Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgleichszahlung. betriebliche Übung. Betriebliche Übung bei Einmalzahlung
Orientierungssatz
1. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie in einer Weise geäußert werden, die es dem einzelnen Arbeitnehmer typischerweise erlaubt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf die konkrete Kenntnis des Einzelnen kommt es nicht an.
2. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen dürfen, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Die Entstehung des Anspruchs setzt nicht voraus, dass der Arbeitgeber einen Verpflichtungswillen hat. Maßgeblich ist, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen müssen.
3. Der Arbeitgeber kann sich im Hinblick auf Einmalleistungen durch betriebliche Übung binden.
4. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann auch dann entstehen, wenn die an eine Reihe von Arbeitnehmern geleisteten Zahlungen den übrigen Arbeitnehmern nicht mitgeteilt und im Betrieb nicht allgemein veröffentlicht werden. Es ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass solche begünstigenden Leistungen der Belegschaft bekannt werden.
Normenkette
EGKS Art. 56; BGB §§ 133, 151, 157, 164 ff., §§ 286, 288, 305, 310; ZPO §§ 138, 559, 561
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 2. Juli 2008 – 3 Sa 186/08 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über eine Ausgleichszahlung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Rz. 2
Der am 18. August 1943 geborene Kläger war von September 1972 bis August 2006 Arbeitnehmer der Beklagten. Er bezieht seit September 2006 Altersrente.
Rz. 3
Die Beklagte traf unter dem 25. Juli 1990 eine “Ausgleichsregelung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 63. Lebensjahr” und unter dem 2. April 1992 eine “Ausgleichsregelung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Vollendung des 63. Lebensjahres”.
Rz. 4
Die Ausgleichsregelung vom 25. Juli 1990 lautet:
“AUSGLEICHSREGELUNG
wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 63. Lebensjahr
1. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem 60. und 63. Lebensjahr wegen Bezug einer Rente (Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit bzw. vorgezogenes Altersruhegeld Schwerbehinderter) wird für jeden Differenzmonat zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Vollendung des 63. Lebensjahres eine Ausgleichszahlung in Höhe von DM 500/Monat gezahlt.
2. Der Höchstbetrag für die Ausgleichszahlung beträgt DM 18.000.
3. Der Ausgleichsbetrag wird unabhängig von einer eventuellen Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes gezahlt.
4. Falls steuerrechtlich die Möglichkeit besteht, im Rahmen von Personalanpassungsmaßnahmen den Ausgleichsbetrag steuerfrei zu gewähren, erfolgt steuerfreie Auszahlung gemäß § 3, Absatz 9 EStG.
5. Eine Arbeitslosenmeldung im Zusammenhang mit dieser Ausgleichszahlung darf nicht erfolgen (Regreßwirkung § 128 AFG).
6. Die Ausgleichszahlung erfolgt nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge unbefristeten Rentenbezuges.
7. Bei Renteneintritt zwischen dem 55. und dem 60. Lebensjahr erfolgt ebenfalls die Höchstzahlung in Höhe von DM 18.000.
8. Voraussetzung für eine Ausgleichszahlung ist eine mindestens 15jährige Betriebszugehörigkeit.
9. Falls im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung anderweitige Vereinbarungen getroffen werden, ist diese Regelung gegenstandslos.
10. Es besteht Einvernehmen, daß ‘Altfälle’ von dieser Ausgleichszahlung nicht betroffen werden.”
Rz. 5
Die Ausgleichsregelung vom 2. April 1992 bestimmt:
“Ausgleichsregelung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Vollendung des 63. Lebensjahres
1. Betriebszugehörigkeit
mindestens 15 Jahre
2. Sockelbetrag
DM 6.000,00 netto
3. Steigerungsbetrag
für jedes Jahr Betriebszugehörigkeit
≫ 15 Jahre DM 1.200,00
max. bis 25 Jahre DM 18.000,00 netto
4. Jubiläumsregelung
bleibt unabhängig von dieser Ausgleichsregelung bestehen
5. Steuerfreiheit der Ausgleichszahlung
Die Ausgleichszahlung erfolgt im Rahmen eines Auflösungsvertrages
6. Austritt vor Vollendung des 63. Lebensjahres
Die Regelungen hinsichtlich Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Bezug einer Rente etc. (siehe Entwurf vom 25.07.1990) bleiben nach wie vor bestehen, jedoch gilt zwischen dem 60. und 63. Lebensjahr die jeweils gültige Regelung gemäß nachstehender Tabelle.
