Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Einschränkung des tariflichen Sonderkündigungsschutzes. Arbeitsvertragliche Bezugnahme. Erfassung eines Firmentarifvertrages für die Beschäftigten einer bestimmten Abteilung. Zulässigkeit der rückwirkenden Einschränkung eines bereits erworbenen Sonderkündigungsschutzes, hier: Eröffnung der Möglichkeit von Änderungskündigungen
Orientierungssatz
1. Eine arbeitsvertragliche Bezugnahme, die neben dem BAT auch auf die für das Unternehmen geltenden tariflichen Zusatzbestimmungen verweist, erfasst auch einen Firmentarifvertrag, der Sonderregelungen für die Beschäftigten einer bestimmten Abteilung des Unternehmens beinhaltet, die die Weiterbeschäftigung der einem Teilbetriebsübergang widersprechenden Beschäftigten in dieser Abteilung unter veränderten – schlechteren – Arbeitsbedingungen regeln.
2. Der Aufhebung oder Änderung des Sonderkündigungsschutzes steht grundsätzlich das schützenswerte Vertrauen der Beschäftigten entgegen, die den Sonderkündigungsschutz bereits erlangt haben.
3. Die begrenzte Änderung eines bereits eingeschränkten Sonderkündigungsschutzes kann im Einzelfall auch gegenüber Beschäftigten, die schon Sonderkündigungsschutz erlangt haben, zulässig sein.
Normenkette
BAT § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2; BGB § 305c Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2006 – 15/2 Sa 1840/05 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.
Der am 10. Juli 1955 geborene Kläger, der nicht Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, ist bei der Beklagten seit dem 1. Januar 1985 beschäftigt. In dem zugrunde liegenden Arbeitsvertrag ist ua. bestimmt:
“Ihr Arbeitsvertrag richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) einschließlich der für die Flughafen Frankfurt/Main AG geltenden Zusatzbestimmungen, den betriebsüblichen Regelungen und den Dienstvorschriften.”
Seit 1988 übte der Kläger die Tätigkeit eines Frachtagenten im Bereich Bodenverkehrsdienste-Fracht (BVD-F) aus. Der Bereich BVD-F der Beklagten, bei der ca. 600 Arbeitnehmer/innen beschäftigt waren, war zuständig für die Abfertigung von Luftfracht ohne deren Verladung in die Flugzeuge bzw. Entladung aus den Flugzeugen.
Am 14. April 2003 beschloss der Vorstand der Beklagten, den Bereich BVD-F aus wirtschaftlichen Gründen in die 100 %-ige Tochter der Beklagten T… GmbH (später umfirmiert in F… C… S… GmbH – FCS GmbH) zu verlagern. Dem stimmte der Aufsichtsrat am 24. September 2003 zu. Als absehbar war, dass die Mehrzahl der Beschäftigten dieses Bereiches dem Teilbetriebsübergang widersprechen würden, richtete die Beklagte die neue Abteilung Frachtservice ein, in der die Beschäftigten aus dem Bereich BVD-F aufgefangen werden sollten, die dem Teilbetriebsübergang widersprechen würden. Die in der Abteilung Frachtservice beschäftigten Arbeitnehmer/innen sollten dann im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei der T… GmbH eingesetzt werden. Nach der Unterrichtung über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 widersprach der Kläger diesem mit Schreiben vom 12. November 2003.
