Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildung eines einheitlichen Betriebs
Orientierungssatz
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für das Vorliegen eines Betriebes keine Einheit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung erforderlich. Die Annahme eines gemeinsamen Betriebes ist nicht schon ausgeschlossen, wenn die beteiligten Unternehmen im Rahmen einer Organisationseinheit unterschiedliche Aufgaben bzw unterschiedliche arbeitstechnische Zwecke verfolgen. Die arbeitstechnischen Zwecke müssen weder identisch sein, noch müssen sie zueinander in funktionellem Zusammenhang stehen.
Normenkette
KSchG § 1; BetrVG § 1; KSchG § 21; BetrVG § 47
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.11.1986; Aktenzeichen 15 Sa 922/86) |
ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 15.05.1986; Aktenzeichen 1 Ca 394/86) |
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten, die Mitglied der Kreishandwerkerschaft M ist, aufgrund des Arbeitsvertrages vom 21. März 1983 seit dem 1. April 1983 als Schlossermeister für die überbetriebliche Lehrlingsausbildung in der Metallwerkstatt beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt keine weiteren Arbeitnehmer. Der Arbeitsvertrag des Klägers ist mit dem Stempel der Schlosser- und Maschinenbauer-Innung M versehen und für die Arbeitgeberin von dem Kreishandwerksmeister R, der zugleich Obermeister der Beklagten ist, und von Herrn G, dem seinerzeitigen stellvertretenden Geschäftsführer unterschrieben.
Die Beklagte wird gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 ihrer Satzung vom Obermeister und dem Geschäftsführer gemeinsam gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die Führung der Verwaltungsgeschäfte einschließlich der Buch- und Kassenführung hat die Beklagte gemäß § 5 Abs. 2 ihrer Satzung in Verbindung mit § 87 Nr. 5 HandwO auf die Kreishandwerkerschaft übertragen. Die Beklagte, die in demselben Gebäude wie die Kreishandwerkerschaft M untergebracht ist, bedient sich zur Erleichterung der büromäßig abzuwickelnden Arbeiten der bei der Kreishandwerkerschaft vorhandenen Verwaltung. Der Vorstand der Kreishandwerkerschaft besteht gemäß § 18 der Satzung der Kreishandwerkerschaft aus dem Kreishandwerksmeister, den beiden Stellvertretern und acht weiteren Mitgliedern. Kraft Delegation der Verwaltungsgeschäfte der Beklagten auf die Kreishandwerkerschaft ist deren für den Ausbildungsbereich bestellter Geschäftsführer, Assessor K, gleichzeitig auch Geschäftsführer der Beklagten. Angestellt ist Assessor K bei der Kreishandwerkerschaft.
Mit Schreiben vom 14. März 1986 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis unter Berufung auf verhaltens- und betriebsbedingte Gründe fristgerecht zum 30. Juni 1986.
Mit seiner am 20. März 1986 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger unter Berufung auf das Kündigungsschutzgesetz die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht.
Er hat die Ansicht vertreten, das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung, da die Kreishandwerkerschaft, die regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftige, mit der Beklagten einen einheitlichen Betrieb bilde. Die Kreishandwerkerschaft führe die Verwaltungsgeschäfte für die Beklagte ebenso wie für mehr als zehn weitere Innungen im Rahmen ihres Organisationsplanes grundsätzlich in eigener Verantwortung durch die Abteilungsleiter H, K und S. Hierzu rechne auch die Verwaltung der überbetrieblichen Bildungsmaßnahmen, insbesondere die Verwaltung der überbetrieblichen Metallwerkstatt, für die er, der Kläger, eingestellt sei. Im Gebäude der Kreishandwerkerschaft bestünden eine Vielzahl von überbetrieblichen Ausbildungswerkstätten. Eine Ausbildungswerkstatt werde teilweise von verschiedenen Innungen benutzt. So werde die Metallwerkstatt nicht allein von der Schlosserinnung, sondern auch von der Mechaniker- und Kfz-Mechaniker-Innung benutzt. Die Teilnehmer der überbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen erhielten auch theoretischen Unterricht in einem gemeinsamen Unterrichtsraum. Die Teilnehmer benutzten gemeinsam Sozialeinrichtungen wie Umkleideräume, Toilettenräume und Cafeteria. Die