Entscheidungsstichwort (Thema)
Billigkeitskontrolle einer ablösenden Versorgungsordnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird eine Betriebsvereinbarung geschlossen, die eine ältere Betriebsvereinbarung ablösen soll, so gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die Zeitkollisionsregel: Die jüngere Norm ersetzt die ältere.
2. Führt die ablösende Betriebsvereinbarung zu einer Kürzung von Versorgungsanwartschaften, so unterliegt sie einer Billigkeitskontrolle. Abzuwägen sind die Änderungsgründe gegen die Bestandsschutzinteressen der betroffenen Arbeitnehmer. Je stärker in Besitzstände eingegriffen wird, desto schwerer müssen die Änderungsgründe wiegen.
3. Wie der Senat bereits für Unterstützungskassen entschieden hat (zuletzt BAG 30.4.1985, 3 AZR 611/83 = BAGE 48, 337, 342f = AP Nr 4 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B II 1 der Gründe) lassen sich Versorgungsbesitzstände und die für entsprechende Eingriffe erforderlichen Änderungsgründe wie folgt abstufen:
a. Der bereits erdiente und nach den Grundsätzen des § 2 BetrAVG errechnete Teilbetrag darf nur in seltenen Ausnahmefällen gekürzt werden.
b. Zuwächse, die sich aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben, können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden, soweit sie zeitanteilig erdient sind.
c. Für Eingriffe in Zuwachsraten, die noch nicht erdient sind, genügen sachliche Gründe.
4. Durch das 20. und das 21. Rentenanpassungsgesetz ist nicht so stark in das System des Sozialversicherungsrechts eingegriffen worden, daß dadurch allein die Aufgabe einer betrieblichen Gesamtversorgungsregelung ohne Rücksicht auf vorhandene Besitzstände sachlich begründet werden könnte.
Normenkette
BetrAVG §§ 1-2; BetrVG §§ 58, 75, 77 Abs. 4
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 25.10.1983; Aktenzeichen 1 Sa 20/83) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 26.01.1983; Aktenzeichen 20 Ca 245/82) |
Tatbestand
Die am 11. Januar 1930 geborene Klägerin trat am 1. Oktober 1971 in die Dienste der N S GmbH. Sie wurde zunächst bei einer Tochtergesellschaft eingesetzt. Bis zum 31. Dezember 1972 arbeitete sie als Teilzeitkraft mit einer täglichen Arbeitszeit von sechs Stunden, danach vollschichtig als Stenotypistin. In § 2 des Arbeitsvertrages heißt es:
"Die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers ergeben
sich aus dem Tarifvertrag für die Angestellten der
Wohnungswirtschaft, den gesetzlichen Bestimmungen
und der Betriebsvereinbarung in deren jeweils gel-
tenden Fassung."
Ab 1. August 1979 trat die Beklagte als Arbeitgeberin in das Arbeitsverhältnis ein. Die Arbeitsbedingungen sollten unverändert bleiben.
Im Konzern der Beklagten werden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gewährt. Die maßgebenden Regelungen sind wiederholt geändert worden. Eine Betriebsvereinbarung für die Beklagte vom 19. Dezember 1963 enthielt unter der Überschrift "Sonderzuwendungen" einen Katalog der zustehenden ständig wiederkehrenden Leistungen. Die Nr. 6.5 lautet:
"Eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung
nach der Ruhegeldordnung der "N "."
Für den Bereich der N S GmbH hieß es in einer Betriebsvereinbarung vom 21. April 1970 entsprechend:
"Die betriebliche Altersversorgung erfolgt nach der
Ruhegeldordnung der Unternehmensgruppe N
S "
Diese Blankettvorschriften wurden durch Ruhegeldordnungen ausgefüllt, die nach ihrem persönlichen Geltungsbereich für alle Vollzeitbeschäftigten der N galten. Sie sahen Invaliden-, Alters-, Witwen- und Waisenrenten vor, wenn eine Wartezeit von zehn Jahren erfüllt wurde. Als Maßstab diente die Gesamtversorgung. Diese sollte mindestens 50 % des Durchschnitts der in den letzten 24 Monaten erreichten Bruttobezüge betragen. Die maßgebende Gesamtversorgung steigerte sich mit jedem weiteren nach Erfüllung der Wartezeit abgeleisteten vollen Dienstjahr um 1 % bis zu einer Höchstgrenze von 75 %. Auf diese Gesamtversorgung wurden die Leistungen aus der Sozialversicherung sowie die berufsgenossenschaftlichen Renten angerechnet. Soweit Arbeitnehmer nicht mehr versicherungspflichtig waren, mußten sie sich freiwillig zum Höchstsatz weiterversichern. Die Hälfte der Beiträge übernahm die Beklagte. War eine Weiterversicherung nicht möglich, mußte eine private Ersatzversicherung abgeschlossen werden. Nach Ablauf der 10jährigen Wartezeit wurden Ruhegeldurkunden ausgestellt. Diese hatten auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Herr/Frau ... erhält von uns aufgrund lang-
jähriger Dienstzeit ein Ruhegeld nach Maßga-
be der bei Eintritt des Ruhegeldfalles gel-
tenden Ruhegeldordnung.
..."
