Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung
Leitsatz (amtlich)
1. Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung sind nach § 77 Abs. 5 BetrVG kündbar. Die Ausübung des Kündigungsrechts bedarf keiner Rechtfertigung und unterliegt keiner inhaltlichen Kontrolle. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit begrenzen aber die Kündigungswirkungen. Soweit hiernach Versorgungsbesitzstände unangetastet bleiben, ist deren Rechtsgrundlage weiterhin die gekündigte Betriebsvereinbarung (Bestätigung des Senatsurteils vom 11. Mai 1999 – 3 AZR 21/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Der Betriebsrat ist befugt, im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren feststellen zu lassen, welche Wirkungen die Kündigung hat und in welchem Umfang die Betriebsvereinbarung noch fortgilt. Es spricht alles dafür, daß die Entscheidung über einen solchen Antrag auch den Arbeitgeber und die betroffenen Arbeitnehmer im Verhältnis zueinander bindet. Eine konkrete Billigkeitskontrolle im Individualverfahren ist hierdurch nicht ausgeschlossen.
Normenkette
BetrVG §§ 77, 87; BetrAVG § 1; ZPO § 256
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats der S, gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Juli 1998 – 4 TaBV 12/98 – wird zurückgewiesen, soweit es den Hauptantrag zurückgewiesen hat. Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, welche Rechtsfolgen dadurch eingetreten sind, daß die Arbeitgeberin Betriebsvereinbarungen mit dem Regelungsgegenstand „Betriebliche Altersversorgung” gekündigt hat.
Das Verfahren ist auf Antrag des Betriebsrats der H mit Werken in L und F eingeleitet worden. Im Laufe der gerichtlichen Auseinandersetzung übernahm die S mit Wirkung zum 1. Dezember 1997 die Werke der H und die dort beschäftigten Arbeitnehmer. Die H ist seither nur noch als Grundstücksverwaltungsgesellschaft ohne Arbeitnehmer tätig. Seit 1998 firmiert die S als St.
Die betriebliche Altersversorgung der im Werk L arbeitenden Arbeitnehmer war zuletzt durch Betriebsvereinbarung vom 25. Januar 1983 geregelt worden. Diese Betriebsvereinbarung (im folgenden: BV H) hatte die betriebliche Altersversorgung neu geordnet. Die Arbeitgeberin hatte sich in der Betriebsvereinbarung grundsätzlich dazu verpflichtet, Versorgungsleistungen selbst und nicht mehr unter Einschaltung einer Unterstützungskasse zu erbringen.
Das Werk F hatte die H 1988 von der B rechtsgeschäftlich übernommen. Es wird seither vom L Betrieb aus als unselbständiger Betriebsteil geführt. Die betriebliche Altersversorgung der Arbeitnehmer der B wurde bis zum Betriebsübergang auf zwei unterschiedlichen Wegen durchgeführt: Aufgrund einer Betriebsvereinbarung vom 29. April 1986 waren die meisten Arbeitnehmer seit 1. Januar 1986 Mitglieder der Ba Pensionskasse VVaG. Einem Teil der Arbeitnehmer waren daneben oder ausschließlich Leistungen entsprechend dem Leistungsplan der Altersrenten- und Unterstützungseinrichtung e.V. der B versprochen worden.
Vor der Übernahme des F Werkes durch die H trafen die B, die H und der für das Werk F gebildete Betriebsrat am 13. April 1988 eine „Übergangsregelung”. Sie vereinbarten insbesondere:
„…
In Auswirkung des § 613 a BGB gelten für die von H übernommenen Mitarbeiter alle bei H bestehenden Betriebsvereinbarungen, sofern nicht im folgenden eine andere Regelung getroffen wird.
…
4. Altersversorgung
B hat den Mitarbeitern in F über den Durchführungsweg der Unterstützungskasse Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in Aussicht gestellt. Maßgebend für diese Leistung ist der Leistungsplan der „Altersrenten- und Unterstützungseinrichtung e.V. der Firma B” vom 29.04.1986. Desweiteren hat B einem Teil der Mitarbeiter in F über den Durchführungsweg der Pensionskasse („Ba -Pensionskasse VVaG”) Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesichert. Gemäß den Bedingungen der Pensionskasse endet die Mitgliedschaft automatisch mit dem Ausscheiden aus B. Die Abwicklung regelt sich nach der Satzung der Pensionskasse. Es gilt als vereinbart, daß die Mitarbeiter, deren Mitgliedschaft in der Pensionskasse endet, so gestellt werden, als wenn sie nicht in die Pensionskasse übergewechselt wären, d.h. ihre zukünftige Altersversorgung regelt sich allein nach den Leistungen der Unterstützungskasse von B wie für die Mitarbeiter, die nicht in die Pensionskasse eingetreten sind.
H führt die nach § 613 a BGB übernommenen Zusagen als eigene unmittelbare Versorgungszusagen fort.
Die zukünftigen Pensionsansprüche der auf H übergegangenen Mitarbeiter sind damit in Höhe des Leistungsplans der Unterstützungskasse von B garantiert.
