Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung von Arbeitsverhältnissen wegen eines vorübergehenden Mehrbedarfs an Arbeitskräften
Leitsatz (amtlich)
Ein vorübergehender Mehrbedarf an Arbeitskräften kann die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu erwarten ist, daß für eine Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers nach Ablauf der Vertragszeit kein Bedarf mehr besteht. Dafür hat der Arbeitgeber eine Prognose zu Umfang und Dauer des voraussichtlichen Mehrbedarfs zu erstellen. Deren Grundlage hat er offenzulegen.
Normenkette
BGB § 620; KSchG 1969 § 1 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 12. Juli 1995 – 2 Sa 12/95 (verbunden mit 3 Sa 13/95) – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Befristung ihrer Teilzeitarbeitsverhältnisse.
Mit der Klägerin zu 1) hat die Beklagte am 12. Juni 1992 eine Vereinbarung als Abrufkraft für die Dienststelle Briefabgang getroffen. Danach war das Arbeitsverhältnis jeweils für eine Dienstschicht zweckbefristet für die Krankenvertretung von Stammkräften und die Bewältigung eines überdurchschnittlich hohen Sendungsaufkommens. Nach Maßgabe der Abrufvereinbarung war die Klägerin zu 1) am 23. April und am 12. Mai 1993 jeweils für vier Stunden und zuletzt am 14. Januar 1994 für fünf Stunden beschäftigt worden.
Daneben hatten die Klägerin zu 1) und die Beklagte seit 1992 fünf befristete Arbeitsverträge vereinbart. Nach denen war die Klägerin zu 1) im Briefabgang nahezu durchgängig 20 Wochenstunden beschäftigt worden. Seit Mitte 1993 war die Klägerin zu 1) nach den Verträgen vom 21. Mai 1993, vom 1. Juli 1993 und zuletzt vom G. September 1993 insgesamt für die Zeit vom 17. Mai 1993 bis 31. Dezember 1993 tätig geworden. Im letzten Arbeitsvertrag war als Befristungsgrund ein erhöhter Personalbedarf und Weihnachtsverkehr angegeben.
Mit der Klägerin zu 2) hat die Beklagte ebenfalls am 12. Juni 1992 einen Vertrag als Abrufkraft geschlossen, auf dessen Grundlage die Arbeitnehmerin in den Jahren 1992 und 1993 an insgesamt acht Tagen zwischen 3,5 und 10 Wochenstunden und an weiteren neun Tagen im Januar 1994 zwischen 4 und 6 Stunden beschäftigt war. Daneben waren auch mit der Klägerin zu 2) seit 1992 insgesamt vier befristete Arbeitsverträge geschlossen worden, aufgrund deren sie überwiegend 20 Stunden wöchentlich tätig war. Zuletzt war im Vertrag vom 4. Juni 1993 eine Beschäftigungszeit vom 1. Juni bis 31. Juli 1993 und daran anschließend mit Vertrag vom 6. September 1993 eine Beschäftigung für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1993 vereinbart worden. Die Befristung des letzten Arbeitsvertrages wurde ebenfalls mit erhöhtem Personalbedarf und Weihnachtsverkehr begründet.
Die Parteien sind tarifgebunden. Die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. Januar 1955 (TV Arb) in der hier maßgeblichen Fassung über die Einteilung der Arbeiter lauten wie folgt:
„§ 2
(1) Die Arbeiter werden eingeteilt in
- vollbeschäftigte ständige Arbeiter,
- nichtvollbeschäftigte ständige Arbeiter
- – sie erhalten Monatslohn –,
- vollbeschäftigte nichtständige Arbeiter,
- nichtvollbeschäftigte nichtständige Arbeiter
- – sie erhalten Lohn nach der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden –.
(2) Ständige Arbeiter sind solche Arbeiter, die für einen regelmäßigen Arbeitsanfall zu dauernder Beschäftigung benötigt werden. Eine dauernde Beschäftigung im Sinne des Satzes 1 ist immer dann gegeben, wenn die Beschäftigung für voraussichtlich länger als drei Monate vorgesehen ist.
(3) Nicht unter Absatz 2 fallende Arbeiter sind nichtständige Arbeiter und werden nach der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden entlohnt. Stellt sich bei einem solchen Arbeiter im Laufe eines Kalendermonats heraus, daß er die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so ist er vom Beginn des folgenden Kalendermonats an ständiger Arbeiter und erhalt Monatslohn.
