaft Lindegrund in A. tätig. An dieser Arbeitsgemeinschaft, die in A. eine Jugendstrafanstalt erstellte und dort ein eigenes Büro und eine eigene Buchhaltung unterhielt, war die Antragstellerin beteiligt. Vor seinem Einsatz bei der Arbeitsgemeinschaft hatte der Antragsgegner unter dem 27. Januar 1971 ein Schreiben folgenden Inhalts von der Antragstellerin – Zweigniederlassung N. – erhalten:
„… Wir haben bezüglich Ihres Einsatzes bei der Zweigniederlassung K. mit der kaufmännischen Leitung gesprochen und werden Ihnen nach Abstimmung mit K. Bescheid geben, wo Sie die Arbeit nach Ihrem Urlaub wieder aufnehmen sollen. …”
In einem Schreiben vom 29. Januar 1971 der Zweigniederlassung N. wurde der Antragsgegner sodann angewiesen, sich am 8. Februar 1971 „bei der Zweigniederlassung K. Herrn H.” zu melden. Am 1. September 1973 kehrte der Antragsgegner wieder in die Zweigniederlassung N. zurück.
Im April 1972 wurde der Antragsgegner in den Betriebsrat der Zweigniederlassung K. gewählt; seit dem 31. Mai 1972 ist er dessen Vorsitzender.
Mit einem am 3. September 1973 beim Arbeitsgericht eingereichten Antrag – Az.: 2 BV 12/73 Arbeitsgericht Heilbronn – begehrte der Antragsgegner die Feststellung, daß die einzelnen Zweigniederlassungen keine Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes seien, so daß die Betriebsräte für das gesamte Unternehmen gewählt seien. Nach Zurücknahme des Antrags am 20. November 1973 ist das Verfahren eingestellt worden.
Mit dem am 5. Dezember 1973 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin ihrerseits die Feststellung begehrt, daß der Antragsgegner in den Betriebsrat der Zweigniederlassung K. nicht wählbar gewesen ist. Zur Begründung des Antrags hat sie vorgetragen: Das Verfahren der nachträglichen Feststellung der Nichtwählbarkeit eines Betriebsratsmitglieds entspreche dem Verfahren nach § 19 BetrVG, so daß der Arbeitgeber antragsberechtigt sei. Die nachträgliche Feststellung der Nichtwählbarkeit könne unbefristet erfolgen. Im übrigen sei sie erst durch das vom Antragsgegner eingeleitete Verfahren genötigt worden, die Frage seiner Wählbarkeit näher zu prüfen. Der Antragsgegner habe nicht dem Betrieb in K. angehört, vielmehr von Anfang an dem Betrieb der Zweigniederlassung N., für den er ausweislich des Arbeitsvertrages eingestellt worden sei. Die Abordnung zur Arbeitsgemeinschaft in A. habe nicht zu einem Wechsel der Betriebszugehörigkeit geführt, da es sich nur um eine vorübergehende Auswärtstätigkeit und nicht um eine Versetzung zu einer anderen Zweigniederlassung gehandelt habe. Der Antragsgegner sei während seiner Tätigkeit bei der Arbeitsgemeinschaft auch nicht in den Betrieb der Zweigniederlassung K. eingegliedert gewesen, da es sich bei der Arbeitsgemeinschaft um eine selbständige Gesellschaft bürgerlichen Rechts gehandelt habe, in deren Leitungsgremien die beteiligten Firmen jeweils ihre Vertreter entsandt hätten. Die Antragstellerin hat beantragt,
festzustellen, daß der Antragsgegner bereits zum Zeitpunkt seiner Wahl nicht die Wählbarkeit für den Betriebsrat der Zweigniederlassung der Antragstellerin in K. besaß, hilfsweise festzustellen, daß die Mitgliedschaft des Antragsgegners im Betriebsrat der Zweigniederlassung K. am 1. September 1973 erloschen ist.
