Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlungsklage. Auslegung prozessualer Willenserklärungen. Zulässigkeit der Berufung. Bestimmtheit des Berufungsantrags. Anforderungen an die Annahme eines Rechtsmittelverzichts. Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch das Revisionsgericht (hier: im Hinblick auf die Frist zur Begründung der Berufung). Behebung von Mängeln der Zulässigkeit der Klage. Bestimmtheit des Klageantrags bei Teilleistungsklage
Leitsatz (redaktionell)
Auch das völlige Fehlen eines förmlichen Berufungsantrages führt nicht zur Unzulässigkeit der Berufung, wenn sich Umfang und Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung der innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig bestimmen lassen.
Normenkette
ZPO § 236 Abs. 2 S. 2, §§ 237, 238 Abs. 3, § 253 Abs. 2 Nr. 2, §§ 418, 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1, § 522 Abs. 1 S. 2, § 705 S. 2; BGB § 133; ArbGG § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. April 2014 – 9 Sa 833/13 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zu 2. der Klägerin zum Schadensersatz sowie aus § 433 Abs. 2 BGB zur Zahlung verpflichtet ist.
Der Beklagte zu 2. war bei der T GmbH (im Folgenden T), die elektrotechnische Geräte vertrieb, als Kundenbetreuer (Account Manager) im Vertrieb tätig. Das Arbeitsverhältnis des Beklagten zu 2. mit der T endete durch arbeitgeberseitige fristlose Kündigung vom 26. Februar 2008. Die T wurde zum 1. April 2009 auf die Klägerin verschmolzen.
Der Vertrieb elektrotechnischer Artikel wurde bei der T mit verschiedenen Programmen, ua. mit dem sog. TSAM CRM-Programm und dem EDVProgramm „SeCe-IT” abgewickelt. Das TSAM CRM-Programm erfasste Kundendaten sowie die beabsichtigten und die getätigten Geschäfte; das EDVProgramm „SeCe-IT” listete Preise auf sowie mögliche Rabatte, die die Vertriebsmitarbeiter den Kunden gewähren konnten. Soweit diese Rabatte nicht ausreichten, konnte durch den jeweiligen Vertriebsmitarbeiter über das Programm eine höhere Rabattierung (sog. Preiseskalation) initiiert werden. Eine Abgabe der Ware erfolgte grundsätzlich nur an Kunden der T, die keine Wiederverkäufer waren.
Der Beklagte zu 2. legte in den EDV-Systemen der T zwei Kunden namens „S I” bzw. „I” sowie „K” an. Inhaber dieser Kunden waren die Ehefrau des Beklagten zu 2. bzw. deren Eltern. Ab Mitte 2006 wurden vom Beklagten zu 2. wenigstens 240 Bestellungen elektrotechnischer Artikel für die vorgenannten Kunden sowie weitere Kunden, namentlich die „S GmbH”, die „Sc AG” und die „Si GmbH” ausgelöst und abgewickelt. Teilweise wurden die Bestellungen auf die Kundennummer einer „D AG”, einer „e GmbH & Co. KG” oder einer „R” gebucht; es wurden auch abweichende Rechnungs- und Lieferanschriften angegeben. Zum Teil handelte es sich bei den veräußerten Gegenständen um Restposten.
Mit ihrer zunächst gegen drei Beklagte als Gesamtschuldner – den Beklagten zu 2. und zwei seiner Vorgesetzten, ua. den Beklagten zu 1. – gerichteten, dem Beklagten zu 2. am 2. September 2008 zugestellten Klage und der diesem am 29. Januar 2010 zugestellten Klageerweiterung hat die Klägerin Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit den oa. 240 Geschäftsvorgängen geltend gemacht. Sie hat behauptet, der Beklagte zu 2. habe diese Verkaufsgeschäfte mit unzulässigen Preisabsprachen bzw. unzulässigen Rabatten getätigt. Er habe veranlasst, dass den Kunden weit unter dem Einkaufs- bzw. Einstandspreis liegende Preise in Rechnung gestellt wurden, ohne dass die erforderlichen Preiseskalationen durchgeführt wurden; zum Teil sei eine Rechnungsstellung vollständig unterblieben. Um Misstrauen erst gar nicht aufkommen zu lassen, seien Bestellungen zudem mittels des Textverarbeitungsprogramms „Word” abgeändert worden. Die Waren seien von den „Kunden” an Dritte weiterverkauft worden, die diese Waren ansonsten zu regulären Preisen bei der T bezogen hätten. Infolge des Fehlverhaltens des Beklagten zu 2. sei ihr in den Jahren 2006 und 2007 ein Schaden iHv. insgesamt 5.360.450,21 Euro entstanden. Diesen habe der Beklagte zu 2. ihr nach § 280 bzw. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 bzw. § 263 StGB zu ersetzen. Einen Teilbetrag der Gesamtforderung schulde der Beklagte zu 2. ihr zudem nach § 433 Abs. 2 BGB. Dieser Anspruch betreffe neun mit der „I” geschlossene Verträge.
