Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang – Feststellungsinteresse während des Erziehungsurlaubs
Leitsatz (amtlich)
1. Die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub schließt das rechtliche Interesse des Arbeitnehmers daran, daß der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde, nicht aus.
2. Ob bei Schließung und Neueröffnung von Einzelhandelsgeschäften die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt wird, hängt von einer Gesamtwürdigung aller Umstände ab. Im Vordergrund steht dabei der Erhalt der regelmäßig durch Geschäftslage, Warensortiment und Betriebsform geprägten Kundenbeziehungen (im Anschluß an die Senatsurteile 18. Mai 1995 – 8 AZR 741/94 – EzA BGB § 613 a Nr. 139 und 22. Mai 1997 – 8 AZR 101/96 – BAGE 86, 20).
Normenkette
BGB § 613a; ZPO § 256; BErzGG § 15
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 19.03.1998; Aktenzeichen 5 Sa 2225/97) |
ArbG Wesel (Urteil vom 12.11.1997; Aktenzeichen 4 Ca 3504/97) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. März 1998 – 5 Sa 2225/97 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Klägerin wurde am 1. Juni 1992 von der S Elektrohandels GmbH (Firma S) als Verkäuferin eingestellt. Sie arbeitete zuletzt in deren Filiale in M, L straße 40 – 42. Nach der Geburt eines Kindes am 22. August 1996 hatte sie Erziehungsurlaub bis zum 21. August 1999.
Mit Schreiben vom 15. November 1996 teilte die Firma S der Klägerin folgendes mit:
„Wir möchten Dich hiermit darüber informieren, daß die S Filiale in M zum 28.02.97 geschlossen wird. Davon ist auch Dein Arbeitsverhältnis betroffen. Wir können Dir nach Ende Deines Erziehungsurlaubes einen Arbeitsplatz dort nicht mehr zur Verfügung stellen. Bis dahin bleibt Dein Arbeitsverhältnis bei S jedoch auf jeden Fall bestehen.
Anfang März 97 wird in M eine neue Sch Filiale, N 6 – 8, eröffnet. Wir haben allen Mitarbeitern der Filiale M in dieser Sch Filiale einen gleichwertigen Arbeitsplatz angeboten, wobei Betriebszugehörigkeitszeiten nicht angerechnet werden. Fast alle Mitarbeiter haben dieses Angebot angenommen.
Wir bieten auch Dir nach Ablauf Deines Erziehungsurlaubs zum 22.08.99 dort einen gleichwertigen Arbeitsplatz an.
…”
Die Klägerin nahm dieses Angebot nicht an. Im April 1997 erbat sie vergeblich eine Bestätigung, daß ihr Arbeitsverhältnis auf die Sch GmbH (Beklagte) übergegangen sei. Beide Unternehmen gehören zum K Konzern und beschäftigen sich im wesentlichen mit dem Handel von Elektroartikeln aller Art.