Am 30. Dezember 1976 vereinbarten die Beklagte wie auch die N S GmbH mit dem Konzernbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung, die die Ruhegeldordnung neu faßte (kurz: RO 1976). Das Gesamtversorgungssystem wurde beibehalten. Vorgesehen wurden jetzt Berufs- und Erwerbsunfähigkeits-, Alters-, Witwen-, Witwer- und Waisenrenten für alle Arbeitnehmer der N S GmbH, die vertragsmäßig mindestens 50 % der vollen betrieblichen Arbeitszeit leisten und eine Wartezeit von zehn Jahren zurückgelegt haben. Die Berufs-, Erwerbsunfähigkeits- und Altersrenten betrugen (wie schon nach der Ruhegeldordnung) 50 % des monatlichen Durchschnitts der ruhegeldfähigen Bezüge in den letzten 24 Monaten. Die Gesamtversorgungsquote stieg unverändert mit jedem weiteren nach Erfüllung der Wartezeit abgeleisteten vollen Dienstjahr um 1 % bis zur Höchstgrenze von 75 %. Ebenso wie nach der Ruhegeldordnung wurden die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie die berufsgenossenschaftlichen Renten angerechnet. War der Arbeitnehmer nicht versicherungspflichtig, hatte er sich freiwillig weiter zu versichern oder eine private Ersatzversicherung abzuschließen. In § 16 der Betriebsvereinbarung war bestimmt, daß die festgesetzten Renten nur dann allgemein gekürzt werden können, wenn deren Weiterzahlung den wirtschaftlichen Fortbestand der N S GmbH ernstlich gefährden würde. Bei Streit über das Vorliegen dieser Voraussetzungen sollte ein Gutachten eingeholt werden. In einer Protokollnotiz zu der am 1. Januar 1977 in kraft getretenen Vereinbarung heißt es:
1. Bisher erteilte Ruhegeldurkunden
--------------------------------
Da hinsichtlich des rechtlichen Gehalts der
bisher erteilten Ruhegeldzusicherungen Zweifel
aufgekommen sind, ob sie einen individual- oder
kollektivrechtlichen Charakter haben, gilt fol-
gendes:
Im Ruhegeldfall findet die Ruhegeldordnung in
der Fassung Anwendung, die sie im Zeitpunkt der
Aushändigung der Urkunde hatte. Verbesserungen
der Ruhegeldordnung, die zwischen Aushändigung
der Urkunde und Eintritt des Ruhegeldfalles ver-
einbart wurden, finden ebenfalls Anwendung.
2. Künftig zu erteilende Ruhegeldurkunden
--------------------------------------
Sie werden so abgefaßt, daß sie allein den kol-
lektivrechtlichen Anspruch bestätigen und einen
Hinweis auf die Erfüllung der Wartezeit und den
Eintritt der Unverfallbarkeit geben.
Sie werden ab 1.1.1977 ausgegeben.
3. Vermeidung von Härten bei künftigen Änderungen
der Ruhegeldordnung
----------------------------------------------
Die Verhandlungspartner sind sich darüber im
klaren, daß zukünftige Änderungen der Ruhegeld-
ordnung auch dann Wirkung haben, wenn sie im
Einzelfall zu einer Schlechterstellung führen.
Deshalb verpflichten sich die Vertragspartner,
bei solchen Änderungen zuvor den Kreis der mög-
lichen Benachteiligten zu definieren. Auf dieser
Grundlage werden sie Ausnahme- und Übergangsre-
gelungen erarbeiten, die nicht zumutbare Schlech-
terstellungen vermeiden.
Am 30. September 1980 vereinbarten die Vorstände der Beklagten und der N S GmbH mit dem Konzernbetriebsrat der N sowie dem Gesamtbetriebsrat der N S eine Pensionsvereinbarung (kurz: PV), die rückwirkend zum 1. Juli 1980 in Kraft gesetzt wurde. Nach ihrem persönlichen Geltungsbereich gilt sie für alle Arbeitnehmer der Beklagten und der N S, mit denen mindestens 50 % der vollen betrieblichen Arbeitszeit vereinbart ist. Ausgenommen von ihrem Geltungsbereich sind diejenigen Arbeitnehmer, die bis zum 31. Dezember 1976 die 10jährige Wartezeit nach der bisherigen Ruhegeldordnung erfüllt und eine Ruhegeldzusicherungsurkunde in der bis zum 31. Dezember 1976 verwandten Fassung erhalten haben. Die Pensionsvereinbarung sieht nach wie vor Alters-, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten sowie Witwen-, Witwer- und Waisenrenten vor. Die Wartezeit beträgt jetzt für Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten fünf Jahre, im übrigen zehn Jahre. Als Versorgungsmaßstab dient nicht mehr der Gesamtversorgungsbedarf der Arbeitnehmer. Die Höhe der Pensionen richtet sich nach der pensionsfähigen Dienstzeit, dem pensionsfähigen Einkommen der letzten 24 Monate vor Eintritt des Versorgungsfalles und jährlichen Steigerungsraten, die wie folgt geregelt sind:
"§ 8 Pensionsformel
(1) Die Alterspension, vorgezogene Alterspension,
Berufs- und Erwerbsunfähigkeitspension betragen
für jedes vollendete Dienstjahr 0,7 %, für Be-
standteile der Pensionsbemessungsgrundlage bis
zur Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen
Rentenversicherung und 1,2 % für Bestandteile
der Pensionsbemessungsgrundlage, die über der
Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Ren-
tenversicherung liegen. Es gilt die durch-
schnittliche Beitragsbemessungsgrenze der letz-
ten 24 Monate vor Eintritt des Versorgungsfalles.
(2) Soweit die Alterspension, vorgezogene Alterspen-
sion, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitspension ge-
ringer als 130,-- DM sind, werden sie auf 130,--
DM angehoben, bis dieser Betrag durch die jähr-
liche Anpassung der Pensionen gemäß § 14 erreicht
worden ist."
In § 18 der Pensionsvereinbarung ist eine Ausgleichsregelung vorgesehen. Arbeitnehmer, die dem Geltungsbereich der Pensionsvereinbarung unterliegen und die Wartezeit nach der Ruhegeldordnung mit Ablauf des 30. Juni 1980 erfüllt haben, erhalten zusätzlich einen Pensionsausgleich, wenn bei Eintritt des Versorgungsfalles der Anspruch auf betriebliches Ruhegeld nach der Ruhegeldordnung in der am 30. Juni 1980 geltenden Fassung höher ist als nach der Pensionsvereinbarung. Arbeitnehmer, die die Wartezeit nach der Ruhegeldordnung mit Ablauf des 30. Juni 1980 nicht erfüllt haben, erhalten einen Pensionsausgleich, wenn der Versorgungsfall bis zum 31. Dezember 1980 eingetreten ist und Pensionsansprüche nach dieser Vereinbarung und nach der Ruhegeldordnung entstanden sind. Die Höhe des Pensionsausgleichs ist in § 18 Nr. 2 PV wie folgt geregelt:
"Zur Ermittlung des Pensionsausgleichs wird zu-
nächst der Differenzbetrag zwischen dem betrieb-
lichen Ruhegeld nach der Ruhegeldordnung und der
Pension nach der Pensionsvereinbarung ermittelt.