Zur Begründung seines Zurückweisungsantrages hat der Antragsgegner ausgeführt: Die nachträgliche Feststellung der Nichtwählbarkeit eines Betriebsratsmitglieds sei zeitlich nicht unbegrenzt zulässig. Es sei Sache der Leitung der Betriebe K. und N. gewesen, die Wählerlisten, die ihnen vorgelegen hätten, zu beanstanden. Die Unternehmensleitung habe die Wahl vor stände wissentlich hinsichtlich seiner Wählbarkeit getäuscht, was einer Wahlbehinderung gleichkomme. Dadurch, daß die Betriebszugehörigkeit nicht eindeutig festgelegt werde, biete sich die Möglichkeit, unbequeme Betriebsratsmitglieder los zu werden. Durch Versetzung und kurzfristige Abordnungen könne man das gleiche erreichen. Mit dem vorliegenden Verfahren wolle die Antragstellerin ihn wegen seiner Betriebsratstätigkeit maßregeln und benachteiligen. Vom 8. Februar 1971 an habe er der Zweigniederlassung K. angehört, weil er dorthin versetzt worden sei. Dies ergebe sich aus seiner Unterstellung unter die Leitung der dortigen Zweigniederlassung, bei der seine Gehaltsliste geführt worden sei. Außerdem sei er in E. und nicht in N. in die Wählerliste aufgenommen worden. Seit 1959 sei er im Baugewerbe tätig und die meiste Zeit bei Arbeitsgemeinschaften beschäftigt gewesen; dabei sei bisher in jedem Falle mit der Tätigkeit in einem anderen Niederlassungsbereich der jeweiligen Arbeitgeberfirma auch eine ordentliche Versetzung zu dieser Niederlassung verbunden gewesen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsgegner seinen Zurückweisungsantrag weiter, während die Antragstellerin um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.
Entscheidungsgründe
II.1. Die Rechtsbeschwerde ist an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden.
2. Die Antragstellerin ist als Arbeitgeberin gemäß § 83 ArbGG ohne weiteres beteiligungsbefugt und damit auch antragsberechtigt zur Einleitung eines Beschlußverfahrens über die Feststellung der Nichtwählbarkeit eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG 1972.
Der Kreis der Antragsberechtigten ist derselbe wie der der Wahlanfechtungsberechtigten nach § 19 Abs. 2 BetrVG 1972 (Dietz-Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 24 Anm. 34 mit weiteren Nachweisen). Die Beteiligungsbefugnis des Antragsgegners als des betroffenen Betriebsratsmitglieds bedarf keiner weiteren Ausführungen.
3. Im Gegensatz zur Wahlanfechtung (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG 1972) hängt die Antragstellung nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 aaO ebenso wie die Geltendmachung der Nichtigkeit einer Wahl nicht von der Einhaltung einer bestimmten Frist ab. Sie ist grundsätzlich jederzeit möglich, solange das betreffende Betriebsratsmitglied dem Betriebsrat angehört und der Mangel der Wählbarkeit nicht etwa inzwischen geheilt ist, z. B. durch eine nunmehr vorliegende Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten (Dietz-Richardi, aaO, § 24 Anm. 31; Fitting-Auffarth-Kaiser, BetrVG, 11. Aufl., § 24 Anm. 27; BAG AP Nr. 1 zu § 6 BetrVG). Es ist auch nicht entscheidend, ob der Mangel der Nichtwählbarkeit etwa bereits vor Ablauf der Anfechtungsfrist bekannt war, so daß die fristgerechte Einleitung eines Wahlanfechtungsverfahrens noch möglich gewesen wäre, oder ob der Mangel erst später von einem Beteiligten entdeckt worden ist (Thiele, GK-BetrVG, § 24 Anm. 37). Das Gesetz sieht in § 24 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG 1972 nun einmal vor, daß auch nach Ablauf der Frist des § 19 Abs. 2 BetrVG 1972 in einem besonderen Beschlußverfahren die Feststellung der fortdauernden Nichtwählbarkeit als eines besonders schwerwiegenden Mangels der Wahl erfolgen kann. Eine zeitliche Grenze für ein Verfähren nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 aaO ergibt sich nur insoweit, als nach Ausscheiden des betreffenden Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat, insbesondere auch durch Ablauf der Amtsperiode, auch das Rechtsschutzinteresse für eine gerichtliche Entscheidung entfällt (Dietz-Richardi, aaO, Anm. 33; Fitting-Auffarth-Kaiser, aaO, Anm. 34; BAG AP Nr. 2 zu § 24 BetrVG). Zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat ist aber die Amtszeit des 1972 gewählten Betriebsrats der Zweigniederlassung K. noch nicht abgelaufen.