Arbeits- bzw. Unterrichtszeiten würden durch die Kreishandwerkerschaft festgelegt. Größere Materialbestellungen für die Werkstatt erfolgten, beantragt durch den Kläger, verantwortlich über den Sachbearbeiter Herrn Si der Kreishandwerkerschaft. Fragen des Unfallschutzes seien verantwortlich mit der Kreishandwerkerschaft abgeklärt worden. Auch sei die Kreishandwerkerschaft und nicht die Beklagte verantwortlich für die Einhaltung der Arbeitssicherheit gegenüber der Verwaltungsberufsgenossenschaft. Eine einheitliche Leitung durch die Kreishandwerkerschaft werde auch in Fragen der personellen und sozialen Angelegenheiten der Arbeitnehmer praktiziert. Sämtliche personellen Maßnahmen gegenüber dem Kläger seien durch Mitarbeiter oder führende Kräfte der Kreishandwerkerschaft erfolgt. Für die Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen durch die Kreishandwerkerschaft spreche auch, daß am Einstellungsgespräch des Klägers Anfang März 1983 allein Mitglieder der Kreishandwerkerschaft und Kfz-Innung teilgenommen hätten. Erst nach Abschluß des Einstellungsgespräches sei der Kläger kurz Herrn R vorgestellt worden. Das Abmahnungsschreiben vom 12. Februar 1985 zeige, daß auch die Kreishandwerkerschaft zu Abmahnungen berechtigt gewesen sei, da Assessor H nicht Mitglied der Schlosser-Innung sei. Auch habe er seinen Urlaub bei der Kreishandwerkerschaft beantragt. Die bei der Kreishandwerkerschaft beschäftigten Angestellten der Verwaltung, sowie die mehr als zehn beschäftigten Ausbildungsmeister bildeten durch den ihnen gestellten Arbeitsauftrag und die räumliche Zusammenarbeit eine Gemeinschaft, die sich als einheitliche Belegschaft darstelle. So sei es nicht ungewöhnlich, daß die Ausbildungsmeister sich bei kürzerer Abwesenheit der Aufsicht eines anwesenden Kollegen bedienten. Zudem würden gemeinsame Sozialräume und eine gemeinsame Kantine benutzt, auch fänden Betriebsausflüge und Weihnachtsfeiern zusammen statt.
Die Kündigung sei auch nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, da die Beklagte substantiiert keine verhaltens- oder personalbedingten Gründe vorgetragen habe, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen würden.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien durch die fristgerechte Kündigung seitens
der Beklagten vom 14. 3. 1986 zum 30. 6. 1986
nicht aufgelöst wird, sondern ungekündigt fortbesteht.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, sie und die Kreishandwerkerschaft bildeten keinen einheitlichen Betrieb. Dies komme schon deshalb nicht in Betracht, weil beide Institutionen mit verschiedenen Hoheitsaufgaben betraut seien, sie sei bezüglich ihrer Willensbildung von der Kreishandwerkerschaft unabhängig. Ihre Willensbildung geschehe durch die satzungsmäßig dafür vorgesehenen Organe. Gemäß § 34 ihrer Satzung führe ihr Vorstand die Geschäfte, soweit sie nicht gesetzlich oder durch Bestimmungen der Satzung der Innungsversammlung vorbehalten oder anderen Organen übertragen seien. Lediglich die täglich anfallenden Verwaltungsarbeiten seien ihrem Geschäftsführer übertragen. Sie und die Kreishandwerkerschaft hätten für den Bereich der sozialen und personellen unternehmerischen Angelegenheiten keinen einheitlichen Leitungsapparat. Die Kreishandwerkerschaft treffe in den angeführten Bereichen keine Entscheidungen für sie. Dies geschehe durch die zuständigen Organe der Beklagten, die Innungsversammlung, den Vorstand und die Ausschüsse. Soweit die Kreishandwerkerschaft für die Beklagte tätig werde, handele es sich nur um auszuführende Büroarbeiten. Von der Übertragung der Verwaltungsgeschäfte auf die Kreishandwerkerschaft blieben aber die Rechte und Pflichten der satzungsgemäßen Organe unberührt. Der Geschäftsführer sei immer an die Beschlüsse der Innungsversammlung gebunden. Die Kreishandwerkerschaft habe auch kein Direktionsrecht gegenüber dem Kläger gehabt. Soweit der Kläger sich auf die Zusatzvereinbarung der Kreishandwerkerschaft mit dem Kläger vom 22. Dezember 1983 berufe, so sei dieser Vertrag nie zur Ausführung gekommen. Zudem sei diese abgeschlossen worden, weil vorgesehen gewesen sei, den Kläger zusätzlich bei Ausbildungsmaßnahmen der Kreishandwerkerschaft einzusetzen.
