Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachwirkung einer Dienstvereinbarung. Kontostunde
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine im Geltungsbereich des Landespersonalvertretungsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 28. Mai 1958 abgeschlossene und im Geltungsbereich des Landespersonalvertretungsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 1974 fortgeltende Dienstvereinbarung kann, soweit in ihr nichts anderes bestimmt ist, von jedem Teil grundsätzlich jederzeit ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden.
2. Die Nachwirkung einer im Geltungsbereich des Landespersonalvertretungsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 1974 gekündigten Dienstvereinbarung ist ausgeschlossen, wenn der Regelungsgegenstand nicht oder nicht mehr der Regelungsmacht der Dienstvereinbarungsparteien unterliegt.
3. Der § 26a BMT-G II enthält eine abschließende Regelung der Lohnzahlungsmodalitäten, die eine ergänzende Dienstvereinbarung über die Zahlung einer sogenannte "Kontostunde" ausschließt.
Orientierungssatz
Gegenstand einer Feststellungsklage können aber auch einzelne Beziehungen oder Folgen eines einheitlichen Rechtsverhältnisses oder Teilrechtsverhältnisses sein. Auch einzelne subjektive Rechte daraus, wie bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder der Umfang einer Leistungspflicht können Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Voraussetzung ist allerdings, daß der Streit der Parteien prozeßökonomisch sinnvoll und endgültig beigelegt werden kann.
Normenkette
ZPO § 256; BPersVG § 73; BMT-G 2 § 26a; PersVG NW 1974 § 70
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 20.06.1985; Aktenzeichen 5 Sa 970/84) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 30.03.1984; Aktenzeichen 2 (4) Ca 1951/82) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt weiterhin verpflichtet ist, dem Kläger monatlich eine sog. Kontostunde für das Abheben der bargeldlos gezahlten Vergütung zu zahlen.
Der Kläger ist seit 1959 bei der beklagten Stadt als Kraftfahrzeugmechaniker beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr. Die Beklagte gehört dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen an.
Ab Januar 1967 zahlte die beklagte Stadt dem Kläger zugleich mit der Einführung des sog. bargeldlosen Lohnzahlungsverfahrens zusätzlich eine sog. Kontostunde. Dies beruhte auf einer formwirksamen Dienstvereinbarung, die den Beschäftigten mit Schreiben der Beklagten und deren Personalrates vom 29. Juni 1966 bekannt gemacht worden war. Nr. 11 dieses Schreibens hat folgenden Wortlaut:
"Das Geld soll von Ihnen außerhalb der Arbeitszeit
von der Stadtsparkasse abgeholt werden.
Sie können es, wenn es möglich ist, vor Dienstbe-
ginn (z.B. bei Raumpflegerinnen, welche ab mittags
arbeiten) oder nach Dienstschluß (z.B. bei Dienst-
schluß um 16.00 Uhr) selbst abholen. Das Geld kann
auch Ihre Frau aufgrund erteilter Vollmacht oder
anhand eines von Ihnen ausgestellten Schecks abheben.
Während bisher der Lohn während der Arbeitszeit
gezahlt wurde, kann er ab 20.1.1967 nur noch außer-
halb der Arbeitszeit abgeholt werden.
Die Stadt E wird Ihnen als Ausgleich hierfür
monatlich einen Stundenlohn zahlen, genauer gesagt:
Der monatlichen Abrechnung wird der Grundlohn, das
ist der Tabellenlohn zuzüglich etwaiger Zulagen,
für eine Stunde, welche Sie nicht gearbeitet haben,
zugeschlagen."
