Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines Zuordnungstarifvertrags. Restmandat des Betriebsrats. Feststellungsantrag. feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Feststellungsinteresse. Zuordnungstarifvertrag
Orientierungssatz
1. Der unstreitige Verlust der Beteiligtenfähigkeit in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren führt zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels. Ist hingegen die Beteiligtenfähigkeit streitig, wird sie hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels unterstellt.
2. Einem Feststellungsantrag fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird. Die Rechtskraft muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Beteiligten strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen.
3. Ein Feststellungsinteresse besteht nicht für einen Antrag, mit dem allein festgestellt werden soll, dass das Amt eines Betriebsrats zur Wahrnehmung eines Restmandats fortbesteht. Dies ist eine Vorfrage, die im Rahmen eines Rechtsstreits über das Bestehen eines im Rahmen eines Restmandats wahrzunehmenden Mitbestimmungsrechts zu klären ist.
Normenkette
BetrVG § 3 Abs. 1 Nr. 3, §§ 21b, 112; ArbGG § 72 Abs. 5, § 92 Abs. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1, § 551 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Beschluss vom 12.04.2012; Aktenzeichen 9 TaBV 35/11) |
ArbG Darmstadt (Beschluss vom 26.01.2011; Aktenzeichen 2 BV 29/10) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 12. April 2012 – 9 TaBV 35/11 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Amt des antragstellenden Betriebsrats geendet hat.
Antragsteller ist der am 28. Mai 2010 für den Betrieb Frischelager G konstituierte Betriebsrat. Das Frischelager, in dem 65 Arbeitnehmer beschäftigt waren, wurde bis zum 31. Mai 2010 durch die RLS R GmbH betrieben. Am 1. Juni 2010 fand ein Betriebsübergang auf die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin statt. Seit Herbst 2011 besteht das Frischelager G nicht mehr. Dessen Funktion wurde, ebenso wie die Funktionen Frischelager, Tiefkühl und Obst und Gemüse des Lagers D, von dem neu gebauten Lager Ra übernommen.
Die Arbeitgeberin sowie weitere Unternehmen des R-Konzerns hatten am 27. Januar 2010 mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di e.V. einen „Tarifvertrag nach § 3 Betriebsverfassungsgesetz” (im Folgenden: Zuordnungstarifvertrag) abgeschlossen. Dieser hat auszugsweise folgenden Inhalt:
Zwischen
- der R GmbH, K
- der R D S KGaA, K,
- der R R GmbH
- der P GmbH, K
- der B GmbH & Co. oHG, Fleischwerk F
- der L S GmbH, E
nachfolgend – R – genannt
einerseits
und
der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di e. V., vertreten durch den Bundesvorstand
andererseits.
Der Zuordnungstarifvertrag vom 18.12.1997 in der Fassung vom 06.05.2008 wurde in den letzten Jahren wiederholt geändert und ergänzt, zuletzt durch die Ergänzungstarifverträge vom 17.07.2009 und 18.12.2009. Zudem sind gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen und Umfirmierungen vorgenommen worden. Es besteht deshalb das Bedürfnis im Interesse der Klarheit und Übersichtlichkeit die unterschiedlichen Fassungen zusammenzuführen und den Tarifvertrag im Hinblick auf gesellschaftsrechtliche Änderungen zu aktualisieren.
