Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilanrechnung einer Unfallrente ohne Übergangsfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Soweit eine gesetzliche Unfallrente dazu dient, Verdienstminderungen des Verletzten auszugleichen, kann sie auf betriebliche Versorgungsleistungen angerechnet werden (Bestätigung von BAG Urteil vom 19.7.1983 - 3 AZR 241/82 = BAGE 43, 173 = AP Nr 8 zu § 5 BetrAVG).
2. Richtet sich eine Versorgungszusage nach der jeweils geltenden Fassung einer Leistungsordnung (hier Bochumer Verband), so sind Änderungen zu Lasten der Arbeitnehmer im Rahmen der Billigkeit möglich.
3. Die Leistungsbestimmung eines Zusammenschlusses der Arbeitgeber zum Zweck der Koordinierung von Leistungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung (zB Bochumer Verband) unterliegt der uneingeschränkten Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs 1 BGB. Der Verband ist nicht Dritter im Sinne von § 317 Abs 1 BGB.
Normenkette
BGB §§ 242, 315; BetrAVG §§ 5, 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang eine Unfallrente auf die Betriebsrente angerechnet werden darf.
Der Kläger, geboren am 21. November 1911, war bei einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten tätig. Seine Arbeitgeberin hatte ihm Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der jeweiligen Leistungsordnung des Bochumer Verbandes zugesagt. Der Bochumer Verband ist ein Zusammenschluß von Bergwerksgesellschaften, die ihren außertariflichen Angestellten betriebliche Versorgungsleistungen auf der Grundlage der vom Verband aufgestellten einheitlichen Leistungsbestimmungen gewähren (sog. Konditionenkartell). Der Kläger erhält seit seiner Pensionierung im Jahre 1967 eine Betriebsrente nach dieser Leistungsordnung sowie eine Knappschaftsrente und eine Unfallrente. Die Hälfte der gesetzlichen Renten, auch die Unfallrente, wurde gemäß § 8 Abs. 1 und Abs. 6 der Leistungsordnung in der im Jahre 1967 geltenden Fassung auf das betriebliche Ruhegeld angerechnet.
Nachdem der Senat durch Urteil vom 17. Januar 1980 (BAGE 32, 297 = AP Nr. 3 zu § 5 BetrAVG) die Anrechnung von Unfallrenten auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung für unzulässig erklärt hatte, änderte der Vorstand des Bochumer Verbandes die Leistungsordnung durch Beschluß vom 8. Oktober 1980 dahin, daß mit Wirkung vom 1. Januar 1980 die Anrechnung der Unfallrente entfiel. Dies teilte der Verband dem Kläger in einem Schreiben vom 10. Oktober 1980 mit, worin es heißt:
"Der Vorstand hat am 8.10.1980 beschlossen,
die Anrechnung von gesetzlichen Unfallrenten
auf betriebliche Leistungen in Übereinstimmung
mit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts
vom 17.1.1980 rückwirkend ab 1.1.1980 neu zu
regeln."
Durch Urteil vom 19. Juli 1983 (BAGE 43, 173 = AP Nr. 8 zu § 5 BetrAVG) gab der Senat seine Auffassung, Unfallrenten seien auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht anrechenbar, wieder auf. Der Senat entschied, Unfallrenten könnten angerechnet werden, soweit sie dazu bestimmt seien, Verdienstminderungen auszugleichen; sehe die betriebliche Versorgungsordnung selbst keine oder eine unbillige Regelung vor, so sei ein Anteil in Höhe der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz bei gleicher Minderung der Erwerbsfähigkeit anrechnungsfrei. Daraufhin änderte der Vorstand des Bochumer Verbandes durch Beschluß vom 14. Dezember 1983 die Leistungsordnung erneut und stellte mit Wirkung vom 1. Januar 1984 die alte Regelung wieder her, nach der die Hälfte der Unfallrente auf die Betriebsrente angerechnet wurde. Vom 1. Januar 1984 an wurde demgemäß die Betriebsrente des Klägers wieder um die Hälfte seiner Unfallrente gekürzt. Der Kläger erhielt von der Beklagten statt 2.522,90 DM nur noch 1.640,-- DM monatlich (Differenz von 882,90 DM).