Alter |
Max. Ausgleich |
15 Jahre Betriebszugehörig. |
20 Jahre Betriebszugehörig. |
25 Jahre Betriebszugehörig. |
DM |
DM |
DM |
DM |
60 |
18.000 |
18.000 |
+ 0 |
+ 0 |
61 |
|
12.000 |
+ 0 |
+ 6.000 |
62 |
|
6.000 |
+ 6.000 |
+ 12.000 |
63 |
|
6.000 |
12.000 |
18.000 |
64 |
|
6.000 |
12.000 |
18.000 |
65 |
|
6.000 |
12.000 |
18.000” |
Rz. 6
Die Ausgleichsregelungen wurden in Betriebsversammlungen mehrfach vom früheren Personalleiter der Beklagten und von Betriebsratsmitgliedern erläutert.
Rz. 7
Die Beklagte leistete aufgrund der Regelungen von 1990 bis 2002 an etwa 100 Arbeitnehmer Ausgleichszahlungen. In diesem Zeitraum endeten mehr als 100 Arbeitsverhältnisse.
Rz. 8
Der Arbeitgeberverband Stahl e. V. und die IG Metall schlossen am 22. September 2000 den Tarifvertrag über Altersteilzeit (TV ATZ). Er galt nach § 1 für die tariflichen Arbeitnehmer der Beklagten. In § 20 Abs. 1 Satz 1 TV ATZ war bestimmt, dass der Tarifvertrag am 1. August 2000 in Kraft trat und am 31. Dezember 2006 ohne Nachwirkung endete. § 10 TV ATZ lautete:
Ҥ 10
Abfindung
Endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vor Vollendung des 65. Lebensjahres des Beschäftigten, erhält dieser für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung. Die Abfindung errechnet sich aus einem Betrag, der mit der Zahl der vollen Kalendermonate – höchstens jedoch mit 48 Kalendermonaten – multipliziert wird, die zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte, liegen.
Die Abfindung beträgt für Beschäftigte,
– die innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung gem. § 4 mindestens 1080 Tage nach Schichtplan in kontinuierlicher Wechselschicht gem. § 4 Ziff. 1 MTV Stahl (vollkontinuierliche Wechselschicht, einschl. Samstag, Sonntag, Feiertag) eingesetzt waren, 750,- DM,
– die im genannten Zeitraum nach Schichtplan in Wechselschicht, die regelmäßig auch Nachtschichten einschloß, eingesetzt waren, 550,- DM.
Für alle anderen Vollzeitbeschäftigten beträgt die Abfindung 450,- DM.
Der Betrag ist bei Teilzeitarbeit vor der Altersteilzeit entsprechend dem Verhältnis der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 2 ATG zur tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit nach §§ 1, 2 Tarifvereinbarung vom 21. März 1997 zu reduzieren.
Die oben genannten Abfindungsbeträge werden ab dem 01.01.2002 jährlich um 1 Prozent erhöht.
Die Abfindung wird bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig.”
Rz. 9
Die Parteien schlossen am 25. Januar 2003 auf der Grundlage des TV ATZ einen Altersteilzeitarbeitsvertrag im Blockmodell. Die Arbeitsphase sollte von März 2003 bis November 2004 dauern, die Freistellungsphase von Dezember 2004 bis August 2006. § 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags lautet:
Ҥ 3 Abfindung
Das zwischen den Vertragsparteien bestehende Arbeitsverhältnis endet auf Veranlassung des Arbeitgebers zum 31.08.2006.
Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält der Arbeitnehmer gemäß §§ 9, 10 KSchG, § 3 Nr. 9 EStG und auf der Grundlage § 10 des Tarifvertrages über Altersteilzeit vom 22.09.2000 eine Abfindung in Höhe von brutto EUR 9.672,00 zum Austrittstermin abgerechnet.
Mit dem Abschluss dieser Vereinbarung und der ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem bestehenden und beendeten Arbeitsverhältnis abgegolten.”