Am 31. Oktober 1979 vereinbarten die Tarifvertragsparteien den 45. Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung des BAT bzw. zugleich den 26. Ergänzungstarifvertrag zum BMT-G II. Beide Änderungstarifverträge traten am 1. Januar 1980 in Kraft. In dem hierdurch eingefügten § 26 a Abs. 1 BMT-G II heißt es unter der Überschrift:
"Berechnung und Auszahlung des Lohnes, Vorschüsse
(1) Der Lohn ist für den Kalendermonat zu berechnen
und am 15. eines jeden Kalendermonats (Zahltag)
für den laufenden Kalendermonat auf ein von dem
Arbeiter eingerichtetes Giro- oder Postscheck-
konto zu zahlen. Er ist so rechtzeitig zu über-
weisen, daß der Arbeiter am Zahltag über ihn
verfügen kann. Fällt der Zahltag auf einen
Samstag oder auf einen Wochenfeiertag, gilt der
vorhergehende Werktag, fällt er auf einen
Sonntag, gilt der zweite vorhergehende Werktag
als Zahltag."
Hierzu gibt es eine Niederschrift der Tarifvertragsparteien vom 30./31. Oktober 1979 über die Redaktionsverhandlungen zur Änderung der Manteltarifverträge, die folgenden Wortlaut hat:
"1. Zu § 36 BAT und zu § 26 a BMT-G besteht Einvernehmen,
daß dem Arbeitnehmer, soweit erforderlich, ausrei-
chende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergü-
tung/des Lohnes zum Abheben der Bezüge bei dem Geld-
institut gewährt wird; dabei sind die dienstlichen
bzw. betrieblichen Belange zu berücksichtigen.
2. Zu § 36 BAT und zu § 26 a BMT-G besteht zwischen
der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände
und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport
und Verkehr Einvernehmen, daß durch das Inkrafttreten
dieses Tarifvertrages - vorbehaltlich zwingender
gesetzlicher Vorschriften - bestehende betriebliche,
örtliche oder bezirkliche Regelungen nicht unmittel-
bar berührt werden."
Ab Januar 1982 zahlte die Beklagte daraufhin die zusätzliche Vergütung (Kontostunde) nicht mehr und kündigte im weiteren Verlauf mit einem an den Personalrat gerichteten Schreiben vom 3. Februar 1983 die Dienstvereinbarung.
Der Kläger, der mit seiner Klage die Weiterzahlung der Kontostunde begehrt, hat die Auffassung vertreten, die Dienstvereinbarung über die Kontostunde werde durch § 26 a BMT-G II nicht angetastet. Die schriftliche Übereinkunft der Tarifvertragsparteien mache deutlich, daß § 26 a BMT-G II durch eine Öffnungsklausel für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen enthalte. Auch die Kündigung der Dienstvereinbarung durch die Beklagte lasse deren Verpflichtung, eine Kontostunde zu bezahlen, unberührt, denn die Dienstvereinbarung wirke nach.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
ist, ihm über den Monat Dezember 1981 hinaus
monatlich einen Stundentabellenlohn zu zahlen,
zuzüglich etwaiger Zulagen für eine Stunde,
ohne daß dafür Arbeitsleistung erbracht wird.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, durch § 26 a BMT-G II sei die Dienstvereinbarung aus dem Jahre 1966 hinfällig geworden. Diese sei im übrigen auch durch ihr Schreiben vom 3. Februar 1983 gekündigt worden. Die Dienstvereinbarung wirke auch nicht nach. Künftigen Regelungen gleichen oder ähnlichen Inhalts zwischen ihr und dem bei ihr gebildeten Personalrat stehe jedenfalls nunmehr § 26 a BMT-G II entgegen, der Sperrwirkung entfalte.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und festgestellt, die Beklagte sei nur bis einschließlich Februar 1983 verpflichtet, die Kontostunde zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein weitergehendes, ursprüngliches Klageziel fort, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet, denn die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger ab März 1983 monatlich eine "Kontostunde" zu vergüten.
