Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung - Anhörung des Betriebsrats
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Notwendigkeit einer erneuten Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs 1 BetrVG nach Unwirksamkeit einer ersten Kündigung mangels vorheriger Zustimmung der Hauptfürsorgestelle (§§ 15, 18 SchwbG).
2. Die Sanktion der Unwirksamkeit einer ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochenen Kündigung (§ 102 Abs 1 Satz 3 BetrVG) gilt aufgrund einer ausdehnenden, entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift auch bei nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit BAG Urteil vom 28.2.1974, 2 AZR 455/73 = BAGE 26, 27 = AP Nr 2 zu § 102 BetrVG 1972).
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; BetrVG § 102 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 06.01.1993; Aktenzeichen 7 Sa 787/92) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 02.04.1992; Aktenzeichen 14 Ca 8114/91) |
Tatbestand
Der Kläger war gem. schriftlichem Arbeitsvertrag vom 16. März 1973 seit 1. Mai 1973 als Schachtmeister bei der Gemeinschuldnerin H GmbH & Co. KG, einem Bauunternehmen mit rund 60 Arbeitnehmern, zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von zuletzt 7.000,-- DM beschäftigt. Er ist einem Schwerbehinderten gleichgestellt; der Grad seiner Behinderung beträgt 30 %.
Am 2. Oktober 1991 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin beantragt; mit Beschluß vom 7. Oktober 1991 wurde daraufhin vom Amtsgericht Köln die Sequestration des Vermögens der Schuldnerin angeordnet und der Beklagte zum Sequester bestellt. Nachdem die Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin beschlossen hatten, den Betrieb einzustellen und alle Arbeitnehmer zu entlassen, wurde dies sämtlichen Betriebsangehörigen auf einer Betriebsversammlung am 14. Oktober 1991 mitgeteilt. Im Anschluß daran wurde der Betriebsrat zu der Kündigung sämtlicher Betriebsangehöriger angehört. Mit Schreiben vom 15. Oktober 1991 wurde allen Arbeitnehmern der Gemeinschuldnerin, darunter auch dem Kläger, durch deren Geschäftsführer zum 30. Juni 1992 gekündigt. Diese Kündigung des Klägers wurde sowohl von dem Beklagten als Sequester als auch von dem Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben. Die Parteien sind inzwischen darüber einig, daß diese Kündigung mangels vorheriger Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gegenstandslos ist (ArbGG Köln 5 Ca 7223/91).
Am 16. Oktober 1991 beantragte der Beklagte als Sequester die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur erneuten ordentlichen Kündigung des Klägers. Am 6. November 1991 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Mit Schreiben des Beklagten vom 14. November 1991 wurde der Kläger von seiner Dienstleistungspflicht freigestellt. Mit Bescheid vom 15. November 1991 stimmte die Hauptfürsorgestelle einer Kündigung des Klägers zu. Diesen Bescheid holte der Beklagte noch am selben Tag bei der Hauptfürsorgestelle gegen Empfangsbestätigung ab und sprach gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 15. November 1991, dem Kläger zugegangen am 16. November 1991, die hier streitbefangene ordentliche Kündigung zum 30. Juni 1992 aus. Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 26. November 1991 Klage erhoben. Am 15. November 1991 bzw. 18. November 1991 wurde der Betrieb der Gemeinschuldnerin eingestellt bzw. geschlossen.
Mit Schreiben vom 28. Dezember 1991 kündigte der Beklagte gegenüber dem Kläger erneut vorsorglich zum 30. Juni 1992; auch insoweit gehen die Parteien davon aus, daß diese Kündigung gegenstandslos ist (Protokollerklärung vom 16. September 1993).
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung vom 15. November 1991 sei bereits deshalb rechtsunwirksam, weil der Beklagte den Betriebsrat vor Ausspruch dieser Kündigung nicht erneut angehört und die Zustellung des Entscheides der Hauptfürsorgestelle nicht abgewartet habe. Die Anhörung des Betriebsrates vor der Kündigung vom 15. Oktober 1991 sei nicht ausreichend, um hierauf die dann später ausgesprochene Kündigung vom 15. November 1991 zu stützen. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG könne ein Anhörungsverfahren grundsätzlich nur für die Kündigung Wirksamkeit entfalten, für die es eingeleitet worden sei. Darüber hinaus sei die am 15. Oktober 1991 erfolgte Anhörung des Betriebsrates nicht ordnungsgemäß gewesen, wie sich aus der Zeugenaussage des damaligen Betriebsratsvorsitzenden U beim Arbeitsgericht Köln vom 9. September 1992 im Verfahren - 3/12 Ca 9113/91 - ergebe; insbesondere hätte seinerzeit die Anhörung vom Arbeitgeber durchgeführt werden müssen und nicht vom Beklagten. Außerdem hätten die Sozialdaten genannt werden müssen, was nicht geschehen sei. Der Betriebsrat sei auch nicht vollständig und sachlich richtig informiert worden. Nach Aussage des Zeugen U sei der Betriebsrat dahingehend informiert worden, daß die Kündigungen im Hinblick auf eine noch beabsichtigte Abwicklung der Baustellen hätten stufenweise ausgesprochen werden sollen. Entgegen dieser Ankündigung bei der Anhörung sei dann allen Arbeitnehmern gekündigt worden. Darüber hinaus sei die Anhörung des Betriebsrates erfolgt, ohne daß das Verfahren vor der Hauptfürsorgestelle eingeleitet und der Betriebsrat auf die für den Kläger geltende Kündigungsfrist hingewiesen worden sei. Nach den zweitinstanzlichen Aussagen der Betriebsratsmitglieder sei der Betriebsrat auch nicht darüber informiert worden, welche Personen schwerbehindert oder gleichgestellt seien; vielmehr habe der Betriebsrat seinerseits darauf hingewiesen, es gebe Schwerbehinderte. Der Betriebsrat habe auch nicht als Gremium den Kündigungen zugestimmt.