Die Abmahnung vom 12. Februar 1985 sei aufgrund eines Beschlusses des Vorstandes der Schlosser-Innung in der Verwaltung der Kreishandwerkerschaft gefertigt worden und lediglich irrtümlich ohne die Firmierung der Schlosser-Innung und unter Bezeichnung des Linksunterzeichnenden als Kreishandwerksmeister gefertigt worden.
Sämtliche sozialen und insbesondere die personellen Angelegenheiten würden vom Vorstand oder von der Innungsversammlung der Beklagten entschieden. So habe die Innungsversammlung der Beklagten die Einführung und die Einrichtung der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisungen entschieden. Der Vorstand entscheide auch zum Beispiel über die Ordnung in der Werkstatt, über Arbeits- und Urlaubszeiten und -pläne sowie über Arbeitsschutzmaßnahmen. Auch sei dem Geschäftsführer kein Direktionsrecht hinsichtlich des Klägers gegeben. Personelle Entscheidungen treffe der Vorstand. Der Geschäftsführer könne allein und ohne Entscheidung des Vorstands weder Abmahnungen noch Kündigungen aussprechen.
Unabhängig davon, daß das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis des Klägers wegen des Fehlens der erforderlichen Arbeitnehmerzahl unanwendbar sei, wäre die Kündigung auch nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe nicht die erforderlichen Leistungen erbracht. Er habe weder bei der Menschenführung noch bei der Vermittlung der fachlichen Kenntnisse an die Lehrlinge die Voraussetzungen erfüllt, die an einen Werkstattmeister zu stellen seien. Ihm sei neben dem Schreiben vom 12. Februar 1985 und außer dem Aktenvermerk vom 11. März 1985 immer wieder erklärt worden, er müsse mit Konsequenzen rechnen, wenn er seine Leistungen nicht verbessere. Als Herr D den Kläger während dessen letzter Arbeitsunfähigkeit vertreten habe, hätten sich die großen Leistungsunterschiede der beiden Herren gezeigt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
A. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von der Beklagten ausgesprochene fristgemäße Kündigung sei wirksam geworden, denn der Kläger sei seinerzeit nicht unter das Kündigungsschutzgesetz gefallen. Die Beklagte und die Kreishandwerkerschaft M bildeten keinen einheitlichen Betrieb. Zwar könnten mehrere rechtlich eigenständige Unternehmen einen einheitlichen Betrieb unterhalten, wenn die verschiedenen Firmen mit ihren Arbeitnehmern arbeitstechnische Zwecke innerhalb einer organisatorischen Einheit fortgesetzt verfolgten. Dabei sei die erforderliche Einheit der Organisation dann zu bejahen, wenn ein einheitlicher Leitungsapparat vorhanden sei, der die Gesamtheit der für die Wahrnehmung der arbeitstechnischen Zwecke gesetzten personellen, technischen und immateriellen Mitteln lenke. Diese Voraussetzungen eines einheitlichen Betriebes seien jedoch bei der Kreishandwerkerschaft und der Beklagten nicht gegeben. Die Beklagte benutze zwar die Räume der Kreishandwerkerschaft mit und lasse durch diese ihre Verwaltungsgeschäfte ausführen, jedoch reiche diese Verbindung nicht aus, um einen gemeinsamen Betrieb anzunehmen. Es fehle nämlich das wesentliche Kriterium für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes, der gemeinsame Leitungsapparat. Darunter sei nicht eine in nur einer Hand liegende büromäßige Verwaltung zu verstehen, sondern eine Stelle, die die Geschicke der beiden Unternehmen in Bezug auf ihre Aufgabenstellung und personellen Angelegenheiten lenke. Liege bei mehreren Unternehmen keine Identität des Inhabers oder der leitenden Organe vor, so werde nur in Ausnahmefällen ein gemeinsamer Leitungsapparat anzunehmen sein. Wenn hingegen mehrere Unternehmen von verschiedenen Personen