…”
Zur Arbeitszeit bestimmt § 5 Abs. 2 TV Arb:
„Der wöchentliche Durchschnitt der regelmäßigen Arbeitszeit ausschließlich der Pausen (Wochenarbeitszeit) für die nichtvollbeschäftigten Arbeiter wird durch den Einzelarbeitsvertrag vereinbart …”
Die Klägerinnen sind der Ansicht, ein die Befristung rechtfertigender Personalmehrbedarf habe nicht bestanden.
Die Klägerinnen haben jeweils beantragt,
- festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 1993 hinaus fortbesteht,
- die Beklagte zu verurteilen, sie über den 31. Dezember 1993 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als nichtvollbeschäftigte Arbeitnehmerinnen mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 20 Stunden weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Sie hält die Befristung der letzten Arbeitsverträge für wirksam. Die Umstellung auf das neue Postleitzahlensystem zum 1. Juli 1993 und der ab Oktober einsetzende Weihnachtspostverkehr hätten zu einem vorübergehenden Mehrbedarf an Arbeitskräften geführt.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte jeweils antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichteten Berufungen blieben ohne Erfolg. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klagen. Die Klägerinnen beantragen die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Arbeitsverhältnisse der Parteien haben nicht infolge Fristablaufs mit dem 31. Dezember 1993 geendet. Die in den Arbeitsverträgen vom 6. September 1993 vereinbarten Befristungen sind nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt und damit unwirksam.
I. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts laßt sich der Anspruch der Klägerinnen auf Feststellung eines über den 31. Dezember 1993 fortbestehenden Teilzeitarbeitsverhältnisses nicht auf die Vereinbarung vom 12. Juni 1992 in Verb, mit tarifvertraglichen Vorschriften über den Status teilzeitbeschäftigter Arbeiter stützen.
1. Die Vereinbarung ist zwar auf unbestimmte Zeit geschlossen. Sie ermöglicht es der Beklagten, die Klägerinnen auf Abruf im Briefabgang einzusetzen. Die Beklagte ist jedoch zu einer Beschäftigung der Klägerinnen nicht verpflichtet. Nach Nr. I Satz 1 der Vereinbarung erfolgte die Einstellung der Klägerinnen als nichtvollbeschäftigte Arbeitnehmerinnen im Sinne des § 5 Abs. 2 TV Arb. Für diesen Personenkreis bestimmt § 5 Abs. 2 Satz 1 TV Arb, daß die Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit einer gesonderten Vereinbarung bedarf. Durch die Bezugnahme auf diese Tarifvorschrift haben die Parteien die Arbeitspflicht nicht in der Vereinbarung selbst geregelt, sondern einer künftigen Einigung vorbehalten. Auf Grund dessen ist die Beklagte nicht berechtigt, von den Klägerinnen eine Arbeitsleistung zu fordern. Die Klägerinnen sind ihrerseits zur Leistung der versprochenen Dienste erst nach Annahme eines entsprechenden Angebots der Beklagten verpflichtet.
2. Die nach dieser Vereinbarung erforderliche Einigung der Parteien über einen tatsächlichen Arbeitseinsatz wird entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht durch eine in § 2 Abs. 3 TV Arb angeordnete Statusumwandlung ersetzt.
a) § 2 Abs. 1 TV Arb regelt die Einteilung der voll- oder nichtvollbeschäftigten Arbeiter zur Gruppe der ständigen oder nichtständigen Arbeiter und die Art ihrer Entlohnung. Die Absätze 2 und 3 des § 2 TV Arb enthalten die Zuordnungskriterien. Danach sind ständige Arbeiter solche, die für einen regelmäßigen Arbeitsanfall zu einer voraussichtlich länger als drei Monate dauernden Beschäftigung vorgesehen sind (§ 2 Abs. 2 TV Arb). Arbeiter, deren Einsatz diese Kriterien nicht erfüllen, sind nichtständige Arbeiter (§ 2 Abs. 3 Satz 1 TV Arb). Nach der Tarifnorm ist die Zuordnung zum Kreis der ständigen bzw. nichtständigen Arbeiter von Bedeutung für die Art der Entlohnung und weitere an diesen Status knüpfende tarifvertragliche Regelungen etwa zum Arbeitsentgelt (§ 2 Abs. 1, § 6 Abs. 9, § 11 Abs. 2 und 3, § 16 Abs. 3 TV Arb), für die Arbeitsbefreiung (§ 5 Abs. 6 TV Arb) sowie zur Berechnung der Dienstzeit (§ 9 a Abs. 1 TV 7Vrb). Nach seinem Wortlaut läßt § 2 TV Arb jedoch die Art des mit dem Arbeiter abgeschlossenen Vertrages (befristet oder unbefristet) unberührt. Die Unterscheidung ständiger und nichtständiger Arbeiter bezieht sich auf einen tatsächlichen Arbeitseinsatz unabhängig davon, ob sich dieser Arbeitseinsatz auf der Grundlage eines befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnisses vollzieht.