Im übrigen sei das Arbeitsverhältnis durch Urteil aufzulösen, da durch die Stillegung des Betriebes seine Weiterbeschäftigung tatsächlich nicht möglich sei. Der Auflösungsantrag sei begründet, weil ein Grund für die Kündigung nicht bestanden habe. Die Gemeinschuldnerin habe Konkurs beantragt, ohne daß ein Konkursgrund oder Überschuldung vorgelegen habe. Die Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin hätten in Zusammenarbeit mit dem Beklagten bewußt auf das Konkursverfahren hingearbeitet, um sich eines lästigen Unternehmens zu entledigen. Eine Abfindung in Höhe von 15 Bruttomonatsgehältern, insgesamt 105.000,-- DM, sei angemessen.
Unstreitig hat der Kläger aus einem Sozialplan bereits 17.001,36 DM erhalten sowie desweiteren gegen den Beklagten Klage auf Nachteilsausgleich erhoben.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsge-
richts Köln wird festgestellt, daß das Ar-
beitsverhältnis durch die Kündigung vom
15. November 1991 nicht aufgelöst worden ist,
2. das Arbeitsverhältnis wird gemäß §§ 9, 10
KSchG zum 31. März 1993 aufgelöst und der Be-
klagte wird zur Zahlung einer Abfindung in
Höhe von 105.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit
Rechtskraft des Abfindungsurteils verurteilt.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, eine erneute Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigung vom 15. November 1991 sei nicht erforderlich gewesen. Dem Betriebsrat sei die Schwerbehinderung bekannt gewesen, insoweit habe er auch gewußt, daß die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle einzuholen sei. Dem Betriebsrat sei auch erklärt worden, daß den schwerbehinderten Arbeitnehmern - dies ist von dem Kläger nicht substantiiert bestritten worden - nach Zustimmung der Hauptfürsorgestelle erneut gekündigt werden solle. Die alsdann nach Zustimmung der Hauptfürsorgestelle unter dem 15. November 1991 erklärte Kündigung entspreche materiell genau der Kündigung, zu der der Betriebsrat angehört worden sei. Die Beschäftigungszeit des Klägers ebenso wie der Beendigungstermin zum 30. Juni 1992 hätten sich nicht geändert. Desweiteren sei die Kündigung des Klägers aufgrund der Betriebseinstellung auch sozial gerechtfertigt, so daß bereits aus diesem Grunde der Auflösungsantrag des Klägers unbegründet sei. Es sei unzutreffend, daß die Gemeinschuldnerin vorsätzlich den Konkurs herbeigeführt habe. Im übrigen rechtfertige bereits die Betriebseinstellung und nicht erst die Konkurseröffnung die Kündigung des Klägers.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nach Vernehmung der Zeugen U , T , B und Br einschließlich des erstmals vom Kläger in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsantrages zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist teilweise begründet. Die Kündigung vom 15. November 1991 ist mangels ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung unwirksam, der Auflösungsantrag jedoch unbegründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Kündigung vom 15. November 1991 sei nicht nach § 18 Abs. 3 SchwbG unwirksam, da die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle vom 15. November 1991 dem Beklagten noch am selben Tage durch Aushändigung gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden und die Kündigung dem Kläger erst danach zugegangen sei. Die Kündigung sei auch nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam, da der Beklagte als Sequester den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung, nämlich am 14. Oktober 1991, wie die vernommenen Zeugen es geschildert hätten, angehört habe. In diesem Zusammenhang sei der Beklagte als Vertreter des Arbeitgebers anzusehen, nachdem er zuvor mit den Geschäftsführern der Firma an den Betriebsversammlungen teilgenommen und dort in deren Gegenwart Erklärungen abgegeben habe. Demgemäß habe es auf der Hand gelegen, daß er bei der Anhörung des Betriebsrates am 14. Oktober 1991 namens und in Vollmacht der Geschäftsführer der Firma gehandelt habe. Die Auffassung des Klägers, der Beklagte habe den Betriebsrat vor der Kündigung vom 15. November 1991 erneut anhören müssen, treffe nicht zu. Es sei bereits in dem Anhörungsverfahren vom 14. Oktober 1991 besprochen worden, daß unter den Arbeitnehmern auch Schwerbehinderte seien, denen erneut mit einzuholender Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gekündigt werden solle. Damit sei klar gewesen, daß die Kündigung des Beklagten vom 15. Oktober 1991 gegenüber den Schwerbehinderten nur eine vorläufige, rechtlich an sich überflüssige Maßnahme habe sein sollen und die eigentliche Kündigung erst nach der einzuholenden Zustimmung der Hauptfürsorgestelle habe erfolgen sollen. Eine Pflicht des Arbeitgebers, das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG erst nach den Zustimmungsverfahren nach den §§ 15 ff. SchwbG durchzuführen, bestehe nicht.