oder Organen in bezug auf die unternehmensbezogenen und personellen Angelegenheiten getrennt geleitet würden, so sei ein gemeinsamer Leitungsapparat nicht vorhanden. Die Kreishandwerkerschaft und die Beklagten hätten nach ihren Satzungen unterschiedliche Organe. Soweit eine Personenidentität zwischen dem Kreishandwerksmeister und dem Innungs-Obermeister in der Person des Herrn R bestehe, sei das nicht Ergebnis des Willens nach einer gemeinsamen Führung der Kreishandwerkerschaft und der Beklagten, sondern beruhe darauf, daß die Position des Kreishandwerksmeisters immer von einem Obermeister der in der Kreishandwerkerschaft zusammengeschlossenen Innungen eingenommen werde und Herr R von den jeweils zuständigen Gremien gewählt worden sei. Es reiche auch zur Annahme eines gemeinsamen Leitungsapparates nicht aus, daß die Führung der Verwaltungsgeschäfte der Kreishandwerkerschaft und der Beklagten durch den gemeinsamen Geschäftsführer, Herrn Assessor K, vorgenommen werde. Der gemeinsame Geschäftsführer sei nur für die büromäßige Abwicklung von Verwaltungsgeschäften verantwortlich, er habe hingegen keine Befugnis auf die unternehmerischen und personellen Aufgaben der Kreishandwerkerschaft und der Beklagten Einfluß zu nehmen. Weiterhin würden sich auch die von der Kreishandwerkerschaft M und den Innungen wahrzunehmenden Aufgaben nicht decken. Auch in personeller Hinsicht könne von einer gemeinsamen Leitung nicht ausgegangen werden. Der Kläger sei nach den vorliegenden Arbeitsvertrag eindeutig von der Beklagten angestellt worden. Wenn Herr R den Vertrag mit dem Stempel der Kreishandwerkerschaft mitunterzeichnet habe, so könne im Hinblick auf die im Vertrag selbst eindeutig als Arbeitgeberin angegebene Beklagte nicht angenommen werden, der Kläger sei durch den Abschluß dieses Vertrages auch in rechtliche Beziehungen zur Kreishandwerkerschaft getreten. Auch die vom Kläger am 1. Oktober 1983 mit der Kreishandwerkerschaft getroffene Zusatzvereinbarung könne nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Nach dem eigenen von der Beklagten bestätigten Vorbringen des Klägers handele es sich bei dieser Zusatzvereinbarung um einen Pro-forma-Vertrag. Der Kläger habe seinen Namen als Ausbilder hergeben sollen, damit in einer Sonderausbildungswerkstatt eine Ausbildung durch einen nicht dazu befugten Arbeitnehmer erfolgen konnte. Diese Zusatzvereinbarung sei auch unstreitig nie zum Tragen gekommen.
B. Dieser Würdigung kann nicht gefolgt werden.
I. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen, wonach mehrere Unternehmen auch für den Bereich des Kündigungsschutzrechtes einen einheitlichen Betrieb bilden können. So können mehrere Unternehmen auch im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG einen einheitlichen Betrieb bilden (BAGE 45, 259 = AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969). Weiterhin hat der Senat mit Urteil vom 13. Juni 1985 (- 2 AZR 452/84 - AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969) entschieden, daß mehrere Unternehmen einen Betrieb im Sinne des § 1 KSchG als Bezugspunkt für den Umfang des allgemeinen Kündigungsschutzes unterhalten können. Schließlich hat der Senat mit Urteil vom 5. März 1987 (- 2 AZR 623/85 - EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 38 - auch zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) ausgesprochen, daß die Grundsätze über das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes auch für die Kündigung von Mitgliedern der Betriebsverfassungsorgane wegen Stillegung des Betriebes oder einer Betriebsabteilung nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG gelten.