Die Klägerin hat in erster Instanz ua. beantragt,
- den Beklagten zu 1. und den Beklagten zu 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin wegen vorsätzlich begangener Handlungen 5.360.450,21 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung entsprochen. Das Urteil wurde der Klägerin am 16. September 2013 zugestellt. Die Klägerin hat gegen dieses Urteil teilweise, nämlich insoweit Berufung eingelegt, als ihre Klage gegen den Beklagten zu 2. abgewiesen wurde. Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. November 2013 den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 18. November 2013, der ausweislich des Eingangsstempels des Nachtbriefkastens am 19. November 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei erst nach Ablauf der bis zum 18. November 2013 laufenden Frist zur Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsätzen vom 23. Dezember 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. In der Berufungsbegründungsschrift hat sie ihre Klageforderung auf 500.000,00 Euro beschränkt und ausgeführt, dass diese Beschränkung nur im Hinblick darauf erfolge, dass die Realisierbarkeit der Gesamtforderung bei dem Beklagten zu 2. sehr zweifelhaft sei; sie behalte sich allerdings vor, die Berufung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu erweitern.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an sie wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung vom 23. Dezember 2013 im Einzelnen dargestellten Vorgängen (S. 6 bis 27) in der Abfolge ihrer Darstellung, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte zu 2. hat Klageabweisung beantragt.
Das Landesarbeitsgericht, das über den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht entschieden hat, hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. In der Sache verfolgt sie ihr Klagebegehren aus der Berufung weiter. Der Beklagte zu 2. beantragt die Verwerfung bzw. Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung der Klägerin nicht als unzulässig verworfen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Der Senat kann allerdings nicht selbst feststellen, ob die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen war. Er kann nicht selbst über den vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedenen Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Frist zur Begründung der Berufung entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann vom Senat nicht entschieden werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.
A. Die Revision ist zulässig.
I. Die Revision der Klägerin ist statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt, § 74 Abs. 1 ArbGG, sowie frist- und ordnungsgemäß begründet, § 74 Abs. 1 ArbGG, § 551 Abs. 3 ZPO. Die Revision setzt sich insbesondere ausreichend mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander (zu dieser Anforderung vgl. etwa BAG 29. August 2013 – 2 AZR 273/12 – Rn. 16 mwN; 19. April 2005 – 9 AZR 184/04 – zu I 1 der Gründe mwN).
II. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten zu 2. ist die Revision nicht deshalb unzulässig, da der in der Revision gestellte Sachantrag den Zusatz aus dem Berufungsantrag „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen” nicht mehr enthält. Hierin liegt keine in der Revisionsinstanz – grundsätzlich – unzulässige Klageänderung bzw. Klageerweiterung (vgl. hierzu BAG 18. November 2014 – 1 AZR 257/13 – Rn. 46, BAGE 150, 50; 28. Mai 2013– 3 AZR 266/11 – Rn. 17 f. mwN). Der Berufungsantrag ist in der gebotenen Auslegung dahin zu verstehen, dass dem Zusatz „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen” keine den Antrag einschränkende Bedeutung zukommt.
1. Das Revisionsgericht hat prozessuale Willenserklärungen selbstständig auszulegen. Maßgebend sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, vielmehr ist der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Klageanträge so auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Prozesspartei nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Prozessgegners zu berücksichtigen (vgl. BAG 7. Juli 2015 – 10 AZR 416/14 – Rn. 18; 2. September 2014 – 3 AZR 951/12 – Rn. 34; 15. Mai 2013– 7 AZR 665/11 – Rn. 32, BAGE 145, 142).
