Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung einer Betriebseinvereinbarung über betriebliche Altersversorgung und deren Wirkungen – Nachwirkung bei teilmitbestimmten Betriebsvereinbarungen – Kontrolle ablösender Betriebsvereinbarungen – Anforderungen an den sachlich-proportionalen Grund – Sanierungsbedarf und Sanierungsplan. Ablösende Betriebsvereinbarung in der betrieblichen Altersversorgung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Neuregelung eines betrieblichen Versorgungswerks durch Betriebsvereinbarung, die in künftige Zuwächse eingreift, die auf der Grundlage der abgelösten Betriebsvereinbarung hätten erdient werden können, bedarf sachlich-proportionaler Gründe. Es geht darum, die Willkürfreiheit des Eingriffs zu belegen. Dafür wird regelmäßig der allgemeine Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht ausreichen. Diese sind im einzelnen darzulegen. Anderweitige naheliegende Einsparmöglichkeiten müssen zumindest erwogen und ihre Unterlassung plausibel erklärt werden. Eines ausgewogenen Sanierungsplans bedarf es indes nicht.
2. Sachlich-proportionale Gründe liegen bereits dann vor, wenn ein unabhängiger Sachverständiger Feststellungen getroffen hat, die einen dringenden Sanierungsbedarf begründen. Allenfalls offensichtliche und ergebnisrelevante Fehler oder die Erstellung der Bilanz entgegen den anerkannten Regeln können der Annahme entgegenstehen, ein Eingriff zu Sanierungszwecken sei nicht willkürlich erfolgt.
Orientierungssatz
1. Eine Betriebsvereinbarung kann eine vorangegangene Betriebsvereinbarung mit Rückwirkung verschlechternd ablösen, soweit dem nicht schützenswerte Interessen der normunterworfenen Arbeitnehmer auf die bisherige Rechtslage entgegenstehen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die betroffenen Arbeitnehmer mit einer rückwirkend belastenden Regelung rechnen mußten und sich hierauf einrichten konnten.
2. Der Eingriff durch die Betriebspartner in künftige Zuwächse bedarf zu seiner Wirksamkeit gegenüber den von der abgelösten Regelung Begünstigten sachlich-proportionaler Gründe, welche die Willkürfreiheit des Eingriffs belegen. Hier reichen im einzelnen plausibel dargelegte wirtschaftliche Schwierigkeiten des Versorgungsschuldners, denen gegenüber der vorgenommene Eingriff nicht außer Verhältnis steht. Der Eingriff muß aber nicht Teil eines ausgewogenen Sanierungsplans sein.
3. Hat ein unabhängiger Sachverständiger Feststellungen getroffen, die einen dringenden Sanierungsbedarf begründen, darf der Versorgungsschuldner hierauf mit verhältnismäßigen Eingriffen in zukünftige Besitzstände reagieren. Dies ist nur ausgeschlossen, wenn dem Sachverständigen offensichtliche und ergebnisrelevante Fehler unterlaufen sind oder die Bilanz entgegen den anerkannten Bilanzierungsregeln erstellt worden ist.
4. Eine Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung ist kündbar. Die Ausübung des Kündigungsrechts bedarf keiner Rechtfertigung. Eine solche gekündigte Betriebsvereinbarung wirkt grundsätzlich auch nicht nach § 77 Abs. 5 BetrVG nach (Bestätigung von BAG 11. Mai 1999 – 3 AZR 21/98 – BAGE 91, 310, 314).
5. Nach der Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts wirkt auch eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung nach, wenn der Arbeitgeber mit der Kündigung einer solchen Betriebsvereinbarung nur eine Verringerung des Leistungsvolumens und die Änderung des Verteilungsplanes erreichen wollte (BAG 26. Oktober 1993 – 1 AZR 46/93 – BAGE 75, 16). Der Senat hat erneut unentschieden gelassen, ob diese Rechtsprechung in den Bereich der betrieblichen Altersversorgung übertragen werden kann. Eine Übernahme in das Betriebsrentenrecht kommt allenfalls dann in Betracht, wenn im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Auslaufen der Kündigungsfrist eine vergleichbare betriebsverfassungsrechtliche Neuregelung angestrebt wird.
Normenkette
BetrAVG § 1; BetrAVG 1999 § 1 Abs. 6; BetrVG § 77 Abs. 4-5
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 23. Dezember 1999 – 2 Sa 13/00 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch um die Verpflichtung der Beklagten, über den 28. Februar 1999 hinaus zugunsten des Klägers einen monatlichen Versicherungsbeitrag von 250,00 DM auf eine Gruppenlebensversicherung zu zahlen.
Der beklagte Verein hatte am 4. Dezember 1985 einen Gruppenversicherungsvertrag mit der Deutschen Beamten-Versicherung abgeschlossen. Er schloß danach im April 1986 mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung (BV 86), in der es ua. heißt:
„Am 1.12.1985 haben wir für unsere Betriebsangehörigen eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet, die den Mitarbeitern neben den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine spätere Altersversorgung zusichert. …
Die Beiträge für die betriebliche Altersversorgung werden im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Vereins und in Abhängigkeit von den Geldgebern/Maßnahmen sowie von der Arbeitszeit (Stundenzahl), jedoch maximal DM 2.400,00 jährlich, aufgebracht.
…
Voraussetzungen für die Aufnahme in das Versorgungswerk:
Unter dem 1. Juli 1993 wurde dem Kläger, der seit dem 15. August 1990 bei dem Beklagten beschäftigt ist, der Versicherungsschein mit der Nummer 09836482 übergeben. Er sieht einen Versicherungsbeginn am 1. August 1983, eine Leistung bei Vollendung seines 65. Lebensjahres von 125.723,00 DM sowie eine Beitragsrate bei monatlicher Zahlungsweise von 250,00 DM vor.