Dieser Differenzbetrag verbleibt in Höhe des Tei-
les als Pensionsausgleich, der sich aus dem Ver-
hältnis der bis zum 30.6.1980 erreichten Dienst-
zeit zu der gesamten bis Eintritt des Versor-
gungsfalles erreichten Dienstzeit ergibt."
Im Verlaufe des Revisionsverfahrens ist die Klägerin gegen Zahlung einer Abfindung bei der Beklagten ausgeschieden.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß sie sich bei der Berechnung ihrer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft die Änderung der Ruhegeldordnung durch die Pensionsvereinbarung vom 30. September 1980 nicht entgegenhalten lassen müsse. Durch die Pensionsvereinbarung würden ihre Versorgungsansprüche wesentlich verschlechtert. Während sie nach der bis 1980 geltenden Ruhegeldordnung bei Erreichen der Altersgrenze einen Gesamtversorgungsanspruch in Höhe von 2.493,75 DM erworben hätte, betrage dieser nach der Pensionsvereinbarung von 1980 nur noch 1.750,70 DM. Für ihre Dienstaufnahme bei der Beklagten sei deren Gesamtversorgungssystem maßgebend gewesen. Sie habe nur geringe Rentenleistungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu erwarten, weil sie vor Eintritt in die Dienste der N im elterlichen Malerbetrieb und im Betrieb ihres Ehemannes mitgearbeitet habe, ohne sozialversichert gewesen zu sein. Diese Versorgungslücke habe sie durch die Gesamtversorgung der Beklagten ausgleichen wollen. Ihr Vertrauen dürfe nicht enttäuscht werden. Alle Gründe, die die Beklagte für die Änderung ihres Versorgungswerkes anführe, seien voraussehbar gewesen und könnten Eingriffe in ihren Besitzstand nicht rechtfertigen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
ist, ihr Versorgungsleistungen nach der Ruhe-
geldordnung vom 30. Dezember 1976, gültig ab
1. Januar 1977, zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die Pensionsvereinbarung von 1980 leistungsgerechter und sozialer sei als die vorher geltende Ruhegeldordnung und den Grundsätzen von Recht und Billigkeit genüge. Bei Inkrafttreten der Pensionsvereinbarung habe die Klägerin noch keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft gehabt. In ihre erworbenen Besitzstände sei nicht eingegriffen worden. Die Änderung der Ruhegeldordnung sei aus folgenden Gründen notwendig gewesen: Durch das 20. und 21. Rentenanpassungsgesetz seien die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erheblich und in nicht vorhersehbarer Weise eingeschränkt worden. Das bis 1980 praktizierte Prinzip der Gesamtversorgung habe bewirkt, daß sie praktisch eine "Ausfallbürgschaft" für die gesetzliche Rentenkürzung übernehmen mußte. Dadurch würde ihr Bruttofinanzbedarf in Prozent der ruhegeldfähigen Bezüge von 22,3 bis 22,7 % im Jahre 1980 auf 45,3 bis 50,8 % im Jahre 1998 steigen. Eine so hohe Belastung könne sie auf die Dauer nicht tragen, wenn auch noch keine wirtschaftliche Notlage behauptet werden solle. Außerdem habe sie Überversorgungen abbauen müssen; nach der Ruhegeldordnung von 1977 seien die Gesamtversorgungen zum großen Teil höher gewesen als die Einkommen der aktiven Arbeitnehmer. Die Betriebsvereinbarung von 1977 sei auch aus anderen Gründen auf die Kritik ihrer Betriebsräte gestoßen: Arbeitnehmer mit geringen Einkommen hätten vielfach nur die Mindestbetriebsrente erhalten, weil sie sich hohe Sozialversicherungsrenten anrechnen lassen mußten; dagegen hätten hochbezahlte Angestellte schon nach kurzer Zeit Renten in Höhe von 50 % ihres letzten Gehaltes erworben. Die Pensionsvereinbarung von 1980 sehe einen paritätisch besetzten Ausschuß vor, der zur Milderung von Härtefällen eingreifen könne. Dieser habe aber einstimmig einen Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Sonderleistungen abgelehnt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen eine abschließende Beurteilung der Klage noch nicht zu.
I. Die Klägerin verfügt unstreitig über eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft. Ihre Versorgungsrechte ergaben sich ursprünglich aus einer Ruhegeldordnung, die auf dem Gesamtversorgungsprinzip beruhte, also darauf abzielte, eine bestimmte Versorgungslücke nach Abzug der Sozialversicherungsrente auszugleichen. Diese Ruhegeldordnung wurde durch die Pensionsvereinbarung vom 30. September 1980 abgelöst, was die Versorgungsrechte der Belegschaft im allgemeinen und der Klägerin im besonderen kürzte. Für die Entwicklung der Rechtsgrundlagen gilt im einzelnen folgendes:
1. Als die Klägerin am 1. Oktober 1971 in die Dienste einer Konzerngesellschaft der N trat, galt eine einseitig erlassene Ruhegeldordnung, deren Datum die Tatsacheninstanzen nicht festgestellt haben. Diese Ruhegeldordnung ergänzte entsprechende Blankettzusagen in Betriebsvereinbarungen von 1963 und 1970, die in den Unternehmensbereichen der N G GmbH und der N S GmbH soziale Angelegenheiten umfassend regelten. Beide Betriebsvereinbarungen begründeten für die Arbeitnehmer Ansprüche auf Versorgungsleistungen nach Maßgabe der ergänzenden Ruhegeldordnung.