2. Die Auslegung ergibt, dass dem im Berufungsantrag enthaltenen Zusatz „wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen” keine diesen Antrag einschränkende Bedeutung zukommt. Die Klägerin hatte den Beklagten zu 2. nicht nur auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen, der ihr aus – nach ihrer Behauptung – vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Beklagten zu 2. entstanden war. Sie hatte ihren Anspruch auch auf § 280 BGB sowie teilweise auf § 433 Abs. 2 BGB gestützt. Die Aufnahme des oa. Zusatzes in den Antrag war ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Klägerin, wie sie bereits in der Klageschrift erläutert hat, von der Möglichkeit nach § 850f Abs. 2 ZPO, wonach das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens ohne Rücksicht auf die in § 850c ZPO vorgesehenen Beschränkungen bestimmen kann, Gebrauch machen wollte und vor diesem Hintergrund eine Feststellung des Schuldgrundes im Titel anstrebte. Eine Beschränkung des Gerichts auf die Prüfung bestimmter Anspruchsgrundlagen oder aber eines bestimmten Lebenssachverhalts unter Ausschluss eines anderen Lebenssachverhalts war mit dem Zusatz demnach nicht bezweckt. Damit hat der Streitgegenstand in der Revisionsinstanz keine Änderung erfahren (vgl. hierzu etwa BAG 28. Mai 2013 – 3 AZR 266/11 – Rn. 18).
B. Die Revision ist auch begründet.
I. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung der Klägerin nicht als unzulässig verworfen werden.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Berufung sei unzulässig, da die Klägerin keine Berufungsbegründung mit einem hinreichend bestimmten Berufungsantrag (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO) eingereicht habe. Die Klägerin habe das Urteil des Arbeitsgerichts, mit dem ihre auf Zahlung von 5.360.450,21 Euro gerichtete Klage abgewiesen wurde, nur im Umfang von 500.000,00 Euro angefochten. Dem Berufungsantrag sei jedoch weder nach seinem Wortlaut noch durch Auslegung zu entnehmen, ob die Klägerin Ansprüche aus allen erstinstanzlich angeführten 240 Geschäftsvorfällen, oder nur aus den in der Berufungsbegründung konkret aufgelisteten „41” Geschäftsvorfällen und aus welchen von diesen weiterverfolgt, oder ob sie das Urteil nur hinsichtlich der Ansprüche aus einzelnen Vorfällen zur Überprüfung stellt, und wenn ja, hinsichtlich welcher Vorfälle. Die Klägerin habe erst in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag dahin konkretisiert, dass sie die Zahlung von 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung dargestellten Vorgängen in der Abfolge ihrer Darstellung geltend macht. Diese Konkretisierung hätte die Klägerin allerdings bereits in der Berufungsbegründung vornehmen müssen, andernfalls ließen sich Umfang und Ziel ihres Rechtsmittels nicht erkennen.
2. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Durch diese Bestimmung soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen (vgl. etwa BGH 10. Juni 2015 – XII ZB 611/14 – Rn. 10 mwN; 19. November 2014 – XII ZB 522/14 – Rn. 10; 22. März 2006 – VIII ZR 212/04 – Rn. 8 mwN).
Lassen sich Umfang und Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung der innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig bestimmen, kann selbst das völlige Fehlen eines förmlichen Berufungsantrags unschädlich sein (vgl. ua. BAG 20. Juni 1989 – 3 AZR 504/87 – zu I 3 der Gründe; BGH 10. Juni 2015 – XII ZB 611/14 – Rn. 10 mwN). Ferner ist zu berücksichtigen, dass die in der Berufungsbegründung angekündigten Anträge nur vorläufigen Charakter haben und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Rahmen der fristgerecht vorgetragenen Anfechtungsgründe noch geändert werden können (vgl. ua. BGH 6. Juli 2005 – XII ZR 293/02 – zu I 2 a der Gründe mwN, BGHZ 163, 324; 27. März 1985 – IVb ZB 20/85 – zu II der Gründe). Der Berufungskläger kann das Rechtsmittel sogar nach Ablauf der Begründungsfrist bis zum Schluss der Berufungsverhandlung erweitern, soweit die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung decken (vgl. BAG 20. Juli 2004 – 9 AZR 570/03 – zu A I 1 der Gründe; vgl. auch BGH 28. September 2000 – IX ZR 6/99 – zu I 1 der Gründe mwN, BGHZ 145, 256; 30. April 1996 – VI ZR 55/95 – zu II 1 der Gründe, BGHZ 132, 341; 6. November 1986 – IX ZR 8/86 – zu 4 a bb der Gründe; 16. September 1985 – II ZR 47/85 – zu 2 der Gründe; 24. Oktober 1984– VIII ZR 140/83 – zu I der Gründe; 8. Oktober 1982 – V ZB 9/82 – zu II 2 der Gründe).