Rz. 10
Die Parteien trafen am 25. Januar 2003 außerdem eine “Ergänzende Vereinbarung zum Altersteilzeitvertrag vom … (für die Mitarbeiter, die bereits einen ATZ-Vertrag unterschrieben und Anspruch auf eine Abfindung gemäß ATZ-TV haben)”. Dort ist bestimmt:
“1. Das zwischen den Vertragsparteien bestehende Arbeitsverhältnis endet auf Veranlassung des Arbeitgebers zum 31.08.2006.
2. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält der Arbeitnehmer gemäß der §§ 9, 10 KSchG, § 3 Nr. 9 EStG und auf der Grundlage § 10 des Tarifvertrages über Altersteilzeit vom 22.09.2000 eine Abfindung in Höhe von brutto EUR 9.288,00 zum Austrittstermin abgerechnet.
3. Mit dem Abschluss dieser Vereinbarung und der ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem bestehenden und beendeten Arbeitsverhältnis abgegolten.”
Rz. 11
Die Beklagte lehnte es im August 2006 ab, eine Ausgleichszahlung von 9.203,25 Euro an den Kläger zu leisten. Sie zahlte mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. August 2006 nur die in der ergänzenden Vereinbarung vom 25. Januar 2003 (ergänzende Vereinbarung) genannte Abfindung von 9.288,00 Euro brutto an den Kläger.
Rz. 12
Der Kläger meint, er habe aus betrieblicher Übung Anspruch auf die Ausgleichszahlung. Das von der Beklagten angenommene Alternativverhältnis von Ausgleichszahlung und Abfindung sei nicht erkennbar gewesen. Die Abfindung nach § 10 TV ATZ und die Ausgleichszahlung verfolgten unterschiedliche Regelungszwecke. Der Anspruch auf Ausgleichszahlung sei bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzurechnen und damit von der Abgeltungsklausel ausgenommen.
Rz. 13
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.203,25 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. September 2006 zu zahlen.
Rz. 14
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat erklärt, sie habe in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle keine Ausgleichszahlung geleistet. Von 1990 bis 2002 seien weitere 96 Arbeitnehmer ausgeschieden, die keine Ausgleichszahlung erhalten hätten. Von diesen 96 Arbeitnehmern hätten 76 Arbeitnehmer Abfindungszahlungen aus anderen Gründen erhalten. 61 Arbeitnehmer hätten aufgrund einer Regelung nach Art. 56 EGKS Abfindungen bekommen, weitere 15 Arbeitnehmer aufgrund des TV ATZ. Sie habe Ausgleichs- und Abfindungszahlungen nie kombiniert geleistet. Eine betriebliche Übung sei nicht entstanden. Ihre Verhaltensweisen seien allenfalls so zu verstehen, dass sie eine Ausgleichszahlung leisten wolle, wenn der Arbeitnehmer nicht bereits aufgrund einer anderen Regelung eine vergleichbare Zahlung beanspruchen könne. Die vereinbarten Abgeltungsklauseln dienten dazu, Doppelansprüche auszuschließen. Sie seien keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen, hielten jedoch einer sog. AGB-Kontrolle stand.
Rz. 15
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Rz. 16
A. Die Revision der Beklagten ist erfolglos. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die verlangte Ausgleichszahlung von 9.203,25 Euro aus betrieblicher Übung.
Rz. 17
I. Für die Ausgleichszahlung besteht keine kollektivrechtliche Grundlage. Die Ausgleichsregelung vom 2. April 1992 ist keine Betriebsvereinbarung. Der für die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegungspflichtige Kläger hat keine übereinstimmenden Willenserklärungen der Betriebsparteien vorgetragen. Die Regelung weist zudem nicht die nach § 77 Abs. 2 Satz 1 und 2 1. Halbs. BetrVG nötige Schriftform auf.