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners hat die Antragstellerin auch ihr Antragsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 aaO nicht deshalb verwirkt, weil sie erst 1 1/2Jahre nach der Betriebsratswahl das vorliegende Verfahren in Gang gesetzt hat. Der Mangel der Nichtwählbarkeit eines einzelnen Betriebsratsmitglieds ist von ähnlichem Gewicht wie ein Mangel, der zur Nichtigkeit einer Betriebsratswahl schlechthin führt. Auch die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl bzw. die rechtliche Nichtexistenz eines Betriebsrats nach Ablauf der Amtszeit kann jederzeit geltend gemacht werden; einen Vertrauensschutz gibt es im organisatorischen Bereich der Betriebsverfassung grundsätzlich nicht (vgl. Urteil des Senats vom 15. Januar 1974 – 1 AZR 234/73 – AP Nr. 1 zu § 68 PersVG Baden-Württemberg, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Etwas anderes könnte allenfalls hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen gelten, die eine Betriebszugehörigkeit begründen und damit unter Umständen die Wählbarkeit nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1972. Insoweit hat der Antragsgegner zwar vorgetragen, die Unternehmensleitung habe die Wahlvorstände wissentlich hinsichtlich seiner Wählbarkeit getäuscht und die Betriebszugehörigkeit nicht eindeutig festgelegt. Dieser Sachvortrag ist aber zu allgemein, er enthält keine konkreten Einzelheiten. Es ist zwischen den Beteiligten zudem unstreitig, daß der Antragsgegner schon von einem Zeitpunkt vor Durchführung der Betriebsratswahl 1972 in K. an bis zu seiner Rückkehr zur Zweigniederlassung N. am 1. September 1973 ununterbrochen bei der Arbeitsgemeinschaft A. und nicht für die Zweigniederlassung K. tätig war. Vernünftige Zweifel darüber, wo der Antragsgegner tatsächlich beschäftigt war, konnten also nicht auftreten. Über die weitere Frage der Betriebszugehörigkeit des Antragsgegners unter rechtlichen Gesichtspunkten konnten zwar Zweifel aufkommen. Insoweit hat die Antragstellerin aber niemals den Eindruck erweckt oder gefördert, sie gehe von einer Betriebszugehörigkeit des Antragsgegners zur Zweigniederlassung K. aus. Zumindestens ist in dieser Hinsicht nichts vorgetragen worden. Dann muß es aber auch möglich sein, auch noch geraume Zeit nach der Wahl eines Betriebsrats rechtliche Zweifel an der Wählbarkeit eines Betriebsratsmitglieds gerichtlich klären zu lassen.
III. In der Sache selbst hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Der Senat tritt jedenfalls im Ergebnis der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bei. Der Antragsgegner mag das passive Wahlrecht zum Betriebsrat der Zweigniederlassung N. oder (und) zu einem etwa gewählten Betriebsrat der Arbeitsgemeinschaft A. gehabt haben. Diese Fragen sind nicht Gegenstand des vorliegenden Beschlußverfahrens. Jedenfalls war der Antragsgegner nicht zum Betriebsrat der Zweigniederlassung K. wählbar, weil er nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des angefochtenen Beschlusses schon zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl 1972 bis zum 30. August 1973 bei der Arbeitsgemeinschaft A. und nicht bei der Zweigniederlassung K. tätig war.