…”
Am 15. Februar 1989 vereinbarten die Geschäftsführung und der nunmehr für die Werke L und F zuständige Betriebsrat der H „als Ergänzung zu der Übergangsregelung vom 13. April 1988 …” eine Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung (im folgenden: BV B). Darin heißt es ua:
„…
Für die früheren Arbeitnehmer der B, die am 01.10.1988 in Folge eines Betriebsübergangs i.S.v. § 613a BGB Arbeitnehmer der H wurden, richtet sich die nunmehr unmittelbar von der H geschuldete betriebliche inhaltlich weiterhin nach den Regeln der „Altersrenten- und Unterstützungseinrichtung e.V. der Firma B”, und zwar nach deren „Leistungsplan” vom 29.04.1986.
…
- Die Mitarbeiter, die ab dem 01.10.1988 in die Dienste der H eingetreten sind oder eintreten werden, fallen unter den Geltungsbereich der bei der H am 25.01.1983 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung über eine Versorgungsordnung.
- Für etwaige künftige Änderungen der betrieblichen Altersversorgung der Arbeitnehmer im Zweigbetrieb F wird bereits heute festgelegt, daß die betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte von dem Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat auszuüben sind, der für die H insgesamt zuständig ist.
…”
Mit weitgehend gleichlautenden Schreiben vom 27. Februar 1996, die dem Betriebsrat am 29. Februar 1996 zugingen, kündigte die H die BV H und die BV B 89 zum 31. Mai 1996. Unter dem Betreff: „Kündigung der Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung vom 25. Januar 1983 (bzw. 15. Februar 1989) …” schrieb die Arbeitgeberin, die „wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens veranlaßten sie, die Betriebsvereinbarung … fristgerecht zum 31. Mai 1996 zu kündigen”. „Ziel der Kündigung” sei, daß „künftige Leistungen der betrieblichen Altersversorgung … im rechtlich zulässigen Rahmen widerrufen” werden. „Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des BAG” werde „in besonders geschützte Besitzstände nicht eingegriffen”. Der bis 31. Mai 1996 zeitanteilig erdiente Teil der Versorgungsanwartschaft bleibe erhalten, soweit an diesem Stichtag die Fristen gemäß § 1 BetrAVG erfüllt seien. Weiter heißt es: „Anwartschaften von Mitarbeitern, die die Unverfallbarkeitsfristen am 31. Mai 1996 nicht erfüllt haben, entfallen gänzlich”. Am 1. März 1996 informierte die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer der Werke L und F durch Aushänge am Schwarzen Brett über diese Schreiben.
Unter dem 20. Mai 1996 wandte sich der Betriebsrat an die Arbeitgeberin: Es sei schon unklar, ob es sich bei deren Schreiben tatsächlich um eine Kündigung oder nur um einen Widerruf handele. Im übrigen habe die rechtliche Überprüfung ergeben, daß die Schreiben als Kündigungsschreiben nicht den gesetzlichen Grundlagen und der aktuellen Rechtsprechung genügten. Am 23. Mai 1996 erhielt der Betriebsrat ein Antwortschreiben der Arbeitgeberin. Sie wies darauf hin, bei den Schreiben vom 27. Februar 1996 handele es sich um die Kündigungen der Betriebsvereinbarungen. Im übrigen wurde die mündliche Absprache bestätigt, daß kurzfristig Gespräche mit dem Betriebsrat aufgenommen werden sollten.
Der Betriebsrat ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, da die Schreiben vom 27. Februar 1996 nicht eindeutig erkennen ließen, ob eine Kündigung oder ein Widerruf beabsichtigt gewesen sei. Er trägt vor, die zur Rechtfertigung der Erklärungen angegebenen Verluste seien durch Rückstellungen und übermäßige Belastung des Unternehmens mit Kosten hervorgerufen worden, die innerhalb des Konzerns entstanden seien. Für den Fall der Wirksamkeit der Kündigungen sei er, der Betriebsrat, befugt, Berechtigung und Tragweite der Eingriffe in die Versorgungsbesitzstände überprüfen zu lassen. Außerdem habe er bei einer Neuverteilung gemäß § 87 BetrVG mitzubestimmen.
Der Betriebsrat hat weiter vorgetragen, die Betriebsrentner seien die einzigen, die wegen der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens Opfer erbringen müßten. Die Gehälter der AT-Angestellten seien gestiegen, fünf AT-Angestellte seien von den Eingriffen in die Versorgungszusagen ausgenommen worden. Außerdem seien neue Zusagen erteilt worden. Bei den Arbeitnehmern, deren Versorgungsansprüche sich nach der BV 89 richteten, solle durch die Kündigung auch in die zeitanteilig erdiente Dynamik eingegriffen werden.