Rz. 18
II. Die Beklagte erteilte mit der Ausgleichsregelung vom 2. April 1992 keine Gesamtzusage.
Rz. 19
1. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Die Arbeitnehmer erlangen einen einzelvertraglichen Anspruch auf die versprochenen Leistungen, wenn sie die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Der einzelne Arbeitnehmer kann das in der Gesamtzusage liegende Angebot annehmen, ohne dass dem Arbeitgeber die Annahmeerklärung zugeht (§ 151 Satz 1 BGB). Ob es sich um eine Gesamtzusage handelt und welchen Inhalt sie hat, ist mithilfe der Auslegungsregeln für Willenserklärungen zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie in einer Weise geäußert werden, die es dem einzelnen Arbeitnehmer typischerweise erlaubt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf die konkrete Kenntnis des Einzelnen kommt es nicht an (vgl. zB BAG 23. September 2009 – 5 AZR 628/08 – Rn. 22, EzA-SD 2009 Nr. 25 3 – 4; Senat 15. Februar 2005 – 9 AZR 116/04 – zu B III 2 der Gründe mwN, BAGE 113, 327).
Rz. 20
2. Der Kläger hat die Voraussetzungen einer Gesamtzusage nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht schlüssig dargelegt. Er hat nicht vorgetragen, welche konkreten Erklärungen der frühere Personalleiter der Beklagten in Betriebsversammlungen abgab. Dem Vorbringen des Klägers kann schon nicht entnommen werden, dass diese Äußerungen aus der objektivierten Sicht der Belegschaft auf einen Rechtsbindungswillen der Beklagten schließen ließen. Die Fragen der Vertretungsmacht des Personalleiters für die Beklagte nach §§ 164 ff. BGB oder der Genehmigung seines Handelns (§ 177 Abs. 1, § 184 Abs. 1 BGB) durch die Beklagte stellen sich deshalb nicht.
Rz. 21
III. Der Kläger hat jedoch Anspruch auf die geforderte Ausgleichszahlung von 9.203,25 Euro aus betrieblicher Übung.
Rz. 22
1. Im Betrieb der Beklagten bestand zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers die Übung, Arbeitnehmern unter den Voraussetzungen der Regelungen vom 25. Juli 1990 und 2. April 1992 Ausgleichszahlungen zu gewähren. Danach war Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse nach Vollendung des 63. Lebensjahres endeten, bei einer Betriebszugehörigkeit von 25 und mehr Jahren ein Betrag von 18.000,00 DM – 9.203,25 Euro – zu zahlen. Der Kläger erfüllte diese Voraussetzungen.
Rz. 23
a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen dürfen, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden.
Rz. 24
aa) Das als Vertragsangebot zu wertende Verhalten des Arbeitgebers wird von den Arbeitnehmern angenommen, indem sie die Leistung widerspruchslos entgegennehmen (vgl. BAG 18. März 2009 – 10 AZR 281/08 – Rn. 13, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 83 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 9). Der Zugang der Annahmeerklärung ist nach § 151 Satz 1 BGB entbehrlich. Durch die betriebliche Übung entstehen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung des Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers. Maßgeblich ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste (für die st. Rspr. Senat 19. Mai 2009 – 9 AZR 505/08 – Rn. 37).
Rz. 25
bb) Der Arbeitgeber kann sich im Hinblick auf Einmalleistungen durch betriebliche Übung binden (vgl. BAG 28. Mai 2008 – 10 AZR 274/07 – Rn. 16 mwN, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 80 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 8).
Rz. 26
cc) Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann auch dann entstehen, wenn die an eine Reihe von Arbeitnehmern geleisteten Zahlungen den übrigen Arbeitnehmern nicht mitgeteilt und im Betrieb nicht allgemein veröffentlicht werden. Es ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass solche begünstigenden Leistungen der Belegschaft bekannt werden. Eine verbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen an Dritte ein Arbeitnehmer darauf schließen darf, er solle ebenfalls begünstigt werden, gibt es nicht. Hierfür ist auf Art, Dauer und Intensität der Leistungen abzustellen. Zu berücksichtigen ist ferner die Zahl der Leistungsfälle im Verhältnis zur Belegschaftsstärke oder zur Stärke einer begünstigten Gruppe (vgl. BAG 28. Mai 2008 – 10 AZR 274/07 – Rn. 18 mwN, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 80 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 8; Senat 11. April 2006 – 9 AZR 500/05 – Rn. 16 mwN, BAGE 118, 16). Entspricht es der bisherigen Praxis des Arbeitgebers, ausscheidenden Arbeitnehmern eine besondere Zahlung zukommen zu lassen, wird aus Gleichbehandlungsgründen ein zurechenbarer objektiver Bindungswille des Arbeitgebers deutlich, wenn die bekannt werdenden Einzelleistungen auf einem generalisierenden Prinzip beruhen (vgl. BAG 27. Juni 2001 – 10 AZR 488/00 – zu II 2a der Gründe, EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 44).