Wird unbeschränkt Berufung eingelegt, so erstreckt sich die dadurch eintretende Hemmung der Rechtskraft (§ 705 Satz 2 ZPO) grundsätzlich auch dann auf das gesamte Urteil, wenn die Berufungsbegründung einen beschränkten Antrag enthält. Allein aus dem Umstand, dass der Berufungsantrag hinter der Beschwer zurückbleibt, lässt sich kein teilweiser Rechtsmittelverzicht oder eine Rechtsmittelbegrenzung entnehmen (vgl. ua. BAG 20. Juli 2004 – 9 AZR 570/03 – zu A I 1 der Gründe; BGH 28. September 2000 – IX ZR 6/99 – zu I 1 der Gründe mwN, BGHZ 145, 256; 27. März 1985 – IVb ZB 20/85 – zu II der Gründe; 24. Oktober 1984 – VIII ZR 140/83 – zu I der Gründe; 27. Oktober 1983 – VII ZR 41/83 – zu 2 a der Gründe, BGHZ 88, 360). Im Gegenteil unterliegt die Annahme eines Rechtsmittelverzichts strengen Anforderungen; darauf kann nur geschlossen werden, wenn in der Erklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck gebracht wird, das Urteil insoweit endgültig hinzunehmen und nicht anfechten zu wollen (vgl. ua. BAG 27. Juli 2010 – 3 AZR 317/08 – Rn. 16, BAGE 135, 187; 16. März 2004 – 9 AZR 323/03 – zu A I 1 der Gründe mwN, BAGE 110, 45; BGH 5. September 2006 – VI ZB 65/05 – Rn. 8 mwN; 6. März 1985 – VIII ZR 123/84 – zu 2 b der Gründe; 27. Oktober 1983 – VII ZR 41/83 – aaO).
b) Danach genügte die Berufungsbegründung der Klägerin den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO; sie ließ Umfang und Ziel des Rechtsmittels eindeutig erkennen.
aa) Die Klägerin hat gegen das erstinstanzliche Urteil, soweit ihre Klage gegen den Beklagten zu 2. abgewiesen wurde, zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung hat sie ausgeführt, sie habe – entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts – zu sämtlichen von ihr geltend gemachten Schadensersatzansprüchen nach Grund und Höhe hinreichend substantiiert vorgetragen. In diesem Zusammenhang hat sie sich ausdrücklich auf die auch in erster Instanz angeführten 240 Geschäftsvorfälle bezogen. Zusätzlich hat sie darauf hingewiesen, bereits in erster Instanz geltend gemacht zu haben, dass der Beklagte zu 2. ihr einen Teilbetrag der Gesamtforderung zudem aus § 433 Abs. 2 BGB schulde.
bb) Der Umstand, dass die Klägerin in der Berufungsbegründung einen Berufungsantrag angekündigt hat, der hinter ihrer Beschwer zurückblieb, ändert nichts daran, dass sie zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt und das Urteil insoweit umfassend angegriffen hatte. Für die Annahme eines teilweisen Rechtsmittelverzichts oder einer Rechtsmittelbegrenzung fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt; im Gegenteil, die Klägerin hatte sich ausdrücklich vorbehalten, ihren angekündigten Antrag noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu ändern. Vor diesem Hintergrund durfte das Landesarbeitsgericht aus dem in der Berufungsbegründung enthaltenen Berufungsantrag nicht schließen, die Klägerin fechte das arbeitsgerichtliche Urteil, mit dem ihre auf Zahlung von 5.360.450,21 Euro gerichtete Klage abgewiesen worden war, von vornherein nur eingeschränkt, nämlich im Umfang von 500.000,00 Euro an.
cc) Da die Klägerin ihren in der Berufungsbegründung angekündigten Berufungsantrag noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hätte ändern können, war es ihr auch unbenommen, im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht klarzustellen, dass es bei dem in der Berufungsbegründung angekündigten Antrag verbleibt und dass sie ihr Begehren insoweit ausschließlich auf die in der Berufungsbegründung ausdrücklich angeführten 42 Geschäftsvorgänge stützt.