Der Betriebsrat hat sinngemäß beantragt
festzustellen, daß die Kündigung der Betriebsvereinbarungen über die Versorgungsordnung zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vom 25. Januar 1983 und die Kündigung der Betriebsvereinbarung vom 15. Februar 1989 für frühere Mitarbeiter der B (Werk F) vom 27. Februar 1996 rechtsunwirksam sind und die Betriebsvereinbarungen ungekündigt fortbestehen,
hilfsweise
- festzustellen, daß durch die Kündigungen vom 27. Februar 1996 in die Besitzstände – bestehend aus den bis zum 31. Mai 1996 erworbenen Anwartschaften einschließlich der dienstzeitabhängigen künftigen Steigerungen – der bis zum 31. Mai 1996 bei der Arbeitgeberin eingetretenen Arbeitnehmer nicht eingegriffen wurde.
Die H und die seit dem Anhörungstermin vor dem Landesarbeitsgericht beteiligte St haben die Zurückweisung der Anträge beantragt.
Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, sie habe eindeutig eine Kündigung der Betriebsvereinbarungen erklärt. Dies habe der Betriebsrat auch so verstanden. Grund für die Kündigungen sei gewesen, daß vor Ausspruch der Kündigung das schlechteste wirtschaftliche Ergebnis seit dem Wirtschaftsjahr 1992/93 erzielt worden sei. Das Unternehmen habe schon vor den Kündigungen Verluste gemacht. Sie seien aber zunächst noch von der Muttergesellschaft ausgeglichen worden. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage hätten entsprechend den Sozialplänen vom 23. Dezember 1992 und dem 8. Dezember 1993 über 200 Arbeitnehmer entlassen werden müssen. Außerdem sei ein Grundstück für 12 Mio. DM verkauft worden.
Nach Auffassung der Arbeitgeberin ist der vom Betriebsrat gestellte Hilfsantrag unzulässig. Der Betriebsrat sei nicht befugt, die Rechtsfolgen der Kündigungen für die einzelnen Arbeitnehmer klären zu lassen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen, den Hauptantrag als unbegründet, den Hilfsantrag als unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat beide Anträge für unbegründet gehalten. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine Anträge weiter.
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, soweit der Betriebsrat seinen Hauptantrag weiterverfolgt. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungen der Arbeitgeberin vom 27. Februar 1996 zu Recht für wirksam gehalten. Die gekündigten Betriebsvereinbarungen bestehen nicht mehr normativ für die Zukunft als Ganze fort. Insoweit war die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde hat demgegenüber Erfolg, was den Hilfsantrag angeht. Er ist zulässig. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er begründet ist, kann derzeit noch nicht festgestellt werden. Insoweit bedarf es weiterer Sachaufklärung.
I. Der Hauptantrag des Betriebsrats ist zulässig, aber unbegründet.
1. Mit diesem Antrag will der Betriebsrat feststellen lassen, daß die Betriebsvereinbarungen vom 25. Januar 1983 und 15. Februar 1989 trotz der Erklärungen der Arbeitgeberin vom 27. Februar 1996 über den 31. Mai 1996 hinaus auch in Zukunft als Normen weiter gelten. Hiervon mit umfaßt ist auch das Ziel, zumindest eine etwaige Nachwirkung der Betriebsvereinbarungen feststellen zu lassen.
2. Mit diesem Inhalt ist der Hauptantrag zulässig. Der Betriebsrat hat das hierfür erforderliche besondere Feststellungsinteresse. § 256 Abs. 1 ZPO ist im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren entsprechend anzuwenden (zuletzt BAG 15. Dezember 1998 – 1 ABR 9/98 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 56, zu B I 3 der Gründe).
Der Betriebsrat hat ein rechtlich geschütztes Interesse daran, das Bestehen oder Nichtbestehen von Betriebsvereinbarungen, also betriebsverfassungsrechtlicher Rechtsverhältnisse, klären zu lassen. Dies ergibt sich schon aus der Tragweite der Betriebsvereinbarungen als normativer Regelungen, die auf die Arbeitsverhältnisse aller von ihr erfaßten Arbeitnehmer der Belegschaft einwirken (BAG 8. Dezember 1970 – 1 ABR 20/70 – AP BetrVG 1972 § 59 Nr. 28; BAG GS 15. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42, 76, zu IV 3 der Gründe; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl. § 77 Rn. 194).
3. An dem Verfahren zur Klärung der Weitergeltung der Betriebsvereinbarungen war sowohl die ursprüngliche Arbeitgeberin, die H, als auch die jetzige Arbeitgeberin, die St, zu beteiligen. Es ist nicht auszuschließen, daß anwartschaftsberechtigte Arbeitnehmer zwischen dem 1. Juni 1996 und dem 30. November 1997 aus dem Arbeitsverhältnis mit der H ausgeschieden sind. Ihre Versorgungsansprüche richten sich allein gegen dieses Unternehmen, so daß auch im Verhältnis zu ihm die Wirkungen der Erklärungen vom 27. Februar 1996 zu klären sind.
4. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die H hat als damalige Arbeitgeberin unter dem 27. Februar 1996 Kündigungserklärungen abgegeben, die wirksam sind und die normative Geltung der Betriebsvereinbarungen vom 25. Januar 1983 und 15. Februar 1989 zum 31. Mai 1996 für die Zukunft beendet haben. Daraus ergibt sich zumindest, daß neu eintretende Arbeitnehmer Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung nicht mehr erwerben können.
a) Betriebsvereinbarungen sind nach § 77 Abs. 5 BetrVG kündbar. Die Ausübung des Kündigungsrechts bedarf keiner Rechtfertigung und unterliegt keiner inhaltlichen Kontrolle (BAG 26. Oktober 1993 – 1 AZR 46/93 – BAGE 75, 16, 19; 17. Januar 1995 – 1 ABR 29/94 – AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 7, zu A 1 c der Gründe). Das Betriebsverfassungsgesetz hat mit der uneingeschränkten Einräumung eines Kündigungsrechts in § 77 Abs. 5 BetrVG und der Bestimmung über die Nachwirkung mitbestimmungspflichtiger Betriebsvereinbarungen in § 77 Abs. 6 BetrVG eine eigenständige Regelung zum Schutz anspruchsberechtigter Arbeitnehmer getroffen. Sie steht einer weitergehenden allgemeinen Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit entgegen. Dies gilt auch dann, wenn es um ein betriebliches Versorgungswerk geht (BAG 18. April 1989 – 3 AZR 688/87 – BAGE 61, 323, 328; 11. Mai 1999 – 3 AZR 21/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen; Heither RdA 1993, 72, 78; Kasseler Handbuch/Griebeling Band 1, 1.9 Rn. 736 ff.). Den Schutzbedürfnissen der bisher begünstigten Arbeitnehmer, die teilweise zum Anlaß genommen worden sind, Kündigungen von Betriebsvereinbarungen über Sozialleistungen nach allgemeinen Regeln zu überprüfen (Schaub BB 1990, 289, 290 f.; Hilger/Stumpf BB 1990, 929 f.; Hanau/Preis NZA 1991, 81, 83 f.) ist über eine auf diesen Personenkreis bezogene Begrenzung der Kündigungswirkungen Rechnung zu tragen. Die Frage der Wirksamkeit der Kündigung ist von der Frage nach den Rechtsfolgen dieser Kündigung für die betroffenen Arbeitnehmer zu trennen (BAG, aaO).
b) Die H hat unter dem 27. Februar 1996 auch Kündigungserklärungen iSv. § 77 Abs. 5 BetrVG abgegeben. Die Auslegung dieser Schreiben nach Wortlaut und Erklärungszusammenhang führt zu einem eindeutigen Ergebnis. Der vom Betriebsrat gerügte „Mangel an Klarheit” besteht nicht.
Bereits im Betreff ihrer Schreiben hat die Arbeitgeberin ausdrücklich darauf hingewiesen, es gehe im folgenden um die Kündigung von Betriebsvereinbarungen. Eine entsprechende Erklärung hat sie dann im Text ihrer Schreiben abgegeben, indem sie ausführte, „sehen wir uns veranlaßt, die Betriebsvereinbarung … fristgerecht zum 31.05.96 zu kündigen”. Dadurch, daß die Arbeitgeberin dann weiter ausgeführt hat, Ziel dieser Kündigung sei es, daß künftige Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im rechtlich zulässigen Rahmen widerrufen würden, ist der Inhalt der Schreiben vom 27. Februar 1996 nicht unklar geworden. Zunächst hat die Arbeitgeberin damit noch einmal deutlich gemacht, daß es ihr um Kündigungen der Betriebsvereinbarungen ging. Danach hat sie lediglich klargestellt, welche Rechtsfolgen sich aus ihren Kündigungserklärungen für die von den Betriebsvereinbarungen bisher Begünstigten ergeben sollen. Damit hat sich die Arbeitgeberin entsprechend der wiedergegebenen Senatsrechtsprechung verhalten, die zwischen der freien Kündbarkeit einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung und den möglicherweise eingeschränkten Rechtsfolgen einer solchen Kündigung für die bisher begünstigten Arbeitnehmer unterscheidet.
c) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Kündigungserklärungen zum 31. Mai 1996 bestehen nicht. Die Kündbarkeit der Betriebsvereinbarungen ist von den Betriebspartnern nicht ausgeschlossen worden. Die Arbeitgeberin hat die Kündigungen auch gegenüber ihrem Vertragspartner ausgesprochen, dem Betriebsrat des aus den Werken L und F bestehenden Betriebes. Da die Kündigungsschreiben dem Betriebsrat auch am 29. Februar 1996 zugegangen sind, ist die Kündigungsfrist des § 77 Abs. 5 BetrVG bis zum 31. Mai 1996 gewahrt.
