Leitsatz (redaktionell)
1. Zahlt ein Arbeitgeber jahrelang allen Arbeitern eines Betriebes anstelle des tariflich vorgeschriebenen Schichtzuschlags einen höheren Wechselschichtzuschlag, für den die tariflichen Voraussetzungen fehlen, so kann dadurch eine betriebliche Übung begründet werden. Maßgebend ist, wie die Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers verstehen dürfen.
2. Im öffentlichen Dienst kann die Tatsache allein, daß Zulagen ohne tarifliche Grundlage gezahlt werden, noch nicht ohne weiteres dahin verstanden werden, daß eine übertarifliche Vergütung zugesagt werden soll. Es kommt auf die Begleitumstände an.
3. Schicht- und Wechselschichtzuschläge stellen eine erhöhte Vergütung für die erschwerten Arbeitsbedingungen des Schichtbetriebs dar. Sie sind nicht Gegenstand einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag iS des § 4 Abs 2 BMT-G 2 und können daher formlos zugesagt werden.
Orientierungssatz
Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts betrachtet eine Vereinbarung dann als Nebenabrede, wenn es um Leistungen geht, die besondere Aufwendungen des Arbeitnehmers ausgleichen sollen und nicht als eigentliches Arbeitsentgelt anzusehen sind, zB betriebliche Sozialleistungen, Trennungsentschädigung oder pauschalierter Aufwendungsersatz (BAG Urteil vom 1972-02-09 4 AZR 149/71 = AP Nr 1 zu § 4 BAT; BAG Urteil vom 1977-05-18 4 AZR 47/76 = AP Nr 4 zu § 4 BAT; BAG Urteil vom 1977-12-07 4 AZR 383/76 = AP Nr 5 zu § 4 BAT).
Normenkette
BGB §§ 126-127, 133, 157, 611, 242, 125; BMT-G § 24; BMT-G 2 § 24; BMT-G § 4 Abs. 2; BMT-G 2 § 4 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Entscheidung vom 16.02.1979; Aktenzeichen 5 Sa 73/78) |
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 22.06.1978; Aktenzeichen 8 Ca 165/78) |
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Weiterzahlung einer jahrelang gewährten Wechselschichtzulage, auf die ein tariflicher Anspruch nicht besteht.
Der Kläger ist seit 1957 als Maschinist in der Hauptkläranlage der Beklagten beschäftigt. Er arbeitet im Zweischichtbetrieb. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) Anwendung. Gemäß Bezirkstarifvertrag Nr. 1 vom 1. Oktober 1953 erhielt der Kläger ursprünglich einen Zuschlag von 15 % des Grundlohns für dienstplanmäßige Nachtarbeit im Schicht- und Wechselschichtdienst. Mit Tarifvertrag vom 26. November 1959 wurde der Schichtlohnzuschlag neu geregelt; danach erhielten nur noch Arbeiter im Dreischichtbetrieb eine Zulage, und zwar in Höhe von 17 % des Grundlohns. Daraufhin beschloß der Personalausschuß der Beklagten, dem Kläger und allen anderen Arbeitern in der Kläranlage den bisherigen Schichtzuschlag von 15 % als persönliche Zulage zur Wahrung des Besitzstandes zu belassen. Später wurde diese Zulage durch eine einmalige Zahlung abgelöst.
Durch § 24 BMT-G II vom 31. Januar 1962 und den Bezirkstarifvertrag Nr. 1 zum BMT-G II vom 3. Mai 1962 wurde der Lohnzuschlag für Schichtarbeiter abermals neu geregelt. Der Schichtlohnzuschlag für Wechselschichtarbeiter wurde mit 18 % und für Schichtarbeiter mit 13 % des Grundlohns festgesetzt. Obwohl der Kläger wie bisher im Zweischichtbetrieb arbeitete, zahlte ihm die Beklagte ab 1962 den Zuschlag für Dreischichtbetriebe in Höhe von anfänglich 18 % und zuletzt 22 % des Grundlohns.
Im Jahre 1977 fand bei der Beklagten eine Organisationsprüfung statt. Dabei wurde beanstandet, daß der Kläger und seine Kollegen die erhöhte Zulage für Dreischichtbetriebe erhielten. Die Beklagte teilte daraufhin dem Kläger mit Schreiben vom 7. Juli 1977 mit, daß die Zahlung der erhöhten Wechselschichtzulage ab 1. März 1978 eingestellt und nur noch die niedrigere Schichtzulage gezahlt werde.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte müsse den höheren Wechselschichtzuschlag auch künftig weiterzahlen. Das folge aus der jahrelangen Übung. Außerdem sei ihm die Zahlung des Wechselschichtzuschlags von zunächst 18 % im Oktober 1961 ausdrücklich zugesichert worden. Gleiche Zusagen hätten 1965 und 1974 neu eingestellte Arbeiter erhalten. Von einer irrtümlichen Überzahlung könne keine Rede sein. Die Beklagte habe genau gewußt, daß in ihrem Klärwerk im Zweischichtbetrieb und nicht im Dreischichtbetrieb gearbeitet wurde.