Rz. 27
b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe die für eine betriebliche Übung nötigen tatsächlichen Umstände vorgetragen. Die Beklagte habe die beiden Ausgleichsregelungen in Betriebsversammlungen bekannt gemacht, ohne Einschränkungen zu formulieren. Sie habe insbesondere keine Vorbehalte für die Fälle eines Altersteilzeitarbeitsvertrags oder eines Abfindungsanspruchs auf anderer rechtlicher Grundlage geäußert. Die Beklagte habe von 1990 bis 2002 an ca. 100 Arbeitnehmer Ausgleichszahlungen geleistet, die die Voraussetzungen einer der beiden betrieblichen Ausgleichsregelungen erfüllt hätten. Es komme nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Beklagte habe leisten wollen. Entscheidend sei, wie ihr Verhalten aus Sicht der Arbeitnehmer zu bewerten gewesen sei. Die Belegschaft habe annehmen müssen, die Beklagte leiste aufgrund der von ihr erstellten und bekannt gemachten Ausgleichsregelungen. Die Beklagte habe im Betrieb nicht deutlich gemacht, dass sie aus anderen Rechtsgründen habe leisten wollen. Die vom Kläger erstrebte Ausgleichszahlung und die bereits erhaltene tarifliche Abfindung beruhten auf unterschiedlichen Regelungszwecken.
Rz. 28
c) Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision stand. Auch bei uneingeschränkter Überprüfung durch den Senat ist aufgrund betrieblicher Übung ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung von 9.203,25 Euro bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Vollendung des 63. Lebensjahres des Klägers und einer Betriebszugehörigkeit von über 25 Jahren entstanden. Daher kann offenbleiben, ob für die Frage einer betrieblichen Übung der eingeschränkte Prüfungsmaßstab für atypische Erklärungen anzuwenden ist oder sie einer uneingeschränkten revisionsrichterlichen Überprüfung unterliegt (offengelassen zB von Senat 19. Mai 2009 – 9 AZR 505/08 – Rn. 39). Die für eine betriebliche Übung erforderlichen tatsächlichen Umstände sind festgestellt. Die nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts sind für den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO bindend.
Rz. 29
aa) Der Kläger hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ausreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass bei seinem Ausscheiden die betriebliche Übung bestand, die in den Ausgleichsregelungen vom 25. Juli 1990 und 2. April 1992 genannten Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn die Voraussetzungen einer der beiden Ausgleichsregelungen erfüllt waren (zur Darlegungs- und Beweislast des Anspruchstellers BAG 19. August 2008 – 3 AZR 194/07 – Rn. 20 mwN, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 82 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 32).
Rz. 30
(1) Die Beklagte hat die Ausgleichsregelungen vom 25. Juli 1990 und 2. April 1992 selbst verfasst. Die Ausgleichsregelungen wurden von ihrem ehemaligen Personalleiter wiederholt in Betriebsversammlungen erläutert. Das Landesarbeitsgericht hat zudem bindend festgestellt, dass die Beklagte die Ausgleichsregelungen von 1990 bis 2002 in rund 100 Fällen tatsächlich anwandte und die Leistungen erbrachte, wenn die Voraussetzungen einer der Ausgleichsregelungen erfüllt waren.
Rz. 31
(2) Aus diesen Verhaltensweisen der Beklagten durften die Arbeitnehmer nach §§ 133, 157 BGB schließen, ihnen solle unter den Voraussetzungen einer der beiden Ausgleichsregelungen ein Anspruch auf Ausgleichszahlung zustehen. Dafür spricht neben der Bekanntmachung der Ausgleichsregelungen in Betriebsversammlungen vor allem die erhebliche Anzahl von etwa 100 Fällen in dem Zeitraum von 1990 bis 2002. Die Anforderungen an die Darlegung einer betrieblichen Übung dürfen nicht unzumutbar sein. Ein Arbeitnehmer, der keinen Einblick in die Betriebsinterna seines Arbeitgebers hat, kann nicht im Einzelnen anführen, welche Erwägungen des Arbeitgebers über Jahre hinweg eine Rolle gespielt haben. Es genügt, dass der Arbeitnehmer die Umstände darlegt, die den Eindruck einer festen Übung erwecken. Dann obliegt es dem Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO, dem Anschein einer betrieblichen Übung entgegenzutreten (vgl. BAG 19. August 2008 – 3 AZR 194/07 – Rn. 38, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 82 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 32).