5. Die hiernach wirksam gekündigten Betriebsvereinbarungen vom 25. Januar 1983 und 15. Februar 1989 wirken auch nicht nach § 77 Abs. 6 BetrVG nach.
a) Nach § 77 Abs. 6 BetrVG wirken nur Betriebsvereinbarungen über Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung nach. Hierzu gehören Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung nicht. Sie sind nur teilmitbestimmt. Der Arbeitgeber kann allein darüber entscheiden, ob, in welchem Umfang und für welchen Arbeitnehmerkreis er finanzielle Mittel zur betrieblichen Altersversorgung zur Verfügung stellt. Nur soweit es um die Verteilung dieser Mittel geht, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Der Betriebsrat kann deshalb nicht erzwingen, daß betriebliche Versorgungsregelungen fortgelten. Damit scheidet auch eine Nachwirkung solcher Bestimmungen bis zu einer Neuregelung aus. Die Rechtslage ist hier nicht anders als bei der Kündigung von Betriebsvereinbarungen über sonstige freiwillige soziale Leistungen (zuletzt BAG 11. Mai 1999 – 3 AZR 21/98 – zVv., zu IV 1 der Gründe mwN).
Nach der Senatsrechtsprechung gilt dieser Ausschluß der Nachwirkung nicht nur für Kündigungen, mit denen der Arbeitgeber alle Versorgungsansprüche beseitigen will. Auch dann, wenn der Arbeitgeber nur bestimmte Besitzstände der Arbeitnehmer entfallen lassen will, und innerhalb des auf diese Weise mitbestimmungsfrei verringerten Dotierungsrahmens kein Raum für eine Neuverteilung bleibt, wirkt die gekündigte Betriebsvereinbarung nicht nach (BAG 18. April 1989 – 3 AZR 688/87 – BAGE 61, 323, 329; 11. Mai 1999 – 3 AZR 21/98 – zVv., zu IV 1 der Gründe; kritisch Blomeyer DB 1990, 173, 174; Hanau/Preis NZA 1991, 81, 83). Hat der Arbeitgeber die erforderlichen rechtfertigenden Gründe für den von ihm beabsichtigten Eingriff, kann er in einem entsprechenden Umfang den Dotierungsrahmen seines Versorgungswerks einschränken. Der hierdurch entstandene verringerte Dotierungsrahmen kann dann aber nicht im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG anderweit umverteilt werden. Ein geringerer Eingriff bei der einen Arbeitnehmergruppe müßte auf der Grundlage des feststehenden neuen Dotierungsrahmens durch einen stärkeren Eingriff bei der anderen Arbeitnehmergruppe ausgeglichen werden. Für einen solchen stärkeren Eingriff hat der Arbeitgeber aber nicht die hierfür erforderlichen gewichtigeren Rechtfertigungsgründe.
b) Eine Nachwirkung der gekündigten Betriebsvereinbarungen über den 31. Mai 1996 hinaus ergibt sich auch nicht daraus, daß die Arbeitgeberin in ihrem Schreiben vom 23. Mai 1996 bestätigt hat, daß kurzfristig Gespräche mit dem Betriebsrat über die Kündigungen stattfinden sollten.
Nach der Rechtsprechung des Ersten Senats wirkt eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung für die Zahlung eines Weihnachtsgeldes nach, wenn der Arbeitgeber mit der Kündigung nur eine Verringerung des Leistungsvolumens und die Änderung des Verteilungsplanes erreichen wollte (BAG 26. Oktober 1993 – 1 AZR 46/93 – BAGE 75, 16). Es kann unentschieden bleiben, ob dieser Rechtsprechung für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung zu folgen ist. Eine Nachwirkung kommt unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt jedenfalls nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber mit seiner Kündigung die Absicht verfolgt, an die Stelle der bisherigen Versorgungsregelung ein anderes mitbestimmungspflichtiges Versorgungswerk zu setzen. Dafür, daß die Arbeitgeberin mit ihrer Kündigung ein solches Ziel verfolgt hat, bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Allein der Umstand, daß die Arbeitgeberin weiterhin gesprächsbereit geblieben ist, reicht hierfür nicht aus, zumal es der Betriebsrat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgericht abgelehnt hat, in solche Gespräche einzutreten.
II. Während das Landesarbeitsgericht nach alledem den Hauptantrag des Betriebsrats zu Recht abgewiesen hat, kann der Hilfsantrag nicht mit der vom Landesarbeitsgericht gewählten Begründung abgewiesen werden. Vor einer abschließenden Entscheidung über diesen Antrag bedarf es weiterer Sachaufklärung.
1. Wie der Betriebsrat in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, geht es ihm mit seinem Hilfsantrag um die Feststellung, daß die Kündigungen, wenn sie schon zur Beendigung der normativen Weitergeltung der Betriebsvereinbarungen geführt haben, zumindest nicht die Möglichkeiten der Arbeitnehmer beseitigt haben, die dem Betrieb schon während der Geltung der Betriebsvereinbarung angehörten, eine weitere Steigerung der Versorgungsanwartschaften zu erreichen.
2. Das Landesarbeitsgericht hat den Hilfsantrag des Betriebsrats zu Recht als zulässig angesehen. Durch die Kündigungserklärungen hat die Arbeitgeberin geltend gemacht, die Wirkungen der Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung für die Zukunft beseitigt zu haben. Davon, inwieweit dies gegenüber den einmal durch die Betriebsvereinbarungen begünstigten Arbeitnehmern gelungen ist, hängt die betriebsverfassungsrechtliche Position des Betriebsrates im Regelungsbereich der betrieblichen Altersversorgung ab.