Der Kläger hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm ab 01.03.1978 den Zuschlag für ständige Wechselschichtarbeit nach den §§ 24, 67 Nr. 44 BMT-G II zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Wechselschichtzuschlag sei irrtümlich gezahlt worden. Möglicherweise beruhe der Irrtum darauf, daß das Tiefbauamt fälschlich von Wechselschichten der Arbeiter in der Kläranlage gesprochen habe; letztlich seien die Umstände des Irrtums aber nicht mehr aufzuklären. Es treffe nicht zu, daß dem Kläger die Zahlung einer Wechselschichtzulage ausdrücklich zugesagt worden sei. Einer stillschweigenden Ergänzung des Arbeitsvertrags durch betriebliche Übung stehe § 4 Abs. 2 BMT-G II entgegen; es fehle an der für Nebenabreden zwingend vorgeschriebenen Schriftform.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist begründet. Das Berufungsgericht muß noch weitere Feststellungen treffen.
1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob dem Kläger im Oktober 1962 die ausdrückliche mündliche Zusage gegeben worden ist, daß er auch weiterhin die Wechselschichtzulage erhalte. Ferner ist unentschieden geblieben, ob sich eine betriebliche Übung entwickelt hatte, nach der die Arbeiter im Klärwerk der Beklagten trotz ihrer Tätigkeit im Zweischichtbetrieb die höhere Zulage für Dreischichtbetriebe erwarten durften. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Gewährung des Zuschlags sei Gegenstand einer Nebenabrede im Sinne des § 4 Abs. 2 BMT-G II und bedürfe daher der Schriftform. Daran fehle es.
2. Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat den Begriff der Nebenabrede verkannt. Es durfte nicht offenlassen, ob zwischen den Parteien formlos eine Abrede über die Zahlung eines übertariflichen Zuschlags zustandegekommen ist.
a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt der Erwägungen des Berufungsgerichts: Ein Anspruch auf den erhöhten Zuschlag kann sich nur aus einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Zusage ergeben, wobei eine stillschweigende Zusage auch in einer betrieblichen Übung gefunden werden kann. Es besteht in Rechtsprechung und Lehre weitgehende Einigkeit darüber, daß der Betriebsübung keine normative Kraft zukommt, daß sie also keine Rechtsquelle eigener Art darstellt. Die Betriebsübung gestaltet vielmehr den Inhalt der einzelnen Arbeitsverhältnisse. Sie begründet vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen (statt aller: Urteil des Senats vom 5. Februar 1971, BAG 23, 213 ff., 219 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I 1 c der Gründe). Handelt es sich aber um Ansprüche vertraglichen Charakters, so sind auch gesetzliche und tarifliche Formvorschriften zu beachten. Durch mündliche oder nur stillschweigende Zusagen können Ansprüche auf die üblichen Leistungen nicht begründet werden, wenn der maßgebende Tarifvertrag ein konstitutives Schriftformerfordernis vorsieht, das nicht beachtet ist. Stillschweigende Zusagen können nicht weitergehende Rechte begründen als ausdrückliche Zusagen. Deshalb vermag auch eine betriebliche Übung nicht schon wegen ihres kollektiven Bezugs eine zwingende gesetzliche Schriftform zu verdrängen.
b) Gemäß § 4 Abs. 2 BMT-G II (gleichlautend mit § 4 Abs. 2 BAT und anderen Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst) sind Nebenabreden zum Arbeitsvertrag nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Es handelt sich um eine gesetzlich vorgeschriebene Schriftform im Sinne des § 126 BGB (vgl. dazu BAG, Urteil vom 9. Februar 1974 - 4 AZR 149/71 - AP Nr. 1 zu § 4 BAT, mit weiteren Nachweisen). Ihre Nichtbeachtung führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 125 Satz 1 BGB). Für den kraft Organisationszugehörigkeit tarifgebundenen Kläger gilt § 4 BMT-G II unmittelbar (§ 4 Abs. 1 TVG). Aber auch für einen Arbeitnehmer, der nur kraft Vereinbarung dem Tarifvertrag unterworfen ist, wird im Zweifel nicht anzunehmen sein, daß die Schriftform durch Rechtsgeschäft, etwa durch eine stillschweigende Gesamtzusage, abbedungen sein soll (§§ 127 Satz 1, 126 BGB).
c) Im vorliegenden Fall geht es nicht um eine Nebenabrede im Sinne der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes.
Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der Begriff der Nebenabrede durch deren Gegenstand bestimmt werde. Handele es sich um die beiderseitigen Hauptrechte und Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag, also vornehmlich um Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt, so gelte eine Vereinbarung hierüber nicht als Nebenabrede. Danach kann die Zusage einer höheren als der tarifvertraglichen Arbeitsvergütung nicht eine Nebenabrede betreffen (z. B. BAG, Urteil vom 6. September 1972 - 4 AZR 422/71 - AP Nr. 2 zu § 4 BAT). Als Nebenabrede betrachtet der Vierte Senat eine Vereinbarung dann, wenn es um Leistungen geht, die besondere Aufwendungen des Arbeitnehmers ausgleichen sollen und nicht als eigentliches Arbeitsentgelt anzusehen sind, z. B. betriebliche Sozialleistungen wie Fahrtkostenzuschüsse, Verpflegungszuschüsse, Trennungsentschädigung oder pauschalierter Aufwendungsersatz (Urteil vom 9. Februar 1972 - 4 AZR 149/71 - AP Nr. 1 zu § 4 BAT; Urteil vom 18.Mai 1977 - 4 AZR 47/76 - AP Nr. 4 zu § 4 BAT; Urteil vom 7.Dezember 1977 - 4 AZR 383/76- AP Nr. 5 zu § 4 BAT). Folgt man dieser Rechtsprechung, so sind die Voraussetzungen der tariflichen Schriftformklausel nicht erfüllt. Schichtlohn- und Wechselschichtlohnzuschlag nach § 24 BMT-G II und dem dazu erlassenen Bezirkstarifvertrag Nr. 1 vom 3. Mai 1962 sollen nicht besondere Aufwendungen der Arbeitnehmer ausgleichen; sie stellen auch keine betrieblichen Leistungen mit sozialem Charakter dar, sondern betreffen ein erhöhtes Entgelt für die unter den erschwerten Bedingungen des Schichtdienstes erbrachte Arbeitsleistung. Damit stehen sie im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung und sind dem eigentlichen Entgelt im Sinne der Rechtsprechung des Vierten Senats zuzurechnen.
Es bedarf für den vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung, ob das Kriterium der Haupt- und Nebenpflicht stets zu einer sachgerechten Abgrenzung führt oder ob nicht ein anderer Maßstab der Unterscheidung gefunden werden muß (kritisch Herschel in Anmerkung zu AP Nr. 3 zu § 19 TVArb Bundespost und zurückhaltender Scheuring in Anmerkung zu AP Nr. 1 zu § 29 MTB-II). Handelt es sich um Bestandteile des Arbeitsentgelts, also um eine Hauptleistung, die auch tarifvertraglich vorgesehen ist, so gilt eine diesbezügliche Vereinbarung keinesfalls als eine Nebenabrede, die der Schriftform bedürfte. Dem Zweck der tarifvertraglichen Schriftformklausel, Klarheit und Rechtssicherheit über die Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis im Rahmen eines tarifvertraglichen Regelungssystems zu schaffen (Scheuring, aaO), ist in einem solchen Falle genügt. Das gilt ebenso für das von Herschel angenommene Regelungsziel, daß alle Absprachen schriftlich offenzulegen seien, die tariflich nicht geregelte Fragen betreffen (vgl. Herschel, aaO). Bei dem umstrittenen Wechselschichtzuschlag handelt es sich um eine tariflich geregelte Leistung. Die Voraussetzungen, unter denen eine formlose Zusage wirksam erteilt werden kann, lägen auch nach der Auslegung Herschels vor.
II. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt daher davon ab, ob dem Kläger der erhöhte Wechselschichtzuschlag zugesagt worden ist. Der Senat kann das nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat.
1. Das Berufungsgericht ist dem Vortrag des Klägers nicht nachgegangen, die Zahlung der Wechselschichtzulage sei ihm im Oktober 1962 ausdrücklich versprochen worden. Ebensowenig ist aufgeklärt worden, ob sich durch die 15-jährige Zahlung an alle Arbeitnehmer des Klärwerks eine entsprechende betriebliche Übung entwickelt hat. Beides ist nicht auszuschließen und könnte einen vertraglichen Anspruch des Klägers auf die höhere Zulage begründet haben.
2. Nicht folgen kann der Senat der Auffassung der Beklagten, ein Anspruch aufgrund betrieblicher Übung scheide schon allein deshalb aus, weil der Wechselschichtzuschlag versehentlich aus letztlich nicht mehr aufklärbaren Gründen gezahlt worden sei und der Wille zur Gewährung übertariflicher Leistungen gefehlt habe. Wie der Senat im Urteil vom 5. Februar 1971 ausgeführt hat, kommt es für die Begründung eines Anspruchs durch betriebliche Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen handelt. Die Wirkung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung oder eines bestimmten Verhaltens tritt im Rechtsverkehr nicht deshalb ein, weil der Erklärende einen bestimmten Willen hat; sie ergibt sich vielmehr daraus, daß der Erklärende seinen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen dem Erklärungsempfänger gegenüber äußert (BAG 23, 213, 220 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung zu I 2 b der Gründe mit weiteren Nachweisen). Entscheidend ist deshalb nur die Frage, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Begleitumstände verstehen muß (§§ 133, 157 BGB).
