Entscheidungsstichwort (Thema)
Auszubildender. Übernahme in Teilzeitarbeitsverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
1. Verlangt ein durch § 78a BetrVG geschützter Auszubildender fristgemäß und schriftlich vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung in einem Vollzeitarbeitsverhältnis, so gilt gemäß § 78a Abs 2 BetrVG zwischen Auszubildendem und Arbeitgeber im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis ein Vollzeitarbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet.
2. Ist dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung im Rahmen eines unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnisses nicht zumutbar, muß er dies in einem Beschlußverfahren nach § 78a Abs 4 BetrVG geltend machen.
Normenkette
BetrVG § 78a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin wurde bei der Beklagten seit dem 1. September 1983 zur Einzelhandelskauffrau ausgebildet und bezog zuletzt eine monatliche Ausbildungsvergütung in Höhe von 797,-- DM brutto. Seit dem Jahre 1984 gehört sie der Jugendvertretung an. Ende Februar 1986 teilte die Beklagte der Klägerin schriftlich mit, daß sie im Anschluß an ihre Berufsausbildung nicht in ein Vollzeitarbeitsverhältnis übernommen werden könne, sondern nur die Übernahme in ein Teilzeitarbeitsverhältnis möglich sei. Mit Schreiben vom 16. März 1986 begehrte die Klägerin von der Beklagten die Übernahme in ein Vollzeitarbeitsverhältnis. Bereits am nächsten Tag teilte ihr die Beklagte unter Bezugnahme auf ihr früheres Schreiben mit, daß die Übernahme in ein Vollzeitarbeitsverhältnis nicht möglich sei.
Mit ihrer der Beklagten am 10. Juni 1986 zugestellten Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten begehrt, sie nach Beendigung ihrer Berufsausbildung in einem unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnis weiterzubeschäftigen.
Am 24. Juni 1986 bestand die Klägerin ihre Abschlußprüfung. Im Anschluß daran wurde sie von der Beklagten lediglich in einem Teilzeitarbeitsverhältnis von 100 Monatsstunden beschäftigt, während das tarifliche Vollzeitarbeitsverhältnis 167 Monatsstunden umfaßt. Mit der Klägerin legten weitere sieben zu Einzelhandelskaufleuten ausgebildete Auszubildende der Beklagten erfolgreich die Abschlußprüfung ab. Hiervon schieden zwei nach Beendigung ihres Berufsausbildungsverhältnisses aus; ein Auszubildender wurde, wie die Klägerin, in ein unbefristetes Teilzeitarbeitsverhältnis zu 100 Monatsstunden übernommen. Die restlichen vier Einzelhandelskaufleute erhielten befristete Vollzeitarbeitsverträge. Hiervon waren drei Arbeitsverträge auf achtzehn Monate befristet. Die Beklagte wollte diesen Arbeitnehmern Gelegenheit geben, sich durch die Teilnahme an einem betrieblichen Förderkreis für eine betriebliche Prüfung zu qualifizieren, die Voraussetzung für eine spätere Verwendung als Substitut war. Die Teilnahme an dem Förderkreis wäre auch im Rahmen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses mit 100 Wochenstunden möglich gewesen. Zwei von den drei Teilnehmern wurden nebenbei als Aushilfe wegen vorübergehender Mehrarbeit in der Lebensmittelabteilung eingesetzt. Der vierte Arbeitsvertrag wurde lediglich auf drei Monate befristet; er betraf die Vertretung eines Ersatzdienstleistenden. Nach Ablauf der drei Monate schied der befristet weiterbeschäftigte Arbeitnehmer bei der Beklagten aus.
In den Vorinstanzen hat die Klägerin vorgetragen, sie habe als Jugendvertreterin gemäß § 78 a BetrVG einen Anspruch darauf, in ein Vollzeitarbeitsverhältnis übernommen zu werden. Da die Ganztagsbeschäftigung der Regelfall sei, habe § 78 a Abs. 2 BetrVG die Begründung eines Ganztagsarbeitsverhältnisses zum Inhalt. Hätte der Gesetzgeber die Übernahme lediglich in ein Teilzeitarbeitsverhältnis für ausreichend erachtet, hätte dies in dieser Vorschrift ausdrücklich erwähnt werden müssen.