Rz. 32
bb) Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht in einer Weise entgegengetreten iSv. § 138 Abs. 2 und 3 ZPO, die eine betriebliche Übung ausschließt.
Rz. 33
(1) Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass die weiteren 96 Arbeitnehmer, die ohne Ausgleichszahlung ausgeschieden seien, die Voraussetzungen für eine Ausgleichszahlung nach den von ihr getroffenen Ausgleichsregelungen erfüllt hätten. Soweit die Beklagte vorgebracht hat, in 61 der 96 Fälle hätten die Arbeitnehmer Abfindungszahlungen aufgrund von Art. 56 EGKS erhalten, wird deutlich, dass die Zahlungen nicht im Zusammenhang mit den Ausgleichsregelungen standen. Nach Art. 56 § 2 Satz 1 Buchst. b EGKS konnten nicht rückzahlungspflichtige Beihilfen bewilligt werden, die es den Arbeitnehmern ermöglichen sollten, ihre Wiederbeschäftigung abzuwarten, einen neuen Arbeitsplatz zu erlangen oder zu den Kosten einer Umschulung beizutragen. Art. 56 EGKS sah dagegen keine Beihilfen für Ausgleichszahlungen oder Abfindungen anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab einem bestimmten Lebensalter und einer bestimmten Betriebszugehörigkeit vor.
Rz. 34
(2) Einem Anspruch des Klägers aus betrieblicher Übung steht nicht entgegen, dass die Arbeitnehmer, die eine Abfindung nach dem TV ATZ oder auf einer anderen rechtlichen Grundlage erhielten, nach dem Vortrag der Beklagten daneben keine Ausgleichszahlungen aufgrund der Ausgleichsregelungen erhielten. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, diese Arbeitnehmer hätten zugleich die Voraussetzungen einer der beiden Ausgleichsregelungen erfüllt. Selbst wenn das zutreffen sollte, stünde dies einem Anspruch aus betrieblicher Übung nicht entgegen. Die von der Beklagten erstellten Ausgleichsregelungen enthielten keine für die Belegschaft erkennbaren Einschränkungen für “Doppelzahlungen”.
Rz. 35
2. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung von 9.203,25 Euro aus betrieblicher Übung.
Rz. 36
a) Das Arbeitsverhältnis endete am 31. August 2006 und damit zu einem Zeitpunkt, als der am 18. August 1943 geborene Kläger das 63. Lebensjahr bereits vollendet hatte.
Rz. 37
b) Der Abschluss eines Auflösungsvertrags ist nach Wortlaut und Zusammenhang der Ausgleichsregelung vom 2. April 1992 keine Anspruchsvoraussetzung für die Ausgleichszahlung. Die Überschrift lässt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab einem bestimmten Alter genügen. In Nr. 5 der Ausgleichsregelung wird durch die Formulierung “Steuerfreiheit der Ausgleichszahlung” deutlich gemacht, dass der Auflösungsvertrag lediglich im Zusammenhang mit der Steuerfreiheit von Bedeutung ist. Die Beklagte hat sich außerdem nicht darauf gestützt, dass in allen Fällen, in denen die Ausgleichszahlung geleistet worden sei, ein Auflösungsvertrag geschlossen worden sei.
Rz. 38
3. Der aus betrieblicher Übung entstandene Anspruch des Klägers ist nicht untergegangen.
Rz. 39
a) Der Anspruch ist nicht aufgrund einer kollektivrechtlichen Regelung erloschen. Der TV ATZ bestimmt nicht, dass vertraglich vereinbarte Ausgleichszahlungen auf die tariflichen Leistungen angerechnet werden. Die Beklagte hat sich auch nicht auf eine ablösende Betriebsvereinbarung berufen (vgl. dazu BAG 5. August 2009 – 10 AZR 483/08 – EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 10).