Die Klägerin meint, sie habe aufgrund der undatierten Ruhegeldordnung vertragliche Rechte erworben, die später nicht mehr durch Betriebsvereinbarungen beeinflußt werden konnten. Das ist jedoch nicht richtig. Es kann dahingestellt bleiben, ob die undatierte Ruhegeldordnung als Gesamtzusage verstanden werden mußte, die unabhängig von den auf sie verweisenden Rahmen-Betriebsvereinbarungen vertragliche Rechte begründete. Eine solche Vertragsgestaltung wäre jedenfalls "betriebsvereinbarungsoffen" gewesen. Da die Ruhegeldordnung erkennbar dazu bestimmt war, Blankettregelungen in Betriebsvereinbarungen auszufüllen, stand sie unter dem stillschweigenden Vorbehalt, der keiner besonderen Erwähnung bedurfte, daß die Betriebspartner das Versorgungswerk der Beklagten auch selbst abschließend regeln können. In den damals üblichen Ruhegeldurkunden wurde überdies ausdrücklich hervorgehoben, daß sich die Betriebsrente nach derjenigen Ruhegeldordnung richten soll, die bei Eintritt des Versorgungsfalles gilt. Eine ablösende Betriebsvereinbarung war danach grundsätzlich möglich.
2. Von dieser Möglichkeit wurde erstmals durch eine Konzernbetriebsvereinbarung vom 30. Dezember 1976 Gebrauch gemacht. Die abschließende Regelung der betrieblichen Altersversorgung im Bereich des Konzerns enthielt, soweit ersichtlich, keine Verschlechterungen, sondern nur Klarstellungen und einige Verbesserungen. Das Gesamtversorgungssystem, das für die Klägerin von besonderem Interesse war, blieb unangetastet.
Gegen die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates bestehen keine Bedenken. Es ging um die Neufassung einer konzerneinheitlichen Versorgungsordnung. Ebenso ist unstreitig, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin von der Konzernbetriebsvereinbarung normativ erfaßt wurde.
3. Streit entstand erst durch die ablösende Pensionsvereinbarung vom 30. September 1980, die ebenfalls für die Arbeitnehmerseite von dem dafür zuständigen Konzernbetriebsrat unterschrieben wurde. Diese Betriebsvereinbarung will die Klägerin nicht gegen sich gelten lassen, soweit sie ihre Versorgungsrechte schmälert.
a) Die Neuregelung enthält eine Reihe von Verschlechterungen, von denen die Klägerin einige im Laufe des Rechtsstreits nicht einmal angesprochen hat (z. B. die Anpassung der Betriebsrenten an die Lebenshaltungskosten anstatt - wie bisher - an die Gehaltsentwicklung). Die Klägerin wehrt sich gegen eine grundlegende Strukturveränderung des Versorgungssystems. Während die Ruhegeldordnung von 1976 eine Gesamtversorgung vorsah, die sich auf mindestens 50 % und höchstens 75 % der letzten ruhegeldfähigen Bezüge belief, wird die Rentenberechnung in der Pensionsvereinbarung von der Höhe der Sozialversicherungsrenten "abgekoppelt". Die Arbeitnehmer sollen künftig nur noch eine jährliche Steigerungsrate für ihre spätere Betriebsrente erdienen können, die unabhängig von der Höhe ihrer Sozialversicherungsrente ist. Diese Steigerungsrate soll in jedem Beschäftigungsjahr zwischen 0,7 % und 1,2 % der ruhegeldfähigen Bezüge betragen, wobei die Einkommensteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze begünstigt werden. Der angehobene Versorgungssockel nach Erreichen der Wartefrist, der sich bei kürzeren Arbeitsverhältnissen besonders vorteilhaft auswirkte, soll wegfallen.
b) Die nachteiligen Wirkungen dieser Pensionsvereinbarung werden für einige Gruppen von Arbeitnehmern stark gemildert. Versorgungsberechtigte, die schon am 31. Dezember 1976 bei Inkrafttreten der Ruhegeldordnung von 1976 die 10jährige Wartefrist erfüllt hatten und damit auch über unverfallbare Versorgungsanwartschaften verfügten, werden in § 1 Abs. 2 PV von der Geltung der Neuregelung völlig ausgenommen. Für diejenigen Versorgungsberechtigten, die bei Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 1980 bereits die 10jährige Wartezeit erfüllt und damit eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben hatten, soll zwar die Neuregelung grundsätzlich gelten, § 18 PV begründet jedoch für sie den Anspruch auf einen "Pensionsausgleich". Das gleiche gilt für rentennahe Versorgungsberechtigte, die zwar am 30. Juni 1980 noch keine unverfallbare Anwartschaft hatten, jedoch bis spätestens 31. Dezember 1986 mit einem fälligen Pensionsanspruch in den Ruhestand treten. Der Pensionsausgleich errechnet sich aus der Differenz zwischen der Betriebsrente nach altem und nach neuem Recht, wobei der Differenzbetrag zeitanteilig in dem Verhältnis gekürzt wird, in dem die Betriebsrente bei Inkrafttreten der Neuregelung noch nicht erdient war.
Die Klägerin wird von diesen Übergangsregelungen nicht erfaßt. Am 30. Juni 1980, als die ablösende Pensionsvereinbarung in Kraft trat, verfügte sie nur über eine anrechenbare Dienstzeit von knapp neun Jahren; sie erfüllte also nicht die 10jährige Wartezeit und hatte noch keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben. Mit 50 Jahren gehörte sie auch noch nicht zu den Jahrgängen, die nach § 18 PV wegen ihrer Rentennähe einen Pensionsausgleich erwarten dürfen.
c) Die Klägerin wird gegen die Verschlechterung ihrer Versorgungsanwartschaft nicht durch das Günstigkeitsprinzip geschützt. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Zwar wird die Regelungsmacht der Betriebspartner durch das Günstigkeitsprinzip eingeschränkt (Großer Senat des Bundesarbeitsgerichts, Beschluß vom 16. September 1986 - GS 1/82 - unter C II 2 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen), das gilt jedoch nur im Verhältnis von Betriebsvereinbarungen zu vertraglichen Regelungen. Soweit ältere Betriebsvereinbarungen durch jüngere abgelöst werden sollen, gilt die Zeitkollisionsregel: lex posterior derogat legi priori (Großer Senat, aaO, unter C II 5 der Gründe). Da schon die Ruhegeldordnung von 1976, auf die sich die Klägerin beruft, eine Konzernbetriebsvereinbarung darstellt, konnte die Beklagte mit ihrem Konzernbetriebsrat im Jahre 1980 eine Neuregelung vereinbaren und an die Stelle der alten Ruhegeldordnung setzen.
