Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe einer Invalidenrente
Orientierungssatz
Im Fall einer Versorgung durch Unterstützungskassen erhält der Arbeitnehmer den Teil der nach der Versorgungsregelung vorgesehenen Versorgung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze entspricht.
Normenkette
BetrAVG §§ 1-2, 7 Abs. 2 Sätze 1-3
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 04.03.1987; Aktenzeichen 2 Sa 1290/86) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 10.10.1986; Aktenzeichen 14 Ca 3914/86) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe einer Invalidenrente, für die der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein einzustehen hat.
Der am 24. April 1925 geborene Kläger war vom 20. Mai 1950 bis November 1981 bei der S AG in J beschäftigt. Er verdiente zuletzt 1.995,-- DM. Am 2. November 1981 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers das Konkursverfahren eröffnet.
Der Kläger erhielt ab 1. März 1985 eine Invalidenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Er fordert vom beklagten Pensions-Sicherungs-Verein Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Der PSV hat die betriebliche Invalidenrente mit monatlich 308,10 DM berechnet. Er stützt seine Berechnung auf § 4 der "Richtlinien für die Gewährung laufender Unterstützungen der Wohlfahrtseinrichtung der Firma S e.V." vom 27. Oktober 1984. Diese Richtlinien lauten, soweit sie hier von Bedeutung sind, wie folgt:
"§ 2
Unterstützungsleistungen
Ohne Gewährung eines Rechtsanspruches sind
folgende laufende Unterstützungen vorge-
sehen:
a) Altersrente
b) Invalidenrente
c) Kindergeld
d) Witwen- und Waisengeld
...
§ 4
Höhe der Alters- und Invalidenrente
Soweit es die Erträgnisse des Vereinsvermögens
zulassen, sollen die laufenden Leistungen für
die Firma sich wie folgt berechnen:
Zugrunde gelegt für die Errechnung der Rente
wird bei Angestellten das zuletzt zutreffende
Tarifgehalt, bei Arbeitern das zuletzt erreich-
bare Monats-Tarifeinkommen (aus Tarif-Std.-Lohn
x Tarifarbeitszeit/Woche x 4,3), aufgerundet auf
5,00 bzw. 10,00 DM. Dieses Monatseinkommen aus
Arbeit wird mit der aus folgender Tabelle abzu-
lesenden %-Zahl multipliziert. Das Ergebnis wird
ab- bzw. auf ganze DM aufgerundet.
Die Dienstzeit wird errechnet entsprechend § 12
Absatz 4 der Satzung.
T a b e l l e
Dienstzeit in % aus Tarifeinkommen/
Jahren Monat
10 12,0
11 12,3
12 12,6
...
30 18,0
31 18,4
32 18,8
33 19,2
34 19,6
35 20,0
36 20,4
37 20,8
38 21,2
39 21,6
40 22,0
...
45 24,0
...
§ 8
unverfallbare Anwartschaften bei vor-
zeitigem Ausscheiden
Auch vor Eintritt des Versorgungsfalles aus-
geschiedene Mitarbeiter behalten ihre Anwart-
schaften auf Unterstützungsleistungen, sofern
sie bei ihrem Ausscheiden die gesetzlichen Un-
verfallbarkeitsfristen erfüllt haben.
...
Die Höhe der Versorgungsleistungen wird aus der
Leistung ermittelt, die den Mitarbeitern bzw.
ihren Hinterbliebenen und Kindern im Versorgungs-
fall zustände, wenn die Mitarbeiter nicht vorzei-
tig ausgeschieden wären. Von dieser Leistung wird
der Teil als Rente gezahlt, der dem Verhältnis
der Dauer der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit
zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit
bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres entspricht.
Veränderungen der Richtlinien und der Bemessungs-
grundlagen für die Unterstützungsleistungen, so-
weit sie nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters
eingetreten sind, bleiben bei der Bestimmung der
Höhe der Unterstützungsleistung außer Betracht.
Scheiden Mitarbeiter vor Eintritt des Versorgungs-
falles aus der Firma aus, so teilt ihnen die Wohl-
fahrtseinrichtung der Firma S e.V.
mit, ob sie die Voraussetzungen der Unverfallbar-
keit erfüllt haben und wie hoch ihre Altersrente
bei Erreichen der Altersgrenze sein wird."