Dabei ist das Bundesarbeitsgericht jeweils von dem in der Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelten Betriebsbegriff ausgegangen. Betrieb ist hiernach die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern durch Einsatz technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen. Durch die arbeitstechnische Zweckbestimmung der organisatorischen Einheit unterscheidet sich der Betrieb von dem weitergefaßten Begriff des Unternehmens. Deshalb können auch mehrere Unternehmen einen einheitlichen Betrieb bilden, sofern sie mit ihren Arbeitnehmern arbeitstechnische Zwecke innerhalb einer organisatorischen Einheit fortgesetzt verfolgen. Die Einheit der Organisation ist zu bejahen, wenn ein einheitlicher Leitungsapparat vorhanden ist, der die Gesamtheit der für die Erreichung der arbeitstechnischen Zwecke eingesetzten personellen, technischen und immateriellen Mittel lenkt. Das setzt voraus, daß die beteiligten Unternehmen sich zur gemeinsamen Führung eines Betriebes rechtlich verbunden haben. Eine entsprechende rechtliche Vereinbarung muß nicht ausdrücklich in vertraglichen Abmachungen geregelt sein, sondern kann auch aus den tatsächlichen Umständen hergeleitet werden. Eine tatsächliche unternehmerische Zusammenarbeit allein reicht nicht aus; vielmehr müssen die für die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke notwendigen Maßnahmen von einem einheitlichen Leitungsapparat wahrgenommen werden. Es ist insbesondere erforderlich, daß die Arbeitgeberfunktionen im Bereich der sozialen und personellen Angelegenheiten sowie die unternehmerischen Funktionen im Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten von einem einheitlichen Leitungsapparat der beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden. Dagegen ist für das Vorliegen eines Betriebes keine Einheit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung erforderlich. Maßgebend ist in erster Linie die Einheit der Organisation. Die Annahme eines gemeinsamen Betriebes ist daher nicht schon ausgeschlossen, wenn die beteiligten Unternehmen unterschiedliche arbeitstechnische Zwecke verfolgen, sofern dies im Rahmen einer Organisationseinheit geschieht. Die arbeitstechnischen Zwecke müssen weder identisch sein noch zueinander in funktionellem Zusammenhang stehen (vgl. Senatsurteil vom 5. März 1987, aa0, zu B II 2 a der Gründe, m.w.N.).
Der Schluß auf eine konkludente rechtliche Vereinbarung mehrerer Unternehmen zur Führung eines gemeinsamen Betriebes kann bereits dann gezogen werden, wenn die Arbeitgeberfunktionen im Bereich der sozialen und personellen Angelegenheiten von einem Leitungsapparat der beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden, nicht aber auch die unternehmerischen Funktionen im Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten (vgl. BAG Beschluß vom 29. Januar 1987 - 6 ABR 23/85 - AP Nr. 6 zu § 1 BetrVG 1972, zu B III 3 der Gründe).
II. Die Anwendung dieser Grundsätze führt im Streitfall zu dem Ergebnis, daß das Berufungsgericht mit unzureichender Begründung das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes verneint hat.
1. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes im wesentlichen damit verneint, daß die Beklagte und die Kreishandwerkerschaft unterschiedliche Organe hätten. Die Personenidentität des Kreishandwerksmeisters und des Obermeisters bestünde zufällig aufgrund der jeweils von verschiedenen Gremien durchgeführten Wahl, sei jedoch nicht das Ergebnis des Willens nach einer gemeinsamen Führung der beiden Unternehmen. Auch reiche die gemeinsame Führung der Verwaltungsgeschäfte durch den gemeinsamen Geschäftsführer nicht aus, da dieser nur für die büromäßige Abwicklung von Verwaltungsgeschäften verantwortlich sei und keine Befugnis habe, auf die unternehmerischen und personellen Aufgaben der Kreishandwerkerschaft und der Beklagten Einfluß zu nehmen. Schließlich würden sich die von der Kreishandwerkerschaft und der Beklagten wahrzunehmenden Aufgaben nicht decken. Auch könne in personeller Hinsicht von einer gemeinsamen Leitung nicht ausgegangen werden, da der Kläger eindeutig von der Beklagten angestellt worden sei.