II. Die grundsätzliche Befugnis der Betriebspartner, ihre eigenen Betriebsvereinbarungen abzulösen, bedeutet nicht, daß die Klägerin schutzlos wäre. Besitzstände können nur in den Grenzen von Recht und Billigkeit beschnitten werden. Ob diese Grenzen im vorliegenden Fall beachtet wurden, erscheint nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zweifelhaft.
1. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß Betriebsvereinbarungen einer Billigkeitskontrolle unterworfen sind, soweit sie bereits begründete Rechte einschränken (BAGE 36, 327 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung; 37, 217 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen; 48, 337 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Ablösung). Der Große Senat hat diese Rechtsprechung in seinem Beschluß vom 16. September 1986 (- GS 1/82 - zu C II 5 der Gründe) bestätigt. Er hat ausdrücklich hervorgehoben, daß eine Betriebsvereinbarung auch dann nicht schrankenlos in Besitzstände der Arbeitnehmer eingreifen darf, wenn diese sich auf eine frühere Betriebsvereinbarung gründen. Kürzungen müßten vor allem dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, also am Zweck der Maßnahme gemessen geeignet, erforderlich und proportional sein. Geboten sei eine Abwägung der Änderungsgründe einerseits gegenüber den Bestandsschutzinteressen der betroffenen Arbeitnehmer andererseits. Bei Versorgungsanwartschaften sei vor allem zwischen dem erdienten und dem noch nicht erdienten Teil zu unterscheiden.
Das Landesarbeitsgericht hat die Notwendigkeit einer Billigkeitskontrolle nicht verkannt. Es hat aber insoweit eine eigene Prüfung unterlassen und allein auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Das Arbeitsgericht hat die Ablösungsgründe der Beklagten unzutreffend gewürdigt und den streitigen Sachverhalt nicht ausreichend geklärt.
2. Am stärksten geschützt ist der Teilbetrag einer Versorgungsanwartschaft, der bei Inkrafttreten einer Neuregelung bereits erdient war und sich nach den Grundsätzen einer zeitanteiligen Berechnung gemäß § 2 BetrAVG ergeben würde. Eine Kürzung dieses Teilbetrags ist nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig, und zwar auch dann, wenn es nicht um die Unverfallbarkeit oder den Insolvenzschutz, sondern um die Ablösung einer Versorgungsanwartschaft geht (BAGE 36, 327, 337 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, unter B III 1 a der Gründe).
Das Arbeitsgericht meint, der erdiente Teilbetrag der Versorgungsanwartschaft sei durch die ablösende Pensionsvereinbarung von 1980 unberührt geblieben. Eine Begründung dafür wird jedoch nicht gegeben und läßt sich auch dem Parteivortrag nicht entnehmen. Was die Anwartschaft der Klägerin anbelangt haben beide Parteien unterschiedliche Zahlenwerte vorgetragen, was die einander widersprechenden Standpunkte stützen soll. Welche Berechnung zutreffend ist, haben die Tatsachengerichte nicht aufgeklärt. Die Beklagte hat sich in der zweiten Instanz auf den Auszug eines Gutachtens von Prof. Däubler berufen, der jedoch nur allgemeine Erwägungen zur Leistungskurve der Pensionsvereinbarung im Vergleich zu einer zeitanteiligen Berechnung enthält. Diese Erwägungen setzen voraus, daß der Gesamtversorgungsbedarf bei allen Arbeitnehmern gleich ist und einer normalen Grundversorgung entspricht. Gerade daran fehlt es aber im Falle der Klägerin. Schon deshalb muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an den Tatrichter zurückverwiesen werden.
3. Sollte die Beweiswürdigung ergeben, daß die Pensionsordnung von 1980 wenigstens den Teilbetrag geschont hat, der am 30. September 1980 bei einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft zu errechnen gewesen wäre, könnte die Prüfung damit noch nicht abgeschlossen werden. Es stünde noch nicht fest, ob der erdiente Teil der Versorgungsanwartschaft erhalten geblieben ist.
a) Unverfallbare Versorgungsanwartschaften sind nur Festbeträge, bei denen nach § 2 Abs. 5 BetrAVG Änderungen der Bemessungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben. Demgegenüber hat der Senat darauf hingewiesen, daß bei dynamischen Versorgungsanwartschaften auch diejenigen Steigerungen als erdient gelten müssen, die erst später anwachsen, jedoch nicht auf dienstzeitabhängigen Steigerungsraten beruhen, sondern sich aufgrund variabler Bezugsgrößen auch für den bereits erdienten Teilbetrag ergeben (Urteil vom 17. April 1985 - 3 AZR 72/83 - AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu B II 3 c (2) der Gründe; BAGE 48, 337, 342 f.). Diese Rechtsprechung betraf zwar Fallgestaltungen mit halb- oder volldynamischen Versorgungszusagen, die nicht an die Gesamtversorgung anknüpften, sie ist aber auf die variable Entwicklung des Versorgungsbedarfs bei Gesamtversorgungssystemen übertragbar. Auch bei diesen muß berücksichtigt werden, daß die versorgungsberechtigten Arbeitnehmer für die geleistete Betriebstreue nicht nur feste Steigerungsbeträge erhalten sollten, sondern erwarten durften, daß ihre Anwartschaften den geänderten Verhältnissen angepaßt werden, und zwar hier dem Anwachsen einer Versorgungslücke als Folge der Entwicklung ihrer Rentenbiografie und der Sozialgesetzgebung. Die entsprechende Wertsteigerung der Anwartschaften, die sich aus dem ansteigenden Versorgungsbedarf ergibt, gehört ebenfalls zum erdienten Besitzstand, soweit sie auf den bereits erdienten Anwartschaftsteil entfällt.
