Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht zum Verzicht auf 13. Monatseinkommen bei schlechter wirtschaftlicher Lange des Arbeitgebers
Orientierungssatz
Für die Annahme, daß die Geltendmachung tariflicher Ansprüche durch den Arbeitnehmer im Regelfall nicht aufgrund allgemeiner Billigkeitserwägungen bzw wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben ausgeschlossen sein soll, spricht ua § 4 Abs 4 Satz 2 TVG. Dort ist bestimmt, daß die Verwirkung von tariflichen Rechten ausgeschlossen ist. Die Verwirkung ist nach herrschender Meinung ein typischer Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt dabei in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung.
Wenn das Tarifvertragsgesetz somit bereits einen typischen Verstoß des Arbeitnehmers gegen Treu und Glauben - wie ihn die Verwirkung darstellt - nicht ausreichen läßt, um einen Anspruchsverlust bezüglich tariflicher Rechte eintreten zu lassen, so kann aus § 242 BGB erst recht keine arbeitsvertragliche Nebenpflicht des Arbeitnehmers abgeleitet werde, auf entstandene tarifliche Rechte zu verzichten, wenn sich der Arbeitgeber in einer wirtschaftlichen Zwangslage befindet.
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen
Landesarbeitsgerichts vom 22. Mai 1998 - 7 Sa 1263/97 - wird
zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 1996. Der Kläger war im Jahre 1996 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Bauindustrie, als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) sowie der zum 31. Oktober 1996 gekündigte Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 27. April 1990 (TV 13. Monatseinkommen) Anwendung.
Die Beklagte zahlte im Jahre 1996 kein 13. Monatseinkommen an ihre Mitarbeiter mit der Begründung, daß die wirtschaftliche Lage so schlecht sei, daß eine Zahlung von insgesamt ca. 2 Millionen DM für alle Arbeitnehmer zum Konkurs des Unternehmens führen würde. Dies wurde den Mitarbeitern im November 1996 mitgeteilt. Es wurden Betriebsversammlungen durchgeführt. Danach begannen Gespräche unter Beteiligung von Unternehmensleitung, Betriebsratsmitgliedern und Gewerkschaftsvertretern. Die Geschäftsleitung machte allen Mitarbeitern den Vorschlag, statt des 13. Monatseinkommens im April und September 1997 eine "Treue-/Solidaritätsprämie" in Höhe von jeweils 200,00 DM zu zahlen und dafür eine Absichtserklärung abzugeben, bis zum 31. März 1998 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Soweit solche dennoch aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen erforderlich werden sollten, würden die gekündigten Mitarbeiter eine Abfindung erhalten, in der das 13. Monatseinkommen kapitalisiert werde. Diesem Vorschlag stimmte der Kläger nicht zu.
Am 16. Januar 1997 schloß die Beklagte mit ihrem Betriebsrat folgende Vereinbarung: "1.
Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, daß aus
wirtschaftlichen Gründen zumindest in einem gegenwärtig absehbaren
Zeitraum kein 13. Monatsgehalt/Lohn (Weihnachtsgeld) 1996 gezahlt
werden kann.
2.
Der von der Unternehmensleitung von den Arbeitnehmern insgesamt
erhoffte Verzicht der Arbeitnehmer auf das 13. Monatsgehalt/Lohn
(Weihnachtsgeld) 1996 wurde von der Arbeitnehmervertreterseite
nicht erklärt.
Die Vertragsparteien (Unternehmer- sowie
Arbeitnehmervertreterseite) werden jedoch umgehend in
Verhandlungen eintreten, um die Grundlage für eine mögliche
Regelung bezüglich des 13. Monatsgehaltes/Lohn (Weihnachtsgeld)
1996 herbeizuführen. Hierbei wird die Geschäftsleitung, die bis zu
diesem Zeitpunkt vorhandenen Daten des Jahresabschlusses (Bilanz)
1996 mit heranziehen bzw. vorlegen.
Beide Seiten werden eine Verhandlungskommission benennen und sie
werden sich bemühen, wenn möglich, bis zum 31.O3.1997 ein
Einvernehmen zu erzielen.
Das Ergebnis der Verhandlung wird sodann den Arbeitnehmern
mitgeteilt werden.
3.
Die Vertreter der Arbeitnehmerseite erklären sich bereit, soweit
das im Rahmen ihrer Möglichkeit liegt, dafür Sorge zu tragen, daß
im Falle der Geltendmachung des 13. Monatsgehaltes/Lohn
(Weihnachtsgeld) 1996 die außergerichtliche wie gerichtliche
Geltendmachung nicht vorzeitig, sondern jeweils erst kurz vor
Ablauf erfolgen, d.h.
(1) a) für Angestellte nicht vor dem 27.01.1997,
b) für gewerbliche Arbeitnehmer nicht vor dem 12.02.1997,
(2) für die Klageerhebung:
a) für Angestellte und
b) für gewerbliche Arbeitnehmer
kurz vor Ablauf weiterer 10 Wochen nach Eingang der
außergerichtlichen Geltendmachung.
Rein vorsorglich verpflichtet sich die Unternehmensleitung, soweit
rechtlich zulässig, zunächst bis zum 31.03.1997 auf mögliche
Einreden bezüglich der Nichteinhaltung der tariflichen
Ausschlußfristen zu verzichten."
Mit seiner am 8. Januar 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 22. Januar 1997 zugestellten Klage hat der Kläger das 13. Monatseinkommen für das Jahr 1996 eingefordert. Zuvor hatte der Kläger seine Forderung nicht schriftlich geltend gemacht. Der Höhe nach ist die geltend gemachte Forderung unstreitig.
Der Kläger bestreitet zunächst, mit der Beklagten eine vom TV 13. Monatseinkommen abweichende Vereinbarung über die Zahlung des 13. Monatseinkommens getroffen zu haben. Außerdem sei die von der Beklagten angebotene Regelung für ihn nicht günstiger.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 4.540,59 DM
brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag ab dem
22. Januar 1997 zu verurteilen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat vorgetragen, das Jahr 1995 habe das schlechteste wirtschaftliche Ergebnis der Unternehmensgeschichte erbracht. Daher sei ein Sanierungskonzept erarbeitet worden. Am Standort I. hätten von 166 Mitarbeitern 58 und in W. von 299 Arbeitnehmern 75 ausscheiden müssen, wobei ein Sozialplanvolumen von 1,75 Millionen DM angefallen sei. Für den Fortbestand des Unternehmens sei ein ausgeglichenes Ergebnis erforderlich gewesen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger sei im Interesse der Erhaltung seines Arbeitsplatzes und aus Solidarität mit seinen Kollegen verpflichtet, auf den Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen für das Jahr 1996 zu verzichten. Außerdem beruft sie sich darauf, der Kläger habe seinen Anspruch nicht innerhalb der Ausschlußfrist des § 16 BRTV-Bau schriftlich geltend gemacht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und im Urteil die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger hat für das Jahr 1996 Anspruch auf ein volles 13. Monatseinkommen gemäß dem TV 13. Monatseinkommen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Der zum 31. Oktober 1996 gekündigte Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe wirke gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach. Er sei nicht durch eine andere Abmachung ersetzt worden. Der Beklagten stehe kein Recht zu, den Anspruch des Klägers einseitig zu streichen. Ob das Angebot der Beklagten, anstelle des 13. Monatseinkommens für 1996 im Jahre 1997 eine geringere Prämie zu zahlen, ein günstigeres Angebot darstelle, müsse nicht abschließend geklärt werden, da diesbezüglich zwischen den Parteien keine Abmachung zustande gekommen sei.
II. Dem Landesarbeitsgericht ist zu folgen.
1. Der TV 13. Monatseinkommen, welcher den geltend gemachten Anspruch des Klägers begründet (§ 2 Abs. 1 TV 13. Monatseinkommen), war zwar zum 31. Oktober 1990 gekündigt, seine Rechtsnormen wirkten jedoch gem. § 4 Abs. 5 TVG weiter. Eine andere, diese Rechtsnormen ersetzende Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG wurde nach dem 31. Oktober 1996 nicht getroffen.
a) Aus der Vereinbarung zwischen der Beklagten und ihrem Betriebsrat vom 16. Januar 1997 läßt sich für den Streitfall nichts herleiten, weil in ihr lediglich die Verpflichtung begründet wird, in Verhandlungen einzutreten, "um die Grundlage für eine mögliche Regelung bezüglich des 13. Monatsgehaltes/Lohn (Weihnachtsgeld) 1996 herbeizuführen".
Außerdem ist in der Vereinbarung ausdrücklich die Feststellung enthalten: "Der von der Unternehmensleitung von den Arbeitnehmern insgesamt erhoffte Verzicht der Arbeitnehmer auf das 13. Monatsgehalt/Lohn (Weihnachtsgeld) 1996 wurde von der Arbeitnehmervertreterseite nicht erklärt."
b) Ob das von der Beklagten dem Kläger gemachte Angebot auf Zahlung von zwei "Treue-/Solidaritätsprämien" in Höhe von jeweils 200,00 DM anstatt des 13. Monatseinkommens - verbunden mit einer Absichtserklärung, betriebsbedingte Kündigungen nach Möglichkeit zu vermeiden - eine den nachwirkenden TV 13. Monatseinkommen ersetzende andere Abmachung iSd. § 4 TVG darstellt, ist nicht zu entscheiden, da der Kläger dieses Angebot der Beklagten nicht angenommen hat.