Rz. 40
b) Der Anspruch des Klägers auf die Ausgleichszahlung ist weder aufgrund von § 3 Abs. 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags vom 25. Januar 2003 noch durch Nr. 3 der ergänzenden Vereinbarung vom 25. Januar 2003 untergegangen.
Rz. 41
aa) Die Parteien haben dort geregelt, dass mit Abschluss der jeweiligen Vereinbarung und der ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses alle gegenseitigen Ansprüche aus dem bestehenden und beendeten Arbeitsverhältnis abgegolten sind.
Rz. 42
bb) Von diesen Bestimmungen ist der Anspruch des Klägers auf die Ausgleichszahlung nicht erfasst.
Rz. 43
(1) Welche Rechtsqualität und welchen Umfang die in einer sog. Abgeltungsklausel abgegebenen Erklärungen haben, ist durch Auslegung zu ermitteln. Der Wille der Parteien, ihre Rechtsbeziehung zu bereinigen, kann insbesondere durch Erlassvertrag, konstitutives oder deklaratorisches Schuldanerkenntnis ausgedrückt werden (vgl. nur BAG 24. Juni 2009 – 10 AZR 707/08 (F) – Rn. 24 mwN, AP HGB § 74 Nr. 81; 7. November 2007 – 5 AZR 880/06 – Rn. 17, BAGE 124, 349).
Rz. 44
(2) Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob es sich bei den Abgeltungsklauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt oder die Voraussetzungen des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB erfüllt sind. Auch wenn die Abgeltungsklauseln sog. atypische, nur beschränkt revisible Abreden sind, ergibt die Auslegung ebenso wie im Fall typischer, uneingeschränkt überprüfbarer Vereinbarungen, dass die Klauseln weder die Entstehung des Anspruchs des Klägers auf die Ausgleichszahlung hinderten noch den Anspruch erlöschen ließen. Der Anspruch des Klägers auf die Ausgleichszahlung ist Teil der “ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses”. Das Berufungsurteil stellt sich deshalb jedenfalls im Ergebnis als richtig dar (vgl. § 561 ZPO).
Rz. 45
(a) Allgemeine Geschäftsbedingungen in Formularverträgen hat das Revisionsgericht selbständig und uneingeschränkt nach den Grundsätzen der Auslegung von Normen auszulegen (BAG 4. Juni 2008 – 4 AZR 398/07 – Rn. 31). Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen (Senat 24. März 2009 – 9 AZR 983/07 – Rn. 89, AP BUrlG § 7 Nr. 39 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 15).
Rz. 46
(b) Die Auslegung atypischer Willenserklärungen und Vereinbarungen ist revisionsrechtlich demgegenüber nur darauf zu überprüfen, ob die Auslegungsvorschriften der §§ 133, 157 BGB verletzt worden sind, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen worden ist oder Umstände, die für die Auslegung von Bedeutung sein können, außer Acht gelassen worden sind (vgl. für die st. Rspr. Senat 18. August 2009 – 9 AZR 517/08 – Rn. 21, AP TzBfG § 8 Nr. 28 = EzA TzBfG § 8 Nr. 24).
Rz. 47
(c) Das Landesarbeitsgericht hat die Bestimmungen in § 3 Abs. 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags und Nr. 3 der ergänzenden Vereinbarung nicht ausgelegt. Es hat nur ausgeführt, die genannten Abgeltungsklauseln seien “zwar nicht unbestimmt”. Selbst wenn das Landesarbeitsgericht mit dieser Aussage zum Ausdruck bringen wollte, der Anspruch auf die Ausgleichszahlung werde von den Abgeltungsklauseln im Altersteilzeitarbeitsvertrag und in der ergänzenden Vereinbarung erfasst, hielte diese Auslegung auch einer nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Eine solche Auslegung würde weder dem Wortlaut der Vereinbarungen noch deren Sinn und Zweck gerecht.