b) Nichts anderes gilt für die in § 2 Abs. 3 Satz 2 TV Arb geregelte Statusumwandlung. § 2 Abs. 3 Satz 2 TV Arb ordnet an, daß ein nichtständiger Arbeiter, bei dem sich im Laufe eines Kalendermonats nach Aufnahme der Beschäftigung herausstellt, daß er die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 TV Arb erfüllt, von Beginn des folgenden Kalendermonats an ständiger Arbeiter im Sinne der Tarifvorschrift ist. Die Einteilung als ständiger oder nichtständiger Arbeiter steht in keinem Zusammenhang mit der Art und der Dauer des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses. Dieses Rechtsverhältnis wird dann auch von der Umwandlung nicht betroffen.
II. Das Landesarbeitsgericht hat in seiner Alternativbegründung zu Recht angenommen, daß jedenfalls die Befristung der Arbeitsverträge vom 6. September 1993 sachlich nicht gerechtfertigt ist.
1. Diese Verträge unterliegen der Befristungskontrolle, obwohl die Klägerinnen nach Ablauf der Vertragszeit zuletzt am 14. Januar 1994 für die Beklagte im Briefabgang tätig waren.
a) Seit der Entscheidung vom 8. Mai 1985 (BAGE 49, 73 = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) geht der Senat zwar in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß bei mehreren aufeinander folgenden Arbeitsverhältnissen im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle in der Regel nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrages auf ihre sachliche Rechtfertigung hin zu prüfen ist. Durch den vorbehaltlosen Abschluß eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage, die künftig für ihre Rechtsbeziehungen maßgebend ist. Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, daß es des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages nicht bedarf, wenn die Befristung der vorangegangenen Verträge unwirksam ist und die Parteien sich deshalb bereits in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befinden. Da ein unbefristetes und ein befristetes Arbeitsverhältnis mit sonst gleichem Inhalt sich einander ausschließen, macht der Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages nur dann einen Sinn, wenn die Parteien Zweifel an der Unwirksamkeit der Befristung der früheren Verträge haben und den weiteren befristeten Vertrag unter einem entsprechenden Vorbehalt abschließen. Daher ist auch in Fällen, in denen sich zwei Arbeitsverträge zu einer Vollzeitbeschäftigung ergänzen, auf die beiden letzten nebeneinander laufenden Verträge abzustellen (BAG Urteil vom 8. April 1992 – 7 AZR 135/91 – AP Nr. 146 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
b) Nach dem objektiven Erklärungswert der rechtsgeschäftlichen Erklärungen spricht nichts dafür, daß die Parteien durch die Arbeitsaufnahme der Klägerinnen im Rahmen der Vereinbarungen vom 12. Juni 1992 ihre durch Arbeitsverträge vom 6. September 1993 begründeten Rechtsbeziehungen auf eine neue Grundlage stellen wollten. Vielmehr haben die Klägerinnen trotz Identität der jeweiligen Arbeitsaufgaben eine auf anderer Rechtsgrundlage geschuldete Arbeitsleistung erbracht. Zudem waren sie über den konkreten Arbeitseinsatz hinaus nach der Vereinbarung nicht verpflichtet, ihre Arbeitskraft der Beklagten zur Verfügung zu stellen. Wie auch die bisherige Vertragspraxis der Parteien zeigt, bestanden die jeweiligen befristeten Arbeitsverhältnisse stets neben der Rahmenvereinbarung und einer darauf beruhenden einsatzbezogenen Konkretisierung.
