Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung des Berufungsgerichts an Streitwertfestsetzung
Orientierungssatz
1. Das Berufungsgericht ist bei der Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes an die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts gebunden, wenn diese nicht offensichtlich unrichtig ist.
2. Die Änderung des Rechtsmittelsystems im Verfahren vor den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit durch das Gesetz zur Bereinigung und Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vom 21. Mai 1979 - Beschleunigungsnovelle (BGBl I, 1979, 45) läßt die Streitwertfestsetzung durch das Arbeitsgericht nach § 61 Abs 1 ArbGG in ihrem rechtlichen Charakter unberührt.
3. Parallelsache zu BAG Urteil vom 2. März 1983 5 AZR 594/82.
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 02.07.1982; Aktenzeichen 6 Sa 149/82) |
ArbG Mainz (Entscheidung vom 21.10.1981; Aktenzeichen 3 Ca 630/81) |
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz darüber, ob die Berufung der Klägerin statthaft war.
Die Klägerin, die seit Jahren bei der Beklagten, zuletzt mit einem Monatsverdienst von ca. 1.200,-- DM, beschäftigt ist, erhielt im Februar 1981 von der Beklagten folgendes Schreiben:
"Arbeitsverhältnis und Ausfallzeiten
Unsere Aufgabe ist es für eine reibungslose, termin- und
fertigungsgerechte Produktion der Hakle-Produkte Sorge zu
tragen, termingerecht qualitativ hochwertige Erzeugnisse
zu liefern, unsere Marktposition zu sichern und auszubauen,
denn nur so ist es uns möglich die Arbeitsplätze aller
Hakle-Mitarbeiter zu sichern.
Das ist aber nur möglich, wenn alle - auch Sie - uns dabei
tatkräftig unterstützen.
Hohe Fehlzeiten, aus welchen Gründen auch immer, gefährden
den Erfolg]
Ihre hohen Ausfallzeiten im Jahr 1980 machen uns große
Sorgen.
Hier die Übersicht:
Soll-Arbeitstage 1980 = 267 100 %
Ist-Arbeitstage 1980 = 178 66,7 %
Arbeitsunfähigkeit 1980 = 61 22,8 %
entschuldigte Fehltage 1980 = - - %
unentschuldigte Fehltage 1980 = - - %
Wenn Sie diese Bilanz sehen, waren Sie 1980 unter Ein-
schluß Ihres Jahresurlaubes
27 Tage
nur an 66,7 % der tarifvertraglich ver-
einbarten Arbeitszeit
ohne den Jahresurlaub zu berücksichtigen
an 76,8 % der tarifvertraglich ver-
einbarten Arbeitszeit
an ihrem Arbeitsplatz oder anders gesagt, Sie waren jeden
3. Arbeitstag abwesend und jedesmal mußte eine Ersatzkraft
für Sie gefunden werden.
Eine solche Situation können wir, im Interesse der übrigen
Mitarbeiter der Hakle-Werke, einfach nicht mehr verantwor-
ten.
Wir werden -und dafür haben Sie sicher Verständnis- Ihren
zukünftigen Ausfallzeiten besondere Beachtung schenken und,
sollte hier keine wesentliche Besserung eintreten, auch über
eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nachdenken
müssen.
Ihre Aufgabe ist es alles zum Erhalt Ihrer Arbeitsfähigkeit
Erforderliche zu tun und im Fall einer krankheitsbedingten
Arbeitsunfähigkeit alles Notwendige zur baldigen Genesung
beizutragen.
Nur so werden wir zukünftig auf Sie als zuverlässigen, ge-
wissenhaften und verantwortungsbewußten Mitarbeiter der
Hakle-Werke zählen können."
Die Klägerin sieht in diesem Schreiben, dessen Fehlzeitenaufstellung sie nicht bestreitet, eine ungerechtfertigte Abmahnung.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom Februar
1981 aus der Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, das Schreiben sei nicht als Abmahnung anzusehen. Die Aufstellung bezwecke lediglich, der Klägerin in Form einer "Bilanz" ihre Fehlzeiten vor Augen zu führen. Ein Fehlverhalten werde darin nicht gerügt. Gleichlautende Schreiben, nur mit anderer Fehltageaufstellung, seien zur selben Zeit auch anderen Arbeitnehmern zugegangen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 600,-- DM festgesetzt. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, da es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handele, sei gegen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Die Rechtsmittelbelehrung enthält den Hinweis, gegen das Urteil könne von der Klägerin Berufung eingelegt werden. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin als nicht statthaft angesehen und sie deshalb als unzulässig verworfen. Es hat die Auffassung vertreten, der mit der Klage verfolgte Anspruch sei vermögensrechtlicher Natur. Da die Berufung nicht zugelassen sei und der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,-- DM nicht übersteige, sei die Berufung nicht statthaft.