Nichts anderes gilt im Falle einer betrieblichen Übung. Müssen die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers folgern, es handele sich um eine auf Dauer angelegte Handhabung, die auch künftig eingehalten werde, so ist der Arbeitgeber an diese Übung gebunden. Es kommt nicht darauf an, ob eine Bindung gewollt war. Auch wenn sich der Arbeitgeber über seine Bindung geirrt oder irrtümlich angenommen hat, er sei aus anderen Gründen zur Leistung verpflichtet, kann eine bindende betriebliche Übung entstehen. Es genügt, daß der Arbeitgeber wissentlich einen objektiven Tatbestand gesetzt hat, den die begünstigten Arbeitnehmer als Zusage einer dauernden, auch künftig zu gewährenden Leistung verstehen durften.
Welche Leistungen der Arbeitnehmer als dauernde ansehen darf, kann nur nach den jeweiligen Umständen beurteilt werden. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes wird regelmäßig nicht ohne weiteres annehmen können, eine Zulage ohne tarifliche Grundlage solle nach dem Willen des Arbeitgebers als übertarifliches Entgelt auf Dauer gezahlt werden. In Ermangelung konkreter Anhaltspunkte wird er vielmehr davon ausgehen müssen, der an die Grundsätze des Haushaltsrechts gebundene öffentliche Arbeitgeber leiste Zulagen nur im Vollzug der gesetzlichen und tariflichen Normen. Eine übertarifliche Bezahlung ist im öffentlichen Dienst eine Ausnahme. Hingegen sind Irrtümer bei der Anwendung des Tarifrechts nicht selten. Selbst bei einer langjährigen Leistung wird ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nicht ohne besonderen Anhalt annehmen dürfen, das übertarifliche Entgelt sei Vertragsbestandteil geworden. Für eine solche Annahme des Arbeitnehmers sind vielmehr zusätzliche Anhaltspunkte erforderlich, die sich je nach den Umständen aus den Erklärungen des Arbeitgebers oder einer Verwaltungspraxis ergeben können und die aus der Sicht des Arbeitnehmers den Schluß rechtfertigen, es solle ausnahmsweise eine freiwillige, tariflich nicht vorgesehene Leistung erbracht werden.
III. Das Berufungsgericht wird zunächst prüfen müssen, ob dem Kläger der Wechselschichtzuschlag ausdrücklich von einem dazu befugten Bediensteten der Beklagten zugesagt worden ist oder ob sich die Beklagte die Zusicherung eines Unbefugten zurechnen lassen muß.
Für den Anspruchstatbestand der betrieblichen Übung wird zu prüfen sein, welche Umstände - über die 15 Jahre lang gewährte vorbehaltslose Zahlung hinaus - die Annahme des Klägers begründen konnten, die Beklagte wolle ihn übertariflich vergüten. Dabei liegt nahe, daß die Beklagte die Wechselschichtzulage in Kenntnis der Tatsache gezahlt hat, daß in ihrem Klärwerk nicht im Dreischichtbetrieb, sondern im Zweischichtbetrieb gearbeitet wurde. Es wird zu fragen sein, welche Fehlvorstellungen dieser Art der Kläger aus seiner Sicht erkennen und in Rechnung stellen mußte. Schließlich kann es darauf ankommen, wie der Kläger es verstehen durfte, daß sämtliche im Laufe der Jahre im Klärwerk der Beklagten neu eingestellten Arbeiter ebenfalls sogleich die Wechselschichtzulage erhielten. Erst aufgrund einer Abwägung aller Umstände kann entschieden werden, ob ein Anspruch auf eine übertarifliche Vergütung durch eine betriebliche Übung entstanden ist.
Dr. Dieterich Dr. Gehring Griebeling Dr. Hoppe Zilius
Fundstellen
Haufe-Index 438640 |
BAGE 39, 271-277 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
BAGE, 271 |
ARST 1983, 137-137 (Leitsatz 1 und Gründe) |
AP § 242 BGB, Nr 12 |
AP BGB § 242, Nr. 12 Betriebliche Übung Scheuring |
AR-Blattei, Öffentlicher Dienst Entsch 254 (Leitsatz 2-3 und Gründe) |
AR-Blattei, Betriebsübung Entsch 8 (Leitsatz 1 und Gründe) |
AR-Blattei, ES 510 Nr 8 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EzA § 242 BGB Betriebliche Übung, Nr 7 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
PersV 1984, 468-470 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |