Leitsatz (redaktionell)
1. Das Landesarbeitsgericht darf den vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert nur ändern, wenn sich nach Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils der Streitgegenstand geändert hat (ArbGG § 69 Abs 2). Hat das Arbeitsgericht den Streitwert mit mehr als 6000 DM angesetzt, dann darf das Landesarbeitsgericht den vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert ändern, wenn die Streitwertfestsetzung offensichtlich falsch und der richtige Streitwert offensichtlich unter 6000 DM liegt; eine solche Neufestsetzung muß es regelmäßig begründen; ändert das Landesarbeitsgericht den Streitwert, ohne daß diese Voraussetzungen gegeben und gewahrt sind, dann ist seine neue Streitwertfestsetzung willkürlich und unbeachtlich. Das Revisionsgericht hat dann von dem Streitwert auszugehen, den das Arbeitsgericht festgesetzt hatte (im Anschluß an BAG 1968-05-17 3 AZR 143/67 = BAGE 21, 22 = AP Nr 20 zu § 72 ArbGG 1953 Streitwertrevision).
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muß sich die Revisionsbegründung mit allen angegriffenen Teilen des angefochtenen Urteils befassen. Sind mehrere Ansprüche betroffen, so muß zu jedem einzelnen Anspruch dargelegt werden, warum die Entscheidung des Berufungsgerichts für unrichtig gehalten wird (BAG 1955-07-07 2 AZR 27/53 = BAGE 2, 58 = AP Nr 2 zu § 554 ZPO).
Hängt eine aus Annahmeverzug des Arbeitgebers hergeleitete Zahlungsklage eines Arbeitnehmers, dem fristlos gekündigt worden ist, davon ab, ob die gleichzeitig erhobene Kündigungsschutzklage begründet ist oder nicht, und hat das Berufungsgericht beide Klagen abgewiesen, so ist der Pflicht zur erschöpfenden Begründung der Revision regelmäßig genügt, wenn die Revisionsbegründungsschrift sich mit der Abweisung der Kündigungsschutzklage befaßt; die Revisionsbegründungsschrift braucht nicht ausdrücklich Gründe dafür anzuführen, weshalb sie auch die damit im Zusammenhang stehende Abweisung der Zahlungsklage angreift.
3. Für die Frage, ob ein wichtiger Grund im Sinne von BGB § 626 Abs 1 die außerordentliche Kündigung rechtfertigt, muß die Tatsacheninstanz unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Parteien des Arbeitsverhältnisses prüfen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten ist.
Unterbleibt eine solche allseitige Abwägung, so bedeutet das eine fehlerhafte Anwendung des in BGB § 626 Abs 1 enthaltenen materiellen Rechts, die das Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten hat.
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 14.11.1974; Aktenzeichen 2 Sa 16/74) |
Fundstellen
Haufe-Index 438406 |
DB 1976, 2358-2359 (LT1-3) |
NJW 1977, 125 |
AP § 72 ArbGG 1953 Streitwertrevision (LT1-3), Nr 27 |
AR-Blattei, ES 1010.9 Nr 49 (ST1) |
AR-Blattei, Kündigung IX Entsch 49 (ST1) |
EzA § 626 BGB nF, Nr 47 (LT1-3) |