Diesen Richtlinien hatte der Arbeitgeber ein Formblatt mit folgendem Inhalt angefügt:
"zu § 8 der Richtlinien J , den
Sehr geehrte Frau
Sehr geehrter Herr
Wir bestätigen Ihnen entsprechend § 1 des Ge-
setzes zur Verbesserung der betrieblichen Al-
tersversorgung vom 19.12.1974, daß Sie eine
unverfallbare Anwartschaft gegenüber unserer
Wohlfahrtseinrichtung haben. Ein Anspruch auf
Leistung entsteht sowohl bei Erreichung der
gesetzlichen Altersgrenze als auch bei Bezug
von vorgezogenem Altersruhegeld sofort und ab
dem folgenden Monat nach Vorlage des Renten-
bescheids bei Bezug von Berufs- und Erwerbs-
unfähigkeitsrente.
Die Höhe der Leistung richtet sich nach bei-
liegender Berechnung.
Wohlfahrtseinrichtung der Firma
S e.V.
Name: ... Vorname: ...
Geburtsdatum: ... Tariflohn ... x 173 = ... DM
Tarifgehalt = ... DM
Eintritt: ...
Tatsächliche Betr.Zugehörigkeit bis Austritt
am: ... = ... Jahre
oder: ... = ... Monat
Mögliche Betr.Zugehörigkeit bis zum vollendeten
65. Lebensjahr am: ... = ... Jahre
oder: ... = ... Monat
Errechnung der möglichen Betriebsrente:
1) Möglicher %-Satz bis zum vollendeten 65. Lebens-
jahr = ... %
2) DM-Tarifeinkommen ... x ... % = DM ...
mögliche Rente
3) Mögliche Rente x tatsächliche
Betr.Zugehörigkeit/Monate = x
mögliche Betr.Zugehörigkeit/MONATE
= DM ... zu bestätigende Anwartschaft"
Der Kläger hält die Berechnung seiner Invalidenrente durch den Beklagten nicht für richtig. Er fordert eine monatliche Invalidenrente von 340,15 DM (= 22 % von 1.995,-- DM = 438,90 DM x 0,787741 (Unverfallbarkeitsfaktor)). Die rückständige Differenz für die Zeit von März 1985 bis April 1986 hat der Kläger in einer Summe gefordert (448,70 DM). Für die Zeit ab Mai 1986 erhebt er Klage auf künftige Leistung. Er hat dementsprechend beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn
448,70 DM nebst 4 % Zinsen ab 23. Mai
1986 zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn
ab Mai 1986 eine monatliche Rente in
Höhe von 340,15 DM und nach seinem
Tode seiner Ehefrau C S
eine monatliche Rente von 170,10 DM
zu zahlen.
Der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger könne nicht den im Anwartschaftsausweis vom 19. Juli 1982 genannten Betrag von 339,60 DM fordern. Dieser Betrag stehe ihm nur als Altersrente bei Vollendung des 65. Lebensjahres zu. Trete der Versicherungsfall der Invalidität vorher ein, müsse die Invalidenrente neu berechnet werden. Wäre der Kläger bei seinem früheren Arbeitgeber weiterbeschäftigt worden bis zum Eintritt der Invalidität, hätte er eine Invalidenrente von 391,-- DM beanspruchen können. Diese Rente müsse ratierlich entsprechend dem Unverfallbarkeitsfaktor gekürzt werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Beide Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Der Anspruch des Klägers ist dem Grunde nach nicht streitig. Er folgt aus § 7 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG in Verb. mit § 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG. Nach diesen Bestimmungen erhalten Personen, die zum Kreis der Begünstigten einer Unterstützungskasse gehören, im Fall der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Trägerunternehmens bei Eintritt des Versorgungsfalles einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn sie eine nach § 1 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben. Entsprechend sind auch ihre Hinterbliebenen gesichert.
Nach diesen Bestimmungen steht dem Kläger gegen den beklagten PSV ein Anspruch auf Invalidenrente zu. Der Kläger gehörte zum Kreis der Begünstigten einer Unterstützungskasse. Der Sicherungsfall - Eröffnung des Konkursverfahrens - ist bei einem Trägerunternehmen eingetreten. Der Kläger hatte auch eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft. Bei Eintritt des Versorgungsfalles hatte er das 35. Lebensjahr vollendet; der Kläger gehörte länger als zehn Jahre zum Kreis der Begünstigten der Unterstützungskasse (§ 1 Abs. 4 in Verb. mit § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Insoweit bestehen zwischen den Parteien auch keine Meinungsverschiedenheiten.