3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Betriebsrat materiellrechtlich befugt, die fehlende oder eingeschränkte Wirksamkeit der Kündigungen im Hinblick auf die schon während der Geltung der Betriebsvereinbarung beschäftigten Arbeitnehmer geltend zu machen. Es geht hier um die Feststellung, ob und in welchem Umfang die Betriebsvereinbarungen trotz der ausgesprochenen Kündigungen kollektivrechtlich wirksam geblieben sind. Damit sind Verfahrensgegenstand nicht die individualrechtlichen Positionen der Arbeitnehmer, sondern eigene Rechte des Betriebsrats.
a) Nach der ständigen Senatsrechtsprechung begrenzen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit die sich aus § 77 Abs. 5 BetrVG ergebende einschneidende Wirkung der Kündigung von Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung. Die aufgrund einer Betriebsvereinbarung erdienten Besitzstände der bisher Begünstigten sind gegenüber einer Kündigung ebenso zu schützen, wie gegenüber einer ablösenden Betriebsvereinbarung. Je stärker durch die Kündigung in die Besitzstände eingegriffen werden soll, desto gewichtiger müssen die Gründe des kündigenden Arbeitgebers für diesen Eingriff sein. Deshalb kann durch die Kündigung einer Betriebsvereinbarung der bereits erdiente und nach den Grundsätzen des § 2 BetrAVG errechnete Teilbetrag nur aus wichtigem Grund, und damit nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Zuwächse, die sich aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben, können nur aus triftigem Grund geschmälert werden, soweit sie zeitanteilig erdient sind. Will die Kündigung nur in Zuwachsraten eingreifen, die noch nicht erdient worden sind, genügen sachlich-proportionale Gründe (zuletzt BAG 26. August 1997 – 3 AZR 235/96 – BAGE 86, 216, 221 f.; 11. Mai 1999 – 3 AZR 20/98 zVv., zu A III 2 a der Gründe, jeweils mwN).
b) Für die nach diesen Grundsätzen trotz Kündigung der Betriebsvereinbarung verbleibenden Rechte und Anwartschaften war fraglich, auf welcher Rechtsgrundlage sie fortbestehen oder sogar – wenn sachlich-proportionale Gründe für den Eingriff fehlen – weiter anwachsen, nachdem die Betriebsvereinbarung selbst wirksam gekündigt worden war. Die Annahme einer Weitergeltung als individueller Anspruch schuldrechtlicher Art lag nahe. Sie läßt sich aber aus dem Gesetz nicht begründen, weil für diesen Fall eine § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB vergleichbare Transformationsnorm fehlt (so auch schon BAG 18. April 1989 – 3 AZR 688/87 – BAGE 61, 323, 330, zu III 1 b der Gründe). Sie verfehlt zudem das von den Betriebspartnern übereinstimmend für das betriebliche Versorgungswerk gewählte kollektivrechtliche Regelungsinstrument und verändert ohne sachliche Rechtfertigung die matieriellrechtliche Anspruchsgrundlage, was deren Bestandsschutz und Abänderbarkeit angeht.
Der Senat ist deshalb bereits in seinem Urteil vom 11. Mai 1999 (– 3 AZR 20/98 – zVv., zu A III 2 a der Gründe) davon ausgegangen, daß in dem Umfang, in welchem die Kündigungswirkungen um der Sicherung der Besitzstände willen beschränkt sind, die Betriebsvereinbarung als unmittelbar und zwingend fortwirkende Grundlage der Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften erhalten bleibt. Entsprechend dem Willen der Betriebspartner bei der Schaffung der Versorgungsordnung sind – weitere – Eingriffe deshalb nur kollektivrechtich möglich, sei es durch eine weitere Kündigung der verbliebenen Betriebsvereinbarung, sei es durch eine ablösende betriebliche Neuregelung. Andererseits bedarf es für einen solchen weiteren Eingriff keiner individualrechtlichen Änderungskündigung. Einzelvertraglich vereinbarte Ausschlußfristen sind für die verbliebenen Rechte unerheblich, ein Verzicht des einzelnen Arbeitnehmers auf sie ist ohne Zustimmung des Betriebsrats ausgeschlossen, eine Verwirkung der Rechte findet nicht statt (§ 77 Abs. 4 BetrVG).
c) Konsequenz dieser Auffassung ist, daß der Betriebsrat ohne weiteres befugt ist, den verbliebenen Umfang der gekündigten Betriebsvereinbarung für die von der Betriebsvereinbarung ursprünglich begünstigten Arbeitnehmer im Beschlußverfahren feststellen zu lassen.