2. Die Befristung der Arbeitsverträge vom 6. September 1993 bedurfte zu ihrer Wirksamkeit eines Sachgrundes. Durch sie konnten die Klägerinnen dem Schutz zwingender Kündigungsschutzbestimmungen entzogen werden. Zwar bestanden die letztlich für die Befristungskontrolle maßgebenden Arbeitsverhältnisse nur vier Monate, während der Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 1 KSchG erst bei einem ohne Unterbrechung für mehr als sechs Monate bestehenden Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber einsetzt. Auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG sind jedoch die Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis in einem engen rechtlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis steht (BAG Urteil vom 10. Mai 1989, BAGE 62, 48, 53 = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, zu II c aa der Gründe; BAG Urteil vom 4. April 1990, BAGE 65, 86, 94 = AP Nr. 136 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu A II 2 der Gründe). Ein enger sachlicher Zusammenhang liegt schon deswegen vor, weil die Klägerinnen mit gleichbleibenden Aufgaben und sonstigen gleichbleibenden Arbeitsbedingungen bereits aufgrund befristeter Arbeitsverträge vom 1. Juli 1993 für die Zeit vom 7. Juni bis 31. Juli 1993 (Klägerin zu 1) und vom 4. Juni 1993 für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Juli 1993 (Klägerin zu 2) bei der Beklagten tätig waren. Demzufolge waren sie bis zum Ablauf des letzten befristeten Arbeitsvertrages mehr als sechs Monate bei der Beklagten ununterbrochen beschäftigt. Ob zur Berechnung der Sechs-Monats-Frist auch die früheren Beschäftigungszeiten bei der Beklagten aufgrund der Vereinbarungen vom 12. Juni 1992 heranzuziehen sind, bedarf keiner Entscheidung.
3. Die Befristung der Arbeitsverträge vom 6. September 1993 ist unwirksam. Die Beklagte hat einen vorübergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung der Klägerinnen nicht dargelegt.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein zusätzlicher, aber vorübergehender Arbeitskräftebedarf die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen (Urteil vom 14. Januar 1982, BAGE 37, 305, 317 f. = AP Nr. 65 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu B III 2 a der Gründe, m.w.N.). Dafür muß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgrund greifbarer Tatsachen mit einiger Sicherheit zu erwarten sein, daß für eine Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers über das vorgesehene Vertragsende hinaus kein Bedarf besteht. Dafür ist eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen. Eine bloße Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs reicht für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nicht aus (Urteil vom 13. Mai 1982, BAGE 39, 38 = AP Nr. 68 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; Urteil vom 10. Juni 1992 – 7 AZR 346/91 – EzA § 620 BGB Nr. 116; Urteil vom 31. März 1993 – 7 AZR 536/92 –, n.v.).
Die Wirksamkeit einer Befristung wegen eines vorübergehenden Mehrbedarfs setzt zudem voraus, daß der Arbeitnehmer gerade zur Deckung dieses Mehrbedarfs eingestellt wird. Der Arbeitgeber darf einen zeitweiligen Mehrbedarf an Arbeitskräften nicht zum Anlaß nehmen, beliebig viele Arbeitnehmer einzustellen. Vielmehr muß sich die Zahl der befristet eingestellten Arbeitnehmer im Rahmen des vorübergehenden Mehrbedarfs halten und darf diesen nicht überschreiten (BAG Urteil vom 18. April 1986 – 7 AZR 583/84 –, n.v.; BAG Urteil vom 15. November 1989 – 7 AZR 529/88 –, n.v.).
b) Die Beklagte hat zwar Ereignisse genannt, die für sich gesehen einen Mehrbedarf an Arbeitskräften begründen können. Sie hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, die Grundlage einer hinreichend sicheren Prognose sein konnten. Zur Begründung eines nur vorübergehend gestiegenen Mehrbedarfs hat die Beklagte auf einen mit der Umstellung auf das neue Postleitzahlensystem zum 1. Juli 1993 verbundenen erhöhten Anlernbedarf bei den Verteilerkräften verwiesen. Dazu trägt sie im wesentlichen vor, als Folge der im Juli 1993 erfolgten Umstellung der Verteilfachschränke auf das neue Postleitzahlensystem sei die Verteilleistung zunächst um 40 % gesunken, jedoch bis zum Jahresende kontinuierlich angestiegen. Schon diese Angaben lassen nicht erkennen, welcher Mehrbedarf an Verteilkräften durch die Umstellung auf das fünfstellige Postleitzahlensystem entstanden ist. Es fehlt auch an Anhaltspunkten dafür, wieviele zusätzliche Verteilkräfte im Zusammenhang mit der Änderung des Postleitzahlensystems befristet oder unbefristet eingestellt worden sind oder ob ggf. dem zusätzlichen Bedarf durch eine Umverteilung der Arbeit innerhalb der Stammbelegschaft oder durch vorübergehende Abordnungen Rechnung getragen worden ist. Auch zum konkreten Wegfall des Mehrbedarfs enthält der Vortrag keine Angaben. Die Beklagte hat aber anhand konkreter Tatsachen darzulegen, weshalb nach Ablauf des Befristungszeitraums keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung der Klägerinnen besteht. Erweist sich ihre Prognose zum Fehlen eines Weiterbeschaftigungsbedarfs als unzutreffend, muß sie jedenfalls diejenigen tatsächlichen Umstände benennen, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine gegenteilige Prognose rechtfertigen konnten. Daran fehlt es. Die Beklagte nennt nicht einmal Berechnungsgrößen, anhand derer sie einen konkreten vorübergehend erhöhten Personalbedarf im Verteilerbereich ermittelt haben will. Auch ihrer Behauptung, während einer Einarbeitungsphase habe die gesunkene Verteilleistung nur durch den Einsatz zusätzlicher Kräfte kompensiert werden können, läßt weder den voraussichtlichen Umfang noch die voraussichtliche Dauer des Mehrbedarfs erkennen.