dd) Die Berufung der Klägerin ist auch nicht deshalb nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, weil sich der Schaden, der der Klägerin nach ihrem Vorbringen aus den in der Berufungsbegründung angeführten 42 Geschäftsvorgängen entstanden sein soll, auf ca. 950.000,00 Euro beläuft, mithin die gegenüber dem Beklagten zu 2. geltend gemachte Forderung iHv. 500.000,00 Euro übersteigt und die Klägerin nicht bereits in der Berufungsbegründung klargestellt hat, wie sie die 500.000,00 Euro aufgeteilt wissen, dh. in welcher Reihenfolge sie die aus den einzelnen 42 Geschäftsvorfällen resultierenden Ansprüche zur Überprüfung des Gerichts stellen will. Dieser Mangel berührt nicht die Zulässigkeit der Berufung, sondern die Zulässigkeit der Klage. Ein solcher Mangel kann in der Berufungsinstanz noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung behoben werden (vgl. etwa BGH 22. November 2011 – VIII ZB 30/11 – Rn. 12; 18. September 1986 – III ZR 124/85 – zu I 2 b der Gründe; 15. März 1956 – II ZB 19/55 – BGHZ 20, 219).
II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Berufung sei unzulässig, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Berufung ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG). Auch hatte die Klägerin die Berufung fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ArbGG) und ordnungsgemäß begründet (§ 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO).
III. Der Senat kann allerdings nicht selbst feststellen, ob die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen war. Er kann nicht selbst über den vom Landesarbeitsgericht nicht beschiedenen Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Frist zur Begründung der Berufung entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht entschieden werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.
1. Die Berufungsbegründung der Klägerin vom 23. Dezember 2013 ist zwar erst nach Ablauf der gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG bis zum 18. November 2013 laufenden Frist zur Begründung der Berufung beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Allerdings hatte die Klägerin mit Schriftsätzen vom 18. November 2013 eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Diese Schriftsätze sind ausweislich des Eingangsstempels des Nachtbriefkastens am 19. November 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Nachdem das Landesarbeitsgericht den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Beschluss vom 21. November 2013 mit der Begründung zurückgewiesen hatte, der Antrag sei erst am 19. November 2013 und damit nach Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung bei Gericht eingegangen, hat die Klägerin mit Schriftsätzen vom 23. Dezember 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, er habe die Fristverlängerungsanträge am späten Abend des 18. November 2013 und damit noch vor Fristablauf in den gemeinsamen Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts und des Arbeitsgerichts eingeworfen. Das Landesarbeitsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin vom 23. Dezember 2013 nicht beschieden.
2. Der Senat kann nicht selbst über den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
a) Nach § 237 ZPO ist für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Gericht zuständig, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung, hier also die Berufungsbegründung, zusteht. Das ist hier das Landesarbeitsgericht. Diese Zuständigkeit gilt sowohl für einen ausdrücklich gestellten Wiedereinsetzungsantrag als auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Zulässigkeit der Berufung als Prozessfortführungsvoraussetzung vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist. Dies bedeutet nicht, dass das Revisionsgericht die Prüfung der Wiedereinsetzung uneingeschränkt an sich ziehen könnte. Nach § 238 Abs. 3 ZPO ist eine vom Berufungsgericht gewährte Wiedereinsetzung unanfechtbar und damit auch für das Revisionsgericht bindend. Mit der Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts ist für die fristsäumige Partei die Chance verbunden, mit bindender Wirkung Wiedereinsetzung bewilligt zu erhalten. Diese Chance darf ihr durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts über die Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht genommen werden (BAG 13. Dezember 2012 – 6 AZR 303/12 – Rn. 35 mwN). Eine Prüfung der Wiedereinsetzung durch das Revisionsgericht in einem bei ihm anhängigen Rechtsmittelverfahren kommt angesichts der grundlegenden Entscheidungskompetenz des Berufungsgerichts deshalb nur in Ausnahmefällen in Betracht.
b) Ein solcher Ausnahmefall kann zwar angenommen werden, wenn nach Aktenlage ohne Weiteres Wiedereinsetzung zu gewähren ist, über das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen also kein Zweifel besteht (vgl. BAG 13. Dezember 2012 – 6 AZR 303/12 – Rn. 37; BGH 20. Mai 2014 – VI ZR 384/13 – Rn. 13). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt.