I. Die Feststellungsklage ist jedenfalls, soweit sie in der Revisionsinstanz noch anhängig ist, zulässig. Zwar streiten die Parteien nicht um das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO. Sie streiten aber um die konkrete inhaltliche Ausgestaltung eines von beiden Seiten als bestehend akzeptierten Rechtsverhältnisses. Gegenstand einer Feststellungsklage können aber auch einzelne Beziehungen oder Folgen eines einheitlichen Rechtsverhältnisses oder Teilrechtsverhältnisses sein. Auch einzelne subjektive Rechte daraus, wie bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder der Umfang einer Leistungspflicht können Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. auch BAG Urteil vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT; BAGE 39, 295 = AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 46. Aufl., § 256 Anm. 2 I A). Voraussetzung ist allerdings, daß der Streit der Parteien prozeßökonomisch sinnvoll und endgültig beigelegt werden kann (Senatsurteil vom 3. Dezember 1987 - 6 AZR 485/85 -, nicht veröffentlicht). Das ist vorliegend der Fall. Die Parteien des Rechtsstreits müssen jeweils umfassend und verbindlich über den Inhalt und Umfang ihrer Pflichten und Rechte aus dem Arbeitsverhältnis - und seien es auch, wie vorliegend, nur die Lohnzahlungspflichten - unterrichtet sein.
II. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage für den Zeitraum ab März 1983 abgewiesen, weil eine weitere Zahlungsverpflichtung der Beklagten infolge der spätestens am Ende des Monats Februar 1983 zugegangenen Kündigung der Dienstvereinbarung nicht mehr bestehe. Jede nicht befristete kollektivrechtliche Vereinbarung sei kündbar. Die Dienstvereinbarung aus dem Jahre 1966 wirke auch nicht nach. Da das Landespersonalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen zum Zeitpunkt der Kündigung der Dienstvereinbarung keine entsprechenden Regelungen enthalte, müsse auf allgemeine Grundsätze zurückgegriffen werden. Danach wirken kollektivrechtliche Vereinbarungen nur nach, wenn beide Seiten es in der Hand hätten, eine neue Regelung herbeizuführen, die an die Stelle der alten trete. Bestehe aber die Möglichkeit der Neuregelung nicht für beide Seiten, könne eine Nachwirkung nicht in Betracht kommen. Die Gegenauffassung führe dazu, daß eine rechtlich zulässige Kündigung in ihren praktischen Auswirkungen aufgehoben würde. § 77 Abs. 6 BetrVG sei darum Ausdruck eines allgemein gültigen kollektivrechtlichen Grundsatzes.
Vorliegend könne eine Neuregelung nicht durch den Spruch einer Einigungsstelle erzwungen werden. Eine solche könne nicht einmal einvernehmlich zwischen der beklagten Stadt und dem Personalrat getroffen werden. § 26 a BMT-G II entfalte nämlich für alle zukünftigen Regelungen durch Dienstvereinbarungen eine Sperrwirkung. Denn durch diese Vorschrift sei die bargeldlose Lohnzahlung vereinbart worden, ohne dem Dienstherrn darüber hinausgehende Verpflichtungen aufzuerlegen. Dies müsse als negative Regelung im Sinne des Ausschlusses solcher Pflichten betrachtet werden. Die Tarifvorschrift sei nicht unvollständig. Für die Kontostunde könne insoweit nichts anderes gelten als hinsichtlich der Kontoführungsgebühr.
Eine Kündigungsfrist einzuhalten, sei die Beklagte nicht verpflichtet. Das Personalvertretungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen in seiner damaligen Fassung habe eine § 77 Abs. 5 BetrVG entsprechende Vorschrift nicht enthalten.
III. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung den Revisionsangriffen stand.
Der Kläger hat jedenfalls ab März 1983 keinen Anspruch mehr, eine Kontostunde monatlich von der Stadt vergütet zu bekommen, weil die Rechtsgrundlage hierfür infolge der wirksamen Kündigung der Dienstvereinbarung vom 29. Juni 1966 ersatzlos entfallen ist.
1. Die Beklagte war aufgrund der Dienstvereinbarung verpflichtet, dem Kläger einen Stundenlohn zusätzlich pro Monat als Ausgleich für den durch die bargeldlose Zahlung des Entgeltes auf ein Giro- oder Postscheckkonto veranlaßten zeitlichen Mehraufwand zu vergüten. Denn der Kläger war nach dieser Dienstvereinbarung seinerseits verpflichtet, "das Geld ... außerhalb der Arbeitszeit ..." abzuholen.