Am 19. Dezember 2003 schlossen der Hessische Arbeitgeberverband der Gemeinden und Kommunalverbände, dessen Mitglied die Beklagte ist, und ver.di, vertreten durch die Landesbezirksleitung Hessen, als “Tarifvertragliche Vereinbarung Nr. 741” (TVb Nr. 741) die “Sonderregelungen zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und zum Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) für die Beschäftigten der Abteilung Frachtservice bei der Fraport AG (TV Frachtservice Fraport)”. Nach § 1 Abs. 1 TVb Nr. 741 gilt dieser Tarifvertrag für die Arbeitnehmer der Fraport AG, die von dem Teilbetriebsübergang des Bereiches “BVD-F” auf die T… GmbH betroffen sind und dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprochen haben. In § 2 Abs. 2 TVb Nr. 741 ist die Weiterbeschäftigung auf einem freien gleichwertigen Arbeitsplatz geregelt. § 2 Abs. 5 TVb Nr. 741 bestimmt für den Fall, dass gleichwertige Arbeitsplätze nicht oder nicht in genügender Zahl zur Verfügung stehen, die Weiterbeschäftigung dieser Arbeitnehmer in der Abteilung “Frachtservice” zu den in den §§ 3 ff. TVb Nr. 741 geregelten Bedingungen. § 2 Abs. 6 TVb Nr. 741 lautet:
“Im Sinne der Beschäftigungssicherung sind die Arbeitnehmer verpflichtet, einen angebotenen Arbeitsplatz im Sinne der Absätze 2 und 5 anzunehmen. Gegenüber Arbeitnehmern, die sowohl etwaige Beschäftigungsangebote nach Absatz 2 als auch die Beschäftigungsmöglichkeit nach Absatz 5 ablehnen, werden Änderungskündigungen mit dem Ziel, die Arbeitnehmer in den Bereich Frachtservice und den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages zu versetzen, ausgesprochen. Nehmen Arbeitnehmer die geänderten Arbeitsbedingungen im Sinne der Änderungskündigung nicht an, sind Beendigungskündigungen zulässig. §§ 53 Abs. 3, 55 Abs. 2 BAT und § 52 BMT-G II finden insoweit keine Anwendung.”
Nach § 3 Abs. 1 TVb Nr. 741 sind die Arbeitnehmer der Abteilung Frachtservice verpflichtet, Aufgaben in einem Entleiherbetrieb wahrzunehmen, wobei der Einsatz grundsätzlich bei der T… GmbH erfolgen soll. In den §§ 4 ff. TVb Nr. 741 ist das veränderte – abgesenkte – Vergütungssystem für die Abteilung Frachtservice, die Überleitung und die Besitzstandszulage geregelt. § 2 Abs. 1 TVb Nr. 741 enthält einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen für die Arbeitnehmer, die dem Teilbetriebsübergang widersprochen haben. Nach § 12 TVb Nr. 741 gilt für die Arbeitnehmer der Abteilung Frachtservice während der Laufzeit des Tarifvertrages (bis zum 31. Dezember 2006 mit Verlängerungsalternative bis zum 31. Dezember 2011) der besondere Kündigungsschutz gemäß § 4 Abs. 1 und 2 des Rahmentarifvertrages vom 13. Oktober 1998 zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Verkehrsflughäfen und zur Sicherung der Arbeitsplätze (Öffnungstarifvertrag), wonach – mit einer Ausnahmeregelung – betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind.
Die Beklagte übertrug durch den Vertrag vom 30. Januar 2004 sämtliche Betriebsmittel und Kundenverträge des Bereiches BVD-F mit Wirkung zum 1. Juli 2004 auf die F… C… S… GmbH; auch die Gebäude und die sonstigen von der BVD-F genutzten Einrichtungen gingen in den Besitz der FCS GmbH über.
Nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 8. Dezember 2004 kündigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 zum 30. Juni 2005 und bot ihm gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in der Abteilung Frachtservice zu den durch die TVb Nr. 741 geänderten Bedingungen an. Der Kläger nahm das Angebot mit Schreiben vom 30. Dezember 2004 unter Vorbehalt an.
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen diese Änderungskündigung. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Änderungskündigung nicht sozial gerechtfertigt und die Anhörung des Betriebsrats fehlerhaft sei. Im Übrigen sei er nach § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt. Dieser Schutz könne ihm nicht durch den TVb Nr. 741 entzogen werden. Der Kläger hat auch das wirksame Zustandekommen dieses Tarifvertrages im Hinblick auf die Tarifzuständigkeit der Tarifvertragsparteien und die Vollmachtserteilung bestritten. Jedenfalls sei dieser Tarifvertrag von der Bezugnahmeklausel in seinem Arbeitsvertrag nicht erfasst.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 15. Dezember 2004 sozial nicht gerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, dass die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt und auch im Übrigen wirksam sei. Auf Grund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme finde die TVb Nr. 741 Anwendung. Deshalb sei durch den Ausschluss der Anwendbarkeit von § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT die Änderungskündigung auch gegenüber dem Kläger zulässig.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des klagabweisenden erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht.