Es spricht auch alles dafür, daß eine solche Entscheidung im Beschlußverfahren auch für den Arbeitgeber und die betroffenen Arbeitnehmer im Verhältnis zueinander maßgebend sind. Beschlüsse über die Wirksamkeit und den Inhalt einer Betriebsvereinbarung können auch für den Individualrechtsstreit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bindend sein (BAG GS 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 56, 42, 76; BAG 17. Februar 1992 – 10 AZR 448/91– BAGE 69, 367, 372 ff.; Kraft Anm. zu AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 11; Rieble Anm. zu EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 59; Höfer BetrAVG Bd. 1 Stand 1999 ART Rn. 340.1). Es kann dahinstehen, ob dies auch mit einer analogen Anwendung des § 9 TVG begründet werden kann (BAG 17. Februar 1992 – 10 AZR 448/91 – BAGE 69, 367, 374 ff.). Hierfür sprechen jedenfalls materiellrechtliche Erwägungen. Betriebsrat und Arbeitgeber haben die Regelung geschaffen. Es ist in erster Linie ihre Sache, deren Inhalt und Reichweite nach allgemeinen Kriterien klarstellen zu lassen. Ist eine solche gerichtliche Klarstellung erfolgt, steht der Norminhalt für alle Normunterworfenen abschließend fest. Dies gilt auch, soweit anhand der Prüfungsmaßstäbe des sachlichen, des triftigen oder des zwingenden Grundes ermittelt wird, welche Rechte aus einer Betriebsvereinbarung nach einer Kündigungserklärung verblieben sind (ebenso Heither RdA 1993, 72, 79; wohl auch Rüdiger Krause Rechtskrafterstreckung im kollektiven Arbeitsrecht S 431 f.).
Eine solche Bindungswirkung hindert den einzelnen Arbeitnehmer nicht, eine individuelle gerichtliche Rechtskontrolle zu veranlassen. Auch bei der Frage, in welchem Umfang die Kündigung einer Betriebsvereinbarung gewirkt hat, besteht die Möglichkeit der sog. konkreten Billigkeitskontrolle, bei der es in der Sache darum geht, eine ablösende Betriebsvereinbarung oder den Eingriff durch eine Kündigungserklärung wegen einer außergewöhnlichen, so erkennbar nicht gewollten Härte im Einzelfall teleologisch zu reduzieren. Hierzu kann es im Rahmen einer vom Betriebsrat veranlaßten Überprüfung der Kündigungswirkungen nicht kommen. Insoweit erwächst eine Entscheidung im Beschlußverfahren auch nicht in materielle Rechtskraft.
4. Eine Entscheidung darüber, in welchem Umfang die Betriebsvereinbarungen vom 25. Januar 1983 und 15. Februar 1989 für die bisher begünstigten Arbeitnehmer fortbestehen, ist noch nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu in Konsequenz seiner abweichenden Rechtsauffassung noch keine Feststellungen getroffen. Das Verfahren muß deshalb zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
Für das weitere Verfahren sieht sich der Senat aufgrund des bisherigen Akteninhalts zu den folgenden Hinweisen veranlaßt:
a) Zunächst wird die Arbeitgeberin zu erklären haben, ob sie durch ihre Kündigungserklärungen tatsächlich die Besitzstände aller Arbeitnehmer beseitigen wollte, die zum Zeitpunkt von deren Wirksamwerden noch keine unverfallbaren Versorgungsanwartschaften erdient hatten.
Ein Eingriff in Besitzstände, aus denen sich allein durch weitere Betriebszugehörigkeit – auch ohne Fortbestehen einer Versorgungszusage – eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft entwickeln kann, bedarf wegen der damit verbundenen Rückwirkung ebenso wie ein Eingriff in eine bereits voll erdiente unverfallbare Versorgungsanwartschaft eines wichtigen Grundes. So ist die Rechtslage bei Arbeitnehmern, die bei Ablauf der Kündigungsfrist mindestens drei Jahre unter Geltung der Betriebsvereinbarung im Betrieb beschäftigt waren und in der Folgezeit noch eine Gesamtbeschäftigungszeit von zwölf Jahren erreichen können. Solche Arbeitnehmer erdienen auch bei Außerkrafttreten der Betriebsvereinbarungen am 31. Mai 1996 nach § 1 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative BetrAVG mit Ablauf der Zwölf-Jahres-Frist und Erreichen des gesetzlichen Mindestalters eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft. Es ist nicht erforderlich, daß die Versorgungszusage in den letzten drei Jahren des Beschäftigungsverhältnisses bestanden hat. Die notwendige Betriebszugehörigkeit kann auch erreicht werden, wenn die Versorgungszusage nicht mehr besteht (BAG 6. April 1982 – 3 AZR 134/79 – BAGE 38, 232, 238; 11. Mai 1999 – 3 AZR 20/98 – nv.; Höfer, BetrAVG Bd. I, Stand 1999 § 1 Rn. 1579; Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert BetrAVG Bd. I 2. Aufl. § 1 Rn. 148; aA. MünchArbR-Ahrend/Förster Bd. 1 § 104 Rn. 21).
b) Soweit die Arbeitgeberin in die zuletzt beschriebenen Besitzstände nicht eingreifen will, hängt die von ihr beabsichtigte Kündigungswirkung allein davon ab, ob es für sie sachlich-proportionale Gründe gibt. Die Kündigungen vom 27. Februar 1996 sollen dann nur verhindern, daß die bisher erdienten Versorgungsanwartschaften weiter anwachsen.