Die Klägerin hat beantragt
1. festzustellen, daß sie nach Beendigung
ihrer Berufsausbildung in einem unbefristeten
Vollzeitarbeitsverhältnis
stehe;
2. die Beklagte zu verurteilen, sie in
einem unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnis
weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat sie im wesentlichen vorgetragen, aus § 78 a BetrVG ergebe sich kein Anspruch der Klägerin auf Übernahme in ein Vollzeitarbeitsverhältnis. Unter einem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 78 a BetrVG seien alle in der betrieblichen Praxis vorkommenden Arbeitsvertragstypen gemeint, mithin auch Teilzeitarbeitsverhältnisse. Wollte § 78 a BetrVG die Begründung von Teilzeitarbeitsverhältnissen generell ausschließen, hätte dies ausdrücklich geregelt werden müssen. Deshalb könne der Arbeitgeber seiner Verpflichtung aus § 78 a BetrVG auch durch eine unbefristete Weiterbeschäftigung in einem Teilzeitarbeitsverhältnis nachkommen. Diese Vorschrift gebiete in Verbindung mit § 37 Abs. 4 und Abs. 5 BetrVG nur, den Jugendvertreter im Verhältnis zu anderen Auszubildenden nicht zu benachteiligen, seine Besserstellung sei damit nicht bezweckt. Demnach müsse der Arbeitgeber dem Jugendvertreter nur ein Arbeitsverhältnis zu den betriebsüblichen Bedingungen zugestehen. Die Weiterbeschäftigungspflicht beschränke sich jedenfalls dann betriebstypisch auf eine Teilzeitbeschäftigung, wenn keiner der vergleichbaren Auszubildenden in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis übernommen werde.
Um möglichst vielen Jugendlichen eine Ausbildung zu vermitteln, bilde die Beklagte weit über den betrieblichen Bedarf aus. Aus diesem Grunde könne sie nicht sämtliche Auszubildende in ein Vollzeitarbeitsverhältnis übernehmen. Sie halte es für gerechter und sinnvoller, mehreren Auszubildenden eine Weiterbeschäftigung als Teilzeitarbeitnehmer zu ermöglichen, als nur wenigen eine Vollzeitbeschäftigung auf Dauer zu bieten.
Im vorliegenden Fall bestehe für die Beklagte keine Verpflichtung, ein Verfahren im Rahmen des § 78 a Abs. 4 BetrVG durchzuführen. Ein solches sei nur geboten, wenn der Arbeitgeber überhaupt kein Arbeitsverhältnis begründen oder ein bereits begründetes Arbeitsverhältnis vollständig auflösen wolle. Nicht dagegen, wenn es um die Frage gehe, welche Arbeitsbedingungen für ein im Grundsatz unstreitig begründetes unbefristetes Arbeitsverhältnis gelten sollen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben; die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Durch das Weiterbeschäftigungsbegehren der Klägerin ist im Anschluß an ihr Berufsausbildungsverhältnis kraft Gesetzes ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet worden (§ 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Die Beklagte ist daher auch verpflichtet, die Klägerin entsprechend dem Inhalt dieses Arbeitsverhältnisses tatsächlich zu beschäftigen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß dem Klagebegehren keine prozeßrechtlichen Bedenken entgegenstehen.
1. Der erkennende Senat folgt der ständigen Rechtsprechung des Ersten und des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Beschluß vom 9. Dezember 1975 - 1 ABR 7/75 - AP Nr. 1 zu § 78 a BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe; Urteil vom 21. August 1979 - 6 AZR 789/77 - AP Nr. 6 zu § 78 a BetrVG 1972, zu I 2 der Gründe; BAGE 43, 115, 118 = AP Nr. 10 zu § 78 a BetrVG 1972, zu I 2 der Gründe; BAGE 44, 154, 156 = AP Nr. 11 zu § 78 a BetrVG 1972, zu I 2 der Gründe). Danach ist der Antrag des Auszubildenden auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses im Urteilsverfahren zu verfolgen, denn es handelt sich bei dem auf § 78 a Abs. 2 BetrVG gestützten Anspruch des Klägers um eine individualrechtliche Streitigkeit im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 3 b, Abs. 5 i.V.m. §§ 46 ff. ArbGG. Dies gilt auch, wenn mit der Entscheidung über den Antrag des Auszubildenden auch über dessen betriebsverfassungsrechtliches Amt entschieden wird.