Mit der übergangslosen Anrechnung seiner halben Unfallrente ist der Kläger nicht einverstanden. Er hat die Auffassung vertreten, die Klausel in seiner Versorgungszusage, nach der sich die Versorgung nach der jeweils geltenden Fassung der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes richte, gebe nur ein Bestimmungsrecht nach billigem Ermessen. Die Anrechnung der halben Unfallrente mit sofortiger Wirkung sei unbillig. Angemessen sei es, die Wiederanrechnung in fünf Jahren in jährlichen Schritten von 20 % zu vollziehen. Deshalb müsse die Beklagte zunächst 80 % des einbehaltenen Betrags, also monatlich 706,30 DM, nachzahlen. Mit der Klage hat der Kläger die Nachzahlung für die Monate Januar bis März 1984, zusammen also 2.118,90 DM geltend gemacht. Jedenfalls dürfe die Beklagte die Rente frühestens nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist kürzen. Der Kündigungsschutz habe Vorrang vor einer vertraglichen Jeweiligkeitsklausel. Außerdem solle diese Klausel eine einheitliche Versorgung der Betriebsrentner durch die Mitgliedsgesellschaften des Bochumer Verbandes sicherstellen. Dann aber dürfe nicht außer Betracht bleiben, daß die zwischen dem 1. Januar 1980 und dem 31. Dezember 1983 in den Ruhestand getretenen Angestellten Betriebsrenten erdient hätten, die nach der in dieser Zeit geltenden Leistungsordnung anrechnungsfrei blieben. Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.118,90 DM
nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung am 4. Februar
1985 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß weder das Ziel gleicher Versorgungsbedingungen noch die gesetzlichen Kündigungsfristen Übergangsregelungen erforderlich machten. Die Wiedereinführung der Anrechnungsregelung mit sofortiger Wirkung sei auch nicht unbillig. Der Kläger könne sich nicht auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes stützen. Schon der Mitteilung vom 10. Oktober 1980 habe er entnehmen können, daß die Leistungsordnung seinerzeit nur in Vollzug der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Januar 1980 geändert worden sei. Demgemäß habe er auch damit rechnen müssen, daß im Falle der Änderung der Rechtsprechung umgehend wieder die Anrechnungsklausel eingeführt werde.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen richet sich die Revision des Klägers. Er will erreichen, daß die Beklagte antragsgemäß verurteilt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann nicht verlangen, daß die Beklagte die gesetzliche Unfallrente vom 1. Januar 1984 an für eine Übergangszeit nur zu einem geringeren Teil als der Hälfte anrechnet.
I. Aufgrund der vom früheren Arbeitgeber des Klägers erteilten Zusage bestimmt sich dessen Versorgungsanspruch nach der jeweils geltenden Fassung der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes. Damit hat sich der Arbeitgeber das Recht zur Leistungsbestimmung vorbehalten (§ 315 Abs. 1 BGB). Die Leistungsordnung des Bochumer Verbandes soll sowohl für den Inhalt des Anspruchs maßgebend sein als auch Änderungen zulassen. Ab 1. Januar 1984 soll sich daher die Versorgung des Klägers nach der von diesem Zeitpunkt an geltenden Fassung der Leistungsordnung richten. Rechtliche Bedenken gegen eine solche Vereinbarung bestehen nicht. Sie gilt auch im Ruhestandsverhältnis fort (so schon BAG Urteil vom 17. Oktober 1957 - 2 AZR 50/57 - AP Nr. 29 zu § 242 BGB Ruhegehalt).
II. Die Änderung ist wirksam. Sie ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden; insbesondere verstößt sie weder gegen zwingende Regeln des Kündigungsschutzes noch gegen Grundsätze der Billigkeit (§ 315 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB).
1. Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Anrechnung der halben Unfallrente im voraus anzukündigen und dabei, als handele es sich um eine Änderungskündigung, die für aktive Arbeitnehmer geltenden Kündigungsfristen zu beachten. Zwar gelten die Regeln des Kündigungsschutzes dann, wenn es darum geht, ein Arbeitsverhältnis zu beenden oder inhaltlich insgesamt umzugestalten. Soll etwa der Arbeitgeber berechtigt sein, den Umfang der Arbeitszeit einseitig nach Bedarf festzulegen, so wird damit im praktischen Ergebnis das Arbeitsverhältnis als ganzes verändert und in seinen Kernbereich eingegriffen. Eine solche Regelung stellt eine objektive Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes dar und ist daher nichtig (BAGE 47, 314 = AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969). Um eine derartige grundlegende Änderung des Arbeits- oder Ruhestandsverhältnisses handelt es sich hier aber nicht. Unter Gesichtspunkten des gesetzlichen Kündigungsschutzes ist nicht zu beanstanden, wenn aufgrund einer Jeweiligkeitsklausel oder eines Widerrufsvorbehalts einzelne Leistungen des Arbeitgebers umgestaltet, gekürzt oder vollständig eingestellt werden sollen (BAGE 47, 314, 322 = AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969, zu II 3 c der Gründe).
2. Die Wiedereinführung der Anrechnungsklausel zum 1. Januar 1984 ist auch nicht unbillig. Die Beklagte konnte kraft ihres Bestimmungsrechts gemäß § 315 Abs. 1 BGB ab 1. Januar 1984 die Hälfte der Unfallrente wieder anrechnen.
a) Zutreffend sind die Parteien und die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Änderung einer Ruhegeldordnung aufgrund einer Jeweiligkeitsklausel billigem Ermessen genügen muß (§ 315 Abs. 1 BGB) und insoweit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegt (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Unterwerfung der Vertragsparteien unter spätere einseitige Änderungen des Regelwerks geht nur soweit, wie billigerweise mit einer Neuregelung gerechnet werden kann, diese sich also im Bereich des Angemessenen hält (BAG Urteil vom 17. Oktober 1957 - 2 AZR 50/57 - AP Nr. 29 zu § 242 BGB Ruhegehalt; Urteil vom 14. März 1961 - 3 AZR 83/60 - AP Nr. 78 zu § 242 BGB Ruhegehalt; Urteil vom 10. März 1967 - 3 AZR 304/66 - AP Nr. 27 zu § 611 BGB Dienstordnungsangestellter; Urteil vom 30. November 1973 - 3 AZR 96/73 - AP Nr. 164 zu § 242 BGB Ruhegehalt; Urteil vom 14. November 1974 - 3 AZR 547/73 - AP Nr. 1 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Zusatzversorgung, zu II 1 der Gründe, mit zustimmender Anmerkung von Wiedemann/Moll; Urteil vom 10. August 1982 - 3 AZR 90/81 - AP Nr. 7 zu § 5 BetrAVG, zu I 3 c der Gründe; ferner Höfer/Küpper, BB 1982, 565, 566; Blomeyer, SAE 1986, 306, 309; Höfer/Abt, BetrAVG, 2. Aufl., ArbGr Rz 205). Für die Leistungsordnung des Bochumer Verbandes gilt nichts anderes. Dieser Verband ist ein Zusammenschluß der Arbeitgeber zum Zwecke der Koordinierung der Bedingungen der betrieblichen Altersversorgung. Er ist damit nicht Dritter i.S. der §§ 317, 319 BGB, sondern unterliegt der uneingeschränkten Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 1 und 3 BGB.