Am 27. Dezember 1993 lösten die Betriebspartner die BV 86 durch eine neue Betriebsvereinbarung (BV 93) ab, in welcher die Beiträge für die betriebliche Altersversorgung auf maximal 3.000,00 DM jährlich festgelegt wurden. Weiter heißt es in dieser Vereinbarung ua.:
„Die Beiträge für die betriebliche Altersversorgung können nur
Mit Schreiben vom 4. Dezember 1998 wandte sich der Beklagte an alle Mitarbeiter:
„in der Betriebsversammlung am 20.11.98 in Hamburg und 26.11.98 in Rostock haben wir über unsere außerordentlich schwierige finanzielle Situation berichtet.
Wir freuen uns, daß wir trotz dieser Schwierigkeiten die Auszahlung der Weihnachtsgelder sicherstellen konnten.
Damit unsere Arbeitsplätze auf sicherere Beine gestellt werden, ist allerdings akuter Handlungsbedarf erforderlich. Um dieses zu erreichen, wird für die vor uns liegende Zeit ein Finanzierungssicherungskonzept aufgestellt.
Ein Element dieses Konzeptes ist das Einfrieren der Altersversorgung als freiwillige Leistung des Arbeitgebers bis Ende 1999. Wegen des dringenden Handlungsbedarfs wird dieses sofort umgesetzt.
… Selbstverständlich haben Sie die Möglichkeit, die Altersversorgung durch eigene Beiträge fortzusetzen.
Ich werde alles tun, um die Altersversorgung zukünftig weiterhin aufrechtzuerhalten, sofern dies uns möglich ist. …”
Tatsächlich stellte der Beklagte die Beitragszahlungen an die Deutsche Beamten-Versicherung mit deren Zustimmung als „Stundung gegen Zinsen” zum 1. Dezember 1998 ein.
Mit Schreiben vom 31. März 1999 kündigte der Beklagte die Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung vom 27. Dezember 1993 einschließlich der Ergänzungsvereinbarungen zum 30. Juni 1999. Nachdem er mit seinem Betriebsrat am 24. März und 14. April 1999 ua. eine Stundung der Auszahlung der fälligen Tariferhöhungen vereinbart hatte, kam dann am 22. April 1999 eine Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung (BV 99) zustande, in der es im hier wesentlichen heißt:
- „GF und BR-West sind sich darüber einig, daß eine mögliche neue Form der betrieblichen Altersversorgung für alle Beschäftigten des Vereins angestrebt werden soll. Vorzugsweise soll dies im Rahmen von Tarifverhandlungen erfolgen. Falls zwischen den Tarifpartnern keine Einigung über die Altersversorgung erzielt worden ist, werden die Betriebsparteien bis zum 31.12.1999 versuchen, auf ihrer Ebene eine einvernehmliche Regelung zu finden, ansonsten gilt diese Betriebsvereinbarung über den 31.12.1999 hinaus längstens bis zum 31.12.2000. Soweit es die wirtschaftliche Lage zuläßt, soll allen Festbeschäftigten eine betriebliche Altersversorgung ermöglicht werden, deren Umfang der BV vom 27.12.1993 entspricht.
- GF und BR-West vereinbaren die Aussetzung der Beitragszahlungen in die betriebliche Altersversorgung vom 1.3.1999 bis zum 30.6.1999.
Zur Abmilderung der negativen Effekte des notwendigen Aussetzens der Altersversorgung sowie um den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, ihre private Absicherungsplanung den veränderten Umständen nach Kündigung der Betriebsvereinbarungen zur Altersversorgung zum 30.6.1999 anzupassen, wird folgendes umgesetzt:
- Der Verein schließt mit der DBV-Winterthur einen Vertrag zur Aufrechterhaltung des jeweils vereinbarten Versicherungsschutzes bis 31.12.1999.
- Die für a) notwendigen Finanzmittel in Höhe von ca. DM 20.000,00 werden auf Basis des gültigen Gruppenvertrages nach dem Prinzip „Stundung gegen Zinsen” verwendet. Eine einzelvertragliche Behandlung ist ausgeschlossen.
- Für die Zeit des Aussetzens der Altersversorgung (Dez. 1998 bis Juni 1999) sowie nach Ablauf der Betriebsvereinbarung zur Altersversorgung vom 27.12.1993 und 3.8.1994 (also ab 1.7.1999) ist eine private Einzahlung von Beiträgen zur Kapitalbildung im Rahmen des Abzuges von den Gehaltsauszahlungen grundsätzlich möglich. …”
Mit seiner Klage hat der Kläger die Weiterzahlung des Versicherungsbeitrages von 250,00 DM monatlich zu seinen Gunsten über den 30. November 1998 hinaus verlangt. Der Beklagte schulde die Beitragsleistungen aufgrund der Betriebsvereinbarung. Eine einseitige Lösung hiervon sei nicht möglich. Die Voraussetzungen für einen Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage bestünden nicht. Die wirtschaftlichen Daten, welche der Beklagte insoweit vortrage, seien mehrfach nicht plausibel und müßten mit Nichtwissen bestritten werden. Der Beklagte habe auch anderweitige Einsparmöglichkeiten nicht genutzt, bevor er in die Versorgungsansprüche seiner Arbeitnehmer eingegriffen habe. Die Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf einer Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage müßten in jedem Falle durch die Betriebsanalyse eines unparteiischen Sachverständigen festgestellt werden. Es müsse auch ein Sanierungsplan erstellt werden, der eine gerechte Lastenverteilung unter Heranziehung aller Beteiligten vorsehe. Dem genüge das Vorbringen des Beklagten nicht. Der vom Beklagten vorgelegte Jahresabschluß könne nicht ohne weiteres übernommen werden. Die Betriebsvereinbarung vom 27. Dezember 1993 wirke im übrigen trotz der Kündigung jedenfalls nach. Die abändernde Betriebsvereinbarung vom 22. April 1999 sei unwirksam. Sie könne die Versorgungsansprüche nicht beseitigen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Deutsche Beamtenversicherung, Frankfurter Straße 50, 65189 Wiesbaden, zugunsten der Lebensversicherung Nr. 09836482 (versicherte Person: Jörn-Peter D) mit Wirkung vom 1. Dezember 1998 monatlich 250,00 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach seiner Auffassung hat er schon mit seinem Schreiben vom 4. Dezember 1998 wirksam von einem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht. Seine Beitragspflicht hänge von den in der BV 93 ausdrücklich angesprochenen finanziellen Möglichkeiten des Vereins ab. Der Widerruf sei auch sachlich gerechtfertigt. Die wirtschaftliche Lage des Beklagten lasse die weitere Beitragszahlung nicht zu, die einen Jahresaufwand von 250.000,00 DM notwendig mache. Im übrigen sei die BV 93, die bereits zuvor für die Zeit ab März 1999 durch die BV 99 abgelöst worden sei, wirksam zum 30. Juni 1999 gekündigt worden. Sie wirke nicht nach. Aus dem Jahresabschluß für 1998 sowie der Zwischenbilanz zum 31. Mai 1999 und der Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 1999 ergebe sich die außerordentlich schwierige Liquiditätslage des Beklagten. Der Jahresfehlbetrag von 1998 habe etwa 656.000,00 DM und derjenige bis 31. Mai 1999 immerhin rund 113.000,00 DM betragen. Das Eigenkapital des Beklagten sei aufgezehrt. Soweit der Kläger sich auf Einsparpotentiale berufe, übersehe er, daß die Verluste des Wirtschaftsjahres 1997 und der Verlust des Jahres 1998 erst Ende des Jahres 1998 annähernd erkannt worden seien.