Rz. 48
(d) Der Senat ist durch die fehlende oder fehlerhafte Auslegung des Berufungsgerichts selbst dann nicht an einer eigenen Auslegung der Abgeltungsklauseln gehindert, wenn es sich um atypische Abreden handelt. Der erforderliche Sachverhalt ist festgestellt. Weiteres tatsächliches Vorbringen ist nicht zu erwarten (vgl. dazu BAG 17. Juni 2008 – 3 AZR 553/06 – Rn. 17, AP BGB § 133 Nr. 55). Die Beklagte hat nicht vorgebracht, bei Abschluss der Vereinbarungen seien besondere Erklärungen zum Inhalt der Abgeltungsklauseln abgegeben worden, obwohl schon das Arbeitsgericht angenommen hat, die Klauseln seien unbestimmt. Auf die Verfahrensrüge der Beklagten, mit der sie beanstandet, das Landesarbeitsgericht sei ohne entsprechenden Vortrag des Klägers davon ausgegangen, dass es sich bei den Abgeltungsklauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen handle, kommt es deswegen nicht an.
Rz. 49
(e) Die Abgeltungsklauseln können nach §§ 133, 157 BGB nur so verstanden werden, dass alle finanziellen Ansprüche des Klägers, die ihre Grundlage im Arbeitsverhältnis haben und bei Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags und der ergänzenden Vereinbarung noch nicht untergegangen waren, von der Beklagten zu erfüllen sind. Dem steht nicht entgegen, dass Abgeltungsklauseln in Aufhebungsverträgen im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen sind. Die Parteien wollen das Arbeitsverhältnis idR abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig ob sie bei Abschluss des Aufhebungsvertrags an die Ansprüche dachten oder nicht (vgl. BAG 24. Juni 2009 – 10 AZR 707/08 (F) – Rn. 24, AP HGB § 74 Nr. 81).
Rz. 50
(aa) Die Parteien legten mit den Klauseln in § 3 Abs. 3 des Altersteilzeitarbeitsvertrags und Nr. 3 der ergänzenden Vereinbarung jedoch nicht nur fest, dass mit der ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsentgelts (im engeren Sinn) alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten sein sollten. Sie bezogen die ordnungsgemäße Abrechnung vielmehr auf das ganze Arbeitsverhältnis. Zu den abzurechnenden Ansprüchen gehören demnach alle finanziellen Ansprüche, deren Rechtsgrundlage der Bestand des Arbeitsverhältnisses ist. Das trifft auf den Ausgleichsanspruch aus betrieblicher Übung zu.
Rz. 51
(bb) Der Begriff der “ordnungsgemäßen Abrechnung” bezieht die Erfüllung der Ansprüche, die sich künftig – nach Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags und der ergänzenden Vereinbarung – aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, mit ein. Die Beklagte verpflichtete sich, dem Kläger bestehende sowie noch entstehende und fällig werdende Ansprüche bekannt zu geben und sie zu erfüllen. Dafür spricht vor allem die bei Abschluss der Vereinbarungen im Januar 2003 voraussichtlich noch lange Dauer des Arbeitsverhältnisses von über drei Jahren bis Ende August 2006. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien auch künftige Ansprüche bereinigen wollten. Derartige besondere Umstände wären nach Sinn und Zweck des Altersteilzeitarbeitsvertrags erforderlich. Zwischen den Parteien bestand kein Streit über die Erfüllung künftig entstehender oder fällig werdender Ansprüche, der mit den Abgeltungsklauseln hätte ausgeräumt werden können. Die Parteien trafen keine Regelungen, um ein bereits beendetes oder in Kürze endendes Arbeitsverhältnis “abzuwickeln”. Sie wollten künftige Ansprüche vielmehr erkennbar der Abrechnung vorbehalten und den Abgeltungsklauseln entziehen. Das Arbeitsverhältnis sollte bis zur vereinbarten Beendigung ordnungsgemäß durchgeführt werden. Dazu gehört die Erfüllung des Anspruchs auf die Ausgleichszahlung aus betrieblicher Übung.
Rz. 52
B. Der Zinsanspruch des Klägers beruht auf § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Rz. 53
C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Krasshöfer, Gallner, Ropertz, D. Wege
Fundstellen
Haufe-Index 2313994 |
BB 2010, 1083 |
DB 2010, 904 |
FA 2010, 182 |
JR 2011, 137 |
EzA-SD 2010, 8 |
EzA 2010 |
NZA-RR 2010, 293 |
NZI 2010, 56 |
ZInsO 2010, 928 |
ArbR 2010, 196 |