Der erdiente Teil einer Versorgungsanwartschaft verdient erhöhten Vertrauensschutz, wie auch der Große Senat hervorgehoben hat (aa0, zu C II 5 der Gründe). Er kann nur aus triftigen Gründen entzogen werden. Was der Senat insoweit zur Versorgungsaussicht bei Unterstützungskassen entwickelt hat, ist auf die Ablösung von älteren durch jüngere Betriebsvereinbarungen sinngemäß übertragbar.
b) Im vorliegenden Fall haben die Betriebspartner durchaus erkannt, daß die Pensionsvereinbarung in die bereits erdienten Teile von Versorgungsanwartschaften eingreift. Das zeigt ihre Ausgleichsregelung in § 18 PV. Danach soll ein Pensionsausgleich in der Weise ermittelt werden, daß die Differenz zwischen der Versorgungsrente nach altem und nach neuem Recht bei Eintritt des Versorgungsfalles berechnet und dann bezogen auf den 30. Juni 1980 zeitanteilig gekürzt wird. Sieht man einmal davon ab, daß die ablösende Betriebsvereinbarung nicht vom 30. Juni 1980, sondern vom 30. September 1980 stammt, handelt es sich hier um nichts anderes als um eine Berechnung der erdienten Teilwerte unter Einschluß der erdienten Zuwächse (vgl. auch die anschaulichen Rechenbeispiele bei Hilger, Anm. zu AR-Blattei "Betriebliche Altersversorgung: Entscheidung 159", unter III 2, und Höfer/Abt, BetrAVG, Bd. 1, 2. Aufl., Arb.Gr. Rz 206 f.). Dieser Pensionsausgleich soll aber nach § 18 PV nur den Berechtigten unverfallbarer Versorgungsanwartschaften und rentennahen Jahrgängen zustehen. Zu diesen begünstigten Arbeitnehmergruppen gehört die Klägerin nicht. Ihre Anwartschaft soll auch insoweit gekürzt werden, wie sie bei Abschluß der Neuregelung bereits erdient war. Ob das der Billigkeit entspricht, hängt davon ab, welches Gewicht den Änderungsgründen zukommt.
c) Dem Vortrag der Beklagten lassen sich vier verschiedene Begründungen entnehmen, die die Schmälerung von Besitzständen durch die Pensionsvereinbarung von 1980 sachlich rechtfertigen sollen. Die Vorinstanzen haben diese Begründungen recht pauschal gewürdigt, und zwar dahingehend, ob sachliche Gründe anerkannt werden können. Triftige Gründe müssen jedoch ein größeres Gewicht haben und durch eine Dringlichkeit gekennzeichnet sein, die eine schonendere Übergangsregelung unangebracht erscheinen läßt. Danach geben die von der Beklagten vorgebrachten Gründe Anlaß zu einigen Bedenken.
(1) Am schwersten wiegt die Behauptung der Beklagten, die Ruhegeldordnung von 1976 habe zu Überversorgungen geführt, die die Neuregelung beseitigen solle. Mit dieser Begründung hätte die Beklagte sogar in den nach § 2 BetrAVG errechneten Teilbetrag eingreifen können, weil die Obergrenze der Ruhegeldordnung von 1976 erkennbar dazu diente, Überversorgungen zu vermeiden (BAGE 36, 327, 340 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 2 b der Gründe). Aber die Verschlechterungen, gegen die sich die Beklagte wehrt, sind keineswegs Vorkehrungen, die sich gegen Überversorgungen richten. Zu einem solchen Zweck wären sie weder erforderlich noch ohne weiteres geeignet.
Hätten die Betriebspartner nur Überversorgungen vermeiden wollen, hätten sie die Gesamtversorgungsobergrenze von ursprünglich 75 % absenken müssen; möglicherweise wäre auch eine Kürzung der Steigerungsraten in den letzten rentennahen Dienstjahren sinnvoll gewesen. Aber schon die Beseitigung des angehobenen Grundbetrags, der nach Erfüllung der 10jährigen Wartezeit zustehen sollte, traf naturgemäß ausschließlich Arbeitnehmer, bei denen eine Überversorgung nicht in Betracht kam. Das gilt erst recht für die Aufgabe des Gesamtversorgungssystems und die Abkoppelung der Betriebsrenten von den Sozialversicherungsrenten. Sie mußte sich nachteilig gerade für diejenigen Arbeitnehmer auswirken, deren Grundversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung besonders schlecht war, die also an eine Überversorgung ohnehin nicht denken konnten. Im Grunde lassen sich sogar Überversorgungen innerhalb eines Gesamtversorgungssystems, das die Grundversorgung in die Rechtsformel einbezieht, leichter vermeiden als in einem abgekoppelten System, in dem die Grundversorgung typisierend berücksichtigt werden muß.
(2) Den Kern der Neuregelung trifft die Behauptung der Beklagten, das Gesamtversorgungssystem der Ruhegeldordnung von 1976 sei auf Unverständnis innerhalb der Belegschaft gestoßen und auch von den Betriebsräten als ungerecht empfunden worden. Es habe Anstoß erregt, daß die Höhe der Sozialversicherungsrente, die aus persönlichen Gründen besonders niedrig sein könne, stärker ins Gewicht falle als die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Ebenso habe als unbefriedigend gegolten, daß höhere Einkommensgruppen von der Gesamtversorgungsbetrachtung gegenüber niedrigeren Einkommensgruppen begünstigt worden seien.