1. Der Antragsgegner war zwar in der Wählerliste der Zweigniederlassung E. eingetragen. Diese Eintragung ist zwar formelle Voraussetzung für die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts (§ 2 Abs. 3 WO), sie ersetzt aber – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt – nicht die materiellen Voraussetzungen für Wahlrecht und Wählbarkeit, wenn diese nicht gegeben sind (Beschluß des Senats vom 5. März 1974 – 1 ABR 19/73 – Ziff. II 2 der Gründe, AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Der Antragstellerin kann auch nicht entgegen gehalten werden, sie hätte die Wählerliste beanstanden müssen. Denn einmal obliegt trotz der Unterstützungspflicht des Arbeitgebers nach § 2 Abs. 2 WO die Entscheidung über die Aufnahme in die Wählerliste allein dem Wahlvorstand (Dietz-Richardi, aaO, § 2 WO Anm. 4; Fitting-Auffarth-Kaiser, aaO, § 2 WO Anm. 5). Zum anderen kann zwar ein betroffener Arbeitnehmer, aber nicht der Arbeitgeber Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste nach § 4 WO einlegen (vgl. Beschluß des Senats vom 25. Juni 1974 – 1 ABR 68/73 – Ziff. II 3 a der Gründe, AP Nr. 3 zu § 19 BetrVG 1972). Schon deshalb ist es rechtlich ohne Bedeutung, daß die Antragstellerin auch tatsächlich keinen Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste zur Betriebsratswahl 1972 der Zweigniederlassung K. eingelegt hat.
2. Der Tarifvertrag über die Betriebsverfassung in den Betrieben des Baugewerbes vom 30. März 1953 ist zum 31. März 1972 außer Kraft getreten. Es galt also von diesem Zeitpunkt an grundsätzlich auch für den Bereich des Baugewerbes das BetrVG 1972, insbesondere die Vorschrift des § 8 über die Wählbarkeit zum Betriebsrat. Von den Vorinstanzen und den Beteiligten ist aber übersehen worden, daß der laut Arbeitsvertrag anwendbare Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 14. Juni 1971, zuletzt in der insoweit unveränderten Fassung vom 16. April 1974 (in folgendem RTV genannt), in § 9 besondere Vorschriften über die Freistellung zu Arbeitsgemeinschaften vorsieht. Nach § 9 Ziff. 2. 1 und 2. 2 RTV ruht während der Dauer einer Freistellung zu einer Arbeitsgemeinschaft, an der der Arbeitgeber beteiligt ist, das Arbeitsverhältnis zum Stammbetrieb und der Angestellte tritt – auch betriebsverfassungsrechtlich gesehen – in ein Arbeitsverhältnis zur Arbeitsgemeinschaft, die ihrerseits die tariflichen Ansprüche des Angestellten zu erfüllen hat. So liegt der Fall hier. Der Antragsgegner befand sich in einem Arbeitsverhältnis zur Arbeitsgemeinschaft A. Das Arbeitsverhältnis zu seinem Stammbetrieb ruhte. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob der Antragsgegner auch zum Stammbetrieb während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses wählbar gewesen wäre. Denn „Stammbetrieb” im Sinne des § 9 Ziff. 2. 1 RTV war nicht etwa die Zweigniederlassung K. geworden, sondern war nach wie vor die Zweigniederlassung N., für deren Betriebsrat der Antragsgegner aber nicht gewählt worden ist.
3. Daß die Zweigniederlassung N. weiterhin der „Stammbetrieb” des Antragsgegners war, ergibt sieh aus folgenden Erwägungen: Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war der Antragsgegner bei der Arbeitsgemeinschaft in A. eingesetzt, die weder räumlich noch personell mit der Zweigniederlassung K. der Antragstellerin identisch war, an der aber die Antragstellerin zusammen mit anderen Unternehmen beteiligt war. Ob insoweit an sich eine „Auswärtsbeschäftigung” im Sinne des § 8 RTV oder eine Versetzung im Sinne des § 10 RTV vorlag, ist entgegen den Erörterungen des angefochtenen Beschlusses nach Auffassung des Senats unerheblich, da die Sondervorschrift des § 9 RTV über die Freistellung zu einer Arbeitsgemeinschaft Platz greift. Der RTV geht dabei ersichtlich davon aus, auch die Arbeitsgemeinschaft selbst stelle einen baugewerblichen Betrieb im Sinne des § 1 RTV dar (vgl. Matthes, AR-Blattei, Baugewerbe VI, VI Arbeitsgemeinschaft Anm. B I 2 und B II 2 a). Eine Arbeitsgemeinschaft wird regelmäßig in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft betrieben (Matthes, aaO, Anm. A II; Fitting, Kommentar zum Tarifvertrag über die Betriebsverfassung im Baugewerbe, 1953, § 2 Anm. 8), wobei die Gesellschafter Arbeitgeber sind (BAG Urteil vom 16. Oktober 1974 – 4 AZR 29/74 – [demnächst] AP Nr. 1 zu § 705 BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Wird nun nach § 9 Ziff. 2.1 RTV während der Dauer der Freistellung zu einer Arbeitsgemeinschaft ein Arbeitsverhältnis zu dieser begründet, während das Arbeitsverhältnis zum „Stammbetrieb” ruht, so ist mangels bestimmter, erheblicher Anhaltspunkte und sich hieraus ergebender Feststellungen der Tatsacheninstanzen davon auszugehen, daß der Stammbetrieb unverändert bleibt. Nach dem Anstellungsvertrag ist der Antragsgegner in die kaufmännische Abteilung der Zweigniederlassung N. der Antragstellerin eingetreten. Zwar behält sich nach § 1 des Vertrages die Antragstellerin vor, den Antragsgegner innerhalb des Unternehmens an anderer vergleichbarer Stelle einzusetzen oder auch an einen anderen Ort zu versetzen. Es ist aber nicht ersichtlich, daß eine derartige Versetzung zur Zweigniederlassung K. in Zusammenhang mit der Freistellung zur Arbeitsgemeinschaft A. erfolgt wäre. Zwar hatte sich der Antragsgegner nach den beiden Schreiben der Zweigniederlassung N. vom 27. und 29. Januar 1971 nach seinem Urlaub bei der Zweigniederlassung K. zu melden, die offenbar den Antragsgegner auch in den Gehaltslisten führte und die Gehälter vorschoß, die sie dann wieder der Arbeitsgemeinschaft in Rechnung stellte (vgl. Schreiben der Zweigniederlassung K. an die Arbeitsgemeinschaft vom 13. Juli 1973). Diese Art organisatorischer Betreuung des Antragsgegners durch die Zweigniederlassung K. vermag aber allein keine Versetzung des Antragsgegners zu begründen, die nach § 10 Ziff. 1.2 RTV auch seiner Zustimmung bedurft hätte. Dies gilt umsomehr, als nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Antragsgegner nur für die Arbeitsgemeinschaft gearbeitet hat und am 1. September 1973 ohne weiteres von dort zur Zweigniederlassung nach N. zurückkehrte. Hätte eine Versetzung zur Zweigniederlassung K. vorgelegen, so hätte der Antragsgegner zum 1. September 1973 nach N. zurückversetzt werden müssen. Auch dafür ist nichts vorgetragen worden.
Demnach konnte die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg haben, weil der Antragsgegner weder tatsächliche noch rechtliche Bindungen zur Zweigniederlassung K. der Antragstellerin hatte.
Unterschriften
gez. Dr. Auffarth, Siara, Wendel, Hoffmann, Schneider
Fundstellen