2. Der Kläger war auch nicht auf Grund seiner arbeitsvertraglichen Treuepflicht verpflichtet, auf seinen tariflichen Anspruch zu verzichten.
a) Zunächst geht das Landesarbeitsgericht zutreffend davon aus, daß die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Oktober 1961 (- 5 AZR 470/58 - BAGE 11, 346) mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar ist, weil es sich bei dem Anspruch auf eine Gratifikation in dem entschiedenen Fall um einen solchen gehandelt hat, der auf Grund einer betrieblichen Übung entstanden war. Gleiches gilt für die durch Urteile vom 18. Dezember 1964 (- 5 AZR 262/64 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 51) und vom 17. April 1957 (- 2 AZR 411/54 - BAGE 4, 13) entschiedenen Rechtsstreite.
Lediglich bei einem Anspruch auf eine Gratifikation, welchen der Arbeitnehmer auf Grund einer vom Arbeitgeber geschaffenen betrieblichen Übung deshalb erworben hat, weil er aus dem Verhalten des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte (§ 242 BGB) auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte (vgl. BAG 26. März 1997 - 10 AZR 612/96 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 50 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 38), kann in Erwägung gezogen werden, im Falle einer wirtschaftlichen Notlage des Arbeitgebers eine Pflicht des Arbeitnehmers zum Verzicht auf den Anspruch zu bejahen. Schließlich hat der Arbeitnehmer seinen Anspruch in diesem Falle auf Grund des Rechtsgedankens von Treu und Glauben erworben, so daß dann auch unter dem Gesichtspunkt der ebenfalls aus § 242 BGB abgeleiteten Treuepflicht oder aus dem Gedanken der Solidarität bzw. Betriebsverbundenheit (BAG 18. Dezember 1964 aaO) eine Pflicht zum Verzicht in Betracht kommen kann.
b) Für die Annahme, daß die Geltendmachung tariflicher Ansprüche durch den Arbeitnehmer im Regelfall nicht auf Grund allgemeiner Billigkeitserwägungen bzw. wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben ausgeschlossen sein soll, spricht ua. § 4 Abs. 4 Satz 2 TVG. Dort ist bestimmt, daß die Verwirkung von tariflichen Rechten ausgeschlossen ist. Die Verwirkung ist nach herrschender Meinung ein typischer Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt dabei in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung (BAG 9. Juli 1958 - 2 AZR 438/56 -BAGE 6, 165, 167; Palandt/Heinrichs BGB 59. Aufl. § 242 Rn. 87).
Wenn das Tarifvertragsgesetz somit bereits einen typischen Verstoß des Arbeitnehmers gegen Treu und Glauben - wie ihn die Verwirkung darstellt - nicht ausreichen läßt, um einen Anspruchsverlust bezüglich tariflicher Rechte eintreten zu lassen, so kann aus § 242 BGB erst recht keine arbeitsvertragliche Nebenpflicht des Arbeitnehmers abgeleitet werden, auf entstandene tarifliche Rechte zu verzichten, wenn sich der Arbeitgeber in einer wirtschaftlichen Zwangslage befindet.
c) Wollte man dennoch grundsätzlich eine solche Pflicht des Arbeitnehmers zum Verzicht bejahen, so würde sich des weiteren die Problematik ergeben, daß ein solcher Verzicht nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig wäre, wenn sich der Anspruch auf einen noch nicht abgelaufenen Tarifvertrag gründet.
Diese gesetzliche Regelung zeigt, daß es nicht allein Sache der Arbeitsvertragsparteien ist, über tarifliche Rechte zu disponieren, sondern daß Vereinbarungen, durch welche der Arbeitnehmer auf entstandene tarifliche Rechte verzichtet, durch die Tarifvertragsparteien gebilligt werden müssen. Ist es demnach nicht einmal zulässig, daß ein Arbeitnehmer freiwillig - ggf. auch im Gegenzug gegen die Gewährung anderer Vorteile durch den Arbeitgeber - auf tarifliche Rechte ohne Billigung der Tarifvertragsparteien verzichtet, so kann erst recht keine Verpflichtung des Arbeitnehmers bejaht werden, auf Grund seiner arbeitsvertraglichen Treuepflicht auf entstandene tarifliche Rechte zu verzichten, um den Arbeitgeber aus einer wirtschaftlichen Zwangslage zu befreien.