2. Der erkennende Senat teilt auch die Rechtsansicht des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAGE 43, 115, 118 f. = AP Nr. 10 zu § 78 a BetrVG 1972, zu I 3 der Gründe; BAGE 44, 154, 156 = AP Nr. 11 zu § 78 a BetrVG 1972, zu I 3 der Gründe; Urteil vom 5. April 1984 - 6 AZR 70/83 - AP Nr. 13 zu § 78 a BetrVG 1972, zu 3 der Gründe), nach der für die Klage eines Auszubildenden auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses nach § 78 a Abs. 2 BetrVG ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO stets zu bejahen ist, wenn der Arbeitgeber zwar die Begründung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Weiterbeschäftigungsbegehrens des Auszubildenden leugnet, die nach § 78 a Abs. 4 BetrVG vorgesehenen Anträge aber nicht stellt. Auch das hat entsprechend zu gelten, wenn lediglich über den Inhalt des durch § 78 a Abs. 2 BetrVG begründeten Arbeitsverhältnisses gestritten wird.
II. Rechtsfehlerfrei ist auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, zwischen den Parteien sei aufgrund des § 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG mit Wirkung ab dem 25. Juni 1986 kraft Gesetzes ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Denn die von dieser Vorschrift aufgestellten tatsächlichen Voraussetzungen für das Entstehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses sind im Entscheidungsfall vollständig erfüllt, und ein Verfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG hat die Beklagte nicht eingeleitet.
Die Klägerin war bei Beendigung ihres Berufsausbildungsverhältnisses Mitglied der Jugendvertretung bei der Beklagten und hat innerhalb der letzten drei Monate vor diesem Beendigungszeitpunkt ihre Weiterbeschäftigung schriftlich verlangt. Für die Berechnung des Drei-Monats-Zeitraums ist gemäß § 14 Abs. 1 BBiG auf das vertraglich festgelegte Ende des Berufsausbildungsverhältnisses bzw., wenn der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlußprüfung besteht, gemäß § 14 Abs. 2 BBiG auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses abzustellen (vgl. BAGE 50, 79, 80 f. = AP Nr. 15 zu § 78 a BetrVG 1972, zu I 1 a der Gründe, m.w.N.). Die Klägerin hatte am 24. Juni 1986 ihre Abschlußprüfung bestanden; angesichts des noch laufenden Ausbildungsvertrages sind daher die Vorinstanzen zu Recht von diesem Zeitpunkt ausgegangen. Deshalb lag zwar das schriftliche Weiterbeschäftigungsbegehren der Klägerin vom 16. März 1986, das der Beklagten noch am selben oder am folgenden Tag zugegangen sein muß, vor dem Beginn der Dreimonatsfrist des § 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG und war daher rechtlich nicht wirksam (vgl. BAG Urteil vom 15. Januar 1980 - 6 AZR 621/78 - AP Nr. 7 zu § 78 a BetrVG 1972, zu II 4 der Gründe, m.w.N.). Zutreffend haben die Vorinstanzen jedoch in der Klage vom 4. Juni 1986, die der Beklagten am 10. Juni 1986 zugestellt wurde, eine rechtzeitige Wiederholung des schriftlichen Weiterbeschäftigungsbegehrens gesehen.
III. Gegen dieses Zwischenergebnis des Landesarbeitsgerichts, nach dem die Klägerin bei der Beklagten gemäß § 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG seit dem 25. Juni 1986 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht, wendet sich auch die Revision nicht. Sie rügt lediglich, das Landesarbeitsgericht habe den Inhalt dieses Arbeitsverhältnisses fehlerhaft dahin bestimmt, es handele sich um ein Vollzeitarbeitsverhältnis. Insoweit folgt der Senat dem Landesarbeitsgericht nur im Ergebnis, nicht aber in der Begründung.
1. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, weder der Wortlaut noch die Üblichkeit im Arbeitsleben noch der Gesamtzusammenhang der Vorschrift und auch nicht ihr Schutzzweck würden dafür sprechen, ein gemäß § 78 a Abs. 2 BetrVG begründetes Arbeitsverhältnis müsse stets ein Vollzeitarbeitsverhältnis sein. Ausdrücklich bestimme die Vorschrift vielmehr lediglich, daß ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet werde; eine nähere Bestimmung seines Inhalts einschließlich seiner zeitlichen Ausgestaltung werde allein durch die Verweisungsvorschrift des § 78 a Abs. 2 Satz 2 BetrVG getroffen. Auch nach dem Schutzzweck der Vorschrift solle den in Betriebsverfassungsorganen tätigen Auszubildenden nur das Arbeitsplatzrisiko nach Beendigung der Ausbildung abgenommen werden; dagegen solle hinsichtlich des Inhalts des Arbeitsverhältnisses gegenüber den vergleichbaren Arbeitnehmern keine Bevorzugung stattfinden. Der von § 78 a BetrVG bezweckte Schutz des Amtes der Jugendvertretung und des einzelnen Auszubildenden vor Nachteilen in seiner beruflichen Entwicklung wegen seiner Amtsführung gebiete es nicht, die geschützten Auszubildenden ausnahmslos in ein Vollzeitarbeitsverhältnis zu übernehmen. Vielmehr könne dieser Schutzzweck auch damit erreicht werden, daß sich unmittelbar an das Ausbildungsverhältnis ein Teilzeitarbeitsverhältnis anschließe, sofern der geschützte Auszubildende hierdurch nicht schlechter behandelt werde als vergleichbare Arbeitnehmer. Dennoch habe die Klägerin jedenfalls deshalb Anspruch auf eine Vollzeitbeschäftigung, weil die Beklagte mit mehreren vergleichbaren Auszubildenden Vollzeitarbeitsverträge abgeschlossen habe. Auch wenn diese eine Befristungsvereinbarung enthielten, sei jedenfalls bei den auf achtzehn Monate befristeten Arbeitsverträgen erkennbar, daß diese Arbeitnehmer über den Befristungszeitraum hinaus bei der Beklagten weiterbeschäftigt werden sollten. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte der Klägerin ebenfalls die Weiterbeschäftigung auf einem Vollzeitarbeitsplatz ermöglichen müssen.
2. Dieser Begründung des Landesarbeitsgerichts kann sich der Senat vor allem deshalb nicht uneingeschränkt anschließen, weil das Landesarbeitsgericht für die Frage des zeitlichen Umfangs des gemäß § 78 a Abs. 2 BetrVG entstehenden Arbeitsverhältnisses entscheidend auf die Arbeitsbedingungen abgestellt hat, zu denen die Beklagte die Mehrzahl der anderen Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis übernommen hatte.
Das Landesarbeitsgericht geht zwar zutreffend davon aus, daß das Gesetz über den Umfang der Arbeitszeit in dem gemäß § 78 a Abs. 2 BetrVG entstehenden Arbeitsverhältnis keine ausdrückliche Regelung enthält. Satz 1 dieser Vorschrift bestimmt lediglich, daß es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis handeln muß; über den zeitlichen Umfang der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besagt der Wortlaut der Vorschrift nichts. Auch ist richtig, daß unter den Begriff des Arbeitsverhältnisses nicht nur ein Vollzeit-, sondern auch ein Teilzeitarbeitsverhältnis (vgl. Art. 1 § 2 BeschFG 1985) fällt. Damit ist indessen die entscheidende Frage, nach welchen Maßstäben zu bestimmen ist, ob das durch § 78 a Abs. 2 BetrVG entstehende Arbeitsverhältnis ein Vollzeit- oder ein Teilzeitarbeitsverhältnis (und ggf. mit welchem Umfang der Arbeitszeit) ist, nicht beantwortet, sondern gerade erst aufgeworfen.
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann der arbeitszeitliche Umfang des durch § 78 a Abs. 2 BetrVG entstehenden Arbeitsverhältnisses auch nicht mit Hilfe der in Satz 2 dieser Vorschrift getroffenen Verweisung auf § 37 Abs. 4 und 5 BetrVG in der Weise bestimmt werden, daß auf die Arbeitsbedingungen abgestellt würde, zu denen der Arbeitgeber vergleichbare, aber nicht durch § 78 a BetrVG geschützte Auszubildende freiwillig in ein Arbeitsverhältnis übernimmt. Zum einen kann es an solchen vergleichbaren Auszubildenden fehlen; auch dann muß die Bestimmung des Inhalts des kraft Gesetzes entstehenden Arbeitsverhältnisses möglich sein. Vor allem aber gewährt § 78 a BetrVG den dort geschützten Auszubildenden eine besondere, von der privatautonomen Entscheidung des Arbeitgebers, ob und mit welchen Arbeitsbedingungen er dem Auszubildenden ein Arbeitsverhältnis anbietet, weitgehend unabhängige Rechtsstellung, die es den anderen Auszubildenden gerade vorenthält. Inhalt und Grenzen dieser Rechtsstellung können daher nur unter Berücksichtigung des mit ihr vom Gesetz bezweckten Sonderschutzes und jedenfalls nicht allein anhand der Arbeitsbedingungen bestimmt werden, die der Arbeitgeber nichtgeschützten Auszubildenden freiwillig einräumt.