Die vom Kläger geltend gemachten Mängel der Anhörung vom 14. Oktober 1991 führten ebenfalls nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Kündigung. Es gebe keine Vorschrift, wonach eine Kündigung rechtsunwirksam sei, wenn die Anhörung des Betriebsrates "nicht ordnungsgemäß" gewesen sei. "Ohne Anhörung" in § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG bedeute ohne jegliche Anhörung. Die Vorschrift betreffe also dem Wortlaut nach nur die Fälle, in denen überhaupt keine Anhörung des Betriebsrates stattgefunden habe. Daß der Gesetzgeber demgegenüber auch eine Geltung für die Fälle von Mängeln der Anhörung gewollt habe, sei nicht ersichtlich. Vielmehr hätte der Gesetzgeber die "Ordnung", die der Arbeitgeber bei der Anhörung des Betriebsrates einzuhalten hätte, aufgrund des Rechtsstaatsprinzips hier näher umschreiben müssen. Jedenfalls sei § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG auch nicht entsprechend anwendbar, weil der Beklagte bei der Anhörung des Betriebsrates nicht eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer mit ihren Sozialdaten vorgelegt hätte. Sozialdaten würden nur für die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG eine Rolle spielen. Eine Sozialauswahl käme vorliegend jedoch nicht in Betracht, da allen Arbeitnehmern habe gekündigt werden sollen. Daß der Beklagte bei der Anhörung von einer "stufenweisen" Kündigung gesprochen hätte, bei der eine Sozialauswahl möglicherweise doch in Betracht gekommen wäre, habe der Zeuge U nicht bestätigt. Auch der Umstand, daß der Betriebsrat nicht auf die für den Kläger geltende Kündigungsfrist hingewiesen worden sei, rechtfertige keine entsprechende Anwendung des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Es sei klar gewesen, daß dem Kläger wie allen anderen Arbeitnehmern mit der jeweils gültigen Kündigungsfrist habe gekündigt werden sollen. Wenn es dem Betriebsrat auf eine Konkretisierung der Fristen angekommen wäre, hätte er danach fragen können.
Schließlich sei die Kündigung des Beklagten vom 15. November 1991 auch sozial gerechtfertigt, da sie durch die Betriebsschließung am 15. November 1991 oder 18. November 1991 veranlaßt und damit durch ein dringendes betriebliches Erfordernis gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt gewesen sei. Daß die Gemeinschuldnerin tatsächlich überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sein solle und sich lediglich eines lästigen Unternehmens habe entledigen wollen, sei rechtlich unerheblich. Die Kündigung des Beklagten sei nicht durch den Konkursantrag und die Konkurseröffnung, sondern durch die Betriebsschließung bedingt.
Eine Unwirksamkeit der Kündigung des Klägers ergebe sich auch nicht aus § 17 Abs. 1 KSchG. Der Kläger habe sich erst fast sechs Monate nach seiner Entlassung (30. Juni 1992) auf die Unwirksamkeit gemäß § 17 Abs. 1 KSchG berufen und damit die Verletzung des § 17 Abs. 1 KSchG nicht mehr in angemessener Frist geltend gemacht. Im übrigen löse eine Verletzung der Vorschrift des § 17 Abs. 2 KSchG keine unmittelbaren Rechtsfolgen aus.
B. Diesen Ausführungen des Berufungsgerichts kann hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung vom 15. November 1991 nicht gefolgt werden. Die Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich des vom Kläger gestellten Auflösungsantrages halten dagegen der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
I. Nachdem der Kläger in der Revisionsinstanz seine bisherigen Klageanträge auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 15. November 1991 eingeschränkt hat und die Kündigung vom 15. Oktober 1991 als gegenstandslos anzusehen ist, bestehen gegen die Zulässigkeit der Klage keine Bedenken mehr, §§ 4 KSchG, 256 ZPO.
Der Antrag des Klägers auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 105.000,-- DM ist zwar in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht aufgeführt, unterliegt aber gleichwohl gemäß § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Beurteilung des Revisionsgerichts, nachdem der Kläger ausweislich der Sitzungsprotokolle vom 25. November 1992 und vom 6. Januar 1993 auch diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung gestellt hatte.
II.1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigung vom 15. November 1991 sei nicht wegen Verstoßes gegen § 18 Abs. 3 SchwbG unwirksam, läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch insoweit von der Revision nicht angegriffen. Diese Kündigung ist nach Zustellung des Zustimmungsbescheides an den Beklagten dem Kläger zugegangen, nämlich am 16. November 1991.