I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Änderungskündigung nicht schon deshalb unwirksam, weil der Kläger im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unter dem Sonderkündigungsschutz nach § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT stand. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme ist auch unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel in § 305c Abs. 2 BGB dahingehend auszulegen, dass die TVb Nr. 741 grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden kann. Die rückwirkende Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes nach § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT durch § 2 Abs. 6 Satz 4 TVb Nr. 741 ist nicht wegen Verstoßes gegen das schützenswerte Vertrauen des Klägers unwirksam. Danach stünde der Sonderkündigungsschutz des Klägers der Wirksamkeit der Kündigung an sich nicht entgegen. Das Landesarbeitsgericht ist allerdings dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers zum Zustandekommen der TVb Nr. 741 – in Konsequenz seiner anderen Auffassung – nicht nachgegangen. Dies wird es nachzuholen haben, falls der Kläger an seinem Vorbringen insoweit festhält. Im Falle der formellen Wirksamkeit der TVb Nr. 741 wird es weiter zu prüfen haben, ob die Änderungskündigung wegen fehlender sozialer Rechtfertigung oder aus anderen Gründen unwirksam ist. Auch dies kann das Revisionsgericht nicht abschließend entscheiden, weil das Landesarbeitsgericht nicht die dafür erforderlichen Feststellungen getroffen hat.
1. Die TVb Nr. 741 wird von der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag des Klägers erfasst. Dieser Tarifvertrag – seine formelle Wirksamkeit wird im folgenden unterstellt – ist eine “für die Flughafen Frankfurt/Main AG geltende Zusatzbestimmung” im Sinne dieser Regelung. Das ergibt die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung.
a) Bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Das hat das Landesarbeitsgericht entsprechend der übereinstimmenden Auffassung der Parteien bindend festgestellt.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (vgl. zB BAG 9. November 2005 – 5 AZR 128/05 – Rn. 15, BAGE 116, 185 mwN). Das Revisionsgericht ist bei der Überprüfung der Auslegung des Berufungsgerichts nicht eingeschränkt (vgl. BAG 9. November 2005 – 5 AZR 128/05 – aaO; 25. September 2002 – 4 AZR 294/01 – BAGE 103, 9, 12).
b) Danach ist die TVb Nr. 741 entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts von der arbeitsvertraglichen Bezugnahme erfasst.
aa) Dafür spricht bereits der Wortlaut der Bezugnahmeklausel. Für das Arbeitsverhältnis sollen der BAT “einschließlich der für die Flughafen Frankfurt/Main AG geltenden Zusatzbestimmungen” Anwendung finden. Danach sollen auch die speziellen, für das damals als Flughafen Frankfurt/Main AG firmierende beklagte Unternehmen geltenden tariflichen Regelungen Anwendung finden. Eine Einschränkung dahingehend, dass die in Bezug genommenen Zusatzbestimmungen nur ergänzenden Charakter und nicht abändernden Charakter haben können, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen (vgl. Duden Die Sinn- und sachverwandten Wörter “zusätzlich”: und, weitere, auch: außer der Reihe, Extra-; Wahrig Deutsches Wörterbuch 2006 “zusätzlich”: ergänzend hinzukommend, hinzugefügt). Durch den Wortlaut wird also der mögliche Inhalt der unternehmensbezogenen zusätzlichen tariflichen Regelungen nicht determiniert. Es gibt vom Begriffsverständnis keine Grundlage für die einschränkende Auslegung des Landesarbeitsgerichts dahingehend, dass unter Zusatzbestimmungen aber nur solche den BAT abändernden Regelungen zu verstehen sind, die nicht in die zentralen Regelungen des BAT eingreifen bzw. dass die Zusatzbestimmungen von den Tarifvertragsparteien des BAT oder deren Nachfolgeorganisationen abgeschlossen sein müssen.
bb) Diese Auslegung entspricht dem Verständnis eines verständigen und redlichen Vertragspartners unter Abwägung der Interessen der beteiligten Verkehrskreise. Durch die Anwendbarkeit der speziellen für den Flughafen vereinbarten tariflichen Regelungen soll erkennbar erreicht werden, dass für die Arbeitsverhältnisse auch von nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern die unternehmensbezogenen tariflichen Regelungen gelten, die den spezifischen Regelungsbedürfnissen des Flughafens Rechnung tragen können. Dem entspricht, dass diese unternehmensbezogenen tariflichen Zusatzbestimmungen in jedem Fall Anwendung finden und nicht nur dann oder insoweit, wie sie lediglich ergänzende oder verbessernde Regelungen enthalten. Die auch für den verständigen Vertragspartner erkennbare Funktion der Bezugnahme auf unternehmensbezogene tarifliche Sonderregelungen rechtfertigt keine einschränkende Auslegung der TVb Nr. 741, wie sie das Landesarbeitsgericht vorgenommen hat, weder im Hinblick auf den zulässigen Inhalt der tariflichen Zusatzbestimmungen noch im Hinblick auf die Parteien, die die Zusatzbestimmungen vereinbaren.