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, zugunsten des Klägers Versicherungsbeiträge bis Februar 1999 einschließlich zu zahlen. Gegen dieses Urteil haben der Kläger Berufung und der Beklagte Anschlußberufung eingelegt. Beide Rechtsmittel hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner Revision verlangt der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis zum 1. Juni 2001 im Wege des Betriebsteilüberganges auf eine neue Arbeitgeberin übergangen ist, Beitragszahlung über den 28. Februar 1999 hinaus bis Mai 2001 einschließlich.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch darauf, daß der Beklagte über den 28. Februar 1999 hinaus monatliche Beiträge auf den zu seinen Gunsten abgeschlossenen Versicherungsvertrag zahlt.
I. Die Klage scheitert allerdings nicht schon daran, daß der Beklagte den Kläger auf einen Versorgungsverschaffungsanspruch verweisen könnte.
Nachdem der Beklagte die Beitragszahlungen eingestellt hatte, war der Kläger zur rechtzeitigen Wahrnehmung seiner Interessen nicht gezwungen, die Weiterzahlung der Versicherungsbeiträge geltend zu machen. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn der Beklagte ihm eine sog. reine Beitragszusage gemacht hätte, bei der sich die übernommene Verpflichtung auf die Zahlung der Versicherungsbeiträge beschränkt und der Arbeitnehmer das Risiko trägt, ob und welche Leistungen für ihn hieraus im Versorgungsfall erwachsen. Der Beklagte hat dem Kläger aber keine solche Beitragszusage gemacht. Bei der in der BV 86, später BV 93, schriftlich niedergelegten Zusage des Beklagten handelt es sich vielmehr um eine schon vor ihrer gesetzlichen Berücksichtigung in § 1 Abs. 6 BetrAVG 1999 praktizierte sog. beitragsorientierte Leistungszusage unter Einschaltung eines Direktversicherers. Auch bei ihr wird dem Versorgungsberechtigten wie auch bei der sonst üblichen Leistungszusage eine Versorgungsleistung bei Eintritt des Versorgungsfalles versprochen. Die beitragsorientierte Leistungszusage unterscheidet sich von der reinen Leistungszusage nur dadurch, daß dem Versorgungsberechtigten zusätzlich der Beitrag mitgeteilt wird, welchen der Arbeitgeber zur Finanzierung der Versorgungsleistung aufwendet. Auf eine solche beitragsorientierte Versorgungszusage findet das Betriebsrentengesetz auch schon in der Zeit vor dem 1. Januar 1999 uneingeschränkt Anwendung (Höfer BetrAVG Bd. I Stand August 2001 § 1 Rn. 1630.40; Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. Ergänzungsheft Einleitung zu Rn. 8).
Daß sich in den genannten Betriebsvereinbarungen beitragsorientierte Leistungszusagen und nicht reine Beitragszusagen finden, ergibt sich bereits aus dem Einleitungssatz der Betriebsvereinbarung, wonach der Beklagte für die Betriebsangehörigen eine betriebliche Altersversorgung eingerichtet hat, die den Mitarbeitern neben der Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine spätere Altersversorgung zusichert. Es wird in dieser Betriebsvereinbarung lediglich ergänzend mitgeteilt, daß die Beiträge für die betriebliche Altersversorgung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Vereins aufgebracht werden, sich jedoch maximal auf 2.400,00 DM, später auf 3.000,00 DM belaufen werden. Demgemäß ist dem Kläger auch mit der ihm überreichten Versicherungspolice vom 1. Juli 1993 die vom Versicherungsnehmer, dem Beklagten, zu verschaffende Versorgungsleistung in Form eines Kapitalbetrages mitgeteilt worden.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Beklagte seit dem 1. März 1999 nicht mehr verpflichtet ist, Versicherungsprämien zugunsten des Klägers an den Direktversicherer zu zahlen.
1. Rechtsgrundlage der Versorgungsrechte des Klägers waren die Betriebsvereinbarungen aus den Jahren 1986 und 1993. Der Kläger hat keinen hiervon unabhängigen individualvertraglichen Anspruch erworben.