Dem hält die Klägerin mit Recht entgegen, daß die Beklagte nicht Ungerechtigkeiten, sondern Systemeigentümlichkeiten der alten Versorgungsordnung benennt. Es ist gerade charakteristisch für Gesamtversorgungssysteme, daß sie den Austauschgedanken zurücktreten lassen gegenüber einer Betrachtungsweise, die den individuellen Versorgungsbedarf in den Vordergrund stellt. Das hat zwangsläufig zur Folge, daß Arbeitnehmer mit hohen Sozialversicherungsrenten auch nach langer Betriebszugehörigkeit nur vergleichsweise geringe Betriebsrenten erhalten, während andererseits Arbeitnehmer denkbar sind, die wegen ihrer geringen Grundversorgung schon nach Erfüllung der Wartezeit eine vergleichsweise hohe Betriebsrente beanspruchen können. Auch die Begünstigung der höheren Einkommensgruppen ist eine Folge der unterschiedlichen Grundversorgung, je nachdem, ob die Beitragsbemessungsgrenze erreicht und mehr oder weniger überschritten wird.
Diese Überlegungen bedeuten nicht, daß eine Änderung des Versorgungssystems durch eine ablösende Betriebsvereinbarung unmöglich sein müßte. Die Vorstellungen über die Gerechtigkeit von Verteilungsgrundsätzen wandeln sich und die Betriebspartner müssen in der Lage sein, dem Rechnung zu tragen. Gerade die Widerstände gegen Gesamtversorgungssysteme scheinen zuzunehmen. Aber dem Vortrag der Parteien ist nicht zu entnehmen, weshalb die Systemänderung so dringlich gewesen sein soll, daß in Versorgungsbesitzstände eingegriffen werden mußte, ja nicht einmal der erdiente Teil der Versorgungsanwartschaften erhalten bleiben konnte. Selbst wenn die Behauptung der Beklagten bestätigt würde, daß es die Betriebsräte waren, die die Abkehr von dem bisher praktizierten Gesamtversorgungssystem forderten, hätte es doch nahegelegen, den Pensionsausgleich nach § 18 PV allen Anwartschaftsberechtigten zukommen zu lassen (allerdings mit Stichtag vom 30. September 1980). Welche Gründe dem entgegenstanden ist bisher nicht aufgeklärt.
(3) Vermutlich ging es in erster Linie um Gründe der Kostenersparnis, also nicht um die Interessen der Belegschaft, sondern der Beklagten. Diese macht hierzu geltend, das 20. und 21. Rentenanpassungsgesetz habe die Grundversorgung der Arbeitnehmer in der gesetzlichen Rentenversicherung so stark vermindert, daß dadurch Mehrkosten in unvorhersehbarer Höhe entstanden seien. Nach versicherungsmathematischen Berechnungen habe sie vorhersehen können, daß die Kostenbelastung noch erheblich zunehmen und auf die Dauer ihre wirtschaftliche Leistungskraft übersteigen werde.
Dazu ist zunächst zu bemerken, daß Gesamtversorgungssysteme notwendigerweise von der Entwicklung der Sozialgesetzgebung abhängen. Diese war nie genau vorhersehbar und wird es auch in Zukunft nicht sein. Das war schon bei Erlaß der ersten Ruhegeldordnung der Beklagten bekannt. Seit 1957 wurde das Sozialversicherungsrecht der Bundesrepublik ständig ausgebaut, was zu einer stetigen Entlastung der betrieblichen Gesamtversorgungssysteme führte. Rechtsprechung und Gesetzgebung sahen sich sogar vor die Frage gestellt, ob Betriebsrenten durch die Anrechnung von Sozialversicherungsrenten ausgezehrt werden dürfen (§ 5 Abs. 1 BetrAVG; BAGE 15, 249 = AP Nr. 92 zu § 242 BGB Ruhegehalt). Diese Entwicklung hat auch die Beklagte lange Zeit begünstigt. Inzwischen hat sich die Tendenz ungünstig verändert. Das 20. und das 21. Rentenanpassungsgesetz haben gezeigt, daß auch die gesetzliche Rentenversicherung Sparmaßnahmen ergreifen muß. Es sind sogar Entwicklungen denkbar, die das ursprüngliche Regelungskonzept der Sozialversicherung sprengen und damit die Geschäftsgrundlage betrieblicher Gesamtversorgungssysteme entfallen lassen könnten (mit Recht zurückhaltend Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rz 360; Wiedemann, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 955, 964 f.; zu großzügig Höfer/Abt, BetrAVG, Bd. 1, 2. Aufl., Arb.Gr. Rz 387 f.). Aber bisher ist eine so grundlegende Systemveränderung noch nicht festzustellen. Deshalb wäre es widersprüchlich, wollte die Beklagte die Risikoverteilung der sozialversicherungsrechtlichen Entwicklung sofort und unvermittelt ändern, sobald sie nicht mehr ausschließlich zu ihren Gunsten verläuft (Urteil des Senats vom 22. April 1986 - 3 AZR 496/83 - auch zur Veröffentlichung vorgesehen, zu III 2 c (3) der Gründe). Im Interesse des Vertrauensschutzes erscheinen zumindest großzügige Übergangsfristen geboten. Als triftiger Grund zum Eingriff in bereits erdiente Besitzstände kann die bisherige Änderung des Sozialversicherungsrechts noch nicht anerkannt werden.
Im Falle der Beklagten mag das anders sein. Diese hat zwar vorgetragen, im Jahre 1980 habe noch keine wirtschaftliche Notlage bestanden, aber die weitere Entwicklung des Konzerns ist gerichtsbekannt und spricht dafür, daß schon im Jahre 1980 Anlaß bestand, Kosten soweit als möglich einzusparen. Es könnte sein, daß die erwarteten Mehrkosten so hoch waren und die wirtschaftliche Entwicklung schon damals so bedrängend, daß nicht einmal die bereits erdienten Zuwachsraten der bestehenden Versorgungsanwartschaften geschont werden konnten. Dazu fehlen bisher tatrichterliche Feststellungen. Selbst die Kostenprognose des versicherungsmathematischen Privatgutachtens ist von der Klägerin bestritten worden. Das Landesarbeitsgericht wird dem nachgehen müssen.
