Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulage für Pflegepersonal
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zulage für Pflegepersonen nach Protokollnotiz Nr 1 Buchstabe d) des Abschnitts A der Anlage 1b zum BAT steht nicht nur bei der Betreuung von Patienten zu, in deren Körper radioaktives Material eingeführt wird. Eine Behandlung mit radioaktiven Stoffen liegt vielmehr auch dann vor, wenn der radioaktive Stoff in anderer Weise auf den Körper des Patienten einwirkt.
2. Die vorgenannte Tarifnorm fordert nicht eine konkrete Gefährdung des Pflegepersonals. Die Zulage ist vielmehr zu zahlen, wenn die Erfordernisse der Tarifnorm erfüllt werden.
3. Das ist jedoch nur der Fall, wenn in der betreffenden Krankenhausstation ausschließlich Patienten untergebracht sind, die mit radioaktiven Stoffen behandelt werden. Dazu gehört nicht eine Behandlung mit Zytostatika.
4. Die Anpassung einer tariflichen Zulagenregelung an veränderte tatsächliche Umstände (zB geänderte medizinische Behandlungsmethoden) ist ausschließliche Angelegenheit der Tarifvertragsparteien. Die staatlichen Gerichte für Arbeitssachen haben tarifliche Regelungen nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen.
Normenkette
BAT § 33; BAT Anlage 16
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 31.03.1987; Aktenzeichen 1 Sa 48/86) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 07.10.1986; Aktenzeichen 16 Ca 340/86) |
Tatbestand
Die 56-jährige Klägerin steht seit 1. Juni 1969 als Krankenschwester in den Diensten der Beklagten und wird im Allgemeinen Krankenhaus S beschäftigt. Seit 1. Oktober 1970 ist sie als stellvertretende Stationsleiterin der Station C 24 tätig und erhält seit dieser Zeit Vergütung nach VergGr. Kr. V der Anlage 1 b zum BAT. Beide Parteien gehören den tarifschließenden Verbänden für die Angestellten des öffentlichen Dienstes an.
Die Station C 24 umfaßt 30 Betten. Die weitaus meisten der dort untergebrachten Patienten - die Beklagte räumt 81,36 v.H. ein - werden im Krankenhaus mit radioaktiver Bestrahlung behandelt. Die Strahlenbehandlung findet nicht in der Station C 24 statt, sondern in einem anderen Gebäude des Krankenhauses. Das Pflegepersonal der Station C 24 kommt insoweit mit radioaktiver Strahlung nicht in Berührung. Außer den Patienten, die eine radioaktive Bestrahlung erhalten, sind in der Station C 24 Patienten untergebracht, die zur Bestrahlung vorbereitet werden oder nach der Bestrahlung auf ihre Entlassung warten. In Einzelfällen werden Patienten auch mit Cytostatika behandelt.
Mit der Klage begehrt die Klägerin für die Zeit ab März 1985 eine monatliche Zulage von DM 67,-- nach der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) des Abschnitts A der Anlage 1 b zum BAT. Hierzu hat sie vorgetragen, in der Station, in der sie tätig sei, seien ausschließlich Patienten untergebracht, die mit radioaktiven Stoffen behandelt würden. Hierzu seien im tariflichen Sinne auch die Patienten zu zählen, die zur Vorbereitung der Behandlung mit radioaktiven Stoffen in die Station aufgenommen würden, sowie die Patienten, die nach Abschluß der Behandlung noch zur Nachuntersuchung bis zu ihrer Entlassung auf der Station blieben. Soweit in Einzelfällen Patienten mit Cytostatika behandelt würden, handele es sich um solche Patienten, die zuvor mit radioaktiven Stoffen behandelt worden seien und noch zur Nachbehandlung mit den Cytostatika auf der Station blieben. Auch diese Patienten müßten zu den Patienten gezählt werden, die im tariflichen Sinne mit radioaktiven Stoffen behandelt werden. Nur in Notfällen, etwa einmal im Jahr, würden auch andere Patienten aufgenommen, wenn in anderen Abteilungen kein Bett frei sei. Ob die Klägerin einer radioaktiven Strahlung ausgesetzt sei, sei nach der tariflichen Regelung unerheblich. Der Sinn der Zulage liege in der Erschwernis der Arbeit der Klägerin, weil sie es mit Patienten zu tun habe, die an Krebs- und Lymphdrüsenerkrankungen litten.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
