Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat bleibt bei seiner ständigen Rechtsprechung, daß der Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer sein kann (BAG 1955-05-12 2 AZR 77/53 = BAGE 2, 1; BAG 1955-11-03 2 AZR 86/54 = BAGE 2, 207; BAG 1956-04-17 2 AZR 340/55 = BAGE 2, 333; BAG 1961-02-23 2 AZR 187/59 = BAGE 11, 6; BAG 1955-08-04 2 AZR 88/54 = AP Nr 3 zu § 626 BGB; BAG 1958-03-24 2 AZR 587/55 = AP Nr 5 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen).
2. Eine außerordentliche Kündigung ist nur dann als sogenannte Verdachtskündigung zu rechtfertigen, wenn es gerade der Verdacht ist, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen in die Rechtschaffenheit des Arbeitnehmers zerstört oder in anderer Hinsicht eine unerträgliche Belastung des Arbeitsverhältnisses darstellt.
3. Bei der außerordentlichen Verdachtskündigung sind wie bei jeder Kündigung aus wichtigem Grunde die gesamten für und gegen eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sprechenden Umstände erschöpfend zu würdigen und gegeneinander abzuwägen. Besonders kritisch ist vor allem zu prüfen, ob ein dringender Verdacht einer ihrer Art nach schweren Verfehlung gerade gegen diesen bestimmten Arbeitnehmer durch Tatsachen objektiv begründet ist, nachdem alles Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhaltes geschehen ist.
4. Stellt sich im Verlauf des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung die Unschuld des verdächtigten Arbeitnehmers heraus, dann ist dies zu seinen Gunsten noch zu berücksichtigen. Ebenso muß das Gericht dem Vorbringen des Arbeitnehmers nachgehen, mit dem er sich von dem Verdacht reinigen will. Wird die Unschuld des Arbeitnehmers erst nach Abschluß des zu seinen Ungunsten ausgelaufenen Kündigungsprozesses festgestellt, dann kann ihm ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen.
5. Die ohne Zustimmung des Arbeitnehmers einseitig durch den Arbeitgeber angeordnete Dienstenthebung (Suspendierung) in dem Falle, daß der Arbeitnehmer einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung verdächtig ist, kann den Anspruch des Arbeitnehmers auf die vereinbarte Vergütung für die Zeit der Suspendierung weder beseitigen noch mindern.
6. Die sogenannten Tronc-Anteile des Croupiers einer Spielbank gehören zu seiner Vergütung. Sie sind kein Trinkgeld im landläufigen Sinne.
Verfahrensgang
LAG München (Entscheidung vom 11.07.1963; Aktenzeichen 1 Sa 579/63) |
Fundstellen
Haufe-Index 60047 |
BAGE 16, 72 |
BAGE, 72 |
BB 1964, 1045 |
DB 1964, 1229 |
DB 1964, 1266 |
NJW 1964, 1918 |
BerlWirt 1965, 1066 |
SAE 1965, 65 |
AP, Verdacht strafbarer Handlung |
AR-Blattei, Arbeitsvertrag-Arbeitsverhältnis VII Entsch 4 |
AR-Blattei, ES 1010.9 Nr 28 |
AR-Blattei, ES 220.7 Nr 4 |
AR-Blattei, Kündigung IX Entsch 28 |
ArbuR 1965, 91 |
BArbBl 1966, 169 |
DLA 1965, 223 |
EzA |
JuS 1964, 500 |
MDR 1964, 960 |
PraktArbR, 6 Nr 361 |
PraktArbR, Entsch 219 |
RiA 1965, 13 |
WA 1964, 141 |