b) Der Kläger stellt nicht in Frage, daß eine Unfallrente auf betriebliche Versorgungsleistungen angerechnet werden kann, soweit sie dazu dient, Verdienstminderungen auszugleichen. Anrechnungsfrei bleiben muß lediglich der Teil der Unfallrente, der immaterielle Schäden und sonstige Einbußen ausgleicht. Danach muß mindestens der Teil der Verletztenrente anrechnungsfrei bleiben, der der Grundrente eines Versorgungsberechtigten nach dem Bundesversorgungsgesetz bei vergleichbarer Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht (BAGE 43, 173 = AP Nr. 8 zu § 5 BetrAVG mit zustimmender Anmerkung von Gitter = AR-Blattei Betriebliche Altersversorgung Entscheidung 124 mit zustimmender Anmerkung von Krasney = EzA BetrAVG § 5 Nr. 5 mit zustimmender Anmerkung von Höfer/vom Hofe = SAE 1984, 14, mit zustimmender Anmerkung von von Hoyningen-Huene; BAGE 43, 161 = AP Nr. 9 zu § 5 BetrAVG mit zustimmender Anmerkung von Gitter; Urteil vom 13. September 1983 - 3 AZR 537/82 - AP Nr. 11 zu § 5 BetrAVG; zustimmend auch Ahrend/Förster/Rühmann, BB 1984, 77, 84). Diese Grundsätze gelten für Anrechnungsregeln in Gesamtversorgungssystemen (BAG, aa0) ebenso wie für einfache Anrechnungsklauseln (BAG Urteil vom 24. März 1987 - 3 AZR 344/85 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Hiernach wird im allgemeinen eine Anrechnungsklausel nicht zu beanstanden sein, die eine Anrechnung der Unfallrente zur Hälfte vorsieht (BAG Urteil vom 10. April 1984 - 3 AZR 39/83 - AP Nr. 17 zu § 5 BetrAVG). Im Streitfall bestehen insoweit keine Bedenken. Die nicht anrechenbare Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz betrug für den Kläger in den ersten drei Monaten des Jahres 1984 monatlich 207,-- DM; insgesamt sollen dem Kläger jedoch 882,90 DM verbleiben.
c) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß die erneute Anrechnung ohne Übergangsfrist nicht unbillig ist. Das Berufungsgericht ist mit der ständigen Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, daß im Rahmen einer abstrakten Billigkeitskontrolle eine Interessenabwägung stattzufinden hat, bei der ein generalisierender Maßstab zugrunde zu legen ist (statt aller: BAGE 36, 327, 336 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B II 2 der Gründe). In diesem Rahmen hat das Berufungsgericht den vorgetragenen Sachverhalt vollständig gewürdigt und dabei weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen (BAG Urteil vom 8. Juni 1982 - 3 AZR 661/79 - AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung; Urteil vom 10. August 1982 - 3 AZR 90/81 - AP Nr. 7 zu § 5 BetrAVG, zu I 3 a der Gründe).
Im einzelnen gilt folgendes:
(1) Eine verschlechternde Versorgungsregelung kann grundsätzlich nicht in bereits erdiente Versorgungsbesitzstände eingreifen. Soweit der Arbeitnehmer seine Leistung, die Betriebstreue, erbracht hat, kann ihm die hierfür versprochene Gegenleistung, die Betriebsrente, auch über eine Jeweiligkeitsklausel grundsätzlich nicht mehr entzogen werden. Der Anspruch des Betriebsrentners ist deshalb nur in seltenen Ausnahmefällen einer Kürzungsmaßnahme des Arbeitgebers ausgesetzt (BAGE 36, 327, 336 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung; 37, 217, 224 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen; Urteil vom 10. August 1982 - 3 AZR 90/81 - AP Nr. 7 zu § 5 BetrAVG, zu I 3 c der Gründe; Urteil vom 17. März 1987 - 3 AZR 64/84 - EzA § 1 BetrAVG Nr. 48, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Auf den Kläger treffen diese Grundsätze nicht zu. Er hatte bei Eintritt in den Ruhestand lediglich eine Versorgung erdient, auf die die Hälfte der Unfallrente anzurechnen war. Durch die spätere zeitweilige Nichtanrechnung konnte er einen höheren Anspruch nicht mehr erdienen.
(2) Aus der Neuregelung während des Ruhestandsverhältnisses durch den Beschluß des Vorstands des Bochumer Verbands vom 8. Oktober 1980 kann der Kläger ebenfalls keinen geschützten Besitzstand herleiten. Die Vorinstanzen haben rechtsfehlerfrei erkannt, daß dieser Beschluß einzig dazu diente, das Urteil des Senats vom 18. Januar 1980 (aa0) zu vollziehen. Das war auch dem Kläger erkennbar. Die entsprechende Mitteilung des Verbandes an die Rentner vom 10. Oktober 1980 ließ daran keine begründeten Zweifel aufkommen. Insbesondere hatte keiner der Empfänger Anlaß zu der Annahme, es handele sich um eine eigene sozial motivierte Entscheidung des Arbeitgebers mit dem Ziel, die Versorgungsleistungen zu verbessern. Die Angriffe des Klägers gegen diese Auslegung vermögen nicht zu überzeugen. Der Hinweis auf die Entscheidung des Senats machte hinreichend deutlich, daß der Verband und die ihm angeschlossenen Arbeitgeber sich lediglich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beugten, die damals eine Anrechnung der Unfallrente für gänzlich unzulässig hielt. Mittelbar hat der Kläger das selbst eingeräumt, da er angibt, er habe schon lange vor Oktober 1980 damit gerechnet, daß die Leistungsordnung des Bochumer Verbandes an die Entscheidung des Senats vom 17. Januar 1980 angepaßt werde.
(3) Mußte der Kläger davon ausgehen, daß der Bochumer Verband und die ihm angeschlossenen Arbeitgeber lediglich der Rechtsprechung des Senats folgten, dann konnte er auch nicht darauf vertrauen, es werde selbst dann bei der Nichtanrechnung bleiben, wenn die weitere Rechtsentwicklung zu neuen und den Rentnern ungünstigen Erkenntnissen führen sollte. Ebensowenig konnte der Kläger darauf vertrauen, im Vorstand des Bochumer Verbands werde sich keine Mehrheit für die teilweise Anrechnung der Unfallrente finden. Selbst wenn er konkrete Anhaltspunkte für eine solche Annahme gehabt hätte, müßte er sich aufgrund der Jeweiligkeitsklausel in seiner Versorgungszusage einer ordnungsgemäß zustande gekommenen Mehrheitsentscheidung beugen.
(4) Der Kläger konnte schließlich nicht darauf vertrauen, der Vorstand des Bochumer Verbandes werde über den 1. Januar 1984 hinaus eine Übergangsregelung einführen, die in einzelnen zeitlichen Schritten zur Anrechnung der halben Unfallrente führen werde. Er mußte im Gegenteil damit rechnen, der Bochumer Verband werde eine geänderte Rechtsprechung, auch eine solche zum Nachteil der Rentner, ebenso prompt nachvollziehen und in das Regelungswerk umsetzen, wie das aus Anlaß des Urteils vom 17. Januar 1980 geschehen war, d.h. zwar mit einer gewissen unvermeidlichen Verzögerung, aber doch so zeitnah wie möglich. Auch aus der Sicht der Rentner war klar, daß der Bochumer Verband mit der Neuregelung zum 1. Januar 1984 lediglich eine Leistung zurücknahm, zu der er sich bis in das Jahr 1980 hinein nicht für verpflichtet gehalten hatte. Daß zwischenzeitlich rund drei Jahre und drei Monate die erhöhte Rente gezahlt worden war, reicht nicht aus, auf eine behutsame Rückführung zu vertrauen und etwa erst nach Ablauf von fünf Jahren die volle Wiederherstellung des früheren Rechtszustands zu erwarten. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn sehr lange Zeit vergangen wäre, so daß nunmehr die Teilanrechnung als grundsätzliche Einschränkung empfunden werden müßte. Die Regelung zu § 55 BeamtVG enthält entgegen der Auffassung des Klägers keinen Modellcharakter, der auf die Leistungsordnung des Bochumer Verbandes zu übertragen wäre.