cc) Dieser Auslegung steht auch nicht entgegen, dass in der Bezugnahmeklausel weder hinsichtlich des BAT noch hinsichtlich der Zusatzbestimmungen für den Flughafen auf die jeweils geltende Fassung verwiesen wird. Nach der Rechtsprechung ist eine Bezugnahme auf einen nicht näher individualisierten Tarifvertrag auch ohne ausdrückliche Regelung in der Regel dahingehend zu verstehen, dass der Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung, dh. zeitlich dynamisch Anwendung finden soll, es sei denn, es gibt Anhaltspunkte für einen anderweitigen Regelungswillen, zB durch die begrenzte Verweisung auf einen Tarifvertrag in einer bestimmten Fassung (zB BAG 13. November 2002 – 4 AZR 351/01 – BAGE 103, 338, 343; 19. September 2007 – 4 AZR 710/06 –; vgl. zu weiteren Nachweisen Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 327 Fn. 172).
dd) Auch der Umstand, dass die Bezugnahme nur auf den BAT und nicht zusätzlich auf die ihn ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge verweist, stützt nicht die abweichende Auslegung des Landesarbeitsgerichts. Denn vorliegend geht es nicht um die Anwendbarkeit allgemeiner, den BAT ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge, sondern um die Anwendbarkeit einer speziellen unternehmensbezogenen tariflichen Sonderregelung. Auf solche Tarifverträge wird aber gerade durch die ergänzende arbeitsvertragliche Einbeziehung “der für die Flughafen Frankfurt/Main AG geltenden Zusatzbestimmungen” verwiesen. Dass solche unternehmensbezogenen Sonderregelungen ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Inhalt haben können, ergibt sich aus dem Charakter und der Funktion dieser Tarifverträge.
ee) Dieser Auslegung steht auch die Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB nicht entgegen, wonach Zweifel bei der Auslegung von allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen. Zwar finden die Regelungen zur Kontrolle der allgemeinen Geschäftsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverhältnisse und damit auch auf in Arbeitsverträgen enthaltene Bezugnahmeklauseln Anwendung, weil die Ausnahmeregelung in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nur für die Tarifverträge selbst gilt, nicht aber für die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf Tarifverträge (vgl. zB BAG 9. November 2005 – 5 AZR 128/05 – BAGE 116, 185; 9. Mai 2007 – 4 AZR 319/06 –). Die Unklarheitenregelung setzt aber voraus, dass die Auslegung nach den einschlägigen Auslegungsregeln zu nicht behebbaren Zweifeln führt, was aus den dargelegten Gründen hier nicht der Fall ist.
c) Nach der somit auf Grund der Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren TVb Nr. 741 gilt der besondere Kündigungsschutz des Klägers nach § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT nicht für die vorliegende, von der Beklagten nach der TVb Nr. 741 ausgesprochenen Änderungskündigung.
2. Diese Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes durch die TVb Nr. 741 ist wirksam.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Tarifvertragsparteien die Regelungen des von ihnen abgeschlossenen Tarifvertrages während dessen Laufzeit rückwirkend ändern, was sich zu Lasten der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber auswirken kann. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zu einem rückwirkenden Eingriff in ihr Regelwerk ist durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes für die Normunterworfenen begrenzt. Insoweit gelten die gleichen Regeln wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Rückwirkung von Gesetzen (zB 19. Dezember 1961 – 2 BvL 6/59 – BVerfGE 13, 261, 271 f.). Ob und wann die Tarifunterworfenen mit einer rückwirkenden Regelung rechnen müssen, ist eine Frage des Einzelfalls (zB Senat 11. Oktober 2006 – 4 AZR 486/05 – AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 24 = EzA TVG § 1 Rückwirkung Nr. 9). Dabei ist das Vertrauen in den Bestand der tariflichen Regelung unabhängig davon schutzwürdig, ob der Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien gilt oder ob dessen Anwendung vertraglich vereinbart ist. In der Regel müssen Arbeitnehmer nicht damit rechnen, dass in bereits entstandene Ansprüche eingegriffen wird, auch wenn sie noch nicht erfüllt oder noch nicht fällig sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits vor der Entstehung des Anspruchs hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Tarifvertragsparteien diesen Anspruch zu Ungunsten der Arbeitnehmer ändern werden.