4. Soweit die Klägerin am 30. September 1980 ihre Versorgungsanwartschaft auf der Grundlage der Ruhegeldordnung von 1976 noch nicht erdient hatte, ist ihr Vertrauen weniger schutzwürdig. Schon sachliche Gründe genügen, um Eingriffe in ihre Versorgungsrechte durch eine ablösende Betriebsvereinbarung billig erscheinen zu lassen, wenn den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit genügt ist. Die Vorinstanzen haben die angegebenen Gründe ausreichen lassen und der Vortrag der Beklagten legt eine solche Schlußfolgerung auch nahe, insbesondere im Hinblick auf die behauptete wirtschaftliche Lage. Aber auch insoweit hätte der Sachverhalt aufgeklärt werden müssen. Die Klägerin hat die Sachdarstellung der Beklagten bestritten.
III. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Pensionsvereinbarung vom 30. September 1980 einer abstrakten Billigkeitskontrolle standhält, also aufgrund der vorliegenden Änderungsgründe bestehende Besitzstände in der vorgesehenen Weise beschneiden kann, mußte sich im Falle der Klägerin noch eine konkrete Billigkeitskontrolle anschließen.
Ablösende Betriebsvereinbarungen müssen mit einer Härteklausel verbunden sein, die verhindert, daß ungewöhnliche Sonderfälle, die im Rahmen einer generellen Regelung verständlicherweise nicht berücksichtigt werden können, unbillig hart getroffen werden (zur konkreten Billigkeitskontrolle bei ablösenden Betriebsvereinbarungen: BAGE 36, 327, 336 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 2 Abs. 3 der Gründe; zur Bedeutung von Härteklauseln zuletzt: Urteil des Senats vom 29. März 1983 - 3 AZR 26/81 - AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG). Es kann dahingestellt bleiben, ob solche Härteklauseln als stillschweigender Bestandteil ablösender Betriebsvereinbarungen anzusehen sind, denn im vorliegenden Fall ist unstreitig in § 17 PV eine entsprechende Vorsorge getroffen worden. Ein Pensionsausschuß hat in besonderen Härtefällen das Recht, Ausnahmen zuzubilligen. Dieser Ausschuß hat auch den Fall der Klägerin beurteilt, einen Härtefall jedoch abgelehnt. Seine Entscheidung unterliegt der gerichtlichen Kontrolle.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Abschaffung des Gesamtversorgungssystems wirke sich in ihrem Falle ungewöhnlich hart aus. Sie habe bis zum Beginn ihrer Tätigkeit für den Konzern der Beklagten in Handwerksbetrieben ihrer Familie mitgearbeitet und sei nicht sozialversichert gewesen. Die dadurch bedingte Lücke ihrer Altersversorgung habe sie durch das Gesamtversorgungssystem der Beklagten wenigstens teilweise schließen wollen. Das sei ein entscheidender Grund für den Abschluß des Arbeitsvertrags gewesen.
Wenn die Darstellung der Klägerin zutrifft, so gehört sie in der Tat zu denjenigen Arbeitnehmern, die an der Aufrechterhaltung des Gesamtversorgungssystems besonders interessiert sein mußten. Aber das allein rechtfertigt noch nicht die Annahme eines Härtefalles. Darüber hinaus kommt es darauf an, wie sich die Altersversorgung der Klägerin insgesamt darstellt. Mitarbeitende Familienmitglieder, die nicht sozialversichert sind, können und müssen dennoch für ihr Alter vorsorgen. Deshalb ist zu prüfen, inwieweit das geschehen ist. Sollte es unterblieben sein, wären die Gründe und die Folgen dieser Unterlassung im Rahmen der erforderlichen Billigkeitsentscheidung von Bedeutung. Auch diese Fragen sind bisher nicht geklärt worden und bedürfen gegebenenfalls der tatrichterlichen Würdigung.
IV. Für die erneute Berufungsverhandlung, die danach erforderlich ist, kann der Senat nur wenige Hinweise geben. Wenn die Besonderheiten im Falle der Klägerin nicht allein zu dem Ergebnis führen, daß die umstrittene Versorgungsanwartschaft nach der alten Ruhegeldordnung von 1976 zu berechnen ist, kommt es auf eine generelle Beurteilung der Neuregelung an, soweit sie in Besitzstände eingreift. Das Landesarbeitsgericht wird einerseits feststellen müssen, wie sich die Kürzungen bei einer typisierenden Betrachtungsweise auf der Seite der Belegschaft darstellen. Andererseits wird aufzuklären sein, wie dringlich im September 1980 die Gründe waren, die eine Neuregelung geboten. Dabei ist zu beachten, daß Eingriffe in die nach § 2 BetrAVG errechneten festen Anwartschaftsbeträge hier nicht in Betracht kommen können, weil eine wirtschaftliche Notlage und ein entsprechendes Sanierungskonzept für den Zeitpunkt der Ablösung nicht behauptet worden sind. Es kann allenfalls noch darum gehen, ob triftige oder wenigstens sachliche Gründe gegeben sind. Im letzteren Fall müßten die am 30. September 1980 bereits erdienten Anwartschaften einschließlich ihrer dynamischen Berechnungsfaktoren erhalten bleiben; sollte das nicht der Fall sein, könnte § 18 PV einer Billigkeits kontrolle nicht standhalten. Die Klage wäre in diesem Falle teilweise begründet.
Dr. Dieterich Schaub Griebeling
Heimann Wax
Fundstellen
Haufe-Index 438727 |
BAGE 54, 261-278 (LT1-4) |
BAGE, 261 |
BB 1987, 1673 |
DB 1987, 1639-1641 (LT1-4) |
NJW 1987, 2607 |
BetrAV 1987, 225-227 (LT1-4) |
NZA 1987, 855-858 (LT1-4) |
RdA 1987, 314 |
RzK, I 8f Nr 1 (ST1-2) |
SAE 1987, 281-285 (LT1-4) |
ZIP 1987, 932 |
ZIP 1987, 932-938 (LT1-4) |
AP § 1 BetrAVG Ablösung (LT1-4), Nr 9 |
AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung Entsch 193 (LT1-4) |
AR-Blattei, ES 460 Nr 193 (LT1-4) |
EzA § 1 BetrAVG, Nr 48 (LT1-4) |