Mit der im September 1997 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, mit der Schließung der Filiale L straße und der gleichzeitigen Neueröffnung der Filiale N sei ein Betriebsübergang auf die Beklagte erfolgt. Die Firma S und die Beklagte, beide mit Sitz in H, besäßen eine identische Geschäftsführung. Die Verwaltung erfolge im wesentlichen durch dasselbe Personal. Beide Unternehmen führten überwiegend dasselbe Sortiment, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung. Der arbeitstechnische Zweck des Betriebes in M sei derselbe geblieben. Zudem seien nahezu alle Arbeitnehmer der Firma S einschließlich des Filialleiters von der Beklagten übernommen worden und dort in gleicher oder entsprechender Funktion tätig. Insofern sei die gesamte Struktur weitergeführt und wegen der größeren Verkaufsfläche lediglich um einige Mitarbeiter angereichert worden. Warenlieferungen für die Beklagte wickele die Firma S ab, die im übrigen bereits vor der Neueröffnung der Filiale der Beklagten deren Logo verwandt habe. Schließlich seien die Waren der Firma S von der Beklagten in die neue Filiale übernommen worden. Vor dem Umzug sei das Personal angewiesen worden, die Kunden auf die Weiterführung der Geschäfte am neuen Ort hinzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis seit dem 1. Juni 1992 bestehe.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, sie und die Firma S verfolgten jeweils verschiedene Geschäftszwecke. Sie habe eine andere Unternehmenskonzeption und eine völlig andere Warenpräsentation, die sich mit dem Schlagwort „Erlebniskauf” definieren lasse. Sie führe auch nur in geringem Maße das gleiche Sortiment wie die Firma S und bewege sich mit ihrem Angebot im höherwertigen Bereich der Angebotspalette, verkaufe vor allem Produkte aus der Unterhaltungselektronik. Die neue Filiale sei mit eigener Ware ausgestattet worden, eine Übernahme von Warenbeständen habe nicht stattgefunden. Der Lagerspeditionsvertrag beziehe sich nur auf die sog. weiße Ware und betreffe allenfalls 15 % des gesamten Warensortiments. Auslieferungen durch die Firma S würden nur auf Wunsch vorgenommen. Die Filiale der Firma S sei erst am 8. März 1997 geschlossen worden, nach Eröffnung der eigenen Filiale am 3. März 1997. 14 der 24 Mitarbeiter stammten aus der alten S Filiale, vier von diesen hätten ihre Tätigkeit bereits vor dem 1. März 1997 aufgenommen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage mangels eines Feststellungsinteresses der Klägerin als unzulässig abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Der Feststellungsantrag ist im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanzen nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.
1. Der Antrag bedarf der Auslegung. Nach der Klagebegründung begehrt die Klägerin die Feststellung, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des mit der Firma S geschlossenen Arbeitsvertrags. Zur Begründung beruft sie sich auf einen Betriebsübergang mit der Rechtsfolge des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB unter Erhalt der Dauer der Betriebszugehörigkeit seit dem 1. Juni 1992. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ist jedoch kein selbständiges Element des Klageantrags.
2. Der Feststellungsantrag bezog sich von Anfang an auf das Bestehen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses (Arbeitsverhältnisses) gem. § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin mußte hierbei nicht den genauen Zeitpunkt des Eintritts der Beklagten in das Arbeitsverhältnis bezeichnen.
3. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, daß der Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
a) Maßgebender Zeitpunkt für das Bestehen des Feststellungsinteresses ist der Schluß der Revisionsverhandlung (Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 256 Rn. 20, Vorbem. § 253 Rn. 11, § 561 Rn. 9; Zöller/Greger ZPO 21. Aufl. § 256 Rn. 7 c; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 57. Aufl. § 256 Rn. 21 ff.; MünchKommZPO-Lüke § 256 Rn. 35). Nach dem Ende des Erziehungsurlaubs der Klägerin im August 1999 (§ 15 Abs. 1 BErzGG) kann das Feststellungsinteresse nicht mehr zweifelhaft sein. Schon deswegen hat die Klageabweisung als unzulässig keinen Bestand.
b) Auch während des Erziehungsurlaubs war der Klage entgegen den Vorinstanzen ein Feststellungsinteresse nicht abzusprechen. Ein solches besteht, wenn dem Recht der Klägerin eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, daß die Beklagte das Recht der Klägerin ernstlich bestreitet, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. Thomas/Putzo aaO § 256 Rn. 13 ff.; Zöller/Greger aaO § 256 Rn. 7;Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann aaO § 256 Rn. 25 f., 31 ff., alle mwN). Die Beklagte hat den Bestand eines Arbeitsverhältnisses stets bestritten und lediglich den Neuabschluß eines Arbeitsvertrags (mit zum Teil schlechteren Arbeitsbedingungen) angeboten. Das Feststellungsurteil ist demgegenüber geeignet, den Bestand des Arbeitsverhältnisses endgültig zu klären.