Der Kläger hat nicht behauptet, der Beklagte habe mit ihm eine gesonderte Vereinbarung über den Abschluß einer Direktversicherung getroffen. Die Übergabe des Versicherungsscheins im Juli 1993 beruhte vielmehr erkennbar darauf, daß der Kläger die in der BV 86 für eine Aufnahme in das Versorgungswerk vorgesehene dreijährige Dienstzeit in Kürze zurückgelegt haben würde. Der Umstand, daß der Versicherungsschein als Versicherungsbeginn nicht den ersten Tag des vierten Dienstjahres vorsah, sondern den ersten Tag des Monats, in den dieser Tag fiel, war keine derart wesentliche Abweichung von der BV 86, daß der Kläger deshalb davon ausgehen durfte, er sollte individuell anders als die übrigen unter die BV 86 fallenden Mitarbeiter behandelt werden. Dasselbe gilt auch für die Höhe der Versicherungsprämie. Sie liegt zwar 50,00 DM monatlich höher als in der BV 86 vorgesehen. Sie entspricht aber der nur wenige Monate später vorgenommenen verbessernden Anpassung der betrieblichen Versorgungsregelung durch die BV 93. Angesichts dessen und der fehlenden Hinweise des Beklagten an den Kläger, daß er im Rahmen der abgeschlossenen Gruppenversicherung grundsätzlich anders als andere Mitarbeiter behandelt werden solle, mußte aus Sicht des Klägers offenbar sein, daß er auf der Grundlage der allgemein im Betrieb geltenden Regelungen zusatzversorgt werden würde.
2. Die Pflicht des Beklagten, dem Kläger durch Beitragszahlung die versprochene Versorgungsleistung zu verschaffen, ist für die Zeit vom 1. März 1999 bis zum 30. Juni 1999 aufgrund der ablösenden Betriebsvereinbarung vom 22. April 1999 und für die Zeit danach durch die Kündigung der BV 93 zum 30. Juni 1999 erloschen.
a) Nach Nr. 2 der Betriebsvereinbarung vom 22. April 1999 ist die an die Stelle der BV 86 getretene und zu diesem Zeitpunkt noch geltende BV 93 insoweit abgeändert worden, als die Verpflichtung des Beklagten zu Beitragsleistungen im Rahmen der abgeschlossenen Gruppendirektversicherung für die Zeit vom 1. März 1999 bis zum 30. Juni 1999 „ausgesetzt” worden ist. Durch diese Bestimmung wurde mit Wirkung für die betroffenen Arbeitnehmer (§ 77 Abs. 4 BetrVG) festgelegt, daß für diesen Zeitraum abweichend von den Festlegungen der BV 93 bis zu einer anderweitigen Regelung keine Beitragszahlungspflicht des Beklagten mehr bestehen soll. Eine solche anderweitige Regelung ist bislang nicht getroffen worden.
aa) Die Ablösung einer Betriebsvereinbarung durch eine andere, jüngere Betriebsvereinbarung ist nach der Zeitkollisionsregel statthaft. Die neue Betriebsvereinbarung tritt an die Stelle der alten.
bb) Durch Nr. 2 der vom 22. April 1999 stammenden BV 99 werden die Beitragszahlungen zwar nicht erst ab April oder Mai, sondern bereits ab März 1999 ausgesetzt, und damit teilweise rückwirkend. Dies ist im Ergebnis aber nicht zu beanstanden.
Vertragsparteien sind grundsätzlich befugt und von Rechts wegen in der Lage, ihre Vereinbarungen auch mit Wirkung für die Vergangenheit abzuändern. Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt für Vereinbarungen, die wie Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge für Dritte unmittelbare Wirkung entfalten. Hier setzt die Pflicht zur Rücksichtnahme auf schützenswertes Vertrauen der Normunterworfenen auf die bisherige Normlage der Regelungsbefugnis der Betriebspartner und Tarifvertragsparteien eine Grenze. Diese Grenze ist dann nicht überschritten, wenn die betroffenen Arbeitnehmer mit einer rückwirkend belastenden Regelung rechnen mußten und sich hierauf einrichten konnten (BAG 19. September 1995 – 1 AZR 208/95 – BAGE 81, 38; 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – BAGE 78, 309; 17. Mai 2000 – 4 AZR 216/99 – BAGE 94, 349).
Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat die Rechtssätze der angezogenen Rechtsprechung zutreffend auf den vorliegenden Fall angewendet. Die rückwirkende Regelung der Betriebspartner verletzt schützenswertes Vertrauen der Normunterworfenen nicht und ist deshalb von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die betroffenen Arbeitnehmer wußten aufgrund des Widerrufschreibens des Beklagten aus Dezember 1998, dem ausweislich dieses Schreibens Informationsveranstaltungen über die schwierige wirtschaftliche Lage des Beklagten in den Unternehmen vorangegangen waren, daß der Beklagte sich so schnell wie möglich von seiner Beitragszahlungspflicht zur Sanierung seiner wirtschaftlichen Lage befreien wollte. Sie waren auch darauf hingewiesen worden, durch Übernahme der Beitragszahlungen Versicherungseinbußen verhindern zu können. Angesichts dessen mußten die Arbeitnehmer auch davon ausgehen, daß der Beklagte sich bemühen würde, mit dem Betriebsrat auch schon vor Ablauf der für die BV 93 geltenden Kündigungsfrist im Rahmen zu einer entlastenden Vereinbarung zu kommen.