DM 1.005,-- brutto zuzüglich 4 %
Zinsen seit Klagezustellung (25. Juni
1986) auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag
zu zahlen,
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
ist, an die Klägerin ab Juli
1986 für die Dauer der Tätigkeit der
Klägerin auf der Station C 24 des Allgemeinen
Krankenhauses S die
monatliche Zulage in Höhe von DM 67,-- gemäß
Protokollnotiz Nr. 1 der Anlage
1 b zum BAT zu zahlen und ihr die nachzuzahlenden
Nettobeträge, die sich aus
dieser Verpflichtung ergeben, mit 4 %
Zinsen seit jeweiliger Fälligkeit zu
verzinsen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Klägerin erfülle schon deshalb nicht die Voraussetzungen der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) des Abschnitts A der Anlage 1 b zum BAT, weil in der Station der Klägerin nicht ausschließlich Patienten untergebracht seien, die eine radioaktive Bestrahlung erhielten. In der Station C 24 würden nicht nur gelegentlich Patienten betreut, die mit Cytostatika behandelt würden. Die Strahlentherapie und die Behandlung mit Cytostatika seien sich ergänzende Behandlungsmethoden. Bei der Zulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) handele es sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht um eine Erschwerniszulage, sondern um eine Gefahrenzulage. Dies setze voraus, daß das betreffende Pflegepersonal der Gefahr einer radioaktiven Strahlung ausgesetzt sei. Diese Voraussetzung erfülle die Klägerin nicht, da sie mit radioaktiver Strahlung nicht in Berührung komme. Darüber hinaus liege bei den Patienten der Station C 24 auch keine Behandlung "mit radioaktiven Stoffen" vor. Dies könne nur dann angenommen werden, wenn radioaktive Stoffe für eine bestimmte Zeit in den Körper des Patienten verbracht würden und von dort aus strahlten. Die Patienten der Station C 24 würden jedoch nicht mit solchen radioaktiven Stoffen behandelt, sondern mit perkutanen Strahlen. Insoweit liege keine Behandlung mit radioaktiven Stoffen, sondern nur eine solche mit radioaktiven Strahlen vor, die von der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) nicht erfaßt werde.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die Zahlung von DM 1.005,-- brutto nebst Zinsen verlangen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an die Klägerin für die Dauer der Tätigkeit der Klägerin auf der Station C 24 des Allgemeinen Krankenhauses S eine monatliche Zulage in Höhe von DM 67,-- zu zahlen. Diese in der Protokollnotiz Nr. 1 des Abschnitts A der Anlage 1 b zum BAT vorgesehene Zulage steht der Klägerin nicht zu, da sie die tariflichen Voraussetzungen der Zulage nicht erfüllt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).
Als einzige Anspruchsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf die begehrte monatliche Zulage von DM 67,-- kommt die Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) des Abschnitts A der Anlage 1 b zum BAT in Betracht. Die Protokollnotiz Nr. 1 lautet:
Nr. 1 Pflegepersonen der Vergütungsgruppen Kr.
I bis Kr. VI, die ständig
a) an Tuberkulose erkrankte Personen
pflegen, die wegen ihrer Ansteckungsgefahr
in besonderen Tuberkuloseabteilungen
oder Tuberkulosestationen
untergebracht sind,
b) Kranke in geschlossenen oder halbgeschlossenen
(Open-door-system) psychiatrischen
Abteilungen oder Stationen
pflegen,
c) Kranke in geriatrischen Abteilungen
oder Stationen pflegen,
d) in Abteilungen, Stationen oder Räumen
Arbeit leisten, in denen ausschließlich
Patienten untergebracht
sind, die mit radioaktiven Stoffen
behandelt werden,
e) Kranke in Abteilungen oder Stationen
für Patienten mit multipler Sklerose
pflegen,
erhalten eine monatliche Zulage von 67,-DM
für die Dauer dieser Tätigkeit.
Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d), da in der von ihr betreuten Station nicht ausschließlich Patienten untergebracht sind, die mit radioaktiven Stoffen behandelt werden. Die Klägerin fällt als Krankenschwester in einem Krankenhaus unter Abschnitt A der Anlage 1 b zum BAT, der für das Krankenpflegepersonal gilt, das unter die Sonderregelungen 2 a fällt. Diese Sonderregelungen gelten u.a. für Angestellte in Krankenanstalten. Als Krankenschwester gehört die Klägerin zu den Pflegepersonen der VergGrn. Kr. I bis Kr. VI und ist als stellvertretende Stationsleiterin in VergGr. Kr. V zutreffend eingruppiert. Davon gehen die Parteien übereinstimmend aus.
Die Klägerin ist nur in der Station C 24 des Allgemeinen Krankenhauses S beschäftigt und leistet damit dort "ständig" im tariflichen Sinne ihre Arbeit (vgl. BAG Urteil vom 1. Februar 1983 - 3 AZR 408/80 -, AP Nr. 5 zu § 33 BAT). In dieser Station sind Patienten untergebracht, die mit radioaktiven Stoffen behandelt werden. Insoweit ist auch eine weitere Voraussetzung der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) erfüllt.
Wenn die Revisionserwiderung demgegenüber meint, "mit radioaktiven Stoffen" werde nur derjenige Patient behandelt, in dessen Körper radioaktives Material eingebracht werde, das von dort aus strahle, während hierunter nicht Patienten fielen, die mit perkutanen (durch die unverletzte Haut hindurchwirkenden - vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 5, 1983, S. 93 -) Strahlen behandelt würden, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden, soweit es, wie vorliegend, um radioaktive Strahlen geht. Es trifft zwar zu, daß die Regelung in der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) unverändert aus der vor dem 1. Oktober 1970 für das Krankenpflegepersonal geltenden Regelung übernommen wurde (vgl. Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Rz 60 zur Anlage 1 b) und die Behandlung mit radioaktiven Einlagen in den Körper des Patienten in der damaligen Zeit eine größere Rolle spielte. Deshalb mögen die Tarifvertragsparteien bei der Schaffung der Regelung in erster Linie an die Behandlung der Patienten mit radioaktiven Einlagen in den Körper gedacht haben. Diese mögliche Motivation der Tarifvertragsparteien hat jedoch in den Tarifvertrag keinen Eingang gefunden. Mit radioaktiven Stoffen wird nicht nur derjenige behandelt, in dessen Körper radioaktives Material eingeführt wird. Eine Behandlung mit radioaktiven Stoffen liegt vielmehr auch dann vor, wenn der radioaktive Stoff außerhalb des Körpers des Patienten gelagert wird und lediglich die von ihm ausgehenden Strahlen auf den Körper des Patienten einwirken. Auch dann wird der Patient mit Hilfe des radioaktiven Stoffes behandelt. Diese Auffassung hat auch der VKA-Gruppenausschuß für Kranken- und Pflegeanstalten in seiner Sitzung vom 14. September 1979 vertreten (Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Rz 60 zur Anlage 1 b; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Teil II BL, Anm. 422).