Dieser Dienstvereinbarung, die unter Geltung des Landespersonalvertretungsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 28. Mai 1958 (GV NW, 209), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Dezember 1969 (GV NW 1970, 22, 23), ergangen ist, standen keine höherrangigen, kollidierenden Rechtsnormen (gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen) entgegen. Nach § 65 Abs. 1 Buchstabe e LPVG NW 1958 hatte der Personalrat zwar, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht bestand, ggf. durch Abschluß von Dienstvereinbarungen über Zeit und Ort der Auszahlung der Dienstbezüge und Arbeitsentgelte mitzubestimmen. Solche entgegenstehende gesetzliche oder tarifvertragliche Vorschriften gab es in Nordrhein-Westfalen jedoch ersichtlich nicht. Im Zeitpunkt des Abschlusses der Dienstvereinbarung galt der Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen vom 31. Januar 1962 (BMT-G II), der keine Vorschriften über die Auszahlung der Arbeitsvergütung enthielt; in § 61 war lediglich vorgesehen, daß "bei Durchführung dieses Tarifvertrages ... die Betriebsvertretungen nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften, der tarifvertraglichen Abmachungen oder der Dienst- bzw. Betriebsvereinbarungen beteiligt ..." sind. Entsprechende Dienstvereinbarungen wurden damit vorausgesetzt (ebenso BAG Urteil vom 31. Juli 1984 - 3 AZR 246/82 - AP Nr. 1 zu § 26 a BMT-G II).
2. Die Dienstvereinbarung vom 29. Juni 1966 ist auch in der Folgezeit zunächst nicht ohne weiteres außer Kraft getreten oder wirkungslos geworden.
a) Die Ersetzung des LPVG NW 1958 durch das LPVG NW vom 3. Dezember 1974 (GV NW, 1514) mit Wirkung vom 1. Juli 1975 hatte keinen Einfluß auf die Dienstvereinbarung vom 29. Juli 1966. Eine besondere gesetzliche Regelung über den Fortbestand der nach altem Personalvertretungsrecht abgeschlossenen Dienstvereinbarungen enthält das LPVG NW 1974 nicht. Der Austausch der Rechtsgrundlage für die Mitbestimmung der Personalvertretung allein führt aber nicht zur Aufhebung bzw. Wirkungslosigkeit zuvor abgeschlossener Dienstvereinbarungen und demnach auch nicht zur Wirkungslosigkeit der Dienstvereinbarung vom 29. Juni 1966. Auch nach § 72 Abs. 3 Nr. 3 LPVG NW 1974 hat der Personalrat, soweit keine gesetzlichen oder tariflichen Regelungen über die Modalitäten der Auszahlung von Arbeitsentgelten bestehen, mitzubestimmen. Dieses stärkste Beteiligungsrecht umfaßt die Einführung und Aufrechterhaltung der bargeldlosen Lohnzahlung als Annexregelung (vgl. BAG, aaO, und BAGE 29, 40 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung; BAGE 39, 351, 355 = AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung; BAG Urteil vom 11. Januar 1983 - 3 AZR 433/80 - AP Nr. 5 zu § 36 BAT; BAG Beschluß vom 24. November 1987 - 1 ABR 25/86 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
b) Auch der durch den 26. Ergänzungstarifvertrag zum BMT-G II vom 31. Oktober 1979 mit Wirkung ab 1. Januar 1980 eingefügte § 26 a BMT-G II, der Zeitpunkt und Ort der Auszahlung des Lohnes regelt, hat nicht zum Fortfall der Dienstvereinbarung vom 29. Juni 1966 geführt.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 31. Juli 1984 - 3 AZR 246/82 - aaO) und ihm insoweit folgend der Sechste Senat des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluß vom 25. Januar 1985 - 6 P 7.84 -, Buchholz 238.36 § 72 NdsPersVG Nr. 3 und Buchholz 238.3 A § 73 BPersVG Nr. 2) haben mit überzeugender Begründung die Fortgeltung bestehender Dienstvereinbarungen trotz der zwischenzeitlich und danach erfolgten tariflichen Regelung angenommen. Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts (aaO) hat dies damit begründet, daß die Tarifvertragspartner bestehende Regelungen durch Dienstvereinbarungen nicht antasten wollten. Dies hat er durch Auslegung der Tarifvorschrift unter Heranziehung der gemeinsamen Niederschrift der Tarifvertragsparteien bei den Redaktionsverhandlungen ermittelt. Er hat ausgeführt, die Tarifvertragsparteien hätten den in bereits abgeschlossenen Dienstvereinbarungen zum Ausdruck gebrachten, gewachsenen Rechtszustand nicht antasten oder verändern wollen. Schon zuvor hatte er dies für den inhaltsähnlichen, am gleichen Tag geänderten § 36 BAT so festgestellt (Urteil vom 11. Januar 1983 - 3 AZR 433/80 - AP Nr. 5 zu § 36 BAT). Im letzten Satz dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht aber schon die Verpflichtung zur Zahlung der Kontoführungsgebühr bis zu dem Zeitpunkt der wirksamen Kündigung der Dienstvereinbarung beschränkt. Auch das Bundesverwaltungsgericht hält das Schweigen des § 26 a BMT-G II nicht für ein "beredtes". Aus ihm könne mit einer belegbaren Begründung weder darauf geschlossen werden, daß die Tarifvertragsparteien den innerhalb einzelner Dienststellen gewachsenen Rechtszustand beseitigen wollten, noch, daß sie ihn aufrechterhalten wollten. Sowohl das Bundesverwaltungsgericht (aaO) als auch das Bundesarbeitsgericht (aaO) betonen zwar, daß die Tarifvertragsparteien eine - umstrittene - verdrängende Wirkung der tariflichen Regelung in Betracht gezogen haben, wie die Niederschrift über die am 30./31. Oktober 1979 geführten Redaktionsverhandlungen zu § 26 a BMT-G II verdeutlichen. Zu Recht folgert das Bundesverwaltungsgericht aber daraus, daß die Tarifvertragsparteien im Bereich des Verbandes kommunaler Arbeitgeber den gewachsenen, noch bestehenden Rechtszustand aus der Tarifregelung ausgenommen haben. Es steht in der freien Entschließung der Tarifvertragsparteien, welche Materie sie mit welchem Geltungsanspruch und mit welcher Wirkung regeln wollen. Diese Eingrenzung des tariflichen Geltungsbereichs ist zulässig (BVerwG Beschluß vom 25. Januar 1985 - 6 P 7.84 - aaO). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
3. Die Beklagte hat die Dienstvereinbarung vom 29. Juni 1966 mit Schreiben vom 3. Februar 1983 gekündigt. Diese Kündigung ist dem Personalrat noch im Februar 1983 zugegangen. Damit ist die Dienstvereinbarung ab 1. März 1983 hinfällig. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers wirkt die Dienstvereinbarung aber nicht nach.
a) Nach § 70 Abs. 4 Satz 2 LPVG NW in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 18. Dezember 1984 (GV NW 1985, 29, Gl. Nr. 2035), das am 22. Januar 1985 in Kraft getreten ist, wirken Dienstvereinbarungen nach, soweit dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann daraus allerdings nicht geschlossen werden, zuvor abgeschlossene und vor der Neuregelung gekündigte Dienstvereinbarungen hätten keine Nachwirkung. Dieser Umkehrschluß verbietet sich schon deshalb, weil der Landesgesetzgeber in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Lebenssachverhalte nicht nachträglich regeln kann. Denn dem steht das Verbot echter Rückwirkung von Gesetzen entgegen. Die Frage, ob die Dienstvereinbarung vom 29. Juni 1966 über ihre Kündigung zum Ende des Monats Februar 1983 hinaus nachgewirkt hat, ist deshalb ausschließlich nach der Rechtslage vor der teilweisen Neuregelung des LPVG NW mit Wirkung vom 22. Januar 1985 zu beantworten.