Das vorübergehende Ruhen der beiderseitigen Hauptpflichten während des Erziehungsurlaubs vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Ein etwa bestehendes Arbeitsverhältnis der Klägerin zu der Beklagten ist durch deren Verhalten gleichwohl aktuell bedroht. Die Klägerin hat eine gegenwärtige Gefährdung von aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Rechtsansprüchen nicht darzulegen (vgl. nur BAG 20. Juli 1994 – 5 AZR 169/93 – AP ZPO 1977 § 256 Nr. 26, zu III der Gründe). Das Feststellungsinteresse setzt keine derzeit bestehende Vergütungs- und Arbeitspflicht voraus. Vielmehr muß der Arbeitnehmer auch während des Erziehungsurlaubs wissen, zu wem das Arbeitsverhältnis besteht und bei wem die Beschäftigung nach Ablauf des Erziehungsurlaubs fortgesetzt werden kann. Das Wiederaufleben der Hauptpflichten kann in absehbarer, nicht allzu ferner Zeit erwartet werden. Der Klägerin ist nicht zuzumuten, das Ende des Erziehungsurlaubs abzuwarten, um erst dann in einem unter Umständen lang dauernden Rechtsstreit die Person des Arbeitgebers klären zu lassen. Ein solches Zuwarten könnte ferner mit Beweisverlusten verbunden sein und den Einwand prozessualer Verwirkung hervorrufen, den die Beklagte in den Vorinstanzen auch tatsächlich erhoben hat. Die bloße Möglichkeit von künftigen Veränderungen der Sachlage, zum Beispiel Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis zum Ende des Erziehungsurlaubs (§ 19 BErzGG) oder Neueröffnung einer Filiale durch die Firma S, spielt entgegen der Auffassung der Beklagten keine Rolle.
Zudem bestehen während des Erziehungsurlaubs vielfältige Nebenpflichten der Arbeitsvertragsparteien (vgl. nur Schaub Arbeitsrechts-Handbuch 8. Aufl. § 102 B IV 1 = S. 906; ErfK/Dörner § 15 BErzGG Rn. 26 ff.). Unter bestimmten Voraussetzungen besteht ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Erteilung der Zustimmung zu anderweitiger Erwerbstätigkeit nach § 15 Abs. 4 BErzGG (vgl. Senatsurteil 26. Juni 1997 – 8 AZR 506/95 – BAGE 86, 155, 157 ff.). Schließlich kommt eine vorzeitige Beendigung des Erziehungsurlaubs mit Zustimmung des – auch hier ggf. neuen – Arbeitgebers (§ 16 Abs. 3 BErzGG) in Betracht. Das Feststellungsinteresse hängt entsprechend dem oben Ausgeführten nicht davon ab, daß bereits Streit über eine der genannten Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis besteht.
Damit gilt für die auf Betriebsübergang gestützte Feststellungsklage gegenüber dem neuen Arbeitgeber nichts anderes als für die Feststellungsklage bei einer Kündigung. Kündigt der Arbeitgeber das ruhende Arbeitsverhältnis, ist das Feststellungsinteresse ebensowenig zweifelhaft wie bei der Feststellungsklage gegenüber dem den Betriebsübergang leugnenden neuen Arbeitgeber.
II. Der Senat kann über die Begründetheit der Klage nicht selbst gem. § 565 Abs. 3 ZPO abschließend entscheiden.
1. Eine Sachentscheidung des Revisionsgerichts setzt voraus, daß die tatsächlichen Feststellungen getroffen und weitere entgegenstehende Feststellungen nicht mehr zu erwarten sind. Daran fehlt es regelmäßig, wenn die Vorinstanz die Klage als unzulässig abgewiesen hat. Das Revisionsgericht kann die vom Berufungsgericht als unzulässig abgewiesene Klage nur dann als unbegründet abweisen, wenn der Klagevortrag nach jeder Richtung unschlüssig und die Möglichkeit auszuschließen ist, daß der Kläger seinen Anspruch durch Einführung neuen Prozeßstoffs noch schlüssig macht. Dasselbe gilt, wenn das Berufungsgericht die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen hat und neuer Tatsachenvortrag nicht mehr zu erwarten ist. Doch kann das Revisionsgericht auf Hilfserwägungen zur Begründetheit nicht eingehen (vgl. BGH 25. November 1966 – V ZR 30/64 – BGHZ 46, 281, 283 ff.; BGH 10. Oktober 1991 – IX ZR 38/91 – NJW 1992, 436, 438; BGH 30. April 1993 – V ZR 234/91 – BGHZ 122, 308, 316; BGH 7. Juli 1993 – VIII ZR 103/92 – NJW 1993, 2684, 2685; Thomas/Putzo aaO § 565 Rn. 13 f.; Zöller/Gummer aaO § 565 Rn. 11; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann aaO § 565 Rn. 11; MünchKommZPO-Walchshöfer § 565 Rn. 23, alle mwN).