Der Tarifvertrag gilt:
1. |
Räumlich: |
Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der in der Anlage 1 und 2 gekennzeichneten Grenzen, |
2. |
Fachlich: |
Für alle als Betriebe, Betriebsteile und Nebenbetriebe anzusehenden Betriebsstätten der R GmbH, der R D S KGaA, der R R GmbH, der P GmbH, des Fleischwerks F und der L S GmbH |
3. |
Persönlich: |
Für alle Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Betriebsverfassungsgesetz im räumlichen und fachlichen Geltungsbereich. |
§ 2 Zuordnung von Betrieben, Betriebsteilen |
und Nebenbetrieben |
1. |
Um die Bildung von Betriebsräten zu erleichtern und ein erfolgreiches Zusammenwirken zwischen Arbeitnehmern und Geschäftsleitung in Fragen der Betriebsverfassung zu gewährleisten, sind sich die Parteien einig, nach § 3 Betriebsverfassungsgesetz eine Regelung über die Zusammenfassung von Betrieben, Betriebsteilen und Nebenbetrieben vorzunehmen. Zu diesem Zweck werden das weitverzweigte Filialnetz und die Verwaltungs- und Logistikstandorte in Regionen aufgeteilt. |
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Hierbei handelt es sich bisher um die nachfolgenden Regionen: |
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… |
Mit Wirkung ab der Betriebsratswahl 2010 werden folgende Regionen gebildet
Region No
Region L
Region West 1 |
– Vertrieb einschl. Außendienst, Verwaltung SGE Discount sowie Logistikstandorte nach folgender Maßgabe: |
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neue Logistikstandorte, die innerhalb der Gebietsgrenzen der (bisherigen) Region West errichtet oder übernommen werden, werden gemäß § 4 des Tarifvertrages der Betriebsratsregion West 1 zugeordnet |
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der Logistikstandort Es wird der Region West 1 zugeordnet; dies gilt auch für den neuen Standort Es, der 2010 in Betrieb genommen wird. |
Region West 2 |
– die Standorte H (Verwaltung und Logistik), La, Ko, Ei und Verwaltung SGE Vollsortiment bilden die Betriebsratsregion ‚West 2’ |
Die Logistikstandorte Dü und Ha bleiben längstens bis zum 31. Dezember 2010 als eigenständige Betriebe |
Region Mitte 1 – |
Vertrieb einschl. Außendienst |
Region Mitte 2 – |
Verwaltungs- und Logistikstandorte und Fleischwerk F |
Region Südwest |
die bisherigen Regionen Süd-west-W und Südwest-N bilden die Betriebsratsregion Südwest |
Region Süd 1 |
die bisherige Region Süd bildet die Region ‚Süd 1’ |
Region Süd 2 |
die Verwaltungs- und Logistik- |
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standorte Bu, Ec und E bilden die Betriebsratsregion ‚Süd 2’ |
Die Anzahl der Freistellungen innerhalb der Betriebsratsregionen Mitte 2 (Logistik und Verwaltung), Süd 2 und West 2 bleiben bis zur Betriebsratswahl 2014 mindestens erhalten. |
Die Regionen ergeben sich im Einzelnen aus den beiliegenden Anlagen 1 und 2 (Kreisgrenzenkarten vom 06.05.2008)
2. |
Sämtliche in der jeweiligen Region gelegenen Betriebsstätten werden untereinander zugeordnet mit der Folge, dass die in dieser Region tätigen Mitarbeiter gemeinsam einen Betriebsrat wählen, dessen Zuständigkeit sich auf alle zusammengefassten Betriebsstätten erstreckt. |
Die unternehmensübergreifende Zuordnung der Betriebe, Betriebsteile und Nebenbetriebe nach § 2 bzw. nach den Regelungen des bisherigen Tarifvertrags nach § 3 BetrVG vom 18.12.1997 macht auch eine unternehmensübergreifende Gesamtarbeitnehmervertretung sinnvoll und zweckmäßig. Für die Unternehmen R GmbH, R D S KGaA, R R GmbH, P GmbH, das Fleischwerk F und L S GmbH wird daher eine unternehmensübergreifende Arbeitnehmervertretung errichtet, welche die ansonsten nach § 47 BetrVG für die jeweiligen Gesellschaften zu bildenden Gesamtbetriebsräte ersetzt. §§ 47 ff. BetrVG finden hierauf entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass die Gesellschaften gemeinsam an die Stelle des im Gesetz genannten Unternehmens treten.
Die geltenden Gesamtbetriebsvereinbarungen der R D S KGaA behalten ihre Gültigkeit für Mitarbeiter der im Geltungsbereich der jeweiligen GBR-Vereinbarung benannten Betriebe der R D S KGaA, der R GmbH und der P GmbH.
Die Regelung des § 2 gilt auch für Betriebe, Betriebsteile oder Nebenbetriebe, die während der Laufzeit des Vertrages durch eines der vertragsschließenden Unternehmen in den Regionen errichtet oder übernommen werden oder im Wege der Verschmelzung hinzukommen.
Soweit für diese Betriebe bisher bereits eigenständige Betriebsräte nach § 3 BetrVG bestanden, werden die Tarifvertragsparteien zusammentreten, um Regelungen im Zusammenhang mit der Integration (z.B. Umgang mit übernommenen freigestellten BR-Mitgliedern) zu klären.
…”
Nach dem Zuordnungstarifvertrag fällt das Frischelager G in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats Region Mitte 2, dem mehrere Lager und das Fleischwerk in F zugeordnet sind.