b) Im Schrifttum ist die Nachwirkung gekündigter Dienstvereinbarungen umstritten. Einigkeit besteht nur darin, daß die Abschlußparteien in der Dienstvereinbarung Vereinbarungen über deren Nachwirkung treffen können (vgl. Grabendorff/Windscheid/Ilbertz, BPersVG, 6. Aufl. § 73 Rz 18). In der Dienstvereinbarung vom 29. Juni 1966 fehlen aber jegliche Hinweise darauf, daß dort Vereinbarungen für den Fall der Kündigung getroffen werden sollten. Das Problem ist vielmehr überhaupt nicht gesehen worden.
aa) Für den Geltungsbereich des Landespersonalvertretungsgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 1974 wird beim Fehlen einer Nachwirkungsvereinbarung die Ansicht vertreten, daß die Dienstvereinbarungen nachwirken, weil das Mitbestimmungsrecht des Personalrates mit der Kündigung der Dienstvereinbarung wieder auflebe (Krieg/Orth/Welkoborsky, Landespersonalvertretungsgesetz für Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., § 70, S. 441; ohne Aussage dazu Havers, LPVG NW, 5. Aufl.).
bb) Zu dem inhaltsgleichen und nahezu wortgleichen § 73 BPersVG sind die Meinungen dagegen geteilt.
Fischer/Goeres (GKÖD, Bd. V Teil 2 K § 73 Rz 24) verneinen die Nachwirkung. Dienstvereinbarungen wirken von außen gesetzesgleich auf die Beschäftigungsverhältnisse ein und können deshalb Rechtswirkungen nur solange erzeugen, wie sie Bestand hätten. Mit dem Wegfall der Dienstvereinbarung lebe das grundsätzlich immer vorhandene Mitbestimmungsrecht wieder auf. Es wäre widersprüchlich, eine andere, rechtlich nicht abgesicherte Beteiligungsform für die Mitbestimmung zuzulassen.
Ein anderer Teil des Schrifttums bejaht die Nachwirkung der Dienstvereinbarung (vgl. Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand Dezember 1987, § 73 Rz 16), mißt dieser Frage aber eher theoretische Bedeutung bei (unentschieden wohl Grabendorff/Windscheid/Ilbertz, BPersVG, 6. Aufl., § 73 Rz 18).
Dietz/Richardi hingegen (BPersVG, 2. Bd., 2. Aufl., § 73 Rz 29) wollen trotz des Fehlens einer § 77 Abs. 6 BetrVG 1972 entsprechenden Vorschrift im BPersVG hinsichtlich der Nachwirkung von Dienstvereinbarungen danach unterscheiden, ob es sich um ersetzbare oder um freiwillige Dienstvereinbarungen handelt.
cc) Der Senat schließt sich - auch im Geltungsbereich des LPVG NW 1974 - der zuletzt dargestellten, differenzierenden Lösung an. Sie paßt sich in die Systematik des öffentlichen Personalvertretungsrechts ohne Bruch ein. Eine Dienstvereinbarung kann nämlich immer dann nicht nachwirken, wenn den Parteien der Personalverfassung die übereinstimmende Regelungsmacht für den fraglichen Regelungskomplex fehlt. Anderenfalls könnte jeder Partner der Personalverfassung die Rechtswirkungen einer Dienstvereinbarung über deren Kündigung hinaus dauerhaft festschreiben, ohne daß der andere die Möglichkeit hätte, dies zu verhindern. Dies gilt jedenfalls dann, wenn echte Mitbestimmungsrechte fehlen, nicht oder nicht mehr bestehen, weil sie nicht existiert haben oder aber zwar bestanden haben, wegen der Kollision mit zwischenzeitlich in Kraft getretenen, höherrangigen Normen aber entfallen.