2. Diese Voraussetzungen für eine abschließende Entscheidung liegen nicht vor. Das Sachverhältnis im Sinne von § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist nicht hinreichend festgestellt, die Frage des Betriebsübergangs nicht zur Endentscheidung reif.
a) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt ein Betriebsübergang gem. § 613 a BGB die Bewahrung der Identität der betreffenden Einheit voraus. Der Begriff „Einheit” bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Er darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Ihre Identität ergibt sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (vgl. nur Senatsurteile 13. November 1997 – 8 AZR 375/96 – BAGE 87, 120, 127; 11. Dezember 1997 – 8 AZR 426/94 – BAGE 87, 296, 299, jeweils mwN). Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Der bisherige Inhaber muß seine wirtschaftliche Betätigung im Betrieb einstellen, der neue Inhaber sie im wesentlichen unverändert fortführen. Einer besonderen Übertragung der Leitungsmacht bedarf es daneben nicht (vgl. nur Senatsurteile 12. November 1998 – 8 AZR 282/97 – AP BGB § 613 a Nr. 186, zu B I 1 der Gründe; 18. März 1999 – 8 AZR 159/98 – AP BGB § 613 a Nr. 189, zu II 1 der Gründe, beide zur Veröffentlichung vorgesehen auch in der Amtl. Sammlung).
b) Ob die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt worden ist, hängt auch bei einem Einzelhandelsgeschäft von einer Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller bezeichneten Umstände ab. Im Vordergrund stehen die materiellen, immateriellen und personellen Mittel sowie die organisatorischen Konzepte, die dem Zweck des Einzelhandelsgeschäfts in besonderer Weise dienen und für seine Fortführung von wesentlicher Bedeutung sind. Dieser Zweck besteht in dem Verkauf bestimmter Waren an einen mehr oder weniger bestimmten Kundenkreis. Lieferanten- und Kundenbeziehungen machen danach das Substrat und den spezifischen Charakter des Einzelhandelsbetriebs aus.
Für die Aufrechterhaltung der Kundenbeziehungen sind in erster Linie maßgebend das Warensortiment und die Betriebsform; deren im wesentlichen unveränderte Beibehaltung ist regelmäßig Voraussetzung, um einen Erhalt der wirtschaftlichen Einheit annehmen zu können. Der Übernahme der Räumlichkeiten oder der Fortführung der Geschäfte in unmittelbarer Nähe kommt daneben je nach der Betriebsform und der Art der verkauften Ware erhebliche Bedeutung zu. Eine Weiterführung derselben organisatorischen Einheit an ganz anderer Stelle liegt, abgesehen von Spezialgeschäften und am Ort konkurrenzlosen Betrieben, häufig fern, weil der Kunde an die Lage des Geschäfts gewöhnt ist. Geringere Bedeutung kommt meist dem Erwerb von Warenbeständen zu, denn die Fortführung des Betriebs hängt hiervon nicht ab und wird hierdurch nicht ermöglicht. Entsprechendes kann für den Eintritt in Lieferantenbeziehungen gelten, wenn diese allgemein offenstehen und nicht ganz spezielle Markenware verkauft wird. Auch kann das im wesentlichen gleiche Warensortiment oftmals von verschiedenen Lieferanten bezogen werden. Die Übernahme der Ladeneinrichtung ist kaum wesentlich. Danach gelten die in der früheren Rechtsprechung zum Betriebsübergang bei einem Einzelhandelsgeschäft herausgestellten Gesichtspunkte (vgl. BAG 30. Oktober 1986 – 2 AZR 696/85 – BAGE 53, 267, 273 ff.; BAG 26. Februar 1987 – 2 AZR 321/86 – AP BGB § 613 a Nr. 63, zu B II 4 b, c der Gründe; BAG 10. Juni 1988 – 2 AZR 801/87 – AP BGB § 613 a Nr. 82, zu II 1 b der Gründe; BAG 18. Mai 1995 – 8 AZR 741/94 – EzA BGB § 613 a Nr. 139, zu B I 1 b, 2 der Gründe) auch nach der neuen Begriffsbestimmung des Betriebsübergangs aufgrund der oben zitierten geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