Der Antragsteller hat mit der Antragsschrift vom 23. September 2010 zunächst die Feststellung begehrt, dass seine Amtszeit nicht wegen des Übergangs des Betriebs auf die Arbeitgeberin am 31. Mai 2010 geendet habe. Der Übergang des Frischelagers G auf die Arbeitgeberin habe nicht dazu geführt, dass für das Frischelager der bei der Arbeitgeberin und anderen Unternehmen aufgrund des Zuordnungstarifvertrags für die Region Mitte 2 gebildete Betriebsrat zuständig geworden sei. Der Zuordnungstarifvertrag entspreche nicht den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG und sei deshalb unwirksam. Angesichts der Anzahl der zusammengefassten Betriebsstätten und der örtlichen Ausdehnung des Betriebs könne nicht nachvollzogen werden, dass der durch die Zusammenfassung gebildete Betriebsrat die Interessen der Beschäftigten wirksamer wahrnehmen könne als einzelne nach der gesetzlichen Betriebsverfassung gebildete Betriebsräte. Auch sei nicht zu erkennen, weshalb die Interessen der in einem Fleischwerk beschäftigten Arbeitnehmer wirksamer durch Betriebsratsmitglieder vertreten würden, die überwiegend in Lagerbetrieben beschäftigt seien. Der Zuordnungstarifvertrag sei zudem rechtsunwirksam, weil sich der tarifvertraglich gebildete Gesamtbetriebsrat nicht hinreichend zum gesetzlich vorgesehenen Konzernbetriebsrat abgrenzen lasse.
Der Antragsteller hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass er über den 31. Mai 2010 hinaus im Amt ist,
hilfsweise für den Fall, dass insoweit von einer spezifizierten Amtszeit auszugehen sein sollte,
festzustellen, dass er gemäß § 21b BetrVG im Amt ist.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat den in erster Instanz ausschließlich gestellten Hauptantrag abgewiesen. Nach der Schließung des Frischelagers G hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren klargestellt, dass der Antrag nur noch im Hinblick auf das Restmandat weiterverfolgt werde. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde, mit der der Antragsteller sein Begehren um den Hilfsantrag erweitert hatte, zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine zuletzt gestellten Anträge weiter. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
I. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
1. Die Rechtsbeschwerde ist ordnungsgemäß begründet. Dies gilt entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin auch, soweit die Abweisung des Hilfsantrags durch das Landesarbeitsgericht angegriffen wird.
a) Nach § 92 Abs. 2, § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Rechtsbeschwerdebegründung die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe. Bei einer Sachrüge muss die Rechtsbeschwerdebegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Rechtsbeschwerdeangriffs erkennbar sind. Deshalb muss die Rechtsbeschwerdebegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen der angefochtene Beschluss rechtsfehlerhaft sein soll. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Rechtsbeschwerdeführers den angefochtenen Beschluss im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage genau durchdacht hat. Außerdem soll die Rechtsbeschwerdebegründung durch ihre Kritik an der angefochtenen Entscheidung zur richtigen Rechtsfindung durch das Rechtsbeschwerdegericht beitragen. Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen der Beschwerdeentscheidung genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsbeschwerdebegründung vor diesem Hintergrund nicht (vgl. zur Revision BAG 18. Mai 2011 – 10 AZR 346/10 – Rn. 10 mwN).
b) Diesen Anforderungen wird die Rechtsbeschwerdebegründung gerecht. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin setzt sich die Rechtsbeschwerde mit der Begründung des angefochtenen Beschlusses in gebotener Weise auseinander. Sie befasst sich zwar nicht ausdrücklich mit dem Hilfsantrag. Dies ist aber auch nicht erforderlich. Davon ausgehend, dass es dem Betriebsrat nur noch um die Feststellung eines Restmandats im Sinne des § 21b BetrVG im Zusammenhang mit der Schließung des Frischelagers G geht, hat das Landesarbeitsgericht keine voneinander unabhängigen, selbstständig tragenden rechtlichen Erwägungen zum Haupt- und zum Hilfsantrag angestellt. Es hat die Zurückweisung des Hauptantrags damit begründet, dass die Amtszeit des Antragstellers mit dem Betriebsinhaberwechsel von der RLS GmbH auf die Arbeitgeberin am 31. Mai 2010 geendet habe. Da der Antragsteller somit schon vor der Schließung des Frischelagers im vierten Quartal 2011 untergegangen sei, habe zu seinen Gunsten mit der späteren Schließung des Frischelagers kein Restmandat entstehen können. Aus diesem Grund hat das Landesarbeitsgericht auch den Hilfsantrag als unbegründet erachtet.