4. Vorliegend entfaltet der § 26 a BMT-G II eine Sperrwirkung für künftige Dienstvereinbarungen mit gleichem oder ähnlichem Inhalt, wie er der Dienstvereinbarung vom 29. Juni 1966 zugrunde lag. Denn Mitbestimmungsrechte des Personalrats bestehen, nachdem die Tarifvertragsparteien von ihrer gleichgearteten, vorrangigen Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht haben, insoweit nicht mehr.
a) Zwar regeln die Dienstvereinbarung vom 29. Juni 1966 und § 26 a BMT-G II verschiedene Gegenstände. Während die zuletzt genannte Vorschrift Zeit und Zahlungsort der Vergütung regelt, normiert Nr. 11 der Dienstvereinbarung vom 29. Juni 1966 neben einer Negativabgrenzung des Zeitpunktes (außerhalb der Arbeitszeit) das zusätzliche Entgelt für den Zeitaufwand, der durch den Übergang zur bargeldlosen Lohnzahlung entsteht. Gleichwohl regeln beide Vorschriften den gleichen Komplex. Denn sowohl durch die Tarifnorm als auch durch die Dienstvereinbarung werden die Details der Lohnzahlung insgesamt geregelt, auch wenn die Modalitäten im einzelnen nicht deckungsgleich sind. Sie ergänzen sich nicht etwa, sondern schließen sich gegenseitig aus. Dies ergibt sich insbesondere aus der gemeinsamen Niederschrift über die Redaktionsverhandlungen und den für den Bereich des Verbandes kommunaler Arbeitgeber gemachten Zusatz. Die Tarifvertragsparteien sprechen dort von Arbeitsbefreiung. Damit sind sie aber für die Dauer des Bankbesuches von der Suspendierung der Arbeitspflicht während der regelmäßigen Arbeitszeit ausgegangen. Das belegt auch der Hinweis auf die zu beachtenden dienstlichen Belange. Dies schließt es aber aus, für diesen Zweck zusätzliche Vergütungen für Zeiten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit durch die Betriebspartner zu regeln. Ferner spricht für diese Ansicht Ziff. 2 der Übereinkunft im Bereich des Verbandes kommunaler Arbeitgeber. Eines solchen Einvernehmens hätte es nicht bedurft, wenn Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen und damit deren Regelungsbefugnisse für die Zukunft neben der tariflichen Regelung hätten bestehen bleiben sollen. Hätten die Tarifvertragsabschlußpartner dies gewollt, hätte nichts näher gelegen, als dieser Befugnis zur auch zukünftig abweichenden Regelung durch eine Klarstellung im Tariftext Ausdruck zu verleihen. Gerade dies aber wollten die Tarifvertragsparteien erkennbar nicht. Sie haben zwar die Gefahr des Eingreifens der Tarifnorm in gewachsene betriebliche Positionen, wie sie sich auch in Dienstvereinbarungen niedergeschlagen haben, gesehen, haben aber nur bestehende betriebliche Abweichungen aufrechterhalten, aber keinen Neuabschluß zugelassen.
b) Diese tarifliche Sperrwirkung entfällt auch nicht etwa deshalb, weil die tarifliche Regelung nach Wortlaut und Sinn nicht abschließend, sondern "dienstvereinbarungsoffen" ist. Vielmehr ist die Regelung der Lohnzahlungsmodalitäten in § 26 a BMT-G II, der § 36 BAT entspricht, abschließend (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand April 1988, § 36 Erl. 1 a). Für ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats ist kein Raum (Scheuring/Lang, BMT-G II, § 26 a Erl. 1; Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, § 36 Erl. 5 d; BVerwG Beschluß vom 25. Januar 1985 - 6 P 7.84 -).