Gegenüber den schützenswerten Positionen der Arbeitnehmer muß darüber hinaus auch berücksichtigt werden, daß mit der Aussetzung der Beitragszahlungen eine Aufrechterhaltung des vereinbarten Versicherungsschutzes bis zum 31. Dezember 1999 und die Aufbringung der hierfür erforderlichen Mittel durch den Beklagten vereinbart wurde. Die Rechtspositionen der Arbeitnehmer sind damit durch die BV 99 im Ergebnis in einem geringeren Umfang beeinträchtigt worden, als dies allein durch die Einstellung der Beitragszahlungen geschehen wäre.
b) Für die Zeit ab dem 1. Juli 1999 ist die Grundlage für die Verpflichtung des Beklagten, weitere Versorgungsanwartschaften durch Beitragszahlung zu verschaffen, aufgrund der Kündigung der BV 93 vom 31. März 1999 erloschen.
aa) Betriebsvereinbarungen sind nach § 77 Abs. 5 BetrVG kündbar. Die Ausübung des Kündigungsrechts bedarf keiner Rechtfertigung und unterliegt keiner inhaltlichen Kontrolle. Das Betriebsverfassungsgesetz hat in § 77 Abs. 5 BetrVG das Kündigungsrecht uneingeschränkt eingeräumt. Es hat mit der Festlegung der Nachwirkung mitbestimmungspflichtiger Betriebsvereinbarungen in § 77 Abs. 6 BetrVG eine eigenständige Regelung zum Schutz anspruchsberechtigter Arbeitnehmer getroffen. Diese Regelung steht einer weitergehenden allgemeinen Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit von Betriebsvereinbarungen entgegen (BAG 26. Oktober 1993 – 1 AZR 46/93 – BAGE 75, 16, 19; 17. Januar 1995 – 1 ABR 29/94 – AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 54, zu II A 1 c der Gründe; 11. Mai 1999 – 3 AZR 21/98 – BAGE 91, 310, 314; 17. August 1999 – 3 ABR 55/98 – BAGE 92, 203, 209).
bb) Der Beklagte hat mit der fristgerecht (§ 77 Abs. 5 BetrVG) zum 30. Juni 1999 ausgesprochenen Kündigung nicht treuwidrig gehandelt. Sie hat nicht gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen, das auch gegenüber der Kündigung einer Betriebsvereinbarung an sich Geltung hat. Der Beklagte hat zwar erkennbar zunächst geglaubt, er könne mit der Ausübung des vermeintlichen Widerrufsrechts im Dezember 1998 seinen Belangen hinreichend Rechnung tragen. Dies schließt aber den späteren Ausspruch der Kündigung der Betriebsvereinbarung schon deshalb nicht aus, weil das geltend gemachte Widerrufsrecht nicht besteht und die Unwirksamkeit des Widerrufs auch schon vom Betriebsrat in seinem „Abmahnungsschreiben” geltend gemacht worden war.
cc) Die Kündigung der BV 93 hat nicht nur die Wirkung einer Schließung des Versorgungswerks für neu eintretende Arbeitnehmer. Sie betrifft auch Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung durch die Betriebsvereinbarung begünstigt waren. Mit dem Wegfall der unmittelbaren und zwingenden Wirkung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung aufgrund des Ausspruchs einer Kündigung entfällt die Rechtsgrundlage für die Entstehung von Versorgungsansprüchen für alle betriebsangehörigen Arbeitnehmer, die noch keinen Vollanspruch erdient haben. Der Erwerb eines Anspruchs auf der Grundlage einer Versorgungsordnung setzt auch voraus, daß die Voraussetzungen für den Anspruchserwerb unter der Geltung der Versorgungszusage erfüllt werden. Sind die Voraussetzungen noch nicht erfüllt und erlischt die rechtsbegründende Regelung, entfällt das Versprechen, daß mit weiterer Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen eine bestimmte Leistung erfolgt (zuletzt BAG 11. Mai 1999 – 3 AZR 21/98 – BAGE 91, 310, 316 f.).
dd) Diese Wirkung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die BV 93 nach Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 1999 nachwirkte (§ 77 Abs. 6 BetrVG). Dies ist nicht der Fall.
(1) Betriebsvereinbarungen über Fragen der betrieblichen Altersversorgung wirken grundsätzlich nicht nach. Nachwirkung ist in § 77 Abs. 6 BetrVG nur für Betriebsvereinbarungen über Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung angeordnet. Hierzu gehören Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung nicht. Sie sind nur teilweise, was die Verteilung der vom Arbeitgeber für das Versorgungswerk zur Verfügung gestellten Mittel angeht, mitbestimmungspflichtig. Bei der Festlegung der Höhe der Versorgungsmittel kann der Betriebsrat ebensowenig mitbestimmen, wie er erzwingen kann, daß betriebliche Versorgungsregelungen fortgelten (BAG 11. Mai 1999 – 3 AZR 21/98 – aaO S 321 f.; 17. August 1999 – 3 AZR 55/98 – aaO S 211).
(2) Auch eine Nachwirkung im Zusammenhang mit der vom Beklagten offenbar beabsichtigten grundsätzlichen Neuregelung des betrieblichen Versorgungswerks scheidet aus.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat zwar bei einer teilmitbestimmten Betriebsvereinbarung über die Zahlung von Weihnachtsgeld angenommen, diese wirke nach, wenn der Arbeitgeber mit der Kündigung einer solchen Betriebsvereinbarung nur eine Verringerung des Leistungsvolumens und die Änderung des Verteilungsplanes erreichen wolle (26. Oktober 1993 – 1 AZR 46/93 – aaO). In seinem Beschluß vom 17. August 1999 (– 3 ABR 55/98 – aaO S 212) hat der Senat unentschieden gelassen, ob diese Rechtsprechung überhaupt in den Bereich der betrieblichen Altersversorgung übertragen werden kann. Auch im vorliegenden Zusammenhang kann diese Frage unentschieden bleiben. Eine Übertragung kommt jedenfalls nur dann in Betracht, wenn in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Auslaufen der Kündigungsfrist eine vergleichbare betriebsverfassungsrechtliche Neuregelung angestrebt wird. Daran fehlt es hier. Weder die Art des künftigen Versorgungswerks noch die Frage, ob es zu einer tarifvertraglichen Neuregelung oder einer neuen Betriebsvereinbarung kommen sollte, stand bei Ausspruch der Kündigung fest, wie Nr. 1 BV 99 zeigt.
(3) Unabhängig davon kommt eine Nachwirkung der BV 93 über den 30. Juni 1999 jedenfalls deshalb nicht Betracht, weil sie bereits zuvor „durch eine andere Abmachung ersetzt” worden ist.
Durch die Betriebsvereinbarung vom 22. April 1999 haben die Betriebspartner nicht nur die Pflicht zur Beitragszahlung an die Direktversicherung für die Zeit vom 1. März 1999 bis zum 30. Juni 1999 ausgesetzt. Sie haben darüber hinaus die Wirkung der Kündigung in Ziff. 4 der Betriebsvereinbarungen ausdrücklich bestätigt, indem sie für die Zeit nach Ablauf der Betriebsvereinbarungen zur Altersversorgung, „also ab 1.7.1999”, festgelegt haben, daß eine private Einzahlung von Beiträgen zur Kapitalbildung grundsätzlich möglich sei. Sie haben darüber hinaus für die Zeit bis zum 31. Dezember 1999, längstens bis zum 31. Dezember 2000, die Geltung der BV 99 anstelle der BV 93 angeordnet und die Verpflichtung des Beklagten festgelegt, mit dem Versicherungsträger einen Vertrag zur Aufrechterhaltung des jeweils vereinbarten Versicherungsschutzes zu schließen und die hierfür erforderlichen Mittel aufzubringen.
c) Die ablösende Betriebsvereinbarung vom 22. April 1999 und die Kündigung der BV 93 zum 30. Juni 1999 ist auch in dem angestrebten Umfang gegenüber dem Kläger und den übrigen betroffenen Arbeitnehmern wirksam.
aa) Die an sich rechtlich mögliche verschlechternde Ablösung einer Betriebsvereinbarung durch eine andere ist nur insoweit wirksam, wie sie nicht unter Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit in geschützte Besitzstände der durch die Altregelung begünstigten Arbeitnehmer eingreift. Der Senat hat hierfür in ständiger Rechtsprechung ein dreistufiges Prüfungsschema entwickelt, das von dem Grundsatz getragen ist, daß es eines um so gewichtigeren Rechtfertigungsgrundes bedarf, je stärker in geschützte Besitzstände eingegriffen wird. Bereits erdiente und nach den Grundsätzen des § 2 BetrAVG errechnete Teilbeträge können hiernach nur aus zwingendem Grund, Zuwächse, die sich aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben und bereits zeitanteilig erdient sind, nur aus triftigem Grund, Zuwachsraten schließlich, die noch nicht erdient worden sind, schon aus sachlich-proportionalen Gründen entzogen werden. Nach Maßgabe dieses Prüfungsschemas sind auch die Wirkungen der Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung zu überprüfen und zu beschränken (BAG 22. Mai 1990 – 3 AZR 128/89 – BAGE 65, 157, 160 f.; 11. Mai 1999 – 3 AZR 21/98 – BAGE 91, 310, 318 ff.; 17. August 1999 – 3 ABR 55/98 – BAGE 92, 203, 213; vgl. auch Gert Griebeling FS Wiese S 139).
bb) Nach diesen Regeln ist sowohl die ablösende Betriebsvereinbarung vom 22. April 1999 als auch die Kündigung der BV 93 zum 30. Juni 1999 materiell wirksam, so daß die Beitragspflicht des Beklagten dem Kläger gegenüber zum 28. Februar 1999 erloschen ist.
(1) Für die durch die genannten Maßnahmen vorgenommenen Eingriffe bedurfte es nur sachlich-proportionaler Gründe. Das, was die betroffenen Arbeitnehmer bis zum Ablösungsstichtag erdient hatten, blieb ihnen erhalten. Ablösung und Kündigung sollten nur dazu dienen, daß in Zukunft keine Versorgungsbesitzstände mehr erdient werden konnten, wie dies auf der Grundlage der BV 93 noch möglich gewesen wäre. Dabei versteht man unter sachlich-proportionalen Gründen willkürfreie, nachvollziehbare und anerkennenswerte Eingriffsgründe. Sie können insbesondere auf einer wirtschaftlich ungünstigen Lage des Versorgungsschuldners oder einer Fehlentwicklung des betrieblichen Versorgungswerks beruhen. Auf das Vorliegen einer wirtschaftlichen Notlage, die nach bisheriger Rechtsprechung sogar einen Eingriff in erdiente Besitzstände rechtfertigen konnte, kommt es nicht an. Deshalb bedarf es zur Rechtfertigung des Eingriffs hier auch weder der sachverständigen Feststellung einer konkursnahen wirtschaftlichen Notlage, noch eines ausgewogenen, die Sanierungslasten angemessen verteilenden Sanierungsplanes.
(2) Die zur Rechtfertigung des Eingriffs in künftig noch zu erdienende Besitzstände erforderlichen Gründe, deren es unabhängig davon bedarf, ob der einzelne Betroffene zum Ablösungsstichtag bereits eine unverfallbare Anwartschaft erdient hatte, liegen vor. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht dem Wirtschaftsprüferbericht für das Jahr 1998 und den Vorgängen 1998/99 entnommen.
(a) Die an die Grenze zur Überschuldung reichenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Beklagten, von denen das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, sind sachlich-proportionale Gründe, welche das schützenswerte Vertrauen der Arbeitnehmer des Beklagten auf den Fortbestand der durch Betriebsvereinbarung begründeten Versorgungsansprüche überwiegen, nachdem die Rechtsgrundlage des Versorgungsanspruchs für die Arbeitnehmer von vornherein erkennbar das Risiko der kollektiven Aufhebung und Abänderung in sich barg. In der Sache zutreffend, wenn auch für den vorliegenden Eingriff nicht erforderlich hat das Arbeitsgericht festgestellt, daß die Vermögenssituation des Beklagten nach der Rechtsprechung des Senats sogar als triftiger Grund für einen weitergehenden Eingriff ausreichend gewesen wäre. Die unveränderte Weiterführung der betrieblichen Altersversorgung durch den Beklagten wäre nur bei einem weiteren Eingriff in die Substanz des Unternehmens möglich gewesen.