Ebensowenig kann der Auffassung der Beklagten und des Landesarbeitsgerichts gefolgt werden, daß es sich bei der Zulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) um eine Gefahrenzulage handele, die nur zu zahlen sei, wenn das Krankenpflegepersonal mit radioaktiver Strahlung in Berührung komme oder Patienten versorgen müsse, von denen eine Gefahr durch radioaktive Stoffe, also eine Strahlenbelastung ausgehe. Zwar mag die Strahlenbelastung, insbesondere bei der Einführung von radioaktiven Stoffen in den Körper der Patienten, Motiv für die Schaffung der Zulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) gewesen sein. Aber auch insoweit hat ein entsprechender Wille der Tarifvertragsparteien in dem Tarifvertrag keinen Niederschlag gefunden und muß daher unberücksichtigt bleiben. Eine Tarifnorm ist in erster Linie nach ihrem Wortlaut und tariflichen Gesamtzusammenhang auszulegen (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Eine Auslegung nach Wortlaut und Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung führt vorliegend zu dem eindeutigen Ergebnis, daß Voraussetzung für die Zulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) nicht eine besondere Gefahr für das Pflegepersonal ist. Wenn die Tarifvertragsparteien die Zulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 von einer bestimmten Gefahr für das Pflegepersonal abhängig machen wollten, haben sie dies zum Ausdruck gebracht, wie z. B. in der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. a) ("wegen ..... Ansteckungsgefahr"). Darauf weist die Revision zutreffend hin. Für die Zulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) ist eine konkrete Gefahr für das Pflegepersonal nicht erforderlich. Insoweit ist es mißverständlich, wenn der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 16. Januar 1985 (- 7 AZR 226/82 -, AP Nr. 10 zu § 33 BAT) ausführt, bei der Zulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) handele es sich um eine Gefahrenzulage, die wegen der Gefahr der Strahlenbelastung gezahlt werde. Auf diesen Ausführungen beruht jedoch das Urteil des Siebten Senats nicht, da es in dem vom Siebten Senat entschiedenen Fall um die Zulage nach der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. a) ging. Deshalb kommt eine Anrufung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts wegen Divergenz zum Siebten Senat nicht in Betracht - abgesehen davon, daß der Siebte Senat für Zulagen aus dem öffentlichen Dienst nicht mehr zuständig ist.
In der Station, in der die Klägerin arbeitet, sind jedoch nicht "ausschließlich" Patienten untergebracht, die mit radioaktiven Stoffen behandelt werden. Unter dem Begriff "ausschließlich" ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, der mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag heranzuziehen ist, "alleinig, ungeteilt, uneingeschränkt, nur, nichts anderes als" zu verstehen (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 1, 1980, S. 448). Für den Begriff der Ausschließlichkeit ist damit kennzeichnend, daß er keine Ausnahmen zuläßt. Im vorliegenden Fall sind in der Station C 24, in der die Klägerin tätig ist, ganz überwiegend Patienten untergebracht, die mit radioaktiven Stoffen behandelt werden. Das reicht noch nicht aus, um den Begriff der Ausschließlichkeit zu erfüllen. Ein weiterer Teil der in der Station C 24 untergebrachten Patienten wird für eine Strahlenbehandlung vorbereitet oder nach Abschluß der Behandlung noch nachuntersucht und verbleibt deshalb auf der Station bis zu seiner Entlassung. Auch für diese Patienten kann das Merkmal der Behandlung mit radioaktiven Stoffen bejaht werden. Denn zur Behandlung mit radioaktiven Stoffen gehört die entsprechende Vorbereitung des Patienten als notwendige Zusammenhangstätigkeit hinzu. Dasselbe gilt für die entsprechende Nachbehandlung, die klären soll, welchen Erfolg die Behandlung gebracht hat. Auch die Nachbehandlung mit Nachuntersuchungen gehört daher als Zusammenhangstätigkeit zur Behandlung mit radioaktiven Stoffen. Die Behandlung wird erst mit der Nachuntersuchung abgeschlossen.
Anders verhält es sich jedoch mit den wenigen Patienten, die nach Abschluß der Behandlung mit radioaktiven Stoffen mit Cytostatika behandelt werden. Es handelt sich zwar insoweit um Einzelfälle, die aber regelmäßig auftreten. Nach der Aufstellung der Beklagten sind etwa in den Monaten August und September 1986 auf der Station C 24 an den meisten Tagen ein bis zwei Patienten mit cytostatischer Behandlung untergebracht gewesen. Auch wenn sich diese Behandlung nach der Darstellung der Klägerin an die Behandlung mit radioaktiven Stoffen anschließt und insoweit im medizinischen Sinne als Nachbehandlung aufgefaßt werden kann, läßt sich diese Behandlung nicht mehr als Behandlung mit radioaktiven Stoffen im Sinne der tariflichen Terminologie ansehen. Vielmehr zeigt sich in diesen Fällen gerade, daß die Behandlung mit radioaktiven Stoffen für die Krankheit des Patienten nicht ausgereicht hat, sondern nach Abschluß dieser Behandlung nunmehr eine andere, nämlich mit Cytostatika, medizinisch geboten ist. Die Behandlung mit Cytostatika folgt zwar zeitlich der Behandlung mit radioaktiven Stoffen, kann aber nicht funktional und als Zusammenhangsbehandlung einer Behandlung mit radioaktiven Stoffen zugeordnet werden. Es geht insoweit um zwei verschiedene Therapien.