2. Der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein hat die Höhe der Rente zutreffend ermittelt. Die Höhe der Rente, die der Kläger vom beklagten Pensions-Sicherungs-Verein erhalten kann, richtet sich nach § 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG. Im Fall einer Versorgung durch Unterstützungskassen erhält der Arbeitnehmer den Teil der nach der Versorgungsregelung vorgesehenen Versorgung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze entspricht. Dabei ist § 2 Abs. 5 BetrAVG entsprechend anzuwenden.
a) Entsprechend § 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG ist zunächst die nach der Versorgungsregelung vorgesehene Versorgung für den jeweiligen Versorgungsfall zu ermitteln. Erst im Anschluß daran ist der Teil zu berechnen, den der Kläger vom PSV verlangen kann.
Die Höhe der Invalidenrente ist in § 4 der Richtlinien geregelt. Die Höhe der Invalidenrente wird berechnet nach der zuletzt bezogenen Vergütung (Tarifgehalt oder Tarifeinkommen) und nach Prozentsätzen, deren Höhe von der im Zeitpunkt des Versorgungsfalles zurückgelegten Dienstzeit abhängt. Die letzte Vergütung des Klägers betrug 1.995,-- DM. Mögliche Gehaltserhöhungen dürfen wegen der Verweisung auf § 2 Abs. 5 BetrAVG nicht berücksichtigt werden. Bei Eintritt des Versorgungsfalles der Invalidität hatte der Kläger eine Dienstzeit von 34 Jahren zurückgelegt. Von der Beklagten hätte er bei Eintritt des Versorgungsfalles der Invalidität am 1. März 1985 mithin eine Invalidenrente von monatlich 391,-- DM erhalten.
Vom beklagten Pensions-Sicherungs-Verein kann der Kläger nur den Teil der Versorgung verlangen, der dem Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur möglichen Betriebszugehörigkeit entspricht. Das ist der Unverfallbarkeitsfaktor. Er war bereits im Anwartschaftsausweis vom 19. Juli 1982 zutreffend und vom Kläger unbeanstandet mit 0,787741 ermittelt worden. Die Invalidenrente, die der Kläger bei seinem Arbeitgeber bezogen hätte, ist nach § 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG um diesen Faktor zu kürzen. Das ergibt den Betrag von 308,10 DM. Diese Rente hat der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein bezahlt.
b) Die Einwendungen des Klägers gegen diese Berechnung sind unbegründet. Der Kläger macht geltend, der Beklagte müsse die Rente nach dem Formblatt berechnen, das sein früherer Arbeitgeber den Richtlinien beigefügt habe.
Das Formblatt bezieht sich eindeutig auf § 8 der Richtlinien. In § 8 der Richtlinien ist geregelt, welche Ansprüche Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber haben, wenn sie vor Eintritt des Versorgungsfalles aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Aber auch nach diesen Bestimmungen hätte der Kläger von seinem früheren Arbeitgeber bei Eintritt der Invalidität nach seinem Ausscheiden keine höhere Rente verlangen können. Die Richtlinien decken sich mit den gesetzlichen Bestimmungen über die Unverfallbarkeit einer Anwartschaft (§§ 1 und 2 BetrAVG). Entsprechend § 2 Abs. 6 BetrAVG verpflichtet sich die Unterstützungskasse auch, einem Begünstigten mitzuteilen, ob er die Voraussetzungen der Unverfallbarkeit erfüllt hat und wie hoch seine "Altersrente bei Erreichen der Altersgrenze sein wird". Zu dieser Bestimmung in den Richtlinien hatte die Beklagte das Formblatt entworfen. Die Berechnung bezog sich deshalb eindeutig und unmißverständlich nur auf die Berechnung der Altersrente. Nur bezogen auf den Versorgungsfall des Alters kann der Arbeitgeber dem ausscheidenden Arbeitnehmer verläßlich Auskunft über die Höhe seiner Altersrente erteilen. Damit ist nicht gesagt, daß der Kläger bei vorzeitiger Invalidität, also bei Eintritt eines Versorgungsfalles vor Erreichen der Vollendung des 65. Lebensjahres, die gleichen Leistungen erhalten soll wie nach Vollendung des 65. Lebensjahres.
Dr. Heither Schaub Griebeling
Dr. Kiefer Paul-Reichart
Fundstellen
Haufe-Index 438499 |
KTS 1989, 898-900 (ST1) |