Mit der zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die Berufung sei von dem Arbeitsgericht zugelassen worden. Der Zulassung bedürfe es zudem nicht, da der Klageanspruch nichtvermögensrechtlicher Natur sei. Außerdem übersteige der Beschwerdewert den Betrag von 800,-- DM.
Entscheidungsgründe
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen.
I. Nach § 64 Abs. 2 ArbGG 1979 kann in vermögensrechtlichen Streitigkeiten die Berufung nur eingelegt werden, wenn sie zugelassen worden ist oder der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,-- DM übersteigt. Nur in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist die Berufung in jedem Falle statthaft.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Berufung vom Arbeitsgericht nicht zugelassen worden ist.
a) Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsmittelklarheit muß die Zulassung der Berufung im Tenor des erstinstanzlichen Urteils enthalten sein. Der Tenor des mit der Berufung angefochtenen Urteils enthält jedoch keinen Ausspruch darüber, daß die Berufung zugelassen wird.
b) Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung ist die Berufung auch nicht in den Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Urteils wirksam zugelassen. Die Entscheidungsgründe enthalten lediglich den Hinweis, da es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handele, sei das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Eine Willensbildung der Kammer dahin, daß die Berufung zugelassen werden soll, ist darin nicht zu erblicken. Das Arbeitsgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, es handele sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit. Es hat daraus die Schlußfolgerung gezogen, die Berufung sei ohnehin statthaft. Darauf, ob und unter welchen Umständen eine lediglich in den Urteilsgründen enthaltene Zulassung des Rechtsmittels ausreicht (vgl. hierzu den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 1976 - 2 BvR 342/74 - AP Nr. 15 zu § 92 ArbGG 1953) kommt es daher vorliegend nicht an.
c) Der Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung, die Berufung sei zulässig, ist unbeachtlich. Hierin liegt ebenfalls kein Zulassungsbeschluß. Zwar ist die Rechtsmittelbelehrung Bestandteil der Entscheidung; sie enthält aber keine selbständige Zulassung der Revision nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG 1979 (BAG Beschluß vom 1. April 1982 - 6 AZB 18/81 - AP Nr. 4 zu § 64 ArbGG 1979).
2. Das Berufungsgericht hat auch richtig angenommen, daß es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt. Davon ist immer dann auszugehen, wenn der Kläger mit der Geltendmachung seines prozessualen Anspruchs in erheblichem Umfang wirtschaftliche Zwecke verfolgt und zwar unabhängig davon, ob er daneben auch die Verwirklichung von nicht-wirtschaftlichen Zwecken erstrebt (BGHZ 13, 5, 9; 14, 72, 74).
Die Klage richtet sich gegen das Schreiben der Beklagten vom Februar 1981. Die Klägerin sieht durch dieses Schreiben ihren Arbeitsplatz gefährdet, sie faßt das Schreiben als eine ungerechtfertigte Abmahnung auf. Ob das Schreiben tatsächlich eine individualrechtliche Rüge mit Kündigungsandrohung für den Wiederholungsfall enthält, kann dahinstehen. Desgleichen braucht nicht überprüft zu werden, ob die Beklagte berechtigt war, diese Rügen überhaupt und in Form des Schreibens zu erheben. Dies wäre erst bei der Begründetheit des Klagebegehrens zu prüfen. Für die Frage, ob es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt ist darauf abzustellen, wie die Klägerin das Schreiben aufgefaßt hat. Sie sah durch dieses Schreiben den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses in Gefahr. Mit ihrer Klage wendet sie sich gegen diese nach ihrer Meinung von dem Schreiben der Beklagten ausgehende Gefährdung ihres Arbeitsplatzes. Ebenso wie bei einer Abmahnung ist in einem derartigen Fall die Verbindung mit dem Bestand des Arbeitsverhältnisses als einem wirtschaftlichen Austauschverhältnis so eng, daß das Verfahren, das sich gegen dieses Schreiben wendet, eine vermögensrechtliche Streitigkeit darstellt (vgl. BAG Urteil vom 24. Februar 1982 - 5 AZR 347/80 - AP Nr. 3 zu § 64 ArbGG 1979). Das Landesarbeitsgericht hat somit den Begriff der vermögensrechtlichen Streitigkeit nicht verkannt.
3. Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß der Beschwerdewert von 800,-- DM nicht erreicht und die Berufung auch aus diesem Grunde unzulässig ist.
a) Das Arbeitsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes auf 600,-- DM festgesetzt. Das Berufungsgericht hat angenommen, bei der Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes sei es an die im Urteil des Arbeitsgerichts getroffene Streitwertfestsetzung gebunden. Dem ist zuzustimmen.
b) Nach der am 1. Juli 1979 durch das Gesetz zur Bereinigung und Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vom 21. Mai 1979 - Beschleunigungsnovelle - (BGBl. I S. 545) inkraft gesetzten Fassung des § 64 Abs. 2 ArbGG ist die Zulässigkeit der Berufung zwar nicht mehr vom Streitwert, sondern vom Wert des Beschwerdegegenstandes abhängig. Diesen Beschwerdewert hat das Berufungsgericht selbständig nach freiem Ermessen zu ermitteln (Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 511 a Rz 15). Der Beschwerdewert wird durch die Beschwer und den den Umfang der Anfechtung festlegenden Rechtsmittelantrag, also das wirtschaftliche Interesse des Rechtsmittelführers am Erfolg seines Rechtsmittels bestimmt. Wird eine Klage in vollem Umfang abgewiesen, so entspricht der Beschwerdewert dem Streitwert erster Instanz. Da das Arbeitsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen hat, beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes ebenfalls 600,-- DM. Damit ist die Berufungssumme nicht erreicht.
c) Die Revision ist dagegen der Auffassung, der Streitwertfestsetzung nach § 61 Abs. 1 ArbGG 1979 komme nur noch kostenrechtliche Bedeutung zu. Das Berufungsgericht sei daher an die Streitwertfestsetzung im arbeitsgerichtlichen Urteil bei der Ermittlung des Beschwerdewertes nicht gebunden. Bei einem Monatseinkommen der Klägerin von 1.200,-- DM netto ergebe sich ein Bruttoverdienst von mindestens 2.000,-- DM. Nach freiem Ermessen sei der Streitwert auf den halben Betrag des Bruttomonatsverdienstes, also auf 1.000,-- DM festzusetzen. Die Beschwer liege daher über den Betrag von 800,-- DM.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
aa) Die Streitwertfestsetzung im arbeitsgerichtlichen Urteil galt bis zum Inkrafttreten der Beschleunigungsnovelle als unanfechtbar. Dies beruht darauf, daß nach früherem Recht die Berufung - außer im Falle der Zulassung - nach § 64 ArbGG 1953 dann stattfand, wenn der vom Arbeitsgericht festgesetzte Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 300,-- DM erreichte. Die Streitwertrevision war nach § 72 Abs. 1 ArbGG 1953 davon abhängig, daß der vom Arbeitsgericht festgesetzte oder vom Landesarbeitsgericht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG 1953 neu festgesetzte Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 6.000,-- DM überstieg.
Der nach § 61 Abs. 2 ArbGG 1953 im Urteil des Arbeitsgerichts festgesetzte Streitwert war nach Rechtsprechung und Literatur für die Frage der Rechtsmittelzulässigkeit grundsätzlich bindend für alle Instanzen, soweit er nicht nach § 69 Abs. 2 ArbGG 1953 vom Landesarbeitsgericht mit Bindung für die Revisionsinstanz neu festgesetzt worden war. Sinn der gesetzlichen Verpflichtung zur Streitwertfestsetzung im Urteil war es, im arbeitsgerichtlichen Verfahren schon im Augenblick des Urteilserlasses volle Klarheit über dessen Anfechtbarkeit zu schaffen (Grunsky, ArbGG, 2. Aufl. 1978, § 61 Rz 12; Dersch/Volkmar, ArbGG, 6. Aufl. 1955, § 61 Rz 45 f.; Dietz/Nikisch, ArbGG, § 61 Rz 18 f.; Wenzel, MDR 1980, 13; Satzky, RdA 1980, 101 f.).
Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels war das übergeordnete Gericht nur dann nicht an den von der Vorinstanz festgesetzten Streitwert gebunden, wenn dieser "offenkundig auf den ersten Blicke erkennbar unrichtig und unter keinem rechtlichen oder vernünftigen Gesichtspunkt zu rechtfertigen", war (BAG 21, 22 = AP Nr. 20 zu § 72 ArbGG 1953 Streitwertrevision; BAG 31, 338 = AP Nr. 31 zu § 72 ArbGG 1953 Streitwertrevision).
bb) Mit Inkrafttreten der Beschleunigungsnovelle am 1. Juli 1979 ist das Rechtsmittelsystem im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen grundsätzlich geändert worden. Nach § 64 Abs. 2 ArbGG 1979 kann in vermögensrechtlichen Streitigkeiten die Berufung gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts nur eingelegt werden, wenn sie entweder in dem Urteil zugelassen worden ist oder der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,-- DM übersteigt. Die Revision ist nur noch statthaft, wenn sie vom Landesarbeitsgericht ausdrücklich zugelassen worden ist (§ 72 ArbGG 1979). Daneben ist unter bestimmten Voraussetzungen die Nichtzulassungsbeschwerde möglich (§ 72 a ArbGG 1979). Damit hat der Wert des Streitgegenstandes zumindest für das Revisionsverfahren seine Bedeutung verloren. Gleichwohl sind die Bestimmungen über die Streitwertfestsetzung in § 61 Abs. 1 ArbGG 1979 und § 69 Abs. 2 ArbGG 1979 im Wortlaut unverändert beibehalten worden. Dies hat in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur zu einer unterschiedlichen Neubewertung der §§ 61 Abs. 1, 69 Abs. 2 ArbGG 1979 geführt (vgl. die Übersicht bei Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung und Arbeitsgerichtsverfahren, 3. Aufl. 1982, § 104 I, S. 558; Tschischgale/Satzky, Das Kostenrecht in Arbeitssachen, 3. Aufl. 1982, S. 9 ff.).
Am weitesten gehen die Entscheidungen der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (Beschluß vom 20. März 1980 - 7 Ta 232/79 - EzA ArbGG 1979 § 61 Nr. 2 = KostRsp ArbGG § 61 Nr. 1) und der 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm (Urteil vom 26. Juli 1979 - 9 Sa 1599/79 - KostRsp ArbGG § 12 Nr. 18 = AnwBl. 1979, 431). Diese halten die Streitwertbestimmungen in § 61 Abs. 1, § 69 Abs. 2 ArbGG 1979 nach der Neuordnung des Rechtsmittelverfahrens für die Zulässigkeit des Rechtsmittels für bedeutungslos.
Andere Meinungen messen der Streitwertfestsetzung nach neuem Recht ausschließlich kostenrechtliche Bedeutung zu (so die 8. Kammer des LAG Hamm in ständiger Rechtsprechung, Beschluß vom 15. November 1979 - 8 Ta 180/79 - EzA ArbGG 1979 § 61 Nr. 1 = KostRsp ArbGG § 12 Nr. 19; zuletzt Beschluß vom 15. April 1982 - 2 Ca 12/82 - KostRsp ArbGG § 61 Nr.10; LAG Düsseldorf, Beschluß vom 4. Februar 1981 - 22 Ta 106/80 - EzA ArbGG 1979 Nr. 5 = KostRsp ArbGG § 61 Nr. 6; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 4. Februar 1981 - 3 Sa 410/80 - EzA ArbGG 1979 § 61 Nr. 6; ebenso: Dütz, RdA 1980, 81, 89 und in Anm. zu EzA ArbGG 1979 § 12 Nr. 1; Frohner, BB 1980, 1528, 1529 und in Anm. zu LAG Hamm Beschluß vom 11. Dezember 1980 - 8 Ta 104/80 - EzA ArbGG 1979 § 61 Nr. 3; Lepke, DB 1980, 974; Wenzel, AuR 1979, 225, 229, MDR 1980, 13, 14, DB 1981, 160, 163; Schneider, MDR 1981, 177, 183 und in Anm. zu KostRsp ArbGG § 12 Nr. 18 und in Anm. zu KostRsp ArbGG § 61 Nr. 1; Bürger, AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit X B III a; Schaub, aaO, S. 559; wohl auch: Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 12 Rz 12, § 61 Rz 3 und § 69 Rz 4; Wlotzke/Schwedes/Lorenz, Das neue Arbeitsgerichtsgesetz 1979,§ 12 Rz 13).
Schließlich wird daran festgehalten, daß auch nach Inkrafttreten der Beschleunigungsnovelle die Festsetzung des Streitwertes zumindest hinsichtlich der Berufung noch sinnvoll sei, da der Beschwerdewert nicht höher als der vom Arbeitsgericht bindend festgesetzte Streitwert sein könne (Satzky, RdA 1980, 101; Tschischgale/Satzky, aaO, S. 9 f.; Schäfer/Schmidt, DB 1980, 1490; Strobelt, DB 1981, 2381; Rohlfing/Rewolle/Bader, ArbGG, § 61 Anm. 4 a; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Mai 1981 - 6 Sa 56/81 - EzA ArbGG 1979 § 61 Nr. 8; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 20. Mai 1980 - 1 Ta 67/80 - KostRsp ArbGG § 61 Nr. 2; LAG Baden- Württemberg, Beschluß vom 10. September 1980 - 1 Ta 96/80 - KostRsp ArbGG § 61 Nr. 3; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Oktober 1981 - 7 Sa 41/81 - KostRsp ArbGG § 61 Nr. 9 = BB 1982, 620).
4. Der Senat ist der Auffassung, daß die Streitwertfestsetzung im Urteil des Arbeitsgerichts weiterhin für die Zulässigkeit der Berufung Bedeutung hat.
Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
a) Die Vorschriften über die Streitwertfestsetzung im Urteil (§ 61 Abs. 2, § 69 Abs. 2 ArbGG 1953) haben durch die Beschleunigungsnovelle nur eine redaktionelle Änderung insoweit erfahren, als aus Absatz 2 des § 61 ArbGG 1953 der Absatz 1 des § 61 ArbGG 1979 wurde. Die Auffassung, durch die Umgestaltung des Rechtsmittelrechts sei § 61 Abs. 1 ArbGG 1979 inhaltslos geworden und deshalb nicht mehr anwendbar, berücksichtigt nicht, daß die jetzige Regelung bereits im Regierungsentwurf enthalten war (BT-Drucks. 8/1567, S. 10, 33). Obwohl während des Gesetzgebungsvorhabens darauf hingewiesen worden ist, bei der beabsichtigten Umgestaltung des Rechtsmittelsystems müsse man die im arbeitsgerichtlichen Urteil obligatorische Streitwertfestsetzung fallenlassen (vgl. z.B. Wenzel, ZRP 1978, 207 und MDR 1980, 13), ist es bei der bisherigen Sondervorschrift für den Arbeitsgerichtsprozeß geblieben. Dies spricht gegen einen Änderungswillen des Gesetzgebers (Satzky, RdA 1980, 101, 103; Schäfer/Schmidt, aaO, S. 1491).
b) Es kann auch nicht angenommen werden, § 61 Abs. 1 ArbGG 1979 sei nunmehr gegenstandslos (so aber LAG Düsseldorf Beschluß vom 20. März 1980 -7 Ta 232/79 - EzA ArbGG 1979 § 61 Nr. 2). Der Richter darf eine Gesetzesvorschrift nur unter ganz begrenzten Voraussetzungen als nicht verbindlich behandeln. Eine Norm kann nur dann als unanwendbar angesehen werden, wenn keine mögliche Auslegung verhindern kann, daß ihre Anwendung zu völlig sinn- und zwecklosen Ergebnissen führt. Solange sich ein vernünftiger Gesetzeszweck denken läßt, bleibt jede Vorschrift mit entsprechender Auslegung anwendbar (Larenz, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl. 1979, S. 339).
c) Die Umstellung des arbeitsgerichtlichen Rechtsmittelsystems zwingt nicht dazu, von der bisherigen Rechtsansicht über die Berechnung, Unanfechtbarkeit und Bindungswirkung des erstinstanzlichen Urteilsstreitwerts völlig abzurücken und der Wertfestsetzung nur noch kostenrechtliche Folgen beizumessen.