Stellt man auf die einzelnen Räume der Station C 24 ab, in denen die Klägerin ihre Arbeit verrichtet, so wird es sich in der Mehrzahl um Räume handeln, in denen ausschließlich Patienten untergebracht sind, die mit radioaktiven Stoffen behandelt werden, während die Patienten mit cytostatischer Behandlung möglicherweise nur in einem Raum untergebracht sind. Dann ist die Klägerin zwar überwiegend in Räumen beschäftigt, in denen ausschließlich Patienten untergebracht sind, die mit radioaktiven Stoffen behandelt werden. Insoweit entfällt aber das Merkmal der ständigen Arbeit in diesen Räumen, da dieses Merkmal nur dann erfüllt ist, wenn die Arbeitszeit insoweit fast ausschließlich beansprucht wird (BAG Urteil vom 1. Februar 1983 - 3 AZR 408/80 -, AP Nr. 5 zu § 33 BAT). Da auch die Patienten mit cytostatischer Behandlung in dem Raum, in dem sie untergebracht sind, versorgt werden müssen, läßt sich nicht sagen, daß die Behandlung der übrigen Patienten die Arbeitszeit der Klägerin fast ausschließlich beansprucht.
Bereits der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinem Urteil vom 1. Februar 1983 - 3 AZR 408/80 - (AP Nr. 5 zu § 33 BAT) darauf hingewiesen, daß die tarifliche Regelung der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) nicht unter allen denkbaren Aspekten einleuchtet. Es liegt nahe, daß die Zulage von den Tarifvertragsparteien als Gefahrenzulage wegen gesundheitsschädlicher Einflüsse infolge von Strahlenbelastungen gedacht war. Dies hat in der Tarifnorm jedoch keinen Ausdruck gefunden, so daß nunmehr die Zulage auch solchen Pflegekräften zu zahlen ist, die keinen Strahlenbelastungen ausgesetzt sind, sofern sie nur die Voraussetzungen der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) erfüllen. Andererseits steht die Zulage solchen Pflegekräften nicht zu, die nicht ausschließlich Patienten betreuen, die mit radioaktiven Stoffen behandelt werden, auch wenn sie ganz überwiegend mit solchen Patienten zu tun haben. Den Gerichten ist es jedoch verwehrt, die Zulagenregelung an veränderte Umstände und bessere Erkenntnisse anzupassen. Dies ist vielmehr Aufgabe der Tarifvertragsparteien. Auch darauf hat der Dritte Senat in dem angeführten Urteil hingewiesen. Wenn die Tarifvertragsparteien gleichwohl bis zum heutigen Tage die Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. d) unverändert gelassen haben, muß davon ausgegangen werden, daß sie diese Regelung, so wenig einleuchtend sie sein mag, beibehalten wollen. Daran sind die Gerichte für Arbeitssachen gebunden. Es ist nicht ihre Aufgabe, tarifliche Regelungen auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. BAGE 48, 65, 73 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie sowie das Urteil des Senats vom 20. August 1986 - 4 AZR 265/85 - AP Nr. 47 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie mit weiteren Nachweisen).
Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Dr. Feller Dr. Freitag Dr. Etzel
Koerner Schaible
Fundstellen
Haufe-Index 439436 |
RdA 1988, 191 |
USK, 8803 (ST) |
ZTR 1988, 266-267 (LT1-4) |
AP § 33 BAT (LT1-4), Nr 12 |
AR-Blattei, ES 990 Nr 8 (LT1-4) |
AR-Blattei, Krankenpflege- und Heilhilfspersonal Entsch 8 (LT1-4) |
EzBAT § 33 BAT, Nr 2 (LT1-4) |
VR 1988, 333 (S) |