So hat das Bundesarbeitsgericht (Beschluß vom 31. August 1982 - 1 ABR 8/81 - BAGE 39, 351 = AP, aaO) eine tarifliche Regelung über die Einführung der bargeldlosen Lohn- und Gehaltszahlung nicht schon allein deswegen für unvollständig gehalten, weil sie nicht besonders regelte, wer die Kontoführungsgebühr zu tragen hat. Die tarifliche Vorschrift entfalte eine Sperre für das sonst gegebene Mitbestimmungsrecht auch hinsichtlich der Frage, wer die durch die bargeldlose Lohnzahlung anfallenden Kontoführungsgebühren tragen solle. Allein die nicht umfassende Regelung des Komplexes Lohnzahlung und ihrer Modalitäten mache die tarifliche Regelung nicht unvollständig. Einer besonderen tariflichen Regelung bedürfe es nur, wenn der Arbeitgeber den durch die Umstellung des Entgeltzahlungsverkehrs entstehenden Mehraufwand ausgleichen solle. Seien bestimmte Teilbereiche des Gesamtkomplexes nicht geregelt, führe dies nicht zu einem regelungsfreien Zustand und damit zur Teil- oder Restregelungskompetenz der Betriebspartner. Vielmehr werde dadurch der Mehraufwand auf den Arbeitnehmer als Kontoinhaber überbürdet. Es könne deshalb nicht gesagt werden, eine tarifliche Regelung über die Einführung der bargeldlosen Lohnzahlung sei ergänzungsbedürftig, wenn sie eine Überwälzung von Kontoführungskosten auf den Arbeitgeber nicht vorsehe (vgl. BAG, aaO).
Das gleiche gilt für den nicht ausdrücklich tariflich geregelten zusätzlichen Zeitaufwand, jedenfalls dann, wenn ursprünglich günstigere dienststelleninterne Dienstvereinbarungen ihre Rechtswirksamkeit verloren haben. Zumindest für künftige Regelungen ähnlicher oder inhaltsgleicher Materien fehlt es dann an der Regelungsmacht der Partner der Personalverfassung. Kommt § 26 a BMT-G II aber für künftige Dienstvereinbarungen über die Lohnzahlungsmodalitäten Sperrwirkung zu, ist die gekündigte Dienstvereinbarung durch eine solche inhaltsgleichen oder auch nur ähnlichen Inhalts nicht ersetzbar.
5. Die von der Beklagten erklärte Kündigung der Dienstvereinbarung vom 29. Juni 1966 ist Ende Februar 1983 wirksam geworden.
a) Das Landesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, die Dienstvereinbarung sei jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ordentlich kündbar, weil Regelungen über die Kündigungsfrist in ihr fehlten und das die Kündigung enthaltende Schreiben vom 3. Februar 1983 spätestens am Ende dieses Monats zugegangen sei. An die darin enthaltene Tatsachenfeststellung des Berufungsgerichts hinsichtlich des Zugangs des Kündigungsschreibens ist der Senat gebunden, weil sie weder mit zulässigen Verfahrensrügen noch mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen worden ist.
b) Im Bereich des inhaltsgleichen § 73 BPersVG kann eine Dienstvereinbarung, in der eine Kündigungsfrist nicht vereinbart ist, von jedem Teil jederzeit ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden (Dietz/Richardi, aaO, § 73 Rz 47; Fischer/Goeres, aaO, § 73 Rz 22; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz, aaO, § 73 Rz 20; Lorenzen/Haas/Schmitt, aaO, § 73 Rz 18; Altvater/Bacher/Sabottig/Schneider/Thiel, 2. Aufl., § 73 BPersVG Rz 11; ebenso Uttlinger/Breier/Kiefer, aaO, § 36 BAT Erl. 5 d). Das gleiche gilt für das LPersVG NW 1974. Zwar werden dadurch fristgerechte Kündigungen hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen mit außerordentlichen Kündigungen, die stets das Vorliegen eines wichtigen Grundes erfordern, gleichgestellt. Dies zu ändern ist jedoch allein Aufgabe des zur entsprechenden Regelung berufenen Gesetzgebers.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Röhsler Dörner Schneider
Wendlandt Möller-Lücking
Fundstellen
Haufe-Index 440822 |
BAGE 58, 248-260 (LT1-3) |
BAGE 59, 1-12 (LT1-3) |
BAGE, 1 |
BAGE, 248 |
DB 1989, 633 (LT1-3) |
RdA 1989, 67 |
ZTR 1989, 84-86 (LT1-3) |
AP § 70 LPVG NW (LT1-3), Nr 1 |
AP, 0 |
EzBAT § 36, Nr 10 (LT1-3) |
PersR 1989, 17-20 (LT1-3) |
PersV 1991, 188 (K) |