Nach § 61 Abs. 1 ArbGG 1979 ist der Streitwert weiterhin im Urteil festzusetzen. Bildet die Streitwertfestsetzung aber einen Urteilsbestandteil, so ist die Festsetzung gemäß § 318 ZPO bindend. Deshalb ist eine Änderung des Streitwertes von Amts wegen oder im Wege der Abhilfe, wie sie § 25 Abs. 1 Satz 3 GKG zuläßt, nicht möglich. Ebensowenig kann der Streitwert aufgrund einer Beschwerde nach § 25 Abs. 2 GKG abgeändert werden. Der Streitwert kann als Nebenentscheidung des Urteils nur in Verbindung mit einer Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache überprüft werden (§§ 511, 537 ZPO).
Auch nach neuem Recht dient die Festsetzung des Streitwertes durch das Arbeitsgericht daher der Rechtsmittelklarheit hinsichtlich der Berufung. Da der Beschwerdewert nie höher liegen kann als der Streitwert zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht, begrenzt der festgesetzte Streitwert die Höhe der Beschwer. Aus Streitwert, Urteil und Anträgen kann die Höhe der Beschwer ermittelt werden. In allen Rechtsstreitigkeiten, in denen eine Partei in vollem Umfang unterliegt, ergibt sich ihre Beschwer unmittelbar aus dem Streitwert. § 69 Abs. 2 ArbGG 1979 behält seine Bedeutung insoweit, als dort festgeschrieben ist, daß dann, wenn der Wert des Streitgegenstandes sich nach der Verkündung des Urteils des Arbeitsgerichts nicht geändert hat, das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung nicht ändern darf. Damit schützt diese Vorschrift das Vertrauen der Parteien darauf, daß eine nach dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert zunächst zulässige Berufung durch eine spätere Abänderung des Streitwertes nicht unzulässig wird. Damit erfüllt die unverändert gebliebene Vorschrift des § 61 Abs. 1 ArbGG 1979 weiterhin eine den Interessen der Parteien dienende Aufgabe: Ist der Streitwert verbindlich, so ist mit der Verkündung der Entscheidung absolut oder jedenfalls weitgehend (bei teilweisem Unterliegen oder nur eingeschränkt beabsichtigter Berufung) erkennbar, ob die Berufung statthaft ist. Bei fehlender Bindung an die Streitwertfestsetzung bliebe die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils stets ungewiß, bis das Berufungsgericht über den Beschwerdewert erkannt hat. Denn von der hier abgelehnten Auffassung her könnte die unterlegene Partei auch bei einem unter 800,-- DM festgesetzten Streitwert versuchen, die Statthaftigkeit der Berufung zu erreichen, indem sie geltend macht, der Streit- und Beschwerdewert liege höher. Für beide Parteien würden sich danach Unwägbarkeiten ergeben, die sich mit dem im arbeitsgerichtlichen Verfahren in besonderem Maße gebotenen Grundsatz der Rechtsmittelklarheit (vgl. dazu auch Bundesverfassungsgericht Beschluß vom 27. April 1976 - 2 BvR 342/74 - AP Nr. 15 zu § 92 ArbGG 1953) nicht vereinbaren lassen.
II. Der vom Arbeitsgericht auf 600,-- DM festgesetzte Wert des Streitgegenstandes ist auch nicht offensichtlich unrichtig. Das Urteil des Arbeitsgerichts enthält keine Begründung dafür, warum der Streitwert auf den Betrag von 600,-- DM festgesetzt worden ist. Daraus ist aber noch nicht zu folgern, daß diese Festsetzung "willkürlich und damit einer offenkundigen Unrichtigkeit gleichzusetzen" sei, wie die Revision meint. Selbst wenn das Arbeitsgericht sich bei der Festsetzung des Streitwerts an dem Nettoverdienst der Klägerin von 1.200,-- DM orientiert und die Hälfte dieses Nettoverdienstes als Streitwert angenommen hat, führt dies nicht zu einer offenkundigen Unrichtigkeit.
Das Berufungsgericht ist daher zu Recht von dem festgesetzten Streitwert von 600,-- DM ausgegangen, der zugleich der Beschwerdewert ist.
III. Da das Landesarbeitsgericht die Berufung somit zu Recht als unzulässig verworfen hat, kommt es auf die Ausführungen der Revision zur materiellen Begründetheit des Anspruchs nicht mehr an.
Dr. Thomas Dr. Heither Michels-Holl
Schumacher Dr. Hirt
Fundstellen