Dies gilt entgegen der Auffassung des Betriebsrats auch für die Kündigung der Betriebsvereinbarung vom 15. Februar 1989, welche die Versorgungsansprüche der früher bei der B in F beschäftigten Arbeitnehmer betrifft. Auch diese Kündigung beabsichtigt keinen Eingriff in die sog. zeitanteilig erdiente Dynamik. Nach dieser Betriebsvereinbarung sollten sich die Versorgungsansprüche der betreffenden Arbeitnehmer weiterhin nach den Regeln der Altersrenten- und Unterstützungseinrichtungen e.V. der früheren Arbeitgeberin und deren Leistungsplan vom 29. April 1986 richten. Dies war so auch schon in der Übergangsregelung vom 13. April 1988 festgelegt worden. Nach den hiermit in Bezug genommenen Versorgungsregelungen war Bemessungsgrundlage für die künftigen Betriebsrentenansprüche das am 1. Januar 1974 oder das am 1. Januar 1986 erzielte regelmäßige monatliche Arbeitseinkommen ohne Mehrarbeitsvergütungen, Gratifikationen oder sonstige Zuwendungen (§§ 6, 7 des Leistungsplans der Unterstützungskasse). Aufgrund dieser Festschreibung der Bemessungsgrundlage für den Betriebsrentenanspruch gab es zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung am 31. Mai 1996 keinen dynamischen Berechnungsfaktor für die Versorgungsansprüche mehr, auf den die Kündigung hätte einwirken können.
c) Unter sachlich-proportionalen Gründen, die als Rechtfertigung für einen Eingriff in die Chance auf künftige Zuwächse ausreichen, versteht der Senat in ständiger Rechtsprechung willkürfreie, nachvollziehbare und anerkennenswerte Gründe, die auf einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung des Unternehmens oder einer Fehlentwicklung des betrieblichen Versorgungswerks beruhen können (BAG 17. April 1985 – 3 AZR 72/83 – BAGE 49, 57, 69; 16. Juli 1996 – 3 AZR 398/95 – BAGE 83, 293, 298 f.).
Die Arbeitgeberin beruft sich insoweit allein auf wirtschaftliche Gründe. Dabei geht das Vorbringen der Beteiligten zu diesen wirtschaftlichen Gründen auseinander. Insbesondere wird aufzuklären sein, in welchem Umfang die ganz unterschiedlich eingeschätzten Einwirkungen der Muttergesellschaft zur wirtschaftlichen Lage der Arbeitgeberin im Zeitpunkt der ausgesprochenen Kündigung beigetragen haben. Soweit die Arbeitgeberin im Schriftsatz vom 12. Mai 1997 Zahlen zusammengestellt hat, wird sie diese näher zu erläutern haben.
Darüber hinaus wird die Arbeitgeberin darzulegen haben, inwieweit die Eingriffe in die betriebliche Altersversorgung der eingetretenen wirtschaftlichen Situation verhältnismäßig waren. Dabei wird es auch darauf ankommen, die Gesamtheit der Maßnahmen darzulegen, die unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Kosteneinsparung zu dienen bestimmt waren. Der Eingriff in das betriebliche Versorgungswerk muß sich in ein nachvollziehbar auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ausgerichtetes Gesamtkonzept einpassen. Der Betriebsrat hat demgegenüber auf Steigerungen der Gehälter der außertariflichen Angestellten und Ungleichbehandlungen bei der betrieblichen Altersversorgung im Verhältnis zu den Einzelzusagen hingewiesen. Zwar schließen solche Umstände nicht von vornherein die sachliche Rechtfertigung des beabsichtigten Eingriffs aus. Es müßte jedoch gegebenenfalls nachvollziehbar dargelegt werden, welche sachlichen Gründe für solche, auf den ersten Blick dem Sanierungszweck zuwiderlaufende Maßnahmen maßgeblich waren.
Es wird schließlich auch darauf ankommen, die Lage des Unternehmens im Jahre 1996 näher aufzuklären. Der Hinweis auf die Sozialpläne aus den Jahren 1992 und 1993, die wegen des Abbaus von 200 Arbeitsplätzen vereinbart worden waren, ist hierfür nur von geringer Aussagekraft. Die Lage des Unternehmens kann sich bis 1996 grundlegend geändert haben.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Der ehrenamtliche Richter Reissner ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert. Reinecke, Oberhofer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.08.1999 durch Kaufhold, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436380 |
BAGE, 203 |
BB 2000, 777 |
DB 2000, 774 |
NWB 2000, 1272 |
EWiR 2000, 657 |
FA 2000, 130 |
NZA 2000, 498 |
SAE 2000, 225 |
ZIP 2000, 850 |
ZTR 2000, 283 |
AP, 0 |
www.judicialis.de 1999 |