Ein weiterer auch bei einem Einzelhandelsgeschäft wichtiger Gesichtspunkt ist die Übernahme des Personals und dessen im wesentlichen unveränderte Weiterbeschäftigung. Hierin kann die Übernahme einer bestehenden Organisation liegen. Nutzt der neue Betreiber eines Geschäfts die Fachkenntnisse der eingearbeiteten Mitarbeiter in der bisherigen Weise, so spricht das in Verbindung mit weiteren Umständen für einen Betriebsübergang. Die Bedeutung des Personals für den Betrieb und dessen Fortführung hängt dabei regelmäßig eng mit der jeweiligen Betriebsform zusammen (vgl. BAG 22. Mai 1997 – 8 AZR 101/96 – BAGE 86, 20, 28 ff.).
c) Das Landesarbeitsgericht muß unter Zugrundelegung dieser Kriterien die erforderlichen Tatsachen feststellen und die gebotene Gesamtabwägung vornehmen. Wesentliche Tatsachen zum Warensortiment und zur Betriebsform der beiden Filialen sind keineswegs unstreitig. Aufklärungsbedürftig kann weiter deren räumliche Entfernung und die jeweilige Organisation der Arbeitsabläufe werden. Unstreitig ist keine Unterbrechung der Geschäftstätigkeit eingetreten (vgl. BAG 22. Mai 1997 aaO zu B II 2 a, b der Gründe); die Überschneidung der Verkaufstätigkeit von wenigen Tagen wäre unschädlich. Sofern weitgehend die gleiche Ware wie bisher verkauft wird, kommt es auf den mangelnden Eintritt in Lieferantenbeziehungen nicht an. Ist der Kundenkreis aufgrund Art und Lage beider Geschäfte nicht gleich geblieben, so kommt einer im wesentlichen unveränderten Weiterbeschäftigung des Personals keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Vollends unerheblich ist, daß alle Arbeitnehmer der Firma S einschließlich der Klägerin zur Ausführung der bei der Beklagten anfallenden Arbeiten imstande sind (vgl. Senatsurteil 11. September 1997 – 8 AZR 555/95 – BAGE 86, 271, 277). Der Vortrag der Klägerin zu den entscheidungserheblichen Gesichtspunkten ist zwar teilweise unsubstantiiert, aber nicht von vornherein in jeder Hinsicht unschlüssig. Eine Substantiierung durch weiteren Tatsachenvortrag erscheint ebensowenig ausgeschlossen wie die Beibringung zulässiger Beweismittel. Soweit das Berufungsgericht hilfsweise darauf hingewiesen hat, die Klage sei auch unbegründet, gelten diese Ausführungen als nicht geschrieben (vgl. nur BGH 7. Juni 1990 – III ZR 216/89 – NJW 1990, 2125, 2126). Sie stellen keine Grundlage für eine Sachentscheidung des Senats dar.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Noack, Mache
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 02.12.1999 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436517 |
BB 2000, 1523 |
BB 2000, 728 |
DB 2000, 622 |
HFR 2001, 183 |
NJW 2000, 3226 |
NWB 2000, 1367 |
ARST 2000, 151 |
EWiR 2000, 471 |
FA 2000, 95 |
JR 2000, 484 |
NZA 2000, 369 |
ZIP 2000, 711 |
AP, 0 |
AuA 2000, 504 |
EzA |
NZI 2001, 76 |
ZInsO 2000, 412 |
AUR 2000, 156 |