Auch bei tarifvertraglichen Beendigungsnormen können Vertrauensschutzgesichtspunkte gegenüber einer tarifvertraglichen Neuregelung durchschlagen. Diese Vertrauensgesichtspunkte stehen grundsätzlich dem Wegfall eines bereits erlangten Unkündbarkeitsstatus durch eine tarifliche Neuregelung entgegen. Die tarifliche Unkündbarkeit soll den Arbeitnehmer im Hinblick auf langjährig von ihm geleistete Dienste so sichern, dass er gegen den Verlust seines Arbeitsplatzes durch ordentliche Kündigung in Zukunft gesichert sein soll (BAG 16. Februar 1962 – 1 AZR 164/61 – AP TVG § 4 Günstigkeitsprinzip Nr. 11). Die Begrenzung rückwirkender Regelungen zum tariflichen Sonderkündigungsschutz greifen aber nicht, wenn der Ausschluss der ordentlichen Kündigung schon bisher Ausnahmetatbestände enthält und die Neuregelung den Sonderkündigungsschutz nicht vollständig abschafft, sondern die Ausnahmetatbestände modifiziert. Solche Änderungen der tarifvertraglichen Regelungen über die ordentliche Unkündbarkeit verstoßen regelmäßig nicht gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte und liegen deshalb in der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien (vgl. BAG 2. Februar 2006 – 2 AZR 58/05 – BAGE 117, 53; 15. November 1995 – 2 AZR 521/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 20 = EzA BGB § 315 Nr. 45).
b) Nach diesen Grundsätzen kann der Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes durch die TVb Nr. 741 die Wirksamkeit nicht abgesprochen werden.
aa) Der Sonderkündigungsschutz nach § 53 Abs. 3 BAT enthält Ausnahmetatbestände. Nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT rechtfertigen zwar andere wichtige, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse keine Kündigungen. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen. Eine Kündigung zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe ist nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT grundsätzlich auch möglich, wenn der Angestellte dauernd außerstande ist, diejenigen Arbeitsleistungen zu erfüllen, für die er eingestellt ist und die die Voraussetzung für seine Eingruppierung in die bisherige Vergütungsgruppe bilden, und ihm andere Arbeiten, die die Tätigkeitsmerkmale seiner bisherigen Vergütungsgruppe erfüllen, nicht übertragen werden können.
bb) Die TVb Nr. 741 hebt den Sonderkündigungsschutz nach § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT auch nicht vollständig auf, sondern enthält dazu nur eine in mehrfacher Hinsicht begrenzte weitere Einschränkung. Sie ist nicht nur auf die Personengruppe des Bereichs BVD-F des Flughafens beschränkt, die dem Teilbetriebsübergang auf die T… GmbH widersprochen hat. Sie ermöglicht auch nur Änderungskündigungen, die auf den Einsatz in der Abteilung Frachtservice zu den dafür geltenden – verschlechterten – Vergütungsregelungen gerichtet sind und die nur bei Ablehnung des Änderungsangebots zu einer Beendigungskündigung führen.
cc) Hinzu kommt, dass die Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes Teil der Gesamtregelung der TVb Nr. 741 ist, die eine Regelung für die sich aus dem Teilbetriebsübergang und dem Widerspruch der Mehrheit der betroffenen Arbeitnehmer ergebenden Probleme beinhaltet. Sie hat das Ziel der Erhaltung der Arbeitsplätze der widersprechenden Arbeitnehmer einerseits und der Verringerung des Personalaufwands andererseits (vgl. Präambel der TVb Nr. 741). Dementsprechend enthalten die §§ 2, 12 TVb Nr. 741 Regelungen über “Kündigungsschutz, Arbeitsplatzangebot, Beschäftigungssicherung”, während in den §§ 4 – 11 und 13 die Absenkung der Vergütung einschließlich einer begrenzten Besitzstandszulage und einer Anpassungsklausel geregelt ist.