2. Diese beiden Erwägungen des Landesarbeitsgerichts sind für die Beurteilung des Vorliegens eines einheitlichen Betriebes untauglich.
a) Wenn sich zwei rechtlich selbständige Unternehmen aufgrund einer rechtlichen Vereinbarung zur Führung eines gemeinsamen Betriebes zusammenschließen, werden sie nicht ohne weiteres Arbeitgeber der in dem gemeinsamen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer (vgl. Senatsurteil vom 5. März 1987, aa0, zu B III 1 der Gründe). Vielmehr sind die Arbeitnehmer des einheitlichen Betriebes grundsätzlich entweder bei dem einen oder dem anderen Unternehmen angestellt. Insofern kann aus der Tatsache, daß der Kläger im Streitfall unstreitig einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen hat, nicht gefolgert werden, es läge kein einheitlicher Betrieb vor. Ebensowenig kann allerdings allein aus der Tatsache, daß er mit der Kreishandwerkerschaft die Zusatzvereinbarung abgeschlossen hat, auf das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes geschlossen werden.
b) Weiterhin kann das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes nicht deshalb verneint werden, weil die beiden Unternehmen unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen haben bzw. erfüllen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für das Vorliegen eines Betriebes gerade keine Einheit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung erforderlich. Die Annahme eines gemeinsamen Betriebes ist daher nicht schon ausgeschlossen, wenn die beteiligten Unternehmen im Rahmen einer Organisationseinheit unterschiedliche Aufgaben bzw. unterschiedliche arbeitstechnische Zwecke verfolgen. Die arbeitstechnischen Zwecke müssen weder identisch sein, noch müssen sie zueinander in funktionellem Zusammenhang stehen (vgl. Senatsurteil vom 13. Juni 1985, aa0, zu I 2 a aa der Gründe m.w.N.). Insofern ist es im Streitfall unerheblich, welche Aufgaben die Beklagte und die Kreishandwerkerschaft jeweils unter Mithilfe ihrer Arbeitnehmer zu erfüllen haben.
3. Für das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht entscheidend sein, daß die Beklagte und die Kreishandwerkerschaft verschiedene Organe haben. Die unterschiedliche Organisationsform ist vielmehr Zeichen der rechtlichen Selbständigkeit der beiden Körperschaften öffentlichen Rechts (vgl. § 53, bez. § 89 Abs. 1 in Verb. m. § 53 HandwO), die gemäß § 54 HandwO bzw. § 87 HandwO unterschiedliche hoheitliche Aufgaben zu erfüllen haben.
4. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht allerdings davon ausgegangen, allein die Personenidentität des Kreishandwerksmeisters und Obermeisters der Beklagten sei kein ausreichendes Indiz für einen einheitlichen Leitungsapparat der beteiligten Körperschaften des öffentlichen Rechts ist. Herr R ist gemäß § 31 der Satzung der Beklagten von der Innungsversammlung als Obermeister gewählt worden und infolge dieser Funktion gemäß § 33 der Satzung der Beklagten gemeinsam mit dem Geschäftsführer zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Beklagten befugt. Gleichzeitig ist er von der Mitgliederversammlung der Kreishandwerkerschaft M gemäß § 19 der Satzung der Kreishandwerkerschaft zum Kreishandwerksmeister gewählt worden. In dieser Funktion ist er gemeinsam mit dem Hauptgeschäftsführer gemäß § 21 der Satzung der Kreishandwerkerschaft zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Kreishandwerkerschaft befugt. Grundsätzlich kann daher aufgrund dieser zufälligen Personenidentität nicht auf das Vorliegen einer einheitlichen Leitung der Beklagten und der Kreishandwerkerschaft geschlossen werden.
Wenn Herr R allerdings für die Beklagte und für die Kreishandwerkerschaft tätig wird, ohne daß erkennbar ist, in welcher Funktion bzw. für welche Körperschaft er jeweils tätig wird oder wenn Herr R als Kreishandwerksmeister auch Geschäfte der Innung tätigen sollte, könnte dieses wiederum ein Indiz für das Vorliegen eines einheitlichen Leitungsapparates sein.
Das bedarf noch der weiteren Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht. Insoweit könnte zum einen der Vortrag des Klägers zu berücksichtigen sein, sämtliche personellen Maßnahmen ihm gegenüber seien durch Mitarbeiter oder führende Kräfte der Kreishandwerkerschaft, u. a. auch durch Herrn R, durchgeführt worden, wobei ihm nicht ersichtlich gewesen sei, daß die das Direktionsrecht ausübenden Personen für die Schlosserinnung und nicht für die Kreishandwerkerschaft hätten auftreten wollen. In diesem Zusammenhang kann es auch bedeutsam sein, daß sowohl der Arbeitsvertrag als auch die Abmahnung vom 12. Februar 1985 von Herrn R mit der Bezeichnung "Kreishandwerksmeister" unterschrieben worden ist, was nach dem Vortrag der Beklagten lediglich ein "formaler Fehler" sein soll.