2. Der Betriebsrat ist rechtsbeschwerdebefugt. Dem steht nicht entgegen, dass er seit dem Übergang des Betriebs zum 1. Juni 2010 auf die Arbeitgeberin möglicherweise nicht mehr existiert.
Zwar führt ein unstreitiger Verlust der Beteiligtenfähigkeit zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels. Ist jedoch die Beteiligtenfähigkeit gerade streitig, so wird sie hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels unterstellt. Es entspricht einem allgemeinen prozessualen Grundsatz, dass eine Partei, deren Parteifähigkeit oder gar rechtliche Existenz überhaupt im Streit steht, wirksam ein Rechtsmittel mit dem Ziel einlegen kann, eine Sachentscheidung zu erlangen (vgl. etwa BAG 12. Januar 2000 – 7 ABR 61/98 – zu B I der Gründe mwN; 19. September 2006 – 1 ABR 53/05 – Rn. 19, BAGE 119, 279; 18. März 2015 – 7 ABR 42/12 – Rn. 12). So verhält es sich hier. Der Betriebsrat nimmt als Antragsteller für sich in Anspruch, im Restmandat amtierender Betriebsrat und damit eine nach dem Betriebsverfassungsgesetz beteiligte Stelle zu sein. Da es um die Feststellung seines Bestehens geht, ist die Beteiligtenfähigkeit des Betriebsrats gegeben. Könnte der Betriebsrat keine Rechtsbeschwerde einlegen, würde die vorinstanzlich zu seinem Nachteil wirkende Sachentscheidung, dass seine Amtszeit bereits mit dem Übergang des Frischelagers von der RLS GmbH auf die Arbeitgeberin am 31. Mai 2010 geendet hat und deshalb im Zeitpunkt der Schließung des Frischelagers im vierten Quartal 2011 kein Restmandat mehr entstehen konnte, in Rechtskraft erwachsen. Damit verlöre der Betriebsrat aus verfahrensrechtlichen Gründen seine Existenzgrundlage, ohne dass die dafür maßgebliche Rechtsfrage in der Rechtsbeschwerde geklärt werden könnte.
11. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Allerdings sind die Anträge entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bereits unzulässig.
1. Die Anträge bedürfen der Auslegung. Danach erstrebt der Betriebsrat mit seinem als Haupt- und Hilfsantrag formulierten Begehren die Feststellung, dass sein Amt zur Wahrnehmung eines Restmandats fortbesteht.
a) Das Rechtsbeschwerdegericht hat die gestellten Anträge als prozessuale Willenserklärungen selbstständig auszulegen. Maßgeblich sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Prozesserklärungen dahin auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Verfahrensbeteiligten nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten sind zu berücksichtigen (vgl. ua. BAG 26. Juli 2012 – 6 AZR 221/11 – Rn. 29 mwN;12. November 2013 – 3 AZR 92/12 – Rn. 27; 18. September 2014 – 8 AZR 757/13 – Rn. 18).
b) Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zutreffend dahin verstanden, dass es dem Betriebsrat nur noch um die Feststellung eines Restmandats zur Wahrnehmung von Beteiligungsrechten im Zusammenhang mit der Schließung des Frischelagers G geht. Soweit der Betriebsrat ursprünglich das Ziel verfolgt hat festzustellen, dass er über den 31. Mai 2010 hinaus im Vollmandat im Amt ist, verfolgt er dieses Rechtsschutzziel nicht mehr weiter. Dafür bestünde schon deshalb kein Feststellungsinteresse mehr, weil ein etwaiges über den 31. Mai 2010 hinaus fortbestehendes Vollmandat des Betriebsrats mit Ablauf der regulären Amtszeit spätestens am 31. Mai 2014 geendet hätte. Der Antragsteller hat daher im Beschwerdeverfahren und in der Anhörung vor dem Senat erklärt, dass der Antrag gegenwartsbezogen zu verstehen sei und sich auf das Restmandat beziehe.