Durch § 2 Abs. 6 Satz 4 TVb Nr. 741 werden auch die Arbeitnehmer mit dem Sonderkündigungsschutz nach § 53 Abs. 3 BAT in diese Gesamtregelung in vollem Umfang einbezogen, dh. es gilt auch für sie § 2 Abs. 6 Satz 2 und 3 TVb Nr. 741, wonach bei Ablehnung einer – von den Tarifvertragsparteien vorrangig angestrebten – gleichwertigen Weiterbeschäftigung im Betrieb bzw. der Weiterbeschäftigung in der Abteilung Frachtservice zu den verschlechterten Bedingungen eine Änderungskündigung mit dem Angebot der Weiterbeschäftigung im Frachtservice zulässig ist.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmer mit dem Sonderkündigungsschutz nach § 53 Abs. 3 BAT nach den Regelungen des TVb Nr. 741 zur Weiterbeschäftigung im Ergebnis besonders geschützt sind. Denn die Auswahlrichtlinien in der Anlage 1 zur TVb Nr. 741 gewichten die Umstände, die den Sonderkündigungsschutz begründen, als Auswahlkriterien so hoch, dass die Beschäftigten mit Sonderkündigungsschutz vorrangig auf den gleichwertigen freien Arbeitsplätzen beschäftigt werden müssen, die Möglichkeit der Beschäftigung in der Abteilung Frachtservice, gegebenenfalls auf Grund einer Änderungskündigung, also nur in Betracht kommt, wenn keine Möglichkeit der Beschäftigung auf einem gleichwertigen anderen Arbeitsplatz besteht. Denn nach den Auswahlkriterien wird jedes volle Jahr der Betriebszugehörigkeit mit drei Punkten und jedes volle Jahr des Lebensalters über 18 Jahre mit zwei Punkten bewertet. Danach hat ein Beschäftigter bei Beginn des Sonderkündigungsschutzes schon 89 Punkte, einen Wert, der von kürzer Beschäftigten durch die anderen Kriterien (Ehefrau und kindergeldberechtigtes Kind je fünf Punkte und Schwerbehinderung von 30 bis 50 % fünf Punkte und über 50 % zehn Punkte) nur sehr selten erreicht werden kann.
dd) Diese in mehrfacher Hinsicht begrenzte rückwirkende Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes ist von der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien gedeckt. Das schützenswerte Vertrauen der betroffenen Beschäftigten ist nicht so gewichtig, dass es dieser Einschränkung des Schutzes im Rahmen der Gesamtregelung der TVb Nr. 741 entgegensteht. Somit ist der Sonderkündigungsschutz des Klägers durch § 2 Abs. 6 TVb Nr. 741 für die ihm gegenüber ausgesprochene Änderungskündigung wirksam eingeschränkt worden. Die Änderungskündigung ist damit nicht bereits nach § 53 Abs. 3 BAT unwirksam.
II. Sollte der Kläger seine Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit der Parteien der TVb Nr. 741 und der Vollmacht der Landesbezirksvertretung von ver.di aufrechterhalten, wird das Landesarbeitsgericht nach Sachaufklärung zunächst hierüber Klarheit gewinnen müssen. Ist von einer formell wirksamen tarifvertraglichen Regelung auszugehen, kommt es darauf an, ob die Änderungskündigung wegen fehlender sozialer Rechtfertigung oder aus anderen Gründen unwirksam ist. Dies kann das Revisionsgericht nicht entscheiden, weil das Landesarbeitsgericht – nach seiner Begründung konsequent – die dafür erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz die Bewertung des Arbeitsgerichts, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt sind und eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats stattgefunden hat, mit ausführlichen Darlegungen angegriffen, wozu die Beklagte umfassend Stellung genommen hat.
Unterschriften
Bepler, Creutzfeldt, Wolter, Jürgens, Rupprecht
Fundstellen
Haufe-Index 1967215 |
BB 2008, 1121 |
DB 2008, 1217 |
ZTR 2008, 386 |
AP, 0 |
EzA-SD 2008, 13 |
NZA-RR 2008, 329 |
PersV 2008, 275 |
RiA 2008, 155 |
ArbRB 2008, 171 |
SPA 2008, 7 |