5. Entscheidend für die dem Senat nicht abschließend mögliche Beurteilung, ob ein einheitlicher Leitungsapparat vorliegt, ist im Streitfall, ob der gemeinsame Geschäftsführer Arbeitgeberfunktion sowohl für die Beklagte als auch für die Kreishandwerkerschaft insbesondere im Bereich der sozialen und personellen Angelegenheiten wahrgenommen hat bzw. wahrnehmen durfte.
a) Das Berufungsgericht hat allerdings insoweit ausgeführt, zur Annahme eines gemeinsamen Leitungsapparates reiche es nicht aus, daß die Führung der Verwaltungsgeschäfte der Kreishandwerkerschaft und der Beklagten durch den gemeinsamen Geschäftsführer, Herrn Assessor K, vorgenommen werde. Der gemeinsame Geschäftsführer sei nur für die büromäßige Abwicklung von Verwaltungsgeschäften verantwortlich; er habe hingegen keine Befugnis, auf die unternehmerischen und personellen Aufgaben der Kreishandwerkerschaft und der Beklagten Einfluß zu nehmen.
Bei diesen Ausführungen handelt es sich jedoch um eine fehlerhafte Würdigung des Begriffs der "Führung der Verwaltungsgeschäfte". Im übrigen bleibt offen, was das Berufungsgericht unter der "büromäßigen Abwicklung von Verwaltungsgeschäften" versteht. Wie es insoweit übersehen hat, ist die Geschäftsleitung eines jeden Unternehmens an Beschlüsse des Vorstandes oder andere Organe gebunden, d.h. die Geschäftsführung ist jeweils nach Maßgabe dieser Beschlüsse auszuführen.
b) Auszugehen ist von § 34 Abs. 2 der Satzung der Beklagten, der folgendes bestimmt:
Die Erledigung der laufenden Geschäfte der Verwaltung
obliegt dem Geschäftsführer. Insoweit vertritt er auch
die Handwerksinnung. Laufende Geschäfte der Verwaltung sind
alle täglich anfallenden Verwaltungsaufgaben, die nach Art
und Ausmaß regelmäßig wiederkehren.
Diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 61 Abs. 2 Ziff. 7 b HandwO zu würdigen, wonach der Innungsversammlung die Beschlußfassung über den Abschluß von Verträgen, durch welche der Handwerksinnung fortlaufende Verpflichtungen auferlegt werden, mit Ausnahme der laufenden Geschäfte der Verwaltung obliegt.
Der Begriff der "laufenden Geschäfte der Verwaltung" ist mit der im Kommunalrecht gebrauchten Wendung "einfacher Geschäfte der laufenden Verwaltung" gleichzusetzen, und darunter sind täglich anfallende Verwaltungsaufgaben, die nach Art und Ausmaß regelmäßig wiederkehren, zu verstehen. Es ist dabei nicht erforderlich, daß das bestimmte Geschäft als solches regelmäßig wiederkehrt, vielmehr muß die Art des Geschäftes von der Innung im Rahmen der täglichen Verwaltungsaufgaben häufiger vorgenommen werden. Auch der Umfang des Geschäftes, insbesondere die Höhe der sich daraus für die Innung ergebenden finanziellen Verpflichtungen, ist ein wesentliches Kriterium. Als Beispiele für laufende Geschäfte der Verwaltung mit fortlaufenden Verpflichtungen sind zu nennen: Die Abonnierung von Zeitschriften und Büchern; der Abschluß von Versicherungsverträgen und Dienstverträgen in den jeweils zu ermittelnden finanziellen Grenzen (z. B. Einstellung einer Putzhilfe), die Einrichtung von Telefonanschlüssen u. a. (Siegert/Musielak, Das Recht des Handwerks, 2. Aufl., § 61 Rz 15).