Die nach § 18 Abs. 2 SchwbG erforderliche Zustellung lag am 15. November 1991 vor, da der Beklagte an diesem Tage den Bescheid persönlich bei der Hauptfürsorgestelle gegen Unterzeichnung eines Empfangsbekenntnisses abgeholt hatte. Gem. § 65 Abs. 2 SGB X sind für die Zustellung die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeszustellungsgesetz - LZG) vom 23. Juli 1957 anzuwenden. Danach gelten gem. § 1 LZG die §§ 2 bis 15 des BVwZG vom 3. Juli 1952, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. September 1990 (- VwZG -) entsprechend. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VwZG wird durch die Post oder die Behörde zugestellt. Bei der Zustellung durch die Behörde händigt der zustellende Bedienstete das Schriftstück dem Empfänger aus, der ein mit dem Datum der Aushändigung versehenes Empfangsbekenntnis zu unterschreiben hat (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwZG), wobei gem. § 2 Abs. 2 letzter Halbs. VwZG bei einer Zustellung an einen Rechtsanwalt, wie hier den Beklagten, das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis genügt.
2. Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts ist die Kündigung vom 15. November 1991 gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, da eine Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigung vom 15. November 1991 nicht erfolgt ist und die früher erfolgte Anhörung des Betriebsrates zu der Kündigung vom 15. Oktober 1991 hier eine erneute Anhörung des Betriebsrates nicht entbehrlich machte.
a) Nach dem Wortlaut des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG besteht eine Anhörungspflicht des Arbeitgebers vor jeder Kündigung; das bedeutet grundsätzlich, daß der Beklagte den Betriebsrat nicht nur vor der Kündigung des Klägers vom 15. Oktober 1991, sondern auch vor der streitgegenständlichen Kündigung vom 15. November 1991 hätte anhören müssen. Tritt der Konkursverwalter, wie hier der Beklagte, in die Stellung des Arbeitgebers ein, so hat auch er vor jeder Kündigung den Betriebsrat anzuhören (vgl. Jaeger, GK-KO, 9. Aufl., § 22 Rz 30; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 22 Rz 12, m.w.N.). Unstreitig wurde der Betriebsrat durch den Beklagten vor Ausspruch der Kündigung vom 15. November 1991 zu dieser Kündigung nicht erneut angehört.
Allenfalls, wenn man das Schreiben vom 15. November 1991 als Bestätigung der Kündigung vom 15. Oktober 1991 auffassen wollte, würde sich unter Umständen eine erneute Anhörung erübrigen. Bereits aufgrund der tatsächlichen und für die Revision bindenden (§ 561 Abs. 2 ZPO) Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, daß der Beklagte am 15. November 1991 eine erneute Kündigung erklärt und nicht nur die Kündigung vom 15. Oktober 1991 bestätigt hat. Erst im Revisionsverfahren ist unstreitig gestellt worden, daß die Kündigung vom 15. Oktober 1991 mangels vorheriger Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gegenstandslos ist. Außerdem ist im Wortlaut des Kündigungsschreibens vom 15. November 1991 von Bestätigung nicht die Rede.
Wie im übrigen zu betonen ist, kann nach dem Sinn und Zweck des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, auf den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers Einfluß zu nehmen, grundsätzlich ein Anhörungsverfahren nur für die Kündigung Wirksamkeit entfalten, für die es eingeleitet worden ist (vgl. BAG Urteil vom 11. Oktober 1989 - 2 AZR 88/89 - AP Nr. 55 zu § 102 BetrVG 1972, zu III 4 b der Gründe); eine Anhörung gleichsam auf Vorrat - wovon hier wohl das Berufungsgericht auszugehen scheint - ist grundsätzlich unzulässig.
b) Auch eine Ausnahme von diesem allgemeinen Grundsatz einer Anhörungspflicht des Arbeitgebers vor jeder Kündigung ist nicht gegeben.
Die am 14. Oktober 1991 erfolgte Anhörung des Betriebsrates zu der Kündigung vom 15. Oktober 1991 machte hier eine erneute Anhörung des Betriebsrates zu der Kündigung vom 15. November 1991 nicht entbehrlich.
aa) In seiner Entscheidung vom 11. Oktober 1989 (- 2 AZR 88/89 - AP Nr. 55 zu § 102 BetrVG 1972) hatte der Senat erstmals darüber zu entscheiden, ob oder ggf. unter welchen Voraussetzungen bei Wiederholung einer Kündigung, zu der der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist, von einer erneuten Anhörung ausnahmsweise abgesehen werden darf. Unter Hinweis auf seine früheren Urteile vom 18. September 1975 (- 2 AZR 594/74 - BAGE 27, 273 = AP Nr. 6 zu § 102 BetrVG 1972) und vom 22. September 1983 (- 2 AZR 136/82 -, n.v.) hat der Senat in der genannten Entscheidung für den Fall, daß eine Kündigung, zu der der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden sei und der er ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt habe, wegen fehlenden Zugangs an den Kündigungsgegner unwirksam war, ausgesprochen, daß vor einer erneuten Kündigung eine nochmalige Anhörung des Betriebsrates dann entbehrlich sei, wenn sie in engem zeitlichen Zusammenhang ausgesprochen und auf denselben Sachverhalt gestützt werde. In diesem Falle sei nämlich anzunehmen, daß der Betriebsrat auch der erneuten Kündigung zugestimmt hätte und die Berufung auf das Fehlen einer erneuten Anhörung deshalb rechtsmißbräuchlich sei (§ 242 BGB).