Das Landesarbeitsgericht durfte bei seiner Bewertung der wirtschaftlichen Lage des Beklagten entgegen der Auffassung des Klägers auf den Prüfbericht des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters Hering zurückgreifen. Der Kläger rügt zwar im Ansatz zu Recht, daß das Landesarbeitsgericht die Angaben in diesem Bericht nicht im Wege des Urkundenbeweises als feststehend ansehen durfte. Die von dem Sachverständigen erstellte und von ihm unterzeichnete Privaturkunde begründet nur den vollen Beweis dafür, daß die in ihr enthaltenen Erklärungen von ihm abgegeben worden sind (§ 416 ZPO). Gleichwohl ist das Vorgehen des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis richtig: Es geht bei einem Eingriff in künftige Zuwächse nur darum, ob es für den Eingriff in die Versorgungszusage sachlich-proportionale Gründe gibt, welche die Annahme willkürlichen Arbeitgeberverhaltens ausschließen. Solche Gründe liegen bereits dann vor, wenn ein unabhängiger Sachverständiger die Feststellungen getroffen hat, welche das Landesarbeitsgericht zugrunde gelegt hat, und die einen dringenden Sanierungsbedarf begründen. Allenfalls offensichtliche und ergebnisrelevante Fehler oder die Erstellung der Bilanz entgegen den anerkannten Regeln können der Annahme entgegenstehen, ein Eingriff zu Sanierungszwecken sei nicht willkürlich erfolgt. Ansonsten muß es dem Arbeitgeber möglich sein, aufgrund sachkundig ermittelter Zahlen, die eine Existenzgefährdung belegen, durch Sanierungsmaßnahmen in einer Weise zu reagieren, wie dies vorliegend durch den Beklagten und die Betriebspartner geschehen ist. Da der Kläger nicht bestreitet, daß der Sachverständige Hering die erforderlichen Kenntnisse besitzt und sie im Zusammenhang mit der Schlußbilanz 1998 auch angewendet hat, reichen dessen Prüfbericht und die in ihm enthaltenen Zahlen als sachlich-proportionale Rechtfertigung für die Aussetzung der Beitragszahlung durch die BV 99 und die Kündigung der BV 93 zum 30. Juni 1999 aus. Dies gilt um so mehr, als der Betriebsrat durch die BV 99 und sein Mitwirken bei den sonstigen kostenmindernden – rechtlich problematischen – Maßnahmen im Frühjahr 1999 deutlich gemacht hat, daß auch aus seiner Sicht erhebliche wirtschaftliche Probleme bestehen, die erhebliche Eingriffe rechtfertigen.
(b) Die Gründe für die erst im dritten Quartal 1998 erkannte wirtschaftliche Lage sind unerheblich. Auch insoweit ist dem Landesarbeitsgericht beizutreten. Die wirtschaftliche Lage, die ua. die bisherigen Arbeitsplätze wesentlich gefährdete, ist eingetreten. Eine Unternehmenssanierung ist dringend erforderlich. Es kommt nicht darauf an, wodurch der Sanierungsbedarf entstanden ist, es sei denn, dessen Ursachen begründeten einen Schadensersatzanspruch, durch dessen Durchsetzung das Unternehmen saniert werden könnte. In einem solchen Fall müßte der Versorgungsschuldner wohl vorrangig zu diesem Mittel greifen. Für einen solchen Schadensersatzanspruch ist indes nichts dargetan.
Etwas anderes hat der Senat auch in seinen mehrfach angesprochenen Entscheidungen vom 11. Mai 1999 (– 3 AZR 21/98 – aaO S 321) und vom 17. August 1999 (– 3 ABR 55/98 – aaO S 217) nicht ausgeführt. In der erstgenannten Entscheidung hat er lediglich angenommen, angesichts des unbestrittenen Pakets von Sanierungsmaßnahmen, welche die dortige Arbeitgeberin durchgeführt hatte, sei es nachvollziehbar und nicht willkürlich, wenn durch die Kündigung der Betriebsvereinbarung versucht worden sei, die Belastung durch das Versorgungswerk zu verringern. In seinem Beschluß vom 17. August 1999 hat der Senat der beteiligten Arbeitgeberin zwar aufgegeben, im einzelnen darzulegen, daß die Eingriffe in die betriebliche Altersversorgung der eingetretenen wirtschaftlichen Situation verhältnismäßig gewesen seien. Dabei werde es auch darauf ankommen, die Gesamtheit der Maßnahmen darzulegen, die unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Kosteneinsparung zu dienen bestimmt gewesen seien. Der Eingriff in das betriebliche Versorgungswerk müsse sich in ein nachvollziehbar auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ausgerichtetes Gesamtkonzept einpassen. Soweit der Betriebsrat im dortigen Verfahren auf Steigerungen der Gehälter der außertariflichen Angestellten und Ungleichbehandlungen bei der betrieblichen Altersversorgung hingewiesen habe, schlössen solche Umstände zwar nicht von vornherein die sachliche Rechtfertigung des beabsichtigten Eingriffs aus. Es müsse jedoch nachvollziehbar dargelegt werden, welche sachlichen Gründe für solche, auf den ersten Blick dem Sanierungszweck zuwiderlaufende Maßnahmen maßgeblich gewesen seien. Auch in dieser Entscheidung ging es damit grundsätzlich nur um die Sanierung des Unternehmens nach einmal eingetretenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, nicht um die Gründe für diese Schwierigkeiten.
(c) Die Entscheidung vom 17. August 1999 ist nicht dahin zu verstehen, daß auch für einen Eingriff in künftige Zuwächse ein ausgewogener Sanierungsplan gefordert werden muß, wie er vom Senat für die Wirksamkeit eines Widerrufs wegen wirtschaftlicher Notlage für erforderlich gehalten worden ist. Die Eingriffsschwelle ist hier für den Arbeitgeber deutlich niedriger als dort. Es kommt auch keine gerichtliche Entscheidung darüber in Betracht, welche anderweitigen Einsparmöglichkeiten betriebswirtschaftlich sinnvoll oder auch nur vertretbar gewesen wären. Es geht im Rahmen des sachlich-proportionalen Grundes darum, die Willkürfreiheit des Eingriffs in noch nicht erdiente Zuwächse zu belegen. Dafür wird regelmäßig der allgemeine Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht ausreichen. Diese sind im einzelnen darzulegen. Anderweitige Sanierungsmöglichkeiten müssen zumindest erwogen und ihre Unterlassung plausibel erläutert werden. Maßnahmen, die auf den ersten Blick dem Sanierungszweck offen zuwiderlaufen, müssen erklärt werden und plausibel sein.