Der Inhalt dieser besonderen Rechtsstellung erschöpft sich dabei entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht notwendig in einem Benachteiligungsverbot im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG. Das Gesetz geht vielmehr davon aus, daß Mitglieder von Betriebsverfassungsorganen im Interesse der freien Ausübung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben eines besonderen Schutzes bedürfen (vgl. schon BAG Urteil vom 16. Januar 1979 - 6 AZR 153/77 - AP Nr. 5 zu § 78 a BetrVG 1972). Soweit dieser vom Gesetz für notwendig gehaltene Sonderschutz zu einer individuellen Besserstellung und damit entgegen der Grundregel des § 78 Satz 2 BetrVG zu einer gewissen Bevorzugung des unter § 78 a BetrVG fallenden Auszubildenden gegenüber den übrigen Auszubildenden führt, ist dies vom Gesetzgeber im Interesse des Schutzes des Betriebsverfassungsamtes bewußt in Kauf genommen worden (vgl. BAG, aaO).
3. Nach Ansicht des Senats erfordert der durch § 78 a BetrVG bezweckte Schutz des Betriebsverfassungsamtes, daß gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift grundsätzlich ein Vollzeitarbeitsverhältnis entsteht und der Arbeitgeber seine hiergegen gerichteten Einwendungen in einem Verfahren nach Abs. 4 dieser Vorschrift geltend machen muß.
Nach der Gesetzessystematik ist der Schutzmechanismus des § 78 a BetrVG zweistufig aufgebaut. Die Vorschrift unterscheidet deutlich zwischen dem durch Abs. 2 kraft Gesetzes entstehenden Arbeitsverhältnis und den in Abs. 4 geregelten Einwendungen des Arbeitgebers, ihm sei die Beschäftigung des (ehemaligen) Auszubildenden in diesem Arbeitsverhältnis nicht zumutbar. Damit räumt das Gesetz dem Auszubildenden zunächst gemäß Abs. 2 eine bestimmte Rechtsposition ein, deren Inhalt unabhängig von den Einwendungen des Arbeitgebers bestimmt werden muß. Die Einwendungen des Arbeitgebers, diese sich aus Abs. 2 ergebende Rechtsstellung des Auszubildenden sei ihm unzumutbar, werden gleichsam auf den Prüfstand eines Verfahrens nach Abs. 4 gestellt, das fristgebunden einzuleiten ist und unter den besonderen Verfahrensgarantien des Beschlußverfahrens und unter Beteiligung insbesondere des Betriebsrats abläuft.
Die dem Auszubildenden gemäß Abs. 2 des § 78 a BetrVG zunächst eingeräumte Rechtsposition bezieht sich auch auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses.