Bereits in seiner Entscheidung vom 16. März 1978 (- 2 AZR 424/76 - BAGE 30, 176 = AP Nr. 15 zu § 102 BetrVG 1972) hat der Senat von dem Grundsatz, daß der Arbeitgeber, der außerordentlich und vorsorglich ordentlich kündigen will, den Betriebsrat zu beiden beabsichtigten Kündigungen anhören muß, eine Ausnahme nur dann zugelassen, wenn der lediglich zur außerordentlichen Kündigung angehörte Betriebsrat dieser ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt hat und auch aus sonstigen Umständen nicht zu ersehen ist, daß der Betriebsrat im Falle der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eine ordentliche Kündigung beanstandet hätte. Auch bei jener Fallgestaltung lagen rechtlich zwei Kündigungen vor, zu denen der Betriebsrat nach dem Wortlaut des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ("vor jeder Kündigung anzuhören") gehört werden mußte.
bb) Schon von der Ausgangssituation her liegt hier eine andere Konstellation vor: Die Kündigung, zu der der Betriebsrat angehört worden ist, ist - anders als in dem der Entscheidung vom 11. Oktober 1989 (aa0) zugrundeliegenden Fall - dem Kläger am 15. Oktober 1991 zugegangen, womit hier das einseitige Gestaltungsrecht ausgeübt und "verbraucht" ist. Auch im zweiten Fall (BAG Urteil vom 16. März 1978, aaO) war nach der Betriebsratsanhörung das Gestaltungsrecht hinsichtlich der vorsorglich auszusprechenden ordentlichen Kündigung noch nicht ausgeübt. Ist die Kündigungserklärung aber einmal zugegangen, so greift die ausdrückliche Pflicht des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein, den Betriebsrat vor jeder, also der nächsten Kündigung erneut zu hören. Das hat der Beklagte sich offensichtlich nicht klar gemacht, wie auch der erneute Ausspruch der Kündigung vom 28. Dezember 1991 - wiederum ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats - zeigt.
cc) Davon abgesehen liegen die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für die Entbehrlichkeit einer nochmaligen Anhörung des Betriebsrates bei Wiederholung einer Kündigung nicht vor, da schon die am 14. Oktober 1991 erfolgte Anhörung des Betriebsrates nicht ordnungsgemäß war, ohne daß noch darauf abgestellt zu werden braucht, ob der Betriebsrat als Gremium der Kündigung vom 15. Oktober 1991 überhaupt vorbehaltlos zugestimmt hat oder die Beklagte davon zumindest ausgehen durfte, wofür nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nichts spricht.
(1) Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts ist eine Kündigung nicht nur dann unwirksam gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, wenn eine Anhörung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Kündigung überhaupt nicht erfolgt ist, sondern auch dann, wenn die Anhörung des Betriebsrates nicht ordnungsgemäß ist. Das entspricht im Grundsatz der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (BAG seit Grundsatzurteil vom 28. Februar 1974 - 2 AZR 455/73 - BAGE 26, 27 = AP Nr. 2 zu § 102 BetrVG 1972 bis Senatsurteil vom 29. August 1991 - 2 AZR 59/91 - AP Nr. 58, aaO; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 102 Rz 25; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 102 Rz 41, 78, 79; KR-Etzel, 3. Aufl., § 102 BetrVG Rz 106 ff.; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 259 ff.).
Insoweit ist zu berücksichtigen, daß die vom Gesetz verlangte Anhörung in der Rangordnung der Beteiligungsrechte mehr ist als die bloße Mitteilung über eine bevorstehende Kündigung, wie sie in § 105 BetrVG 1972 vorgesehen ist. Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens gem. § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist es, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, auf den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers Einfluß zu nehmen. Um diesem Sinn und Zweck der Anhörung des Betriebsrates vor einer Kündigung zu entsprechen, hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat seine Absicht, einen Arbeitnehmer zu kündigen, rechtzeitig vorher mitzuteilen und ihn dabei so zu informieren, daß er sich über die Person des Arbeitnehmers und über die Kündigungsgründe für seine Stellungnahme ein eigenes Bild machen kann. Daher hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat insbesondere die Personalien des zu kündigenden Arbeitnehmers, die Kündigungsabsicht, die Kündigungsart (z.B. ordentliche oder außerordentliche Kündigung), ggf. auch den Kündigungstermin und die Kündigungsfristen sowie deutlich genug die Kündigungsgründe mitzuteilen. Nur bei Mitteilung dieser Tatsachen kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (aaO) von einer wirksamen Anhörung des Betriebsrates gem. § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausgegangen werden (vgl. hierzu die zusammenfassende Darstellung bei Stahlhacke/Preis, aaO, Rz 259 ff., m.w.N.). Bei der Anwendung des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG bei "nicht ordnungsgemäßer" Anhörung handelt es sich um eine analoge Anwendung dieser Vorschrift, die zunächst die Sanktion der Unwirksamkeit der Kündigung nur ausspricht, falls überhaupt keine Anhörung des Betriebsrats erfolgt. Die Sanktion der Unwirksamkeit der personellen Einzelmaßnahme für den Fall der Kündigung ist erst durch das BetrVG 1972 eingeführt worden (vgl. dazu im einzelnen Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 7, 8, 9). Sie verfolgt den Zweck, den Arbeitgeber zu veranlassen, vor jeder Kündigung den Betriebsrat zu hören, will er nicht Gefahr laufen, daß die Kündigung von vornherein unwirksam ist (amtl. Begründung BR-Drucks. 