Dasselbe gilt, soweit sich die Beklagte auf einen erhöhten Personalbedarf im Codierungsbereich beruft. Zwar meint sie, aufgrund der Einrichtungen zweier zusätzlicher Codierplätze im September 1993 habe sie davon ausgehen können, in diesem Bereich nach dem 31. Dezember 1993 keine zusätzlichen Arbeitskräfte mehr zu benötigen. Daran wird nicht ersichtlich, welcher vorübergehende Mehrbedarf an Arbeitskräften tatsächlich bestanden hat. Die Beklagte legt auch nicht dar, in welchem Umfang sie einem zusätzlichen Bedarf durch Neueinstellungen Rechnung getragen hat.
Auch der behauptete Mehrbedarf zur Bewältigung eines erhöhten Sendungsaufkommens zu Weihnachten 1993 ist nicht geeignet, die Befristung der Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen zu rechtfertigen. Die Beklagte nennt keine tatsächlichen Umstände, aus denen sich ergibt, wieviele Arbeitskräfte für die Bewältigung eines bis Dezember steigenden Postaufkommens voraussichtlich ausreichend sind. Dazu hätte es nahegelegen, zunächst den für die Bewältigung eines durchschnittlichen Sendungsaufkommens notwendigen Personalbedarf vorzutragen. Die Beklagte hätte dann die voraussichtliche Entwicklung des Sendungsaufkommens für die Zeit bis Dezember aufzeigen und anhand dessen einen zusätzlichen Personalbedarf ermitteln müssen. Insgesamt hat sich die Beklagte darauf beschränkt, einen Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften aufgrund unterschiedlicher tatsächlicher Ereignisse vorzutragen. Konkrete Umstände, die eine tragfähige Prognose über Umfang und Dauer des Mehrbedarfs erlauben, zeigt sie nicht auf.
4. Ohne Erfolg rügt die Revision eine Verkennung der Grundsätze zur Verteilung der Darlegungslast durch das Landesarbeitsgericht.
Zum Sachgrund eines vorübergehenden Mehrbedarfs gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine abgestufte Darlegungslast. Behauptet der Arbeitnehmer einen dauerhaften Bedarf des Arbeitgebers an seiner Arbeitsleistung, ist der Arbeitgeber gehalten, diejenigen Tatsachen vorzutragen, die eine entsprechende Prognose über Umfang und Dauer des voraussichtlichen Mehrbedarfs zulassen. Dazu sind die Grundlagen dieses Wahrscheinlichkeitsurteils auszuweisen (BAG Urteil vom 10. Juni 1992, aaO, zu III 2 a der Gründe). Diese Prognose hat sich auch darauf zu beziehen, ob im Zeitpunkt des Ablaufs der Befristung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kein Bedarf mehr an der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers besteht. Wird die Prognose des Arbeitgebers durch die spätere Entwicklung bestätigt, besteht eine ausreichende Vermutung dafür, daß sie hinreichend fundiert erstellt worden ist. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, Tatsachen vorzutragen, nach denen zumindest im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses diese Prognose nicht gerechtfertigt war. Hat sich die Prognose nicht bestätigt, muß der Arbeitgeber die ihm bei Vertragsabschluß bekannten Tatsachen vorbringen, die ihm jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt den hinreichend sicheren Schluß darauf erlaubten, daß nach Ablauf der Befristung kein konkreter Bedarf mehr an der Arbeitsleistung des eingestellten Arbeitnehmers besteht.
Im Hinblick darauf durfte sich die Beklagte nicht darauf beschränken, lediglich das Ergebnis ihrer Überlegungen mitzuteilen. Vielmehr war sie gehalten, ihre konkreten Erkenntnisquellen offenzulegen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Straub, Knapp
Fundstellen
Haufe-Index 441467 |
BB 1996, 2045 |
NJW 1997, 1029 |
NWB 1997, 163 |
NZA 1997, 313 |