Dies folgt bereits daraus, dass der auf den Anträgen der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 18. November 2013 angebrachte Eingangsstempel des Nachtbriefkastens, der als Eingangsdatum den 19. November 2013 ausweist, gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis für einen verspäteten Einwurf der Schriftsätze in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts (vgl. etwa BGH 19. November 2013 – II ZB 16/12 – Rn. 8) erbringt. Zwar ist der Beweis der Unrichtigkeit der darin bezeugten Tatsachen zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Auch wenn hieran wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen (BGH 19. November 2013 – II ZB 16/12 – aaO), ist der Gegenbeweis allerdings nicht schon dann geführt, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist (BGH 22. Dezember 2011 – VII ZB 35/11 – Rn. 11 mwN). Ob der Klägerin der erforderliche Gegenbeweis gelungen ist, kann vom Senat nach der Aktenlage nicht entschieden werden.
3. Eine Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Senat zugunsten der Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterstellen dürfte. Aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die zulässige Klage unbegründet ist.
a) Zwar ist dem Rechtsmittelgericht im Fall eines vom zuständigen Vordergericht unbeschiedenen Wiedereinsetzungsantrags auch dann ausnahmsweise eine Entscheidung in der Sache möglich, wenn diese materiell-rechtlich zum selben Ergebnis wie eine Versagung der Wiedereinsetzung führt. In einem solchen Fall kann die Wiedereinsetzung zugunsten der fristsäumigen Partei unterstellt werden (vgl. BAG 13. Dezember 2012 – 6 AZR 303/12 – Rn. 39; BGH 20. Mai 2014 – VI ZR 384/13 – Rn. 13). Danach könnte der Senat allerdings nur dann selbst über die Revision entscheiden, wenn diese sich in jedem Fall als unbegründet erweisen würde.
b) Dies ist nicht der Fall. Die Klage ist zulässig. Ob sie unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.
aa) Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
(1) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Klageantrag hinreichend bestimmt sein. Dabei ist der Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung gemäß § 322 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann. Bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbstständige Ansprüche geltend gemacht werden, bedarf es einer näheren Spezifizierung, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Andernfalls ist der Streitgegenstand nicht hinreichend bestimmt und die Klage ist unzulässig (vgl. BAG 24. September 2014 – 5 AZR 593/12 – Rn. 18, BAGE 149, 169; 28. Mai 2013 – 3 AZR 103/12 – Rn. 11; 11. November 2009 – 7 AZR 387/08 – Rn. 11; BGH 9. Januar 2013 – VIII ZR 94/12 – Rn. 12 f.; 17. Juli 2008 – IX ZR 96/06 – Rn. 7 mwN; 12. Januar2006 – III ZR 138/05 – Rn. 9 mwN). Dies gilt allerdings nicht für bloße unselbstständige Rechnungsposten (vgl. BGH 6. Mai 2014 – II ZR 217/13 – Rn. 15; 13. März 2003 – VII ZR 418/01 – zu II 3 der Gründe; 19. Juni 2000 – II ZR 319/98 – zu C I 2 b der Gründe).
(2) Die Klägerin hat die insoweit erforderliche Spezifizierung vorgenommen. Sie hat ausdrücklich beantragt, den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an sie 500.000,00 Euro aus den in der Berufungsbegründung vom 23. Dezember 2013 im Einzelnen dargestellten 42 Geschäftsvorgängen in der Abfolge ihrer Darstellung zu zahlen. Dass sie die Angabe, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Geschäftsvorgänge verteilen soll bzw. in welcher Reihenfolge die aus diesen Geschäftsvorgängen folgenden Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden, erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gemacht hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Klägerin konnte etwaige Mängel, die die Zulässigkeit der Klage berühren, noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht beheben (vgl. etwa BGH 22. November 2011 – VIII ZB 30/11 – Rn. 12; 18. September 1986 – III ZR 124/85 – zu I 2 b der Gründe; 15. März 1956 – II ZB 19/55 – BGHZ 20, 219).
bb) Ob die zulässige Klage unbegründet ist, kann der Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.
Unterschriften
Schlewing, Winter, Vogelsang, F. Avenarius, Pauli
Fundstellen
Haufe-Index 9558978 |
FA 2016, 247 |