715/70, S. 52). Wenn dies Sinn und Zweck der Vorschrift des § 102 BetrVG ist, (siehe auch oben), so ist es folgerichtig, wenn in der nachfolgenden Rechtsprechung diese Vorschrift auch auf die Fälle angewendet worden ist, in denen eine nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats vorlag. Aufgrund einer teleologischen Auslegung war daher die vorhandene Gesetzeslücke dahin auszufüllen, daß die vorstehend genannten Umstände zur (ordnungsgemäßen) Anhörung des Betriebsrats gehören und deshalb z. B. eine (bewußte) Fehlinformation des Betriebsrates so behandelt wurde wie eine Nichtinformation des Betriebsrates (siehe dazu Bitter, Zum Umfang und Inhalt der Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat bei der betriebsbedingten Kündigung insbesondere bei der Sozialauswahl, NZA Beilage 3/1991 S. 16, 20, 21). Es handelt sich also um eine ausdehnende Interpretation des Begriffs "Anhörung", bei der für rechtsähnliche Tatbestände unter Einpassung in die Gesamtrechtsordnung (§§ 99, 102, 105 BetrVG) eine sachgerechte Minimallösung anzustreben ist. Deshalb ist u. a. entschieden worden (vgl. BAG Urteile vom 24. Mai 1989 - 2 AZR 399/88 -, n.v.; vom 31. August 1989 - 2 AZR 453/88 - AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Schleswig-Holstein; vom 31. Mai 1990 - 2 AZR 78/89 -, n.v.), der Sanktionscharakter des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG erfordere es dagegen nicht, eine unbewußte Fehlinformation des Betriebsrats in gleichem Sinne zu behandeln.
(2) Nicht ordnungsgemäß war die Anhörung vom 14. Oktober 1991, weil dem Betriebsrat weder die Personalien der zu entlassenden Mitarbeiter (einschließlich Schwerbehinderteneigenschaft) noch die Kündigungsfristen mitgeteilt worden sind. Ferner hatte sich auch der Sachverhalt bei der späteren Kündigung vom 15. November 1991 insoweit verändert, als nunmehr der Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und der Beklagte, der vorher nur als Sequester tätig war, zum Konkursverwalter bestellt war.
3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG Urteil vom 28. Februar 1974 - 2 AZR 455/73 - BAGE 26, 27 = AP Nr. 2 zu § 102 BetrVG 1972) setzt eine wirksame Anhörung des Betriebsrates nach Maßgabe des § 102 Abs. 1 BetrVG mindestens voraus, daß der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Personalien des Arbeitnehmers, der gekündigt werden soll, bezeichnet.
Der Arbeitgeber muß den Betriebsrat eindeutig wissen lassen, wen er zu kündigen beabsichtigt. Dafür genügt es nicht, daß der Arbeitgeber dem Betriebsrat bei einer Massenentlassung nach § 17 KSchG die Anzahl der zu berücksichtigenden Arbeitnehmer mitteilt, ohne die Arbeitnehmer näher zu bezeichnen (vgl. KR-Etzel, aaO, § 102 BetrVG Rz 58, m.w.N.). So hat der Arbeitgeber vielmehr auch bei einer Massenentlassung dem Betriebsrat insbesondere Alter, Familienstand, Betriebszugehörigkeit und besondere soziale Umstände (z.B. Schwerbehinderteneigenschaft) des zu kündigenden Arbeitnehmers mitzuteilen.
Aus den vom Berufungsgericht im Urteil getroffenen Tatsachenfeststellungen ergibt sich nicht, daß der Beklagte dieser Mitteilungspflicht im einzelnen nachgekommen wäre. Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme lediglich festgestellt, bei dem Gespräch am 14. Oktober 1991 sei gesagt worden, allen solle gekündigt werden. Ob über die Person des Klägers konkret gesprochen wurde, insbesondere ob dem Betriebsrat das Alter, der Familienstand, die Betriebszugehörigkeit sowie die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers mitgeteilt wurden, ergibt sich auch aus der durchgeführten Beweisaufnahme nicht.
Auch bei einer umfassenden Massenentlassung gem. § 17 KSchG ist, wie der vorliegende Fall deutlich zeigt, eine konkrete Information des Betriebsrates über die sozialen Umstände, wie z.B. die Schwerbehinderteneigenschaft und über das Alter und die Betriebszugehörigkeit des einzelnen Arbeitnehmers schon deswegen erforderlich, damit der Betriebsrat in Würdigung der Person des einzelnen Arbeitnehmers und der für ihn geltenden Kündigungsfrist seine personenbezogenen Einwendungen und Bedenken gegenüber dem Arbeitgeber vorbringen kann. Angaben über die Person des Klägers und insbesondere über die Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung waren hier auch nicht verzichtbar, da der Betriebsrat, wie sich aus der Beweisaufnahme ergibt, über die Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung des Klägers gerade nicht unterrichtet war. Im Gegenteil: Erst der Betriebsrat hat den Beklagten generell darauf hingewiesen, es gehe auch um die Kündigung von Schwerbehinderten.
4. Zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates gem. § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gehört nach der Rechtsprechung des Senats auch die Angabe der Kündigungsfristen der betroffenen Arbeitnehmer.
Eine Mitteilung der Kündigungsfrist des Klägers ist seitens des Beklagten gegenüber dem Betriebsrat nicht erfolgt. Im Urteil vom 29. März 1990 (- 2 AZR 420/90 - AP Nr. 56 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe) hat der Senat entschieden, zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates gehöre im Falle der betriebsbedingten Kündigung jedenfalls dann die Angabe der Kündigungsfristen der betroffenen Arbeitnehmer, wenn sich erst daraus die Tragweite der geplanten personellen Maßnahme (seinerzeit: Reduzierung des Weihnachtsgeldes) bezogen auf das laufende oder das nachfolgende Kalenderjahr ermitteln lasse. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Februar 1974 (BAGE 26, 27, 30 = AP Nr. 2 zu § 102 BetrVG 1972, zu I 1 der Gründe) und vom 29. Januar 1986 (- 7 AZR 257/84 - AP Nr. 42 zu § 102 BetrVG 1972) hat der Senat darauf hingewiesen, daß zwischen der maßgeblichen Kündigungsfrist und dem Kündigungstermin (Endtermin) zu unterscheiden sei und der Arbeitgeber die Kündigungsfrist dem Betriebsrat grundsätzlich mitteilen müsse, es sei denn, dem Betriebsrat seien die zu beachtenden Fristen ohnehin bekannt.
Aus den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, daß dem Betriebsrat die beim Kläger einzuhaltende Kündigungsfrist bekannt gewesen sei. Nachdem der Betriebsrat über das Alter und die Betriebszugehörigkeit des Klägers und damit über die tatsächlichen Umstände für die Berechnung der maßgeblichen tariflichen Kündigungsfrist nicht unterrichtet war, waren hier auch die Angaben über die Dauer der einzuhaltenden Kündigungsfrist nicht verzichtbar. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts besteht insoweit auch keine Erkundigungspflicht des Betriebsrates hinsichtlich der konkreten einzelnen Kündigungsfristen. Nach Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens muß vielmehr die Kennzeichnung des Kündigungssachverhaltes so sein, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene weitere Nachforschungen und Erkundigungen in der Lage ist, die jeweilige Kündigungsfrist nachzuprüfen.
5. Schließlich ergibt sich aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht, daß dem Betriebsrat hinsichtlich des Kündigungsgrundes "Betriebsstillegung" deren genauer Zeitpunkt (vgl. dazu KR-Etzel, aaO, § 102 BetrVG Rz 61, m.w.N.) mitgeteilt wurde. Auch von hier aus gesehen ließen sich die einzuhaltenden Kündigungsfristen für den Betriebsrat nicht nachprüfen.
6. Da die Kündigung vom 15. November 1991 bereits mangels ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob sie außerdem noch wegen Unterlassung einer Massenentlassungsanzeige unwirksam ist.
III.Der Auflösungsantrag des Klägers ist unbegründet.
Auf Antrag des Arbeitnehmers ist das aufgrund gerichtlicher Feststellung durch die Kündigung nicht aufgelöste Arbeitsverhältnis gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG unter Zuerkennung einer angemessenen Abfindung dann aufzulösen, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Dabei kann der Auflösungsantrag gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG in zulässiger Weise auch noch in der Berufungsinstanz gestellt werden.
Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. § 9 KSchG kommt jedoch erst dann in Betracht, wenn das Gericht zuvor zur Feststellung gelangt ist, daß die vom Arbeitgeber erklärte Kündigung nicht gem. § 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Hält das Gericht dagegen die Kündigung für sozial gerechtfertigt, so schließt dies den Erlaß eines Auflösungsurteils aus (vgl. BAG Urteil vom 29. Januar 1981 - 2 AZR 1055/78 - BAGE 35, 30, 38 f. = AP Nr. 6 zu § 9 KSchG 1969, zu III 1 der Gründe; KR-Becker, aaO, § 9 KSchG Rz 26), wobei dies auch dann gilt, wenn die Kündigung schon aus einem anderen Grund, nämlich - wie hier - gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam ist (so auch Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 9 Rz 14).