Zwar ist im Streitfall § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG nicht einschlägig, da der TV 13. Monatseinkommen nur kraft Nachwirkung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, § 4 Abs. 5 TVG, und die tarifliche Regelung somit jederzeit durch eine andere Abmachung ersetzt werden könnte. Jedoch ist es nicht sachgerecht, die Frage, ob ein Arbeitnehmer auf Grund der arbeitsvertraglichen Treuepflicht oder der Verpflichtung zur Solidarität bzw. Betriebsverbundenheit verpflichtet ist, unter bestimmten Umständen auf seine tariflichen Ansprüche zu verzichten, davon abhängig zu machen, ob der anspruchsbegründende Tarifvertrag gemäß § 4 Abs. 5 TVG kraft Gesetzes nachwirkt oder ob er noch nicht abgelaufen ist.
3. Der klägerische Anspruch ist nicht nach § 16 BRTV-Bau verfallen. Der Kläger hat seinen Anspruch innerhalb der Ausschlußfrist des § 16 BRTV-Bau geltend gemacht.
Nach § 6 Abs. 1 des TV 13. Monatseinkommen war das 13. Monatseinkommen zusammen mit der Zahlung des Lohnes für den Monat November auszuzahlen. Der Lohn für November 1996 war gem. § 5 Nr. 8.2 BRTV-Bau spätestens Mitte Dezember 1996 fällig. Auf eine Vereinbarung über einen früheren Fälligkeitstermin der Lohnzahlung gem. § 5 Nr. 9.1 BRTV-Bau mit ihrem Betriebsrat hat sich die Beklagte nicht berufen.
Damit war auch der Anspruch des Klägers auf sein 13. Monatseinkommen am 15. Dezember 1996 fällig. Die Frist des § 16 Abs. 1 BRTV-Bau, welche eine schriftliche Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit verlangt, lief am 15. Februar 1997 ab. Innerhalb dieser Ausschlußfrist hat der Kläger seinen Anspruch gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Seine Klage vom 6. Januar 1997, welche am 8. Januar 1997 beim Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 22. Januar 1997 zugestellt worden ist, stellt eine schriftliche Geltendmachung des Anspruches iSd. § 16 Abs. 1 BRTV-Bau dar, weil der Kläger durch die Klageschrift der Beklagten in schriftlicher Form eindeutig zu erkennen gegeben hat, daß er von ihr die Zahlung des 13. Monatseinkommens für das Jahr 1996 fordert.
Gleichzeitig enthielt die Klageerhebung auch die geforderte gerichtliche Geltendmachung des Anspruches. § 16 BRTV-Bau fordert nicht, daß die Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Arbeitsverhältnis in zwei getrennten Stufen, dh. zunächst schriftlich und dann gerichtlich geltend gemacht wird. Vielmehr kann der Gläubiger seinen Anspruch auch gleichzeitig schriftlich und gerichtlich erheben.
Sinn und Zweck der Ausschlußfristen des § 16 BRTV-Bau ist es, dem Schuldner innerhalb dieser Fristen deutlich zu machen, ob und welche Ansprüche gegenüber ihm noch geltend gemacht werden. Die Frist des § 16 Abs. 2 BRTV-Bau, welche eine gerichtliche Geltendmachung des Anspruches fordert, dient insbesondere auch dem Ziel, möglichst bald eine endgültige gerichtliche Klärung über streitige Ansprüche herbeizuführen.
Nach Ablauf dieser Fristen soll sich der Schuldner darauf verlassen dürfen, daß er mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr rechnen muß. Diese durch § 16 BRTV-Bau bezweckten Ziele werden auch dadurch erreicht, daß der Gläubiger seinen Anspruch sofort in einem Akt schriftlich und gerichtlich geltend macht und nicht zunächst schriftlich gem. § 16 Abs. 1 BRTV-Bau und dann - bei Erfolglosigkeit der schriftlichen Geltendmachung - gerichtlich gem. § 16 Abs. 2 BRTV-Bau.
4. Die Verfahrensrüge der Beklagten, eine Berichtigung des landesarbeitsgerichtlichen Tatbestandes habe von ihr wegen verspäteter Zustellung des Urteils wegen der Drei-Monats-Frist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht mehr beantragt werden können, greift bereits deshalb nicht durch, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, daß das Landesarbeitsgericht bei einem ordnungsgemäßen Verfahren anders entschieden hätte. Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat nach § 565 a ZPO ab.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Jobs Fischermeier
zugleich für den infolge von Krankheit an der Unterzeichnung verhinderten Vors. Richter Dr. Freitag
Kay Ohl Köhnen
Fundstellen
Haufe-Index 610811 |
FA 2000, 330 |