Nach diesen Maßstäben war der vorgenommene Eingriff vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Lage des Beklagten sachlich gerechtfertigt. Es ist zwischen den Parteien nicht umstritten, daß rund 70 % der Gesamtkosten, die beim Beklagten anfallen, Personalkosten sind. Von den verbleibenden 30 % Sachkosten sind eine großer Teil durch Miete aufgezehrte Fixkosten. Hierauf hat der Beklagte nach eigenem, nicht bestrittenen Vorbringen dadurch reagiert, daß er die Anmietung neuer Räume beschlossen hat, durch die jährliche Einsparungen bei Mietzins in der Größenordnung von 50.000,00 DM eintreten. Er hat weiter geltend gemacht, sonstige Einsparmöglichkeiten von erheblicherem Umfang, die anstelle des Eingriffs in Zuwächse bei der betrieblichen Altersversorgung mit einem Einspareffekt von immerhin 250.000,00 DM zur Sanierung beitragen könnten, gebe es nicht.
Die Einwände, die der Kläger demgegenüber erhebt, verfangen nicht: Der Kläger hat zunächst gerügt, der Beklagte habe eine Stelle „Hauswirtschaftsleiter/in” für einen zu frühen Zeitpunkt neu besetzt. Allein hierdurch hätten 25.000,00 DM gespart werden können. Demgegenüber hat der Beklagte, ohne daß der Kläger dem noch einmal entgegengetreten wäre, darauf hingewiesen, daß die Hauswirtschaftsleiterin bereits zum Ausschreibungsstichtag benötigt worden sei, weil Daueraufgaben angefallen seien, die bereits zu diesem Zeitpunkt hätten erledigt werden müssen.
Soweit der Kläger rügt, daß der Beklagte anstelle des bisherigen Geschäftsführers, der sein Amt niedergelegt hat, zwei Geschäftsführer eingestellt hat, ist dieser Vortrag unerheblich. Der Beklagte hat dargelegt, daß er aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Situation und der Vergrößerung seines Betriebes in den letzten Jahren die Übernahme der Sanierungsaufgabe durch zwei Geschäftsführer für geboten halte. Eine solche von der Mitgliederversammlung des Vereins für angemessen gehaltene Maßnahme kann nicht vom Gericht auf seine Sachdienlichkeit hin überprüft werden.
Der Kläger rügt weiter, daß der ausgeschiedene Geschäftsführer L ausweislich der Bilanz zum 31. Dezember 1998 einen „Versorgungsausgleich” in der Größenordnung von 10.963,10 DM erhalten habe, obwohl er aufgrund einer Eigenkündigung ausgeschieden sei. Insoweit sei eine Einhaltung des Grundsatzes der Sparsamkeit beim Ausgabeverhalten des Beklagten nicht erkennbar. Auch dies kann dem vorgenommenen Eingriff die rechtfertigende Grundlage nicht entziehen. Selbst wenn es sich insoweit um eine Ausgabe gehandelt haben sollte, für die es rechtlich zwingende Gründe nicht gab, würde das doch nicht das nachvollziehbare und gerechtfertigte Sanierungsziel des Beklagten und das Erfordernis, durch die Einsparung von 250.000,00 DM jährlich zu diesem Ziel beizutragen, in Frage stellen. Es handelt sich hier um eine Einzelposition von relativ geringem Umfang. Darüber hinaus ist das Vorbringen des Klägers in diesem Punkt auch in sich nicht nachvollziehbar. Die genannte Position findet sich in der Bilanz für 1998, die zum Beleg für die bereits eingetretene wirtschaftliche Problematik vorgelegt worden ist. Der frühere Geschäftsführer L # ist zum 9. Februar 1999 bei dem Beklagten ausgeschieden, so daß sich aus dieser Position jedenfalls nicht ohne weiteres ein verschwenderisches Verhalten des Beklagten nach Erkenntnis des Sanierungsbedarfs entnehmen läßt.
Soweit der Kläger im übrigen im einzelnen auf Bilanzpositionen verweist, die nach seiner Auffassung die Weigerung des Beklagten zeigen, anderweitig vorhandene Einsparpotentiale auszuschöpfen, sind seine Einwendungen von vornherein nicht geeignet, die Rechtfertigung des vorgenommenen Eingriffs durch den beim Beklagten bestehenden Sanierungsbedarf in Frage zu stellen. Der Kläger rügt hier lediglich, daß der Beklagte in der Vergangenheit, bevor die eingetretenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten im einzelnen festgestellt wurden und der Beklagte hierauf durch sein Schreiben aus Dezember 1998 und die Kündigung der BV 93 reagierte, ein unangemessenes Ausgabeverhalten gezeigt habe. Dies mag sein, auch wenn die einzelnen Rügen nicht durchgängig plausibel erscheinen. Etwaiges kaufmännisches Fehlverhalten in der Vergangenheit, das zu der eingetretenen wirtschaftlichen Situation geführt hat, kann weder den Sanierungsbedarf, noch die Berechtigung des Vereins, hierauf durch Kosteneinsparungen auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung zu reagieren, beseitigen.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Martschin, Ludwig
Fundstellen
Haufe-Index 738246 |
BAGE, 75 |
BB 2002, 1376 |
DB 2002, 1114 |
NWB 2002, 2036 |
ARST 2002, 260 |
EWiR 2002, 693 |
FA 2002, 281 |
NZA 2002, 1164 |
SAE 2003, 221 |
ZIP 2002, 907 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 15 |
EzA |
AUR 2002, 236 |