1. Das Berufungsgericht hat die Kündigung vom 15. November 1991 als sozial gerechtfertigt angesehen, da sie durch die Betriebsschließung am 15. oder 18. November 1991 veranlaßt und damit durch ein dringendes betriebliches Erfordernis bedingt gewesen sei. Dabei sei es rechtlich unerheblich, wenn die Gemeinschuldnerin tatsächlich gar nicht überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei und sich lediglich eines lästigen Unternehmens habe entledigen wollen, da die Kündigung des Beklagten nicht durch den Konkursantrag und auch nicht durch die Konkurseröffnung, sondern durch die Betriebsschließung bedingt gewesen sei, was etwas anderes sei.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit BAGE 6, 1, 3 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, zu III der Gründe; BAGE 47, 13 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB und Senatsurteil vom 19. Mai 1988 - 2 AZR 596/87 - BAGE 59, 12 = AP Nr. 75 zu § 613 a BGB) gehört die Stillegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können. Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzuheben.
Unstreitig wurde der Betrieb der Gemeinschuldnerin am 15. oder 18. November 1991 stillgelegt. Der Beklagte hat die Kündigung ausweislich ihres Wortlautes auch auf die weitgehende Einstellung und die weitere künftige Abwicklung des Geschäftsbetriebes, also entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf die Entscheidung, ein Konkursverfahren durchzuführen, gestützt.
b) Grundsätzlich ist es der freien Entscheidung des Unternehmers vorbehalten, ob er den Betrieb stillegen oder fortführen will (vgl. BAGE 47, 13, 23 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB, zu B III 3 a der Gründe; BAG Urteil vom 27. Februar 1987 - 7 AZR 652/85 - BAGE 54, 215 = AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Unternehmerische Entscheidungen sind im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses von den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind (herrschende Meinung; vgl. BAGE 31, 157; 32, 150 und 55, 262 = AP Nr. 6, 8 und 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAGE 64, 34 = AP Nr. 19 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl und BAGE 65, 61 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen sich ergeben soll, daß eine Unternehmerentscheidung ausnahmsweise nicht bindend ist, trägt grundsätzlich der sich darauf berufende Arbeitnehmer (vgl. BAG, aaO).
Anhaltspunkte dafür, daß der Entschluß des Beklagten bzw. der Gemeinschuldnerin, den Geschäftsbetrieb stillzulegen, offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich gewesen sei, hat der Kläger nicht vorgetragen.
aa) Soweit der Kläger unter Darlegung umfangreichen Tatsachenmaterials eine tatsächlich nicht vorhandene Überschuldung sowie Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin und damit einen nicht vorhandenen Konkursgrund zu belegen versucht, ist dieser Sachvortrag, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, nicht entscheidungserheblich. Grund für die Kündigung vom 15. November 1991 war die unternehmerische Entscheidung, den Betrieb stillzulegen bzw. abzuwickeln, nicht jedoch das vom Beklagten schon als Sequester beantragte Konkurseröffnungsverfahren sowie die dann tatsächlich erfolgte Konkurseröffnung.
bb) Eine offensichtliche Unsachlichkeit bzw. Willkürlichkeit ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision hier auch nicht daraus, daß der Beklagte zunächst ein Konkursverfahren beantragte, statt die Unternehmensliquidation durchzuführen. Auch bei einem solchermaßen rechtmäßigen Alternativverhalten - Liquidation statt Konkursverfahren - wie der Kläger meint, wäre die Kündigung des Klägers ebenfalls wegen der der Liquidation zugrundeliegenden Betriebsstillegung gerechtfertigt.
2. Da die Kündigung des Klägers vom 15. November 1991 wegen Betriebsstillegung gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist, ist auch der Antrag auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 105.000,-- DM erfolglos. Der Senat hat den bezifferten Antrag auf Zahlung einer Abfindung dahin ausgelegt, er sei hilfsweise nur für den Fall gestellt, daß der Auflösungsantrag begründet ist (sog. uneigentlicher Eventualantrag). Auch der Zahlungsantrag setzt die Begründetheit des Auflösungsantrages voraus; ist der Auflösungsantrag unbegründet, so ist auch der Antrag auf Zahlung einer Abfindung notwendig unbegründet und deshalb ohne weiteres hinfällig.
Hiervon ist offensichtlich auch das Berufungsgericht ausgegangen, wenn es in den Gründen ausführt, der Zahlungsantrag des Klägers (105.000,-- DM) sei gegenstandslos.
Hillebrecht Bitter Bröhl
Brocksiepe Walter
Fundstellen
Haufe-Index 437686 |
BAGE 74, 185-200 (LT1-2) |
BAGE, 185 |
BB 1994, 429 |
BB 1994, 429-430 (LT1-2) |
DB 1994, 381-382 (LT1-2) |
NJW 1994, 1365 |
NJW 1994, 1365 (L) |
AiB 1994, 318 (ST1-2) |
BetrR 1994, 38 (LT1-2) |
BetrVG, (13) (LT1-2) |
WiB 1994, 209-210 (LT) |
EWiR 1994, 175 (L1-2) |
NZA 1994, 311 |
NZA 1994, 311-315 (LT1-2) |
RzK, III 1a Nr 59 (LT1-2) |
AP § 102 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 62 |
AP, 0 |
AR-Blattei, ES 530.14.3 Nr 146 (LT1-2) |
AuA 1994, 331 (LT1-2) |
EzA-SD 1994, Nr 1/2, 20-23 (LT1,ST1) |
EzA § 102 BetrVG 1972, Nr 84 (LT1-2) |
MDR 1994, 697-698 (LT1-2) |