2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Feststellungsantrag erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen des auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO. Es geht nicht um ein Rechtsverhältnis, an dessen alsbaldiger Feststellung durch richterliche Entscheidung ein rechtliches Interesse des Betriebsrats besteht.
a) Ein Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen nach § 256 Abs. 1 ZPO festgestellt werden kann, ist jede durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Ein Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO muss sich dabei nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis als Ganzes erstrecken. Er kann sich auch auf daraus folgende einzelne Beziehungen, Ansprüche oder Verpflichtungen und auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch ebenso wie abstrakte Rechtsfragen nicht Gegenstand eines Feststellungsantrags sein. Das liefe auf die Erstellung eines Rechtsgutachtens hinaus, was den Gerichten verwehrt ist (BAG 20. Januar 2009 – 1 ABR 78/07 – Rn. 28; 14. Dezember 2010 – 1 ABR 93/09 – Rn. 12, BAGE 136, 334; 7. Februar 2012 – 1 ABR 58/10 – Rn. 12; 6. November 2013 – 7 ABR 76/11 – Rn. 16). Das Feststellungsinteresse fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird. Die Rechtskraft muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Beteiligten strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (BAG 27. August 2014 – 4 AZR 518/12 – Rn. 15; 18. März 2015 – 7 ABR 42/12 – Rn. 26). Das Feststellungsinteresse fehlt ferner, wenn dem Antragsteller ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen, oder wenn die begehrte Feststellung zu einer abschließenden Beilegung des Streits nicht geeignet ist (BAG 3. Mai 2006 – 1 ABR 15/05 – Rn. 19, BAGE 118, 131).
b) Danach ist das erforderliche Feststellungsinteresse hier nicht gegeben. Mit der begehrten Feststellung würde nur eine Vorfrage dafür geklärt, ob dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte im Zusammenhang mit der Schließung des Frischelagers G zustehen können, insbesondere zum Abschluss eines Sozialplans. Diese Vorfrage wäre im Rahmen eines Rechtsstreits über das Bestehen eines solchen Mitbestimmungsrechts zu klären. Weshalb das Bestehen eines Restmandats gesondert festgestellt werden soll, ist nicht ersichtlich. Eine endgültige Beendigung der Streitigkeit zwischen den Beteiligten würde durch die Feststellung eines Restmandats auch nicht herbeigeführt. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts ist von weiteren Voraussetzungen abhängig. Dies gilt auch für ein etwaiges Mitbestimmungsrecht zum Abschluss eines Sozialplans im Zusammenhang mit der Schließung des Frischelagers G. Dazu müssten Fragen geklärt werden, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Dies gilt etwa für die Frage, ob es sich bei der Schließung des Frischelagers G um eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung handelt. Dazu müsste festgestellt werden, ob die Schließung des Frischelagers G eine Betriebsstilllegung darstellt oder ob eine Zusammenlegung mit anderen Betrieben oder Betriebsteilen zu dem Lager Ra erfolgt ist. Von dieser Feststellung könnte abhängen, ob im Falle der Unwirksamkeit des Zuordnungstarifvertrags der antragstellende Betriebsrat oder ein Gesamtbetriebsrat für den Abschluss eines Sozialplans zuständig wäre. Vor allem aber müsste in einem weiteren Verfahren über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts geklärt werden, welche Rechtswirkungen sich daraus ergeben, dass der im Jahr 2010 für die Region Mitte 2 gewählte Betriebsrat, dessen Wahl nicht angefochten wurde und der nach dem Zuordnungstarifvertrag für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten für das Frischelager G zuständig war, bereits das Mitbestimmungsrecht zum Abschluss eines Sozialplans nach § 112 BetrVG wahrgenommen hat. Es bedürfte einer Entscheidung darüber, ob ein nach der gesetzlichen Betriebsverfassung zuständiger Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zum Abschluss eines Sozialplans auch dann noch fordern kann, wenn der nach Maßgabe eines Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG für den Abschluss des Sozialplans zuständige Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht bereits wahrgenommen hat.
III. Einer Anhörung des Betriebsrats Region Mitte 2 im Rechtsbeschwerdeverfahren bedurfte es nicht mehr. Der Antrag des Betriebsrats Frischelager G wird als unzulässig abgewiesen. Hierdurch entsteht weder eine Rechtskraft noch eine Bindungswirkung in Bezug auf betriebsverfassungsrechtliche Rechte oder Pflichten des antragstellenden Betriebsrats und/oder des Betriebsrats Region Mitte 2. Damit steht fest, dass der Betriebsrat Region Mitte 2 durch die Entscheidung in diesem Verfahren nicht in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung betroffen ist (vgl. auch BAG 9. Juli 2013 – 1 ABR 17/12 – Rn. 20).
Unterschriften
Gräfl, M. Rennpferdt, Kiel, Olaf Deinert, D. Glock
Fundstellen
Haufe-Index 8653531 |
BB 2015, 2739 |