Selbst wenn der Geschäftsführer aufgrund seiner Befugnis zur Erledigung der laufenden Geschäfte der Verwaltung zur Einstellung und Entlassung einzelner Arbeitnehmer nicht befugt ist, sind jedenfalls die sich aus den bestehenden Arbeitsverträgen ergebenden Rechte und Pflichten für die Innung als Arbeitgeber, wie z. B. das Direktionsrecht, als "laufendes Geschäft" der Verwaltung in Betracht zu ziehen.
c) Auch nach § 22 Abs. 2 der Satzung der Kreishandwerkerschaft M obliegt dem Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft die Erledigung der laufenden Geschäfte der Verwaltung. Hier kommt jedoch hinzu, daß § 22 Abs. 2 der Satzung ausdrücklich auch die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis des Hauptgeschäftsführers hinsichtlich von Angestellten und Lehrlingen erwähnt.
6. Da somit schon aufgrund der Satzung der Beklagten und der Kreishandwerkerschaft zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, daß der gemeinsame Geschäftsführer in personeller und sozialer Hinsicht Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, kommt es jedenfalls auf den von der Beklagten bestrittenen, jedoch für das tatsächliche Vorliegen eines einheitlichen Leitungsapparates schlüssigen Vortrag des Klägers an.
a) Der Kläger hat dazu unter Beweisantritt vorgetragen, sämtliche personellen Maßnahmen ihm gegenüber seien durch Mitarbeiter oder führende Kräfte der Kreishandwerkerschaft erfolgt. Die Kreishandwerkerschaft führe die Verwaltungsgeschäfte sowohl für die Beklagte als auch für mehr als 10 weitere Innungen im Rahmen ihres Organisationsplanes grundsätzlich in eigener Verantwortung durch die Abteilungsleiter H, K und S. Hierzu rechne auch die Verwaltung der überbetrieblichen Bildungsmaßnahmen, insbesondere die Verwaltung der überbetrieblichen Metallwerkstatt. Die Metallwerkstatt werde nicht allein von der Schlosserinnung, sondern auch von der Mechaniker- und Kfz-Mechaniker-Innung benutzt. Die Teilnehmer der überbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen erhielten auch theoretischen Unterricht in einem gemeinsamen Unterrichtsraum. Die Arbeits- bzw. Unterrichtszeiten würden durch die Kreishandwerkerschaft festgelegt. Größere Materialbestellungen des Klägers für die Werkstatt erfolgten über den Sachbearbeiter Herrn Si der Kreishandwerkerschaft. Die Kreishandwerkerschaft sei verantwortlich für die Fragen des Unfallschutzes sowie für die Einhaltung der Arbeitssicherheit. Der Kläger habe seinen Urlaub jeweils bei der Kreishandwerkerschaft beantragt. Die bei der Kreishandwerkerschaft beschäftigten Angestellten der Verwaltung, sowie die mehr als 10 beschäftigten Ausbildungsmeister bildeten durch den ihnen gestellten Arbeitsauftrag und die räumliche Zusammenarbeit eine Gemeinschaft, die sich als einheitliche Belegschaft darstelle. So sei es nicht ungewöhnlich, daß die Ausbildungsmeister sich bei kürzerer Abwesenheit der Aufsicht eines anwesenden Kollegen bedienten. Zudem würden gemeinsame Sozialräume und eine gemeinsame Kantine benutzt, auch fänden Betriebsausflüge und Weihnachtsfeiern zusammen statt.
b) Mit diesem Vortrag hat der Kläger schlüssig dargelegt, daß die Arbeitgeberfunktionen der Kreishandwerkerschaft sowie der Beklagten und weiterer Mitgliedsinnungen der Kreishandwerkerschaft M im Bereich der sozialen und personellen Angelegenheiten von einem Leitungsapparat der beteiligten Körperschaften des öffentlichen Rechts wahrgenommen werden. Das Landesarbeitsgericht wird daher den diesbezüglichen Beweisangeboten des Klägers nachzugehen haben. Sollte sich danach der Vortrag des Klägers bestätigen, könnte der Schluß auf eine konkludente rechtliche Vereinbarung der beteiligten Körperschaften zur Führung eines gemeinsamen Betriebes gezogen werden (vgl. BAG
Beschluß vom 29. Januar 1987, aa0).
Hillebrecht Dr. Weller
- zugleich für den durch Urlaub
an der Unterschrift verhinder-
ten Richter Triebfürst
Dr. Bächle Rupprecht
Fundstellen