Zweck des § 78 a BetrVG ist nicht nur der Schutz der Amtskontinuität sondern auch der Schutz der Unabhängigkeit des Auszubildenden bei seiner Entscheidung zur Amtsübernahme und bei seiner Amtsausübung. Der Auszubildende soll nicht befürchten müssen, der Arbeitgeber werde sich bei seiner Übernahmeentscheidung durch die Amtsübernahme bzw. -ausübung beeinflussen lassen. Zu diesem Zweck gewährt Abs. 2 des § 78 a BetrVG dem Auszubildenden eine wirtschaftliche Absicherung seines mit dem jeweiligen Ausbildungsberuf erstrebten Ausbildungszieles, sofern der Arbeitgeber hiergegen keine begründeten und nach Abs. 4 zu prüfenden Einwendungen hat. Dieses Ausbildungsziel geht regelmäßig dahin, in dem erlernten Beruf ohne Hinzutreten weiterer Einkünfte eine ausreichende, dem jeweiligen Berufsbild entsprechende wirtschaftliche Lebensgrundlage zu finden. Dies aber ist nach allgemeiner Auffassung nur in einem Vollzeitarbeitsverhältnis gegeben; auch die Tarifvertragsparteien gehen bei der Bemessung des Arbeitsentgelts von einem Vollzeitarbeitsverhältnis aus. Soweit insbesondere im Einzelhandel Teilzeitarbeitsverhältnisse bereits weitgehend üblich sind, beruht dies auf einer zeitlichen Begrenzung entweder des Beschäftigungsinteresses des Arbeitnehmers oder des Arbeitsplatzangebots des Arbeitgebers und ändert nichts daran, daß ohne das Hinzutreten weiterer Einkünfte nach wie vor nur das Vollzeitarbeitsverhältnis den dem jeweiligen Ausbildungsberuf entsprechenden Lebensstandard sichern kann. Dementsprechend erwartet ein Auszubildender in der Regel, nach Abschluß seiner Berufsausbildung in einem Vollzeitarbeitsverhältnis beschäftigt zu werden. Wegen der bei Abschluß eines Arbeitsvertrages bestehenden Vertragsfreiheit braucht der Arbeitgeber dieser Erwartung außerhalb des Anwendungsbereiches des § 78 a Abs. 2 BetrVG nicht nachzukommen. Er kann vielmehr in diesen Fällen privatautonom entscheiden, ohne diese Entscheidung von Rechts wegen rechtfertigen zu müssen. Demgegenüber läßt § 78 a BetrVG dem Arbeitgeber keinen Raum, privatautonom darüber zu entscheiden, ob er den Auszubildenden als Vollzeitarbeitnehmer oder nur als Teilzeitarbeitnehmer beschäftigen will. Einwendungen gegen ein Vollzeitarbeitsverhältnis müssen vielmehr dem Verfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG standhalten.
Ergibt das Verfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG, daß dem Arbeitgeber die Beschäftigung des (ehemaligen) Auszubildenden in einem Vollzeitarbeitsverhältnis nicht zugemutet werden kann, so ist festzustellen, daß ein Arbeitsverhältnis nicht begründet wird (Abs. 4 Nr. 1), bzw. das begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen (Abs. 4 Nr. 2). Die Begründung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses kann in einem Verfahren nach Abs. 4 weder festgestellt noch rechtsgestaltend herbeigeführt werden. Als vertragliche Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer (vgl. Art. 1 § 2 Abs. 2 BeschFG 1985) unterliegt die Vereinbarung von Teilzeitarbeit grundsätzlich dem Konsensprinzip. Daher kann weder der Arbeitgeber gegen den Willen des Arbeitnehmers noch der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers einseitig ein Teilzeitarbeitsverhältnis herbeiführen.
4. Über die konkrete Stundenzahl des mithin entstandenen Vollzeitarbeitsverhältnisses besteht zwischen den Parteien kein Streit. Beide gehen von der tariflichen Arbeitszeit von derzeit 167 Monatsstunden aus. Ob der Sachvortrag der Beklagten in einem Verfahren nach § 78 a Abs. 4 BetrVG zu der Feststellung ausgereicht hätte, ihr sei die Weiterbeschäftigung der Klägerin in diesem Vollzeitarbeitsverhältnis unzumutbar, braucht nicht entschieden zu werden, da die Beklagte ein solches Verfahren nicht eingeleitet hat.
IV. Die Revision der Beklagten war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Dr. Becker Schliemann
zugleich für den in
Erholungsurlaub befindlichen
Richter am BAG
Dr. Steckhan
Neumann Breier
Fundstellen
Haufe-Index 441154 |
BAGE 57, 21-30 (LT1-2) |
BAGE, 21 |
BB 1988, 2244-2245 (LT1-2) |
DB 1988, 2414-2415 (LT1-2) |
BetrR 1989, 15-16 (ST1-2) |
EzB BetrVG § 78a, Nr 49 (LT1-2) |
ARST 1989, 7-9 (LT1-2) |
NZA 1989, 439-441 (LT1-2) |
RdA 1988, 379 |
RzK, II 4a 15 (LT1-2) |
SAE 1989, 144-147 (LT1-2) |
AP § 78a BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 18 |
AR-Blattei, Berufsausbildung Entsch 59 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 400 Nr 59 (LT1-2) |
EzA § 78a BetrVG 1972, Nr 19 (LT1-2) |
EzBAT, § 22 MTV Auszubildende Betriebs- und Personalratsmitglieder (Jugendvertret |