Unerheblich ist auch, daß die Nichtanrechnung entsprechend dem Urteil des Senats vom 17. Januar 1980 um zehn Monate rückwirkend vollzogen wurde und noch vier Monate nach Bekanntwerden des Urteils vom 17. Juli 1983 erhalten blieb (Pressemitteilung abgedruckt in DB 1983, 1659 vom 5. August 1983; Abdruck der Entscheidung in DB 1983, 1768 vom 19. August 1983). Die sofortige Rückkehr zur teilweisen Anrechnung der Unfallrente belastet die betroffenen Betriebsrentner nicht im Übermaß. Das gilt jedenfalls im allgemeinen, weil die Leistungsordnung des Bochumer Verbandes nur außertarifliche Angestellte mit höheren oder leitenden Funktionen erfaßt (§ 2 Abs. 1 a der Satzung). Bei diesen Arbeitnehmern kann typischerweise mit einer Gesamtversorgung gerechnet werden, die so hoch bemessen ist, daß die Teilanrechnung die Betroffenen selbst dann nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten stürzt, wenn sie übergangslos eingeführt wird.
3. Das Berufungsgericht hat angenommen, bei der Änderung einer Versorgungsordnung nach billigem Ermessen hätten individuelle Gesichtspunkte außer Betracht zu bleiben. Das ist nicht richtig. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß sich an die abstrakte eine konkrete Billigkeitsprüfung anschließen muß; es ist festzustellen, ob es einer Härteregelung bedarf, die verhindert, daß im Einzelfall untypische, nicht beabsichtigte Nachteile entstehen (vgl. hierzu außer den bereits genannten Entscheidungen Urteil des Senats vom 17. März 1987 - 3 AZR 64/84 - EzA § 1 BetrAVG Nr. 48, für die Amtliche Sammlung des Gerichts vorgesehen). Im Streitfall nimmt der Kläger jedoch keine individuellen Gesichtspunkte dieser Art für sich in Anspruch, so daß die Wiedereinführung der Unfallrentenanrechnung keine Ausnahme oder Einschränkung gerade zu seinen Gunsten gebietet.
III. Schließlich kann der Kläger aus der Funktion des Bochumer Verbands als Konditionenkartell nichts zu seinen Gunsten herleiten. Insbesondere wird durch die Wiedereinführung der Anrechnungsklausel nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen. Wenn in der Zeit von Oktober 1980 bis Dezember 1983 in den Ruhestand getretene Versorgungsberechtigte einen Anspruch auf eine anrechnungsfreie Betriebsrente erworben haben sollten, so wäre das eine tatsächlich und rechtlich andere Situation, die auf den Kläger nicht zutrifft und die daher auch nicht zu seinen Gunsten wirken kann.
Dr. Heither Schaub Griebeling
Hoechst Dr. Reinfeld
Fundstellen
Haufe-Index 438318 |
DB 1988, 1273-1274 (LT1-3) |
RdA 1988, 190 |
ZIP 1988, 861 |
ZIP 1988, 861-863 (LT1-3) |
AP § 5 BetrAVG (LT1-3), Nr 25 |
EzA § 5 BetrAVG, Nr 17 (LT1-3) |
HV-INFO 1988, 2042-2043 (LT) |
SGb 1988, 380